Beschluss vom 22.12.2004 -
BVerwG 1 B 54.04ECLI:DE:BVerwG:2004:221204B1B54.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 22.12.2004 - 1 B 54.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:221204B1B54.04.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 54.04

  • Niedersächsisches OVG - 12.01.2004 - AZ: OVG 8 L 3730/99

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 22. Dezember 2004
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts E c k e r t z - H ö f e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht R i c h t e r und Prof. Dr. D ö r i g
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 12. Januar 2004 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die auf Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
Die Beschwerde rügt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 138 Nr. 3, § 108 Abs. 2 VwGO i.V.m. Art. 103 Abs. 1 GG). Sie beanstandet, das Berufungsgericht hätte nicht im Beschlussverfahren nach § 130 a VwGO entscheiden dürfen. Zwar habe das Berufungsgericht - vor der Zurückverweisung der Sache durch das Bundesverwaltungsgericht - eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Damals - im Jahre 1997 - hätten die Kläger aber keine Gelegenheit gehabt, sich zu ihren Krankheiten und den medizinischen Behandlungsmöglichkeiten im Kosovo zu äußern. Ihnen hätte daher im fortgesetzten Berufungsverfahren Gelegenheit gegeben werden müssen, hierzu in einer mündlichen Verhandlung Ausführungen zu machen. Im Übrigen habe das Berufungsgericht offenbar nicht berücksichtigt, dass es die Berufung - im Jahre 1995 - wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache bzw. wegen nachträglicher Divergenz zugelassen hat. Auch dies weise auf eine fehlerhafte Ermessensausübung des Berufungsgerichts hinsichtlich § 130 a VwGO hin.
Mit diesem Vorbringen ist eine Gehörsverletzung nicht dargetan. Nach § 130 a Satz 1 VwGO kann das Berufungsgericht über die Berufung durch Beschluss entscheiden, wenn es sie einstimmig für begründet oder unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Das dem Berufungsgericht damit eingeräumte Ermessen hinsichtlich der Notwendigkeit einer mündlichen Verhandlung kann vom Revisionsgericht nur auf sachfremde Erwägungen oder grobe Fehleinschätzungen überprüft werden (stRspr; vgl. etwa Beschluss vom 10. April 1992 - BVerwG 9 B 142.91 - Buchholz 310 § 130 a VwGO Nr. 5). Der pauschale Hinweis der Beschwerde auf die Gründe für die Zulassung der Berufung führt in diesem Zusammenhang nicht weiter. Die Zulassung der Berufung liegt im Falle der Kläger viele Jahre zurück. Ob die für die damalige Zulassung der Berufung maßgebenden Gründe heute noch Veranlassung geben, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, kann nicht allgemein, sondern nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles beurteilt werden. Hierzu hat die Beschwerde jedoch nichts vorgebracht. Die Beschwerde zeigt auch ansonsten nicht auf, dass das Berufungsgericht Veranlassung gehabt hätte, eine (weitere) mündliche Verhandlung durchzuführen. Zu Unrecht vergleicht die Beschwerde den Fall der Kläger mit der Konstellation einer Klageänderung. Sie geht nicht darauf ein, dass das Berufungsgericht über Monate hinweg damit befasst war, Ermittlungen zu den medizinischen Behandlungsmöglichkeiten im Kosovo und zur Erhältlichkeit bestimmter Medikamente dort anzustellen. Sie geht ferner nicht darauf ein, dass die Beteiligten mehrfach Gelegenheit hatten und davon auch Gebrauch gemacht haben, sich zu den jeweils neuen Erkenntnissen schriftsätzlich zu äußern. Sie geht schließlich auch nicht darauf ein, dass das Berufungsgericht seine rechtliche Einschätzung zu den Krankheiten der Kläger als zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse gemäß § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG bereits in seinen Anhörungsmitteilungen nach § 130 a VwGO offen gelegt und damit den Klägern die Möglichkeit eröffnet hat, ihr Vorbringen zu ergänzen und zu präzisieren. Inwiefern bei dieser Sachlage eine (erneute) persönliche Anhörung der Kläger geboten gewesen sein soll, macht die Beschwerde nicht ersichtlich.
Der Sache nach rügt die Beschwerde eine weitere Verletzung des rechtlichen Gehörs. Sie beanstandet, das Berufungsgericht habe wesentliches Vorbringen der Kläger nicht berücksichtigt; so hätten die vorgelegten ärztlichen Atteste ergeben, dass sowohl der Kläger zu 1 als auch die Klägerin zu 2 "regelmäßig und engmaschig" ärztlicher Behandlung und Beobachtung bedürften; es liege auf der Hand, dass eine plötzliche Verschlechterung der Krankheiten eintrete, falls ärztliche Hilfe nicht sofort erreichbar sei; das Berufungsgericht sei demgegenüber davon ausgegangen, für eine plötzliche Verschlechterung der Krankheiten im Kosovo spreche keine beachtliche Wahrscheinlichkeit, sie sei lediglich nicht auszuschließen. Der Vorwurf der Gehörsverletzung trifft nicht zu. Das Berufungsgericht hat das Vorbringen der Kläger, sie benötigten eine engmaschige und umfassende ärztliche und medikamentöse Behandlung, im Tatbestand seiner Entscheidung ausdrücklich wiedergegeben (UA S. 5). Es hat sich auch im Rahmen seiner rechtlichen Würdigung damit im Einzelnen auseinander gesetzt (UA S. 13 ff.). In Wahrheit greift die Beschwerde in diesem Zusammenhang die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Berufungsgerichts an. Damit kann sie die Zulassung der Revision nicht erreichen.
Schließlich greift auch die als Aufklärungsrüge bezeichnete Rüge nicht durch, das Berufungsgericht habe seine Überzeugung ohne ausreichende Prüfung des Sachverhalts und "auf der Grundlage eines Widerspruchs gebildet". Zum einen legt die Beschwerde nicht dar, weshalb sich dem Gericht Aufklärungsmaßnahmen hätten aufdrängen müssen und weshalb die anwaltlich vertretenen Kläger nicht auf solche hingewirkt haben. Zum anderen ist aber auch der behauptete Widerspruch in der Begründung des Berufungsgerichts nicht ersichtlich. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Kläger die ihnen in Deutschland verabreichten Medikamente vom Kosovo aus auf eigene Kosten im Ausland bestellen könnten, sofern die Medikamente im Kosovo nicht erhältlich seien oder aber im Kosovo kostenlos Ersatzmedikamente erhalten könnten. Hiergegen ist im Sinne der Beschwerde nichts zu erinnern.
Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG a.F. (= § 83 b AsylVfG i.d.F. des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 5. Mai 2004, BGBl I S. 718) nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG a.F. (vgl. § 60 RVG).