Beschluss vom 22.07.2009 -
BVerwG 1 WB 53.08ECLI:DE:BVerwG:2009:220709B1WB53.08.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 22.07.2009 - 1 WB 53.08 - [ECLI:DE:BVerwG:2009:220709B1WB53.08.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 53.08

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den ehrenamtlichen Richter Oberstleutnant Breitkreutz und
den ehrenamtlichen Richter Stabsfeldwebel Lüddens
am 22. Juli 2009 beschlossen:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe

I

1 Der Antragsteller wendet sich gegen die Feststellung eines Sicherheitsrisikos in seiner erweiterten Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen (Ü 3) durch den Geheimschutzbeauftragten im Bundesministerium der Verteidigung.

2 Der ... geborene Antragsteller ist Soldat auf Zeit mit einer festgesetzten Dienstzeit von 15 Jahren, die am 30. April 2013 endet. Zum Hauptfeldwebel wurde er am 25. Februar 2008 ernannt. Derzeit wird er bei der 1./Bataillon ... in F. als Funkfeldwebel verwendet.

3 Für den Antragsteller waren zuletzt in den Jahren 1998/99 und 2003 erweiterte Sicherheitsüberprüfungen (Ü 2) durchgeführt worden, bei denen sich keine Umstände ergaben, die im Hinblick auf eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit ein Sicherheitsrisiko darstellten (Mitteilungen über das Ergebnis der Sicherheitsüberprüfung vom 8. Februar 1999 und vom 27. August 2003). In den Sicherheitserklärungen vom 30. November 1998 und vom 22. Juli 2003 hatte der Antragsteller dabei die Fragen Nr. 8.3 (Nahe Angehörige in einem Staat mit besonderen Sicherheitsrisiken) und Nr. 8.4 (Sonstige Beziehungen zu einem Staat mit besonderen Sicherheitsrisiken) jeweils mit „Nein“ beantwortet.

4 Aufgrund einer für seinen Dienstposten erforderlich gewordenen Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen (Ü 3) gab der Antragsteller unter dem 6. Juli 2005 eine weitere Sicherheitserklärung ab. Dabei bejahte er die Fragen Nr. 8.3 und 8.4 . Unter Nr. 13 (Ergänzende Angaben) führte er dazu aus:
„Meine Mutter heiratete am ...1997 Herrn I. P., geboren am ... in B., Bosnien-Herzegowina, und lebt heute in Scheidung. Beide besuchten im Sommerurlaub die Familie des Stiefvaters. Mein persönlicher Bezug zu dieser Person war wie zu einem Bekannten aus dem täglichen Leben und eher sporadisch bis selten. Kontakte zur Familie des Stiefvaters sind von meiner Seite nie entstanden, ebenso wenig wie ein Besuch dessen Familie.“

5 In der Befragung durch den Militärischen Abschirmdienst am 21. Februar 2006 gab der Antragsteller an, dass er zwar keinen guten und engeren Kontakt zu seinem Stiefvater gehabt und auch keine Reisen durchgeführt habe, die Existenz des Stiefvaters jedoch aus Angst vor Problemen in der Sicherheitsüberprüfung verschwiegen habe. Da seine Eltern inzwischen in Scheidung lebten und er die Sicherheitserklärung für eine erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen auszufüllen gehabt habe, habe er die Kreuze jetzt an die richtige Stelle gesetzt. Bei der Sicherheitserklärung von 1998 habe er die Fragen Nr. 8.3 und 8.4 offen gelassen und der Spieß habe sich darum „gekümmert“. Bei der Sicherheitserklärung von 2003 habe er die Fragen wiederum offen gelassen und nur die Änderung seiner Adresse gemeldet.

6 Mit Schreiben vom 16. Februar 2007 hörte der Geheimschutzbeauftragte im Bundesministerium der Verteidigung den Antragsteller zu den vom Militärischen Abschirmdienst ermittelten sicherheitserheblichen Erkenntnissen an.

7 Unter dem 21. März 2007 nahm der Antragsteller hierzu Stellung und erklärte, dass ihm bei der Sicherheitserklärung von 1998 nicht klar gewesen sei, wofür und weshalb diese Überprüfung so wichtig sei. Die Ü 2 sei für ihn damals nur ein Formular gewesen, das er habe ausfüllen müssen. Da ihm einige Passagen auf dem Formular nicht ganz klar gewesen seien, habe er den Kompaniefeldwebel gefragt, was er zu seinem Stiefvater schreiben solle. Als später eine Ü 3 notwendig geworden sei, habe er sich mit dem S 2-Feldwebel in Verbindung gesetzt. Hier sei er dann über die Wichtigkeit der Ü 3 aufgeklärt und in Sachen Sicherheit sensibilisiert worden. Der S 2-Feldwebel sei mit ihm alle Angaben durchgegangen und habe die fehlenden Angaben aus der Vergangenheit korrigiert. Dass er früher sehr blauäugig gehandelt habe, sei ihm heute klar. Dies sei jedoch nicht aus Angst, sondern aufgrund blinden Vertrauens in den Kompaniefeldwebel geschehen, der „das schon regeln“ würde. Bei der Sicherheitserklärung 2003 sei er zwischen Tür und Angel gefragt worden, ob sich etwas geändert habe, wobei er lediglich die geänderte Adresse angegeben habe.

8 Im Rahmen weiterer Überprüfungsmaßnahmen wurden der von dem Antragsteller benannte Kompaniefeldwebel und der frühere Sicherheitsbeauftragte der Einheit des Antragstellers durch den Militärischen Abschirmdienst befragt. Der frühere Kompaniefeldwebel erklärte, dass er allen Soldaten, die eine Sicherheitserklärung ausfüllen mussten, anhand der Ausfüllanleitung und bei Bedarf auch persönlich mit Erklärungen zur Seite gestanden habe. Er habe jedoch niemals selbst irgendwelche Änderungen oder Ergänzungen in den Sicherheitserklärungen vorgenommen, so definitiv auch nicht bei dem Antragsteller. Ebensowenig habe er jemals vorgeschlagen, erforderliche Angaben von sicherheitserheblicher Bedeutung beim Ausfüllen der Sicherheitserklärung wegzulassen. Der frühere Sicherheitsbeauftragte erklärte, ihm sei nicht erinnerlich, dass er bei der Sicherheitserklärung des Antragstellers Ergänzungen oder Änderungen vorgenommen habe. Grundsätzlich sei dies nur in Absprache mit dem jeweiligen Soldaten erfolgt und dann auch entsprechend kenntlich gemacht worden.

9 Der Kompaniechef des Antragstellers äußerte sich unter dem 28. Januar 2008 zugunsten des Antragstellers und erklärte, dass aus seiner Sicht an der Eignung des Antragstellers als Geheimnisträger nicht zu zweifeln sei.

10 Mit Schreiben vom 27. Februar 2008 teilte der Geheimschutzbeauftragte dem Antragsteller mit, dass er aufgrund der tatsächlichen Anhaltspunkte gehalten sei, die Sicherheitsüberprüfung mit der Feststellung eines Sicherheitsrisikos abzuschließen. Die Tatsache, dass der Antragsteller in zwei Sicherheitserklärungen sicherheitserhebliche Angaben unterlassen habe, um sich einen persönlichen Vorteil zu verschaffen, zeige ein fehlendes Verantwortungsbewusstsein, welches Zweifel an seiner Zuverlässigkeit als Geheimnisträger begründe. Der von dem Antragsteller beabsichtigte Vorteil liege darin, dass er sich von dem Unterlassen der Angaben zu seinem damaligen, aus Bosnien-Herzegowina stammenden Stiefvater versprochen habe, die Sicherheitsüberprüfungen ohne Schwierigkeiten und Nachteile zum Abschluss zu bringen. Im Rahmen der Sicherheitsüberprüfung komme es jedoch entscheidend auf die Verlässlichkeit hinsichtlich der wahrheitsgemäßen und vollständigen Beantwortung der Fragen an. Falsche Angaben in der Sicherheitserklärung stellten einen schwerwiegenden Verstoß gegen die Wahrheitspflicht mit der Folge dar, dass Zweifel an der Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit in sicherheitsmäßiger Hinsicht begründet seien. Aus dem Verhalten des Antragstellers, das erst durch die Sicherheitsüberprüfung im Jahre 2005 aufgedeckt worden sei, lasse sich ableiten, dass er zur Unwahrheit neige, wenn andernfalls Schwierigkeiten zu erwarten seien. Es bestünden deshalb nachhaltige Zweifel, dass er beim Umgang mit oder beim Zugang zu Verschlusssachen derart korrekt arbeiten werde, dass bei eventuellen Verlusten mit uneingeschränkter Offenheit und Ehrlichkeit gerechnet werden könne. Der Antragsteller müsse erst über einen längeren Zeitraum beweisen, dass sich der Dienstherr uneingeschränkt auf sein Wort und sein Verhalten verlassen könne. Da er aus heutiger Sicht hierfür noch nicht die Gewähr biete, könne noch keine positive Prognose gestellt werden. Unter Berücksichtigung der Stellungnahme seines Vorgesetzten und der Tatsache, dass das unbedachte Verhalten schon mehrere Jahre zurückliege, werde jedoch bereits nach zwei Jahren eine Wiederholungsüberprüfung zugelassen, sofern der Antragsteller dann für eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit eingeplant werde.

11 Mit Bescheid vom 27. Februar 2008, dem Antragsteller eröffnet am 24. April 2008, stellte der Geheimschutzbeauftragte fest, dass die erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen (Ü 3) Umstände ergeben habe, die ein Sicherheitsrisiko darstellten. Die Entscheidung schließe auch einen Einsatz in einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit nach Ü 1/Ü 2 aus. Eine Wiederholungsüberprüfung werde nach Ablauf von zwei Jahren zugelassen.

12 Bereits mit Schreiben vom 17. März 2008 hatte der Antragsteller Beschwerde gegen die Feststellung des Sicherheitsrisikos eingelegt. Der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - wertete dieses Schreiben als Antrag auf gerichtliche Entscheidung und legte es dem Senat zusammen mit seiner Stellungnahme vom 9. Juli 2008 vor.

13 Zur Begründung trägt der Antragsteller insbesondere vor:
Es treffe nicht zu, dass er sich einen Vorteil durch zwei unwahre Meldungen habe verschaffen wollen. Bei der Sicherheitserklärung von 1998 habe er sich bei seinem Kompaniefeldwebel erkundigt, wie er die Staatsangehörigkeit seines Stiefvaters in der Sicherheitserklärung behandeln solle. Der Kompaniefeldwebel habe gefragt: „Ob ich die Ü 2 jetzt wolle oder nicht?!“; er habe die Papiere in Empfang genommen und gesagt, er kümmere sich darum. Da damals keinerlei Rückfragen gekommen seien, habe er, der Antragsteller, sich auch weiter keine Sorgen gemacht. Fünf Jahre später habe ihn der damalige Sachbearbeiter eines Morgens gefragt, ob er, der Antragsteller, eine Minute Zeit habe, weil er wissen müsse, ob sich bezüglich seiner Sicherheitsüberprüfung etwas geändert habe. Die Frage nach dem Familienstand und dem Wohnort habe er dann entsprechend den damaligen Gegebenheiten beantwortet. Es sei nicht explizit gefragt worden, ob noch sonstige Umstände, die für eine Sicherheitsüberprüfung relevant wären, bekannt seien. Erst bei Einleitung der Sicherheitsüberprüfung Ü 3 sei er das erste Mal über das richtige Ausfüllen der Sicherheitserklärung aufgeklärt worden. Erst dabei habe er erfahren, dass er Angaben zu seinem Stiefvater machen müsse. Aufgrund seiner damaligen Unwissenheit und ungenügender Aufklärung durch die damaligen Sachbearbeiter seien die Daten zu seinem Stiefvater nie eingearbeitet worden. Er habe jedoch nie beabsichtigt, wichtige Informationen zu vertuschen oder zu verheimlichen.

14 Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.

15 Grundlage der Bewertung sei der wiederholte Verstoß des Antragstellers gegen die ihm im Rahmen des Sicherheitsüberprüfungsverfahrens obliegende Wahrheitspflicht. Dieses Verhalten rufe nachhaltige Zweifel an der für eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit unabdingbaren Vertrauenswürdigkeit und Zuverlässigkeit hervor. Die Einlassung des Antragstellers, die falschen Angaben in den Sicherheitserklärungen von 1998 und 2003 seien nicht vorsätzlich erfolgt und durch andere Personen vorgenommen worden, seien als Schutzbehauptung zu bewerten. Die als Zeugen benannten Soldaten hätten die Darstellung des Antragstellers nicht bestätigt, sondern vielmehr eine nachträgliche Veränderung der Sicherheitserklärung ausgeschlossen. Zudem sei die Sicherheitserklärung von 2003 maschinenschriftlich erstellt worden; dabei seien auch die Fragen Nr. 8.3 und 8.4 mittels eines maschinellen Kreuzes beantwortet. Ein „Offenlassen“ der Fragen, wie es der Antragsteller anfänglich vorgetragen habe, bzw. eine nachträgliche Änderung der Angaben, ohne dass dies erkennbar wäre, sei somit auszuschließen. Der Antragsteller widerspreche sich zudem selbst, indem er einerseits vortrage, dass er „vergessen“ habe, seinen Stiefvater zu erwähnen, um dann andererseits zu behaupten, er habe die Fragen Nr. 8.3 und 8.4 offen gelassen, weil er nicht gewusst habe, wie er die Beziehung zu seinem Stiefvater habe aufzeigen müssen. Zum selben Sachverhalt habe er in der Befragung durch den Militärischen Abschirmdienst ausgeführt, die Beziehung zu seinem Stiefvater aus Angst vor Problemen verschwiegen zu haben.

16 Im Übrigen wiederholt und bekräftigt der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - die Darlegungen des Geheimschutzbeauftragten zu den sicherheitserheblichen Erkenntnissen und deren Bewertung, zur Prognose der künftigen Entwicklung der Persönlichkeit des Antragstellers sowie zur Güterabwägung und zu den Fürsorgeaspekten. Der Umstand, dass der Antragsteller während des Sicherheitsüberprüfungsverfahrens zum Hauptfeldwebel befördert worden sei, sei dem Geheimschutzbeauftragten nicht bekannt gewesen. Die Beförderung stelle die Entscheidung allerdings nicht in Frage, weil zwischen der Zuverlässigkeit im Sinne des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes und der Zuverlässigkeit als Bestandteil der Eignung eines Soldaten für die Wahrnehmung der Funktion eines höheren Dienstgrades zu unterscheiden sei.

17 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - Az.: ... - und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

18 Der Antrag hat keinen Erfolg.

19 1. Der Bundesminister der Verteidigung hat die „Beschwerde“ vom 17. März 2008 zutreffend als Antrag auf gerichtliche Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht gewertet (§ 21 Abs. 1 WBO).

20 Der Antragsteller hat keinen bestimmten Sachantrag gestellt. Bei sach- und interessengerechter Auslegung seines Vorbringens beantragt er sinngemäß, den Bescheid des Geheimschutzbeauftragten im Bundesministerium der Verteidigung vom 27. Februar 2008 über die Feststellung eines Sicherheitsrisikos aufzuheben.

21 2. Dieser Antrag ist zulässig.

22 Anzufechtende Maßnahme ist bei der Feststellung eines Sicherheitsrisikos nicht das Schreiben des Geheimschutzbeauftragten, das dem Betroffenen die Eröffnung des Ergebnisses der Sicherheitsüberprüfung ankündigt und ihm die Gründe für die Feststellung eines Sicherheitsrisikos erläutert, sondern die auf dem Formblatt nach Anlage C 10 zu Nr. 2710 ZDv 2/30 getroffene Entscheidung. Verfahrensgegenstand und Beschwerdeanlass im Sinne von § 6 Abs. 1 WBO ist im vorliegenden Fall also nicht das dem Antragsteller am 10. März 2008 ausgehändigte Begründungsschreiben des Geheimschutzbeauftragten vom 27. Februar 2008, sondern der auf denselben Tag datierte, dem Antragsteller jedoch erst am 24. April 2008 eröffnete förmliche Bescheid. Die bereits mit Schreiben vom 17. März 2008 erhobene „Beschwerde“ ist damit zu früh und insofern nicht fristgerecht eingelegt. Nach der Rechtsprechung des Senats ist dies jedoch unschädlich (vgl. Beschlüsse vom 6. September 2007 - BVerwG 1 WB 62.06 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 65 und vom 11. März 2008 - BVerwG 1 WB 37.07 - BVerwGE 130, 291 <292 f.> = Buchholz 402.8 § 14 SÜG Nr. 14). Der verfrüht gestellte Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird zulässig, wenn die förmliche Bekanntgabe des Bescheids spätestens im Zeitpunkt der Vorlage des Antrags beim Wehrdienstgericht erfolgt ist. Das war hier der Fall, weil der Bescheid des Geheimschutzbeauftragten dem Antragsteller noch vor der Vorlage seines Antrags an den Senat eröffnet worden ist. Der Soldat ist nach der förmlichen Eröffnung des Bescheids nicht genötigt, den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu wiederholen.

23 3. Der Antrag ist jedoch unbegründet. Der Bescheid des Geheimschutzbeauftragten im Bundesministerium der Verteidigung vom 27. Februar 2008 ist rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten.

24 Die Überprüfung von Angehörigen der Bundeswehr auf Sicherheitsbedenken ist eine vorbeugende Maßnahme, die Sicherheitsrisiken nach Möglichkeit ausschließen soll (stRspr, vgl. Beschluss vom 11. März 2008 a.a.O. S. 293 f. m.w.N.). Die Beurteilung des Sicherheitsrisikos, die zugleich eine Prognose der künftigen Entwicklung der Persönlichkeit des Soldaten und seiner Verhältnisse darstellt, darf sich dabei nicht auf eine vage Vermutung oder eine rein abstrakte Besorgnis stützen, sondern muss auf der Grundlage tatsächlicher Anhaltspunkte getroffen werden. Dabei gibt es keine „Beweislast”, weder für den Soldaten dahingehend, dass er die Sicherheitsinteressen der Bundeswehr bisher gewahrt hat und künftig wahren wird, noch für die zuständige Stelle, dass der Soldat diesen Erwartungen nicht gerecht geworden ist oder ihnen künftig nicht gerecht werden wird (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 18. Oktober 2001 - BVerwG 1 WB 54.01 - Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 11 und vom 8. März 2007 - BVerwG 1 WB 63.06 -; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73 - BVerfGE 39, 334 <353>).

25 Dem Geheimschutzbeauftragten steht bei der ihm hiernach obliegenden Entscheidung ein Beurteilungsspielraum zu. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob der Geheimschutzbeauftragte von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat (Beschluss vom 18. August 2004 - BVerwG 1 WB 37.04 - insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 18 m.w.N.).

26 Die Feststellung des - hier zuständigen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG i.V.m. Nr. 2416 ZDv 2/30) - Geheimschutzbeauftragten im Bundesministerium der Verteidigung, dass in der Person des Antragstellers ein Sicherheitsrisiko vorliegt, steht im Einklang mit diesen Grundsätzen.

27 a) Der Geheimschutzbeauftragte ist nicht von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen.

28 Der Geheimschutzbeauftragte hat als sicherheitserheblichen Umstand die Tatsache gewertet, dass der Antragsteller in den Sicherheitserklärungen vom 30. November 1998 und vom 22. Juli 2003 die Fragen Nr. 8.3 (Nahe Angehörige in einem Staat mit besonderen Sicherheitsrisiken) und Nr. 8.4 (Sonstige Beziehungen zu einem Staat mit besonderen Sicherheitsrisiken) jeweils mit „Nein“ beantwortet hat, obwohl seine Mutter am ... 1997 einen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina geheiratet hatte. Diese Tatsachenfeststellung ist nicht zu beanstanden. Die Darstellung des Antragstellers, er habe die Fragen Nr. 8.3 und Nr. 8.4 jeweils offen gelassen und die Antworten (Ankreuzen von „Nein“) seien durch den damaligen Kompaniefeldwebel bzw. den S 2-Feldwebel eingefügt worden, erscheint nicht glaubhaft. Sie widerspricht zum einen der ursprünglichen Äußerung des Antragstellers in der Befragung durch den Militärischen Abschirmdienst am 21. Februar 2006, in der er angegeben hatte, die Person des Stiefvaters aus Angst vor Problemen in der Sicherheitsüberprüfung verschwiegen zu haben. Zum anderen besteht kein Anlass, an der Richtigkeit der Aussagen des Kompaniefeldwebels und des S 2-Feldwebels zu zweifeln, die erklärt haben, keine Ergänzungen oder Änderungen in den Sicherheitserklärungen vorgenommen und dem Antragsteller auch nicht vorgeschlagen zu haben, bestimmte Angaben beim Ausfüllen der Sicherheitserklärung wegzulassen; es ist kein Grund oder Motiv dafür ersichtlich, warum zwei Vorgesetzte in verantwortlicher Funktion ihrerseits schwerwiegende Dienstvergehen begangen haben sollten, um den Antragsteller bei seinem Fehlverhalten zu „unterstützen“. Unabhängig davon müsste der Antragsteller selbst dann, wenn er das Ausfüllen einzelner Punkte anderen Personen überlassen haben sollte, sich deren Erklärungen zurechnen lassen, weil er mit seiner Unterschrift unter die Sicherheitserklärung bestätigt hat, alle Angaben nach bestem Wissen wahrheitsgemäß und vollständig gemacht zu haben.

29 b) Es ist ferner nicht zu beanstanden, dass der Geheimschutzbeauftragte in den zweimaligen unrichtigen Angaben in den Sicherheitserklärungen hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für Zweifel an der Zuverlässigkeit des Antragstellers bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit erkannt hat. Er hat mit dieser Einschätzung weder den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt noch allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt.

30 Tatsächliche Anhaltspunkte, die nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG, Nr. 2414 Satz 1 Nr. 1 ZDv 2/30 Zweifel an der Zuverlässigkeit des Betroffenen bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit und damit ein Sicherheitsrisiko begründen, können sich nach der Rechtsprechung des Senats unter anderem daraus ergeben, dass der Betroffene ein Dienstvergehen begangen hat, das auch ohne speziellen Bezug zu Geheimhaltungsbestimmungen ein gestörtes Verhältnis zur Rechtsordnung erkennen lässt (vgl. Beschlüsse vom 9. November 2005 - BVerwG 1 WB 19.05 - Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 19 und vom 24. Januar 2006 - BVerwG 1 WB 17.05 - Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 20 = NZWehrr 2006, 153). In Übereinstimmung hiermit nennt Hinweis Nr. 9 zu Nr. 2414 Satz 1 Nr. 1 ZDv 2/30 (Anlage C 18) als Beispiel für entsprechende Anhaltspunkte Verstöße des Betroffenen gegen Dienstpflichten. Dabei kommt der Pflicht, in dienstlichen Angelegenheiten die Wahrheit zu sagen (§ 13 Abs. 1 SG), ein besonderes Gewicht für die sicherheitsrechtliche Beurteilung zu (vgl. Beschlüsse vom 6. September 2007 - BVerwG 1 WB 61.06 - und vom 12. August 2008 - BVerwG 1 WB 28.07 -). Nicht nur, aber gerade auch im Umgang mit geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen muss sich die militärische Führung auf die Richtigkeit abgegebener Meldungen, Erklärungen und Aussagen jederzeit und grundsätzlich ohne weitere Nachprüfung verlassen können (vgl. allgemein zum Stellenwert der Wahrheitspflicht Urteil vom 26. Januar 2000 - BVerwG 2 WD 33.99 - Buchholz 236.1 § 13 SG Nr. 6 = NZWehrr 2001, 124 m.w.N.).

31 Es begegnet deshalb keinen rechtlichen Bedenken, dass der Geheimschutzbeauftragte die Zweifel an der Zuverlässigkeit des Antragstellers als Geheimnisträger vor allem mit dessen Verstößen gegen die Wahrheitspflicht begründet und dabei insbesondere die Bedeutung richtiger und vollständiger Angaben in der für die Sicherheitsüberprüfung unerlässlichen Eigenerklärung hervorgehoben hat. Zulasten des Antragstellers konnte auch dessen Motivation gewertet werden, durch das Verschweigen sicherheitserheblicher Angaben möglichen Schwierigkeiten oder persönlichen Nachteilen bei der Sicherheitsüberprüfung aus dem Weg zu gehen. Es entlastet den Antragsteller nicht, dass er solche Nachteile tatsächlich nicht zu befürchten hatte, weil bei wahrheitsgemäßer Angabe des Stiefvaters ein Sicherheitsrisiko voraussichtlich nicht festgestellt worden wäre (vgl. Schreiben des Geheimschutzbeauftragten vom 27. Februar 2008 unter III.); dieser Umstand bekräftigt vielmehr die Einschätzung des Geheimschutzbeauftragten, dass der Antragsteller in für ihn kritischen Situationen zur Unwahrheit neigt. Der Antragsteller kann sich schließlich auch nicht mit Erfolg auf die - von ihm behauptete - Unkenntnis über die Bedeutung der falsch beantworteten Fragen Nr. 8.3 und Nr. 8.4 berufen. Als Hilfestellung besteht eine „Anleitung zum Ausfüllen der Sicherheitserklärung für die erweiterte Sicherheitsüberprüfung und die erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen“ (Anlage C 3, Beilage 1 zu ZDv 2/30), deren Berücksichtigung der Antragsteller mit seiner Unterschrift unter die Sicherheitserklärung versichert hat (siehe den Text nach Frage Nr. 14). Die Anleitung erläutert zu Nr. 8.3, dass unter „Eltern“ auch „Stiefeltern“ fallen, und verweist unter Nr. 8 auf eine beigefügte Staatenliste, aus der sich ergibt, dass zu den Staaten mit besonderen Sicherheitsrisiken auch „Bosnien und Herzegowina“ zählt. Auch im Übrigen kann der Antragsteller mit seiner Einlassung, er sei sich über die Bedeutung der Sicherheitserklärung nicht im Klaren gewesen bzw. er sei über das richtige Ausfüllen der Sicherheitserklärung nicht hinreichend aufgeklärt worden, die Verantwortung nicht auf andere abwälzen. Es wäre - wenn die von ihm vorgetragenen Unsicherheiten tatsächlich bestanden haben sollten - Sache des Antragstellers gewesen, sich die erforderlichen Informationen bei dem Kompanie- oder S 2-Feldwebel zu beschaffen; unterlässt er dies, so bestätigt dies lediglich die Zweifel an seiner Zuverlässigkeit bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit.

32 c) Der Geheimschutzbeauftragte hat mit der prognostischen Einschätzung des Sicherheitsrisikos den ihm zustehenden Beurteilungsspielraum nicht überschritten (vgl. zum Erfordernis einer Prognose der künftigen Entwicklung der Persönlichkeit des Antragstellers und seiner Verhältnisse Beschlüsse vom 8. März 2007 - BVerwG 1 WB 63.06 -, vom 27. September 2007 - BVerwG 1 WDS-VR 7.07 - Buchholz 402.8 § 14 SÜG Nr. 13 und vom 11. März 2008 - BVerwG 1 WB 37.07 - BVerwGE 130, 291 <296 ff.> = Buchholz 402.8 § 14 SÜG Nr. 14). Es ist nicht zu beanstanden, dass der Geheimschutzbeauftragte aus der Verletzung der Wahrheitspflicht beim Ausfüllen der Sicherheitserklärung abgeleitet hat, dass der Antragsteller zur Unwahrheit neige, wenn andernfalls Schwierigkeiten zu erwarten seien, und deshalb Zweifel daran bestünden, dass bei Problemen, die sich dem Antragsteller beim Umgang mit Verschlusssachen stellen könnten, mit dessen uneingeschränkter Offenheit und Ehrlichkeit gerechnet werden könne. Nicht zu beanstanden ist auch, dass der Geheimschutzbeauftragte es deshalb für erforderlich gehalten hat, dass der Antragsteller, um eine positive Entwicklungsprognose stellen zu können, erst über einen längeren Zeitraum seine Zuverlässigkeit unter Beweis stellen müsse.

33 Die für den Antragsteller sprechenden Gesichtspunkte - insbesondere die positive Stellungnahme seines Vorgesetzten und die Tatsache, dass das Fehlverhalten einige Jahre zurückliegt - hat der Geheimschutzbeauftragte mit der Zulassung der Wiederholungsüberprüfung bereits nach zwei Jahren und damit im Sinne einer deutlichen Verkürzung der regelmäßigen Frist von fünf Jahren (Nr. 2710 Abs. 2 Satz 1 ZDv 2/30) berücksichtigt. Er hat damit zugleich einzelfallbezogen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung getragen.

34 d) Rechtmäßig ist ferner, dass der Geheimschutzbeauftragte die Feststellung eines Sicherheitsrisikos auf die Verwendung des Antragstellers in einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit der Überprüfungsart Ü 1 erstreckt hat. Für die Beurteilung der Zuverlässigkeit des Antragstellers und die Risikoeinschätzung ergeben sich im vorliegenden Fall insoweit keine von der erweiterten Sicherheitsüberprüfung (Ü 2) abweichenden Gesichtspunkte.

35 e) Keinen Bedenken begegnet schließlich, dass die Feststellung eines Sicherheitsrisikos trotz der fast zeitgleichen Beförderung des Antragstellers zum Hauptfeldwebel getroffen wurde (vgl. zum Folgenden Beschluss vom 8. August 2007 - BVerwG 1 WB 52.06 - Buchholz 402.8 § 14 SÜG Nr. 12). Zwar erscheint es fraglich, ob der Auffassung des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 -, dass zwischen der Zuverlässigkeit im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG und der Zuverlässigkeit als Teil der Eignung eines Soldaten für die Verleihung eines höheren Dienstgrads (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Nr. 3 SG) zu unterscheiden ist, in dieser Allgemeinheit zu folgen ist. So kann die Beförderung in einen hohen Dienstgrad, der in der Regel mit einer Verwendung in sicherheitsempfindlichen Tätigkeiten verbunden ist, implizit auch eine Aussage über die persönliche Zuverlässigkeit des Soldaten in sicherheitsrechtlicher Hinsicht enthalten (vgl. - für die Beförderung zum Oberstleutnant - Beschluss vom 18. August 2004 - BVerwG 1 WB 37.04 - Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 18). An einem derartigen Zusammenhang fehlt es im Falle der Beförderung zum Hauptfeldwebel, weil dieser Dienstgrad jedenfalls nicht typischerweise mit einer Verwendung in einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit verbunden ist. Ausschlaggebend ist jedoch, dass das einer Beförderung zugrunde liegende „Zuverlässigkeitsurteil“ über den Soldaten nicht zu dem (in Bestandskraft erwachsenden) Inhalt dieser Beförderungsentscheidung gehört (vgl. § 43 Abs. 1 Satz 2 VwVfG) und deshalb nicht bindend für die sicherheitsrechtliche Beurteilung ist. Die Entscheidung, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Feststellung eines Sicherheitsrisikos vorliegen, hat die hierzu berufene Stelle vielmehr in eigener Zuständigkeit und Verantwortung zu treffen. Dass diese Entscheidung nicht zu beanstanden ist, ergibt sich aus dem vorstehend Gesagten.

36 f) Weitere Einwände gegen die Entscheidung des Geheimschutzbeauftragten, wie etwa eine Verletzung von Verfahrensvorschriften, sind weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich.