Beschluss vom 23.05.2012 -
BVerwG 3 B 72.11ECLI:DE:BVerwG:2012:230512B3B72.11.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 23.05.2012 - 3 B 72.11 - [ECLI:DE:BVerwG:2012:230512B3B72.11.0]

Beschluss

BVerwG 3 B 72.11

  • Sächsisches OVG - 20.04.2011 - AZ: OVG 1 A 98/08

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 23. Mai 2012
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley und die
Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler und Buchheister
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 20. April 2011 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 543,69 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der geltend gemachte Revisionszulassungsgrund eines Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist nicht in der gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderlichen Weise bezeichnet; soweit dem Substanziierungserfordernis genügt wurde, liegt der gerügte Verfahrensfehler nicht vor.

2 1. Der Kläger wendet sich dagegen, dass ihm für die Durchführung einer Ersatzvornahme Kosten in Höhe von 843,16 € auferlegt wurden. Der Kläger ist Eigentümer mehrerer Teichgrundstücke, über die öffentliche Wege verlaufen. Dort hatte er massive Absperrungen bestehend aus Beton- und Metallteilen sowie Baumstämmen angebracht, außerdem Beschilderungen, nach denen das Betreten und der Durchgang verboten waren. Mit Bescheid vom 9. Juli 2002 gab ihm die Beklagte unter Anordnung des Sofortvollzugs und Androhung der Ersatzvornahme deren Beseitigung auf. Als der Kläger dem nicht nachkam, entfernte die Beklagte am 19. und 25. November 2002 die im Bescheid bezeichneten Absperrungen und Schilder. Entfernt wurden am 19. November 2002 außerdem drei vom Kläger zusätzlich angebrachte Verbotsschilder; stattdessen stellte die Beklagte eigene Hinweisschilder auf. Am 25. November 2011 erfolgten die Restarbeiten zur Beseitigung der Absperrungen, zudem wurde nach vergeblicher Aufforderung des Klägers eine Erdmulde eingeebnet, die er auf einem der Wege angelegt hatte. Mit Bescheid vom 14. Januar 2003 verlangte die Beklagte Kostenerstattung in Höhe von 843,16 €; angesetzt waren dabei für den 19. November 2002 ein jeweils vierstündiger Einsatz von vier Mitarbeitern und für den 25. November 2011 ein jeweils vierstündiger Einsatz von zwei Mitarbeitern der Beklagten. Die hiergegen nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Dresden mit Urteil vom 27. April 2006 abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat das Sächsische Oberverwaltungsgericht die an den Arbeiten beteiligten Mitarbeiter der Beklagten als Zeugen und deren Bürgermeister informatorisch zum Umfang des Personaleinsatzes und der Arbeiten gehört. Es hat die erstinstanzliche Entscheidung mit Urteil vom 20. April 2011 geändert und die angefochtenen Bescheide aufgehoben, soweit der dort festgesetzte Betrag 543,69 € übersteigt. Es hätten als Personalkosten nur jeweils drei Arbeitsstunden für je zwei Mitarbeiter des einfachen Dienstes für den Einsatz am 19. und 25. November 2002 und drei Stunden für die Vollzugsbedienstete des gehobenen Dienstes am 19. November 2002 angesetzt werden dürfen. Nicht als Kosten der Ersatzvornahme geltend gemacht werden dürften die für den Bürgermeister angesetzten Arbeitsstunden sowie der Zeitaufwand für das Aufstellen der gemeindeeigenen Schilder und für das Einebnen der Mulde. Den Umfang der ansatzfähigen Arbeitsstunden habe der Senat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und unter Berücksichtigung des Protokolls über die Durchführung der Ersatzvornahme geschätzt (§ 173 VwGO i.V.m § 287 ZPO).

3 2. Die vom Kläger erhobene Rüge eines Verstoßes gegen seinen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO), einer Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 86 Abs. 1 VwGO) sowie einer Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) führt nicht zur Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.

4 a) Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist mit der Beschwerde nicht gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO schlüssig dargetan. Entgegen der Behauptung des Klägers hat das Berufungsgericht seinen Vortrag, es seien an den fraglichen Tagen nicht nur die von ihm angebrachten Absperrungen und Schilder beseitigt, sondern auch gemeindeeigene Schilder aufgestellt worden, ausweislich der Sachverhaltsdarstellung im angefochtenen Urteil zur Kenntnis genommen, ebenso die daran geknüpfte Erwartung des Klägers, der für die Aufstellung dieser Schilder anzurechnende Zeitanteil sei höher zu veranschlagen. Erwähnt ist dort auch der Vortrag des Klägers, dass vier Schranken „herausgerissen“ worden seien (vgl. dazu S. 6 f. des Berufungsurteils). Aus dem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs lässt sich jedoch kein Anspruch darauf herleiten, dass das Gericht im Rahmen der Sachverhaltswürdigung dem Vortrag eines Beteiligten auch die von ihm gewünschte Bedeutung beimisst. Hier konnte das Berufungsgericht in Auswertung des Protokolls, das bei der Durchführung der Ersatzvornahme angefertigt worden war, der von ihm durchgeführten Zeugenvernehmungen und der Photos der abgebauten Absperrungen in den Verwaltungsakten zu einer von der Auffassung des Klägers abweichenden Einschätzung des in der Kostenrechnung anzusetzenden Zeitanteils gelangen.

5 b) Zu Unrecht sieht der Kläger den Amtsermittlungsgrundsatz des § 86 Abs. 1 VwGO deshalb verletzt, weil es das Berufungsgericht unterlassen habe, einen Bausachverständigen zur Beurteilung der Frage heranzuziehen, welchen Zeitaufwand das Setzen von sechs gemeindeeigenen Schildern und vier gemeindeeigenen Ortstafeln durch zwei Mitarbeiter des Beklagten erfordert habe. Nachdem der auch im Berufungsverfahren anwaltlich vertretene Kläger in der dort durchgeführten mündlichen Verhandlung keinen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat, kommt nach ständiger Rechtsprechung (vgl. Beschlüsse vom 2. März 1978 - BVerwG 6 B 24.78 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 164 S. 43 f., vom 1. April 1997 - BVerwG 4 B 206.96 - NVwZ 1997, 890, 893 sowie vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - NJW 1997, 3328) ein Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz nur dann in Betracht, wenn sich dem Gericht die vermisste Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen. Hier hatte das Berufungsgericht in einem Vergleichsvorschlag (§ 106 VwGO) bereits darauf hingewiesen, dass es ihm sachgerecht erscheine, jeweils eine Stunde von den in der Kostenrechnung in Ansatz gebrachten vier Stunden abzuziehen; zudem war die Frage der Anwendbarkeit von § 278 Abs. 1 ZPO und damit die Möglichkeit einer Schätzung ausweislich des Verhandlungsprotokolls in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht erörtert worden. Die nun vermisste Beweiserhebung hat der Kläger gleichwohl nicht beantragt. Nach all dem musste sich dem Berufungsgericht die Notwendigkeit, ein Sachverständigengutachten zu erheben, nicht aufdrängen. Es konnte in dem bei der Durchführung der Ersatzvornahme angefertigten Protokoll über die jeweils durchgeführten Arbeiten, den Angaben der Mitarbeiter und des Bürgermeisters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung sowie den vorliegenden Photos, denen sich die Bauweise der vom Kläger aufgestellten Absperrungen entnehmen ließ, eine ausreichende Tatsachengrundlage für eine Schätzung der Zeitanteile gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 287 ZPO sehen.

6 c) Schließlich ist der vom Kläger behauptete Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 VwGO) nicht dargetan. Ein solcher Mangel liegt nicht schon dann vor, wenn das Gericht bei der Würdigung der beweiserheblichen Tatsachen zu einem anderen Ergebnis kommt als der Beschwerdeführer. Die Beweiswürdigung ist regelmäßig dem sachlichen Recht zuzurechnen und vom Revisionsgericht auch mit Blick auf die Anforderungen von § 108 Abs. 1 VwGO nur auf allgemein gültige Würdigungsgrundsätze zu überprüfen, zu denen die allgemeinen Auslegungsgrundsätze (§§ 133, 157 BGB), die allgemeinen Erfahrungssätze und die Denkgesetze gehören (stRspr.; vgl. u.a. Urteil vom 18. September 1985 - BVerwG 2 C 30.84 - Buchholz 237.5 § 14 LBG Hessen Nr. 2 S. 2 und 6;). Dass das Berufungsgericht bei der vom Kläger angegriffenen Gewichtung des Zeitaufwandes gegen die genannten Grundsätze verstoßen haben könnte, ist nicht ersichtlich. Nach den vom Kläger nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffenen und damit gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts hatten die Mitarbeiter des Beklagten im Wege der Ersatzvornahme nicht - wie der Kläger nun behauptet - zwei Schranken, sondern insgesamt sechs Absperrungen zu beseitigen, die ausweislich des Berufungsurteils auf Betonteilen verankert waren, die schwer und nur unter Zuhilfenahme aufwendiger Technik entfernt werden konnten. Dem Protokoll und den Zeugenaussagen hat das Berufungsgericht ferner entnommen, dass die weit überwiegende Zeit für das Beseitigen der Sperren und das Entfernen der Metallschrankenunterteile aufgewendet werden musste (S. 10 ff. des Berufungsurteils). Ausgehend davon ist der vom Kläger gerügte Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz nicht zu erkennen. Ein Verstoß gegen die Denkgesetze, wie er in der Beschwerde geltend gemacht wird, setzt voraus, dass das Tatsachengericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung einen aus denkgesetzlichen Gründen schlechthin unmöglichen Schluss gezogen hat; der Vorwurf der Verletzung von Denkgesetzen trifft also nicht schon dann zu, wenn das Gericht nach Meinung eines Beschwerde- bzw. Revisionsführers einen unrichtigen, gleichwohl aber möglichen - und hier hinsichtlich der in Ansatz zu bringenden Zeitanteile sogar nahe liegenden - Schluss gezogen hat (vgl. Urteil vom 6. Februar 1975 - BVerwG 2 C 68.73 - BVerwGE 47, 330 <361>).

7 Von einer weiteren Begründung seines Beschlusses sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO ab.

8 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 3 GKG.