Beschluss vom 22.12.2003 -
BVerwG 1 B 142.03ECLI:DE:BVerwG:2003:221203B1B142.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 22.12.2003 - 1 B 142.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:221203B1B142.03.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 142.03

  • Schleswig-Holsteinisches OVG - 05.03.2003 - AZ: OVG 4 LB 52/02

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 22. Dezember 2003
durch den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. M a l l m a n n ,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht B e c k und den Richter
am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. D ö r i g
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 5. März 2003 wird verworfen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Sie legt einen Revisionszulassungsgrund im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise dar.
Die Beschwerde beruft sich zwar auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), zeigt aber nicht - wie hierfür erforderlich - auf, dass der Fall des Klägers eine klärungsfähige und klärungsbedürftige Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung aufwirft. Mit ihren Ausführungen aus Seite 2 und 3 der Beschwerdebegründung formuliert sie keine bestimmte Frage, sondern greift in der Art einer Berufungsbegründung die Versagung von Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 AuslG in verfassungskonformer Anwendung durch das Oberverwaltungsgericht an. Sie meint, dem Kläger, einem 1995 in Deutschland geborenen Kind kongolesischer Eltern, drohe bei einer Abschiebung in die Demokratische Republik Kongo eine Gefahr im Sinne des § 53 Abs. 6 AuslG, weil er wegen einer nicht vorhandenen Anpassungsmöglichkeit im Immunsystem an die dortigen Infektions- und Erkrankungsrisiken vor dem Hintergrund der mangelhaften Versorgungslage und des katastrophalen Zustandes des Gesundheitswesens alsbald schwerwiegend an einer Tropenerkrankung mit der Folge schwerster gesundheitlicher Schäden bis hin zum Tod erkranken würde, und hält "aufgrund der sich landesweit ständig verschlechternden allgemeinen wirtschaftlichen Situation sowie auch der im Gesundheitswesen zunehmend belasteten Situation" eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache für gegeben. Mit diesem Vorbringen wirft die Beschwerde auch sinngemäß keine Rechtsfrage auf, sondern zielt auf eine Klärung der tatsächlichen Verhältnisse in der Demokratischen Republik Kongo. Diese ist aber nach der Prozessordnung den Tatsachengerichten vorbehalten und kann eine Zulassung der Revision wegen rechtsgrundsätzlicher Bedeutung nicht rechtfertigen.
Soweit die Beschwerde ferner die Frage als grundsätzlich bedeutsam aufwirft, ob die in diesem Rechtsstreit kontrovers diskutierten Sachverständigengutachten von Prof. Dr. Dietrich vom 2. April 2002 und von Dr. Junghanss vom 9. Februar 2001 und vom 15. Oktober 2001 im Hinblick auf die Gefahren im Falle einer baldigen Erkrankung nach der Rückkehr noch auf die aktuellen Verhältnisse in der Demokratischen Republik Kongo angewandt werden können (Beschwerdebegründung S. 4), zeigt sie ebenfalls keine verallgemeinerungsfähig zu beantwortende grundsätzliche Rechtsfrage auf. Denn die Frage, ob sich diese Gutachten wegen einer etwaigen Veränderung der Sachlage überholt haben, ist aufgrund der jeweiligen Umstände des einzelnen Falles zu beantworten und entzieht sich einer abstrakten rechtsgrundsätzlichen Klärung.
Soweit dieses Vorbringen der Beschwerde und ihr Hinweis darauf, dass der vom Kläger gestellte Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens über seine Gefährdung im Falle einer Rückkehr in die Demokratische Republik Kongo vom Berufungsgericht übergangen worden sei, auch als Verfahrensrüge zu verstehen sein sollte, ist ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO weder bezeichnet noch der Sache nach dargetan. Der auf eine Gehörsverletzung hinauslaufende Vorwurf, das Berufungsgericht habe den Antrag des Klägers auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens übergangen, trifft nicht zu. Das Berufungsgericht hat vielmehr in den Entscheidungsgründen diesen Beweisantrag wörtlich wiedergegeben und hat ihn mit der Begründung abgelehnt, dass die Beweisfrage durch die berücksichtigten vorliegenden Erkenntnismittel hinreichend in dem Sinne geklärt sei, dass auch das vom Kläger geltend gemachte kumulierte Risiko nicht ausreiche, die Sperre des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG zu überwinden (BA S. 5 f. und 8). Inwiefern dieses Vorgehen des Berufungsgerichts verfahrensfehlerhaft sein soll, legt die Beschwerde nicht dar. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann das Tatsachengericht einen Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens im Allgemeinen nach tatrichterlichem Ermessen gemäß § 98 VwGO in entsprechender Anwendung von § 412 ZPO oder mit dem Hinweis auf eigene Sachkunde, die sich im Asylverfahren namentlich aus der Verwertung bereits vorliegender Erkenntnismittel ergeben kann, ablehnen; es muss in diesem Fall allerdings nachvollziehbar begründen, woher es seine Sachkunde bezieht (vgl. etwa Beschlüsse vom 24. März 2000 - BVerwG 9 B 530.99 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 308 m.w.N. und vom 27. März 2000 - BVerwG 9 B 518.99 - a.a.O. § 98 VwGO Nr. 60). Dass das Berufungsgericht vorliegend seine Sachkunde aufgrund der bisher herangezogenen Auskünfte und Gutachten nicht hinreichend nachvollziehbar dargelegt hat, zeigt die Beschwerde nicht auf. Ihre nicht näher belegte Behauptung, die vom Berufungsgericht verwerteten Gutachten seien aufgrund der sich drastisch verschlechternden Situation in der Demokratischen Republik Kongo zeitlich überholt, ist nicht hinreichend substantiiert. Die Beschwerde gibt auch nicht an, warum sich dem Berufungsgericht eine erneute Beweiserhebung wegen veränderter Umstände hätte aufdrängen müssen, obwohl dies der anwaltlich vertretene Kläger selbst nicht zur Begründung seines Beweisantrags vorgetragen hat. In Wahrheit wendet sich die Beschwerde, die schon auf der Grundlage der bisherigen Gutachten zu einer anderen Gefahrenprognose gelangt, mit ihrem Vorbringen gegen die ihrer Ansicht nach unzutreffende Beweiswürdigung durch das Berufungsgericht. Diese ist aber grundsätzlich nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem materiellen Recht zuzurechnen und kann daher in der Regel - und so auch hier - einen Verfahrensmangel nicht begründen.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG.