Beschluss vom 23.04.2004 -
BVerwG 7 B 22.04ECLI:DE:BVerwG:2004:230404B7B22.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 23.04.2004 - 7 B 22.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:230404B7B22.04.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 22.04

  • VG Schwerin - 24.06.2003 - AZ: VG 7 A 2655/98

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 23. April 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht S a i l e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht G ö d e l und K l e y
beschlossen:

  1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 24. Juni 2003 wird aufgehoben.
  2. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 150 000 € festgesetzt.

Die Kläger beanspruchen die Rückübertragung eines Hausgrundstücks nach den Vorschriften des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen - VermG -. Das Verwaltungsgericht hat ihre Klage abgewiesen, weil der Beigeladene das Anwesen redlich erworben habe und damit die Rückübertragung nach § 4 Abs. 2 Satz 1 VermG ausgeschlossen sei.
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil ist begründet; denn es leidet an Verfahrensmängeln, auf denen es im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO beruhen kann.
1. Die Kläger rügen zu Recht, dass das Verwaltungsgericht seine Überzeugung von der Redlichkeit des Beilgeladenen unter Verstoß gegen § 108 Abs. 1 VwGO und damit verfahrensfehlerhaft gebildet hat.
Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass der Rechtserwerb durch den Beigeladenen im Einklang mit den seinerzeit geltenden Rechtsvorschriften gestanden habe, so dass die Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 Buchst. a VermG für eine Unredlichkeit nicht vorlägen. Dem Einwand der Kläger, die notwendige Zustimmung der Gemeinde zum Erwerb sei nicht dem Beigeladenen sondern seiner damaligen Lebensgefährtin erteilt worden, hat das Verwaltungsgericht unter anderem die Ausführungen der Zeugin F., der ehemaligen Bürgermeisterin, entgegengehalten, die - insoweit für das Gericht glaubhaft - versichert habe, dass für den Beigeladenen die Zustimmung zum Hauskauf erteilt worden sei. Die Wiedergabe und Würdigung der Zeugenaussage berücksichtigt die Einlassungen der Zeugin ungenau und nur ausschnittsweise. Zwar hat diese ausweislich des Protokolls vom 24. Juni 2003 anfangs erklärt, dass der Rat der Gemeinde die Zustimmung zu dem Hauskauf erteilt habe. Dass dies ausdrücklich gegenüber dem Beigeladenen geschehen ist, hat sie jedoch nicht bekundet. Vielmehr hat sie geschildert, dass die Lebensgefährtin des Beigeladenen das Haus habe kaufen wollen, dazu aber finanziell nicht in der Lage gewesen sei, dem Beigeladenen dies aber möglich gewesen sei. Er sei in der Nachbargemeinde Lehrer und im Dorf bekannt gewesen. Deshalb sei die Zustimmung zu dem Hauskauf erteilt worden. Auf Nachfrage hin hat die Zeugin erläutert, dass sie nicht genau wisse, ob es einen Beschluss der Zustimmung für den Beigeladenen gegeben habe. Später hat sie dann auf eine weitere Nachfrage auch noch erklärt, es könne sein, dass sie dem Beigeladenen eine Wohnraumzuweisung erteilt habe, dies aber nicht mehr wisse. Weiterhin hat sie bekundet, dass es nicht üblich gewesen sei, dass jemand, der habe zusammenziehen wollen, gleich eine große Wohnung bekommen habe und dass der Beigeladene nicht auf der Liste des gewöhnlich zu Jahresbeginn aufgestellten Wohnungsplans gestanden habe. Auf die Frage des Gerichts, warum der Beigeladene dann eine Wohnraumzuweisung erhalten habe, hat die Zeugin erklärt, das wisse sie nicht. Es könne sein, dass sie ihm erst nachträglich erteilt worden sei; das sei allerdings nicht üblich gewesen.
Beurteilt man - wie es eine ordnungsgemäße Überzeugungsbildung gebietet - diese Bekundungen in ihrer Gesamtheit, so ist die Feststellung, die Zeugin habe versichert, dass dem Beigeladenen die Zustimmung zum Hauskauf erteilt worden sei, nicht haltbar. Es ist im Gegenteil offenkundig, dass sich die Zeugin nicht genau erinnern konnte, ob der für die Wohnraumzuweisung zuständige Rat der Gemeinde dem Beigeladenen gegenüber tatsächlich eine solche Erklärung abgegeben hat. Blendet die Würdigung der Aussage somit unter Verstoß gegen § 108 Abs. 1 VwGO wesentliche Einzelheiten des Ergebnisses der Beweisaufnahme aus, beruht auch die Feststellung, der Rechtserwerb durch den Beigeladenen habe im Einklang mit den seinerzeit gültigen Rechtsvorschriften gestanden, auf einer fehlerhaften richterlichen Überzeugungsbildung. Zwar ist diese Feststellung auch auf den Inhalt des notariellen Kaufvertrages, die Bekundungen der Zeugin K. und die Umstände des Geschäfts gestützt worden. Das ändert aber nichts daran, dass die Aussage der ehemaligen Bürgermeisterin zumindest mitbestimmend dafür war, dass keine Verletzung der zum Zeitpunkt des Erwerbs geltenden Rechtvorschriften festgestellt werden konnte.
Abgesehen davon hat das Verwaltungsgericht auch insoweit seine Überzeugung nicht ordnungsgemäß gewonnen, als es bei der Beurteilung des Hauserwerbs weitere, für die Redlichkeit wesentliche Umstände außer Acht gelassen hat. Seine Ausführungen lassen jegliche Auseinandersetzung damit vermissen, dass der Beigeladene nach den Bekundungen der Zeugin F. nicht im Wohnraumvergabeplan aufgeführt war und sogar unklar geblieben ist, ob er überhaupt einen Antrag auf Wohnraumzuweisung gestellt hat.
2. In diesem Zusammenhang leidet das Urteil auch an der von den Klägern sinngemäß gerügten mangelhaften Sachaufklärung nach § 86 Abs. 1 VwGO; denn dem Gericht musste sich aufdrängen, dass seine tatsächlichen Feststellungen für die Beurteilung des Hauserwerbs als ordnungsgemäß nicht ausreichten. Unabhängig davon, dass entgegen der fehlerhaft gebildeten Überzeugung des Gerichts unklar geblieben war, ob der Beigeladene überhaupt eine Wohnraumzuweisung erhalten hatte, hat das Gericht weder ermittelt, welche Wohnfläche das umstrittene Objekt hatte, noch, welche Wohnraumgröße der Beigeladene beanspruchen konnte und ob der Wohnraumbedarf seiner Lebensgefährtin und deren Kinder berücksichtigungsfähig war. Nur auf der Grundlage solcher Feststellungen hätte sich ein zuverlässiges Urteil darüber bilden lassen, ob der Hauserwerb den damaligen Rechtsvorschriften entsprach; denn das Eigentum an einem Wohngebäude durfte nur derjenige erwerben, der zu dessen Nutzung nach den Vorschriften der Wohnraumlenkungsverordnung berechtigt war (vgl. im Einzelnen Urteil vom 27. Januar 2000 - BVerwG 7 C 39.98 - Buchholz 428 § 4 Abs. 3 VermG Nr. 2).
Führt die Beschwerde schon aufgrund dieser Verfahrensfehler zum Erfolg, erübrigt es sich, auf die weiteren Verfahrensrügen der Kläger einzugehen. Der Senat nimmt die festgestellten Verfahrensmängel zum Anlass, das angegriffene Urteil nach § 133 Abs. 6 VwGO aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.