Beschluss vom 23.07.2004 -
BVerwG 5 B 58.03ECLI:DE:BVerwG:2004:230704B5B58.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 23.07.2004 - 5 B 58.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:230704B5B58.03.0]

Beschluss

BVerwG 5 B 58.03

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 17.04.2003 - AZ: OVG 14 A 1149/02

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 23. Juli 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. S ä c k e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. R o t h k e g e l und
Prof. Dr. B e r l i t
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerinnen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 17. April 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerinnen tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren 8 000 € festgesetzt.

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts hat keinen Erfolg.
1. Der Beschwerde der Klägerin zu 2 kann schon deswegen nicht stattgegeben werden, weil ihre Revision bereits daran scheitern müsste, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts, soweit es die Klage (der Klägerin zu 2) abgewiesen hat, rechtskräftig ist; denn in die Berufung ist - infolge der Berufung der Beklagten - nur das Klagebegehren der Klägerin zu 1 gelangt, dem das Verwaltungsgericht entsprochen hat. Der von den Klägerinnen angegriffene Beschluss des Oberverwaltungsgerichts müsste darum gegenüber der Klägerin zu 2 in jedem Fall Bestand haben (vgl. § 144 Abs. 4 VwGO).
2. Die Beschwerde der Klägerin zu 1 ist unbegründet.
a) Der Rechtssache kommt die von der Beschwerde geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht zu.
Die Beschwerde hält die Frage für klärungsbedürftig, "ob die in § 27 Abs. 2 BVFG (a.F. und n.F.) normierte 'besondere Härte' bei einem Antragsteller im Zeitpunkt der Antragstellung vorliegen muss oder bezogen auf den Zeitpunkt des (endgültigen) Verlassens des Aussiedlungsgebiets gegeben sein muss". Es kann dahinstehen, ob diese Frage nicht schon durch das Urteil des Senats vom 22. November 2001 - BVerwG 5 C 31.00 - (BVerwGE 115, 249 <250>) - in einem dem Rechtsstandpunkt der Beschwerde entgegengesetzten Sinne - geklärt ist, wonach nach dem Verlassen des Aussiedlungsgebietes eingetretene Umstände "wie z.B. der Wegfall des Härtegrundes" nicht unberücksichtigt zu bleiben haben, "wenn die Erteilung des Aufnahmebescheides ... bis dahin nicht erfolgt ist". Der von der Beschwerde aufgeworfenen Frage kommt in ihrer Allgemeinheit hier eine grundsätzliche Bedeutung im Sinne revisionsgerichtlicher Klärungsbedürftigkeit jedenfalls deshalb nicht zu, weil die Berufungsentscheidung tragend auf den Gesichtspunkt gestützt ist, dass "Härtegründe, die zu keinem Zeitpunkt während des Betreibens des Aufnahmeverfahrens von Bedeutung sind, (es) nicht rechtfertigen, von der grundsätzlich normierten Wohnsitzanforderung des § 27 Abs. 1 BVFG abzuweichen", und dieser Rechtsstandpunkt zumindest bei einer Fallgestaltung, wie sie hier vorliegt, so offensichtlich zutreffend ist, dass seine Überprüfung nicht einem Revisionsverfahren vorbehalten bleiben muss. Es liegt auf der Hand, dass mit Härtegesichtspunkten, die - nach den gemäß § 137 Abs. 2 VwGO verbindlichen Tatsachenfeststellungen der Vorinstanz - bei der über vier Jahre nach dem endgültigen Verlassen des Aussiedlungsgebietes erfolgten Einleitung des Verfahrens über die Erteilung eines Aufnahmebescheides auf dem Härteweg bereits seit länger als einem Jahr entfallen waren (und für die es im Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung auch keine Anhaltspunkte gibt, dass sie in absehbarer Zeit wiederkehren könnten), eine "Härte" im Sinne von § 27 Abs. 2 BVFG nicht begründet werden kann.
b) Die Revision kann auch nicht wegen der von der Beschwerde behaupteten Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zugelassen werden.
Hier kann offen bleiben, ob die Beschwerde sich auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. April 1994 - BVerwG 9 C 343.93 - (DVBl 1994, 938), wonach die Frage, ob eine besondere Härte vorliegt, sich nach dem Zeitpunkt des Verlassens des Aussiedlungsgebietes richte, nach dem Ergehen des genannten Urteils vom 22. November 2001 noch berufen kann; denn der die Berufungsentscheidung tragende rechtliche Gesichtspunkt, dass zwischen dem Härtegrund und der Stellung eines Aufnahmeantrags nach Verlassen des Herkunftsgebietes ein gewisser (auch) zeitlicher Zusammenhang bestehen muss, hindert nicht, für die Frage, ob eine "besondere Härte" im Sinne des Gesetzes vorliegt, generell auf den Zeitpunkt der Ausreise aus dem Herkunftsgebiet abzustellen, sondern trifft eine (daran anknüpfende, weitergehende) Aussage darüber, unter welchen Voraussetzungen im Zeitpunkt der Ausreise bestehende Härtegründe rechtsunbeachtlich werden können. Im Übrigen hat der Senat durch Urteil vom 18. November 1999 - BVerwG 5 C 3.99 - (BVerwGE 110, 99 <104>) - wenn auch in Bezug auf "Umstände, die eine Rückkehr in das Aussiedlungsgebiet zum Zwecke der Durchführung des regulären Aufnahmeverfahrens in hohem Maße unzumutbar machen" - entschieden, dass "auch Raum für die Berücksichtigung nach dem Verlassen des Vertreibungsgebietes eingetretener Umstände (verbleibe)", und in seinem Urteil vom 22. April 2004 - BVerwG 5 C 27.02 - an der Rechtsprechung, soweit ihr entnommen werden könnte, es komme bei Klagen auf Erteilung eines Aufnahmebescheides nach § 27 Abs. 2 BVFG entgegen den für Verpflichtungsklagen sonst geltenden Grundsätzen auf eine zu einem früheren Zeitpunkt als den der mündlichen (Berufungs-)Verhandlung bestehende Rechtslage an, nicht festgehalten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 13 Abs. 1 Satz 2, § 14 GKG a.F. i.V.m. § 72 GKG in der Fassung des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 5. Mai 2004 (BGBl I S. 718).