Beschluss vom 22.12.2004 -
BVerwG 9 B 48.04ECLI:DE:BVerwG:2004:221204B9B48.04.0

Beschluss

BVerwG 9 B 48.04

  • Bayerischer VGH München - 23.07.2004 - AZ: VGH 6 B 00.1402

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 22. Dezember 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. S t o r o s t
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. E i c h b e r g e r und
D o m g ö r g e n
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 23. Juli 2004 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen gesamtschuldnerisch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 324,21 € festgesetzt.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die zu ihrer Begründung angeführten Gesichtspunkte rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision unter den geltend gemachten Zulassungsgründen der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) oder der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
1. Die von der Beschwerde als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnete Frage,
ob "der aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) abgeleitete Einwand der unzulässigen Rechtsausübung gegenüber dem Einwand der Verjährung nach § 232 AO ausgeschlossen" ist,
wäre in dem angestrebten Revisionsverfahren einer Klärung nicht zugänglich, weil sie im Streitfall nichtrevisibles Landesrecht betrifft. Zwar gilt der Grundsatz von Treu und Glauben in der gesamten Rechtsordnung; es handelt sich um einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, der in verschiedener, von der Rechtsprechung konkretisierter Ausformung (etwa unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung, der unzulässigen Rechtsausübung oder des Rechtsmissbrauchs) Lücken des geschriebenen Rechts ausfüllt. In der bundesstaatlichen Rechtsordnung ist er dann der gleichen Ebene zuzuordnen wie das Recht, zu dessen Ergänzung er herangezogen wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. September 2000 - BVerwG 4 B 65.00 - Buchholz 310 § 137 Abs. 1 VwGO Nr. 15; Neumann, in Nomos-Kommentar zur VwGO, § 137 Rn. 83; beide m.w.N.). Dies ist hier das Landesrecht.
Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass die Abwicklung und damit auch das Erlöschen (hier: durch Verjährung) eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs aus einem nichtigen Vertrag über die Ablösung von Erschließungskosten dem jeweiligen Landesrecht zuzuordnen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 1981 - BVerwG 8 C 8.81 - Buchholz 406.11 § 133 BBauG Nr. 78 = NVwZ 1982, 377; Urteil vom 27. Januar 1982 - BVerwG 8 C 99.81 - Buchholz 406.11 § 133 BBauG Nr. 80 = NJW 1982, 2392 <2393>; OVG Lüneburg, Urteil vom 10. Oktober 1995 - OVG 9 L 6025/93, 10 A 2/93 - KStZ 1997, 78; OVG Greifswald, Beschluss vom 1. Oktober 2003 - OVG 1 M 130/03 - NVwZ-RR 2004, 370; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeitragsrecht, 7. Aufl. 2004, § 22 Rn. 19). Folglich ist im Streitfall die Frage, ob der Einwand der Verjährung gegenüber diesem landesrechtlichen Erstattungsanspruch ausnahmsweise unter dem Aspekt von Treu und Glauben als unzulässige Rechtsausübung ausgeschlossen ist, ebenfalls eine Frage des Landesrechts. Der herangezogene Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben teilt insoweit die Irrevisibilität des landesrechtlichen Erstattungsrechtsverhältnisses. Dass dabei über Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 b, Nr. 5 a BayKAG Vorschriften der bundesrechtlichen Abgabenordnung über die Verjährung (§§ 37, 228 ff. AO) zur Anwendung kommen, macht die aufgeworfene Rechtsfrage ebenfalls nicht zu einer des Bundesrechts, weil die Vorschriften der AO lediglich kraft landesrechtlichen Gesetzesbefehls Anwendung finden und damit ebenfalls dem Landesrecht zuzuordnen sind (vgl. Neumann, a.a.O., § 137 Rn. 97, m.w.N. in Fn. 4 insbesondere zur Verweisung der Kommunalabgabengesetze der Länder auf die AO).
2. Die Revision ist auch nicht, wie die Beschwerde geltend macht, wegen Abweichung der angegriffenen Entscheidung von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Mai 1966 - BVerwG VII C 139.64 (BVerwGE 24, 154 <156> = DVBl 1966, 749 <750>) zuzulassen. Das würde voraussetzen, dass der Verwaltungsgerichtshof bezogen auf dieselbe Rechtsvorschrift des Bundesrechts von einem in diesem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten abstrakten Rechtssatz abgewichen wäre. Daran fehlt es hier. Das von der Beschwerde bezeichnete Urteil ist zu einer bundesrechtlich geregelten Ausschlussfrist im Subventionsrecht ergangen; das Bundesverwaltungsgericht hat dazu ausgesprochen, dass der Grundsatz von Treu und Glauben aus Gründen der Rechtssicherheit im Bereich des Subventionsrechts nur in einem sehr beschränkten Umfang angewandt werden kann.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 S. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47, § 52 Abs. 3, § 63 Abs. 2 i.V.m. § 72 Nr. 1 GKG n.F.