Beschluss vom 23.03.2009 -
BVerwG 7 B 54.08ECLI:DE:BVerwG:2009:230309B7B54.08.0

Leitsatz:

§ 2 Abs. 1 Gorleben-Veränderungssperren-Verordnung steht bereits der Zulassung eines Rahmenbetriebsplans für ein bergrechtliches Vorhaben entgegen, das von dem Anwendungsbereich der Veränderungssperre erfasst wird.

Beschluss

BVerwG 7 B 54.08

  • OVG Lüneburg - 17.07.2008 - AZ: OVG 7 LC 53/05 -
  • Niedersächsisches OVG - 17.07.2008 - AZ: OVG 7 LC 53/05

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 23. März 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Sailer
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Krauß und Neumann
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 17. Juli 2008 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die die selbst trägt.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 70 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Der Kläger wendet sich gegen einen Widerspruchsbescheid, durch den der Funktionsvorgänger des Beklagten, das Landesbergamt Clausthal-Zellerfeld, auf den Widerspruch des beigeladenen Bundesamtes für Strahlenschutz die Zulassung eines bergrechtlichen Rahmenbetriebsplans des Klägers aufgehoben hat; zugleich begehrt er, die Geltungsdauer der Zulassung zu verlängern.

2 Das beigeladene Bundesamt für Strahlenschutz betreibt im Nordfeld des Salzstocks Gorleben ein Bergwerk, durch das der Salzstock auf seine Eignung erkundet werden soll, dort ein Endlager für radioaktive Abfälle zu errichten. Grundlage des Bergwerks ist unter anderem ein 1983 zugelassener Rahmenbetriebsplan. Er sieht vor, Strecken auch in das Südwestfeld aufzufahren. Haupt- und Sonderbetriebspläne liegen hierfür bisher nicht vor.

3 Der Kläger ist Inhaber einer Salzabbaugerechtigkeit. Er beantragte beim zuständigen Bergamt die Zulassung eines Rahmenbetriebsplans. Er sieht die Erkundung und gegebenenfalls Gewinnung von Salz im Salzstock Gorleben vor. Für die Erkundung ist eine Bohrung bis in eine Tiefe von 850 m geplant. Sie soll etwa 1 500 m entfernt von dem nächstgelegenen Schacht des Erkundungsbergwerks der Beigeladenen ansetzen.

4 Das Bergamt ließ den Rahmenbetriebsplan des Klägers zu. Auf den Widerspruch der Beigeladenen hob das Landesbergamt die Zulassung auf. Der Kläger hat Klage erhoben. Mit ihr hat er unter anderem beantragt, den Widerspruchsbescheid aufzuheben und das Bergamt zu verpflichten, die Geltungsdauer der Zulassung zu verlängern. Das Verwaltungsgericht hat der Klage insoweit stattgegeben. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen, soweit das Verwaltungsgericht den Widerspruchsbescheid aufgehoben hat: Der Widerspruch der Beigeladenen gegen die Zulassung des Rahmenbetriebsplans des Klägers sei mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig gewesen. Soweit das Verwaltungsgericht den Beklagten verpflichtet hat, die Geltungsdauer des Rahmenbetriebsplans zu verlängern, hat das Oberverwaltungsgericht hingegen die Klage abgewiesen: Der Zulassung des Rahmenbetriebsplans stünden überwiegende öffentliche Interessen im Sinne des § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG entgegen, nämlich das Interesse, einen Standort für ein Endlager für Wärme entwickelnde radioaktive Abfälle zu finden. Aus der Verbotsnorm des § 2 Abs. 1 der Verordnung zur Festlegung einer Veränderungssperre zur Sicherung der Standorterkundung für eine Anlage zur Endlagerung radioaktiver Abfälle im Bereich des Salzstocks Gorleben (Gorleben-Veränderungssperren-Verordnung) vom 25. Juli 2005 (BAnz 2005 Nr. 153 S. 12385) ergebe sich, dass ein öffentliches Interesse an der Erkundung von Lagerstätten für eine geordnete Endlagerung bestehe.

5 Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.

II

6 Die Beschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

7 1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

8 a) Für klärungsbedürftig hält der Kläger die Fragen,
ob § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 BBergG geeignet ist, einem Nachbarn eine Klagebefugnis gegen die Zulassung eines Rahmenbetriebsplans zu geben,
und
wie der Begriff „zulässigerweise bereits geführter Betrieb“ in dieser Vorschrift zu verstehen ist.

9 Diese Fragen sind indes in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht klärungsfähig und rechtfertigen deshalb nicht die Zulassung der Revision.

10 Nach § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 BBergG ist die Zulassung eines Betriebsplans unter anderem nur dann zu erteilen, wenn die erforderliche Vorsorge getroffen ist, dass die Sicherheit eines zulässigerweise bereits geführten Betriebs nicht gefährdet wird. Das Oberverwaltungsgericht hat zwar diese Vorschrift dahin ausgelegt, sie entfalte für den Inhaber des zulässigerweise bereits geführten Betriebs drittschützende Wirkung. Es hat deshalb angenommen, die Beigeladene sei als Betreiberin des bereits geführten Erkundungsbergwerks gegenüber der Zulassung des Rahmenbetriebsplans des Klägers in entsprechender Anwendung von § 42 Abs. 2 VwGO widerspruchsbefugt gewesen; sie könne geltend machen, ihr zulässigerweise bereits geführter Betrieb werde durch das Vorhaben des Klägers gefährdet. Diese Ausführungen waren für das Oberverwaltungsgericht aber nicht entscheidungserheblich. Denn das Oberverwaltungsgericht hat den Widerspruch der Beigeladenen trotz der ihr zugebilligten Widerspruchsbefugnis aus anderen Gründen, nämlich wegen eines fehlenden Rechtsschutzinteresses, als unzulässig beurteilt. Es hat aus diesem Grund die Aufhebung des zu Gunsten der Beigeladenen ergangenen Widerspruchsbescheids durch das Verwaltungsgericht bestätigt und die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

11 Die zu § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 BBergG aufgeworfenen Fragen sind danach zum einen nicht entscheidungserheblich, zum anderen betreffen sie einen Teil des Urteils, durch den der Kläger nicht beschwert, sondern begünstigt ist.

12 b) Der Kläger hält ferner die Frage für klärungsbedürftig,
ob nicht nur Verbote, sondern auch positive Pflichten, wie die staatliche Pflicht zum Schutz vor den Gefahren der Nutzung der Kernenergie und speziell die staatliche Verpflichtung zur Endlagerung radioaktiver Abfälle, im Rahmen des § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG einem bergrechtlichen Rahmenbetriebsplan entgegenstehen können, mit der Folge, dass er nicht zugelassen werden darf.

13 Der Kläger greift damit die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts in einer früheren Entscheidung auf (Urteil vom 2. November 1995 - BVerwG 4 C 14.94 - BVerwGE 100, 1 <16>). Nach ihr kommen als überwiegende öffentliche Interessen im Sinne des § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG solche in Betracht, die in öffentlich-rechtlichen Vorschriften konkretisiert sind, indem sie Tätigkeiten verbieten oder beschränken, die ihrer Art nach der Aufsuchung oder Gewinnung von Bodenschätzen dienen können. Das Oberverwaltungsgericht hat demgegenüber angenommen, die überwiegenden öffentlichen Interessen im Sinne des § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG müssten sich nicht in expliziten öffentlich-rechtlichen Verbotsnormen manifestieren. Es hat hierzu ausgeführt, jedenfalls im Lichte späterer Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts lasse sich dem vom Kläger angeführten Urteil ein derart enges Verständnis des § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG nicht entnehmen.

14 Ob dies zutrifft, bedürfte aber in dem angestrebten Revisionsverfahren keiner Entscheidung. Die aufgeworfene Frage ist deshalb nicht klärungsfähig. Das Oberverwaltungsgericht hat nämlich die Entscheidung selbstständig tragend darauf gestützt, die überwiegenden öffentlichen Interessen hätten hier ihren Ausdruck in einer öffentlich-rechtlichen Verbotsnorm gefunden, nämlich in § 2 Abs. 1 der Gorleben-Veränderungssperren-Verordnung. Aus ihr ergebe sich, dass ein öffentliches Interesse an der Erkundung von Lagerstätten für eine geordnete Endlagerung bestehe.

15 Gegen diesen selbstständig tragenden Teil der Entscheidungsgründe hat der Kläger keine durchgreifenden Zulassungsgründe vorgebracht. Er hat lediglich beiläufig Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Gorleben-Veränderungssperren-Verordnung in der Auslegung des Oberverwaltungsgerichts geäußert, ohne sich mit den eingehenden Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit der Verordnung auseinanderzusetzen und hierzu eine auf Art. 14 GG bezogene klärungsbedürftige Rechtsfrage zu formulieren. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang ebenfalls ohne nähere Ausführungen darauf abstellt, dass die Verordnung lediglich tatsächliche Eingriffe, nicht aber die Zulassung von Rahmenbetriebsplänen beschränke, ergibt sich keine sinngemäß aufgeworfene klärungsbedürftige Frage zur Auslegung der Gorleben-Veränderungssperren-Verordnung.

16 Es trifft zwar zu, dass nach § 2 Abs. 1 Gorleben-Veränderungssperren-Verordnung Veränderungen unterhalb einer bestimmten Tiefe, die die Standorterkundung erheblich erschweren, nicht vorgenommen werden dürfen. Die Verordnung stellt damit ihrem Wortlaut nach auf tatsächliche Veränderungen ab. Es liegt aber auf der Hand und bedarf deshalb keiner Klärung in einem Revisionsverfahren, dass § 2 Abs. 1 Gorleben-Veränderungssperren-Verordnung damit nicht nur die tatsächliche Vornahme bestimmter Veränderungen verbietet, sondern bereits als rechtliches Genehmigungshindernis der Zulassung solcher Handlungen entgegensteht. § 2 Abs. 1 Gorleben-Veränderungssperren-Verordnung will jegliche Veränderungen verhindern, die die Standorterkundung für das Endlager erheblich erschweren können, gleichgültig, ob diese Veränderungen überhaupt einer öffentlich-rechtlichen Zulassung bedürfen und gegebenenfalls auf welcher Rechtsgrundlage eine solche Zulassung zu erteilen ist. Daraus erklärt sich ohne Weiteres, dass § 2 Abs. 1 Gorleben-Veränderungssperren-Verordnung nicht ausdrücklich an behördliche Zulassungsentscheidungen, sondern sprachlich an Veränderungen allgemein anknüpft.

17 Unerheblich ist ferner, dass die Zulassung des Rahmenbetriebsplans die beabsichtigte Erkundungsbohrung und gegebenenfalls die Gewinnung von Salz noch nicht gestattet, sondern hierfür noch die Zulassung von Hauptbetriebsplänen erforderlich ist. Das zuständige Bergamt hat grundsätzlich schon die Zulassung eines Rahmenbetriebsplans zu versagen, wenn dem Vorhaben als solchem rechtliche Hindernisse entgegenstehen, die seine Zulassungsfähigkeit ausschließen.

18 2. Die Revision kann nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen werden, weil das Oberverwaltungsgericht einen Verfahrensfehler begangen hätte, auf dem die Entscheidung beruht.

19 Der Kläger wirft dem Oberverwaltungsgericht vor, es habe nicht geprüft, ob sein Rahmenbetriebsplan und das Erkundungsvorhaben der Beigeladenen sowie ein mögliches atomares Endlager miteinander vereinbar seien. Unklar ist bereits, welchen konkreten Verfahrensfehler der Kläger damit bezeichnen will. Er legt im Übrigen nicht dar, in welchem rechtlichen Zusammenhang es ausgehend von der materiellen Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts auf die von ihm angesprochenen Gesichtspunkte entscheidungserheblich angekommen wäre.

20 Der Kläger behandelt in seiner Beschwerde im Wesentlichen einzelne Umstände, die von den Beteiligten in erster Instanz und im Berufungsverfahren unter dem rechtlichen Gesichtspunkt erörtert worden sind, ob § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 BBergG der Zulassung des Rahmenbetriebsplans des Klägers entgegensteht. Auf die Voraussetzungen dieser Vorschrift kam es indes nach der materiellrechtlichen Auffassung des Oberverwaltungsgerichts nicht entscheidungserheblich an. Das Oberverwaltungsgericht hatte deshalb auch keinen Anlass, in seinem Urteil auf die Frage einzugehen, ob das Vorhaben des Klägers mit dem bereits betriebenen Erkundungsbergwerk der Beigeladenen im Sinne des § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 BBergG vereinbar ist.

21 Für die Anwendung von § 2 Abs. 1 der Gorleben-Veränderungssperren-Verordnung kam es wiederum nur darauf an, ob der Kläger sein Vorhaben im Planungsgebiet verwirklichen will und sein Vorhaben die Standorterkundung erheblich erschwert. Letzteres hat das Oberverwaltungsgericht unter Auswertung der im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten angenommen. Hiermit setzt der Kläger sich nicht auseinander.

22 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.