Verfahrensinformation

Die Rechtsvorgängerin der Kläger hatte ein Grundstück an eine - nach Antragsschluss, aber vor der Eintragung des Eigentumswechsels im Grundbuch - nach Westberlin übergesiedelte Käuferin veräußert. Um die Entstehung von "Westeigentum" zu verhindern, hatte daraufhin der Rat des Kreises ein Vorerwerbsrecht ausgeübt. Das Bundesverwaltungsgericht wird zu entscheiden haben, ob eine unlautere Machenschaft i.S.d. Vermögensgesetzes vorliegt, wenn ein Vorerwerbsrecht ausgeübt wurde, um "Westeigentum" zu verhindern und ob dies zur Rückübertragung an den Verkäufer führt.


Beschluss vom 27.05.2003 -
BVerwG 7 B 101.02ECLI:DE:BVerwG:2003:270503B7B101.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 27.05.2003 - 7 B 101.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:270503B7B101.02.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 101.02

  • VG Greifswald - 11.04.2002 - AZ: VG 1 A 637/98

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. Mai 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
S a i l e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
G ö d e l und N e u m a n n
beschlossen:

  1. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Greifswald über die Nichtzulassung der Revision gegen sein Urteil vom 11. April 2002 wird aufgehoben.
  2. Die Revision wird zugelassen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt der Kostenentscheidung in der Hauptsache.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 447,53 € festgesetzt.

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision ist begründet. Der von der Beschwerde sinngemäß aufgeworfenen Frage, ob die manipulative Ausübung des Vorerwerbsrechts durch den Rat des Kreises eine unlautere Machenschaft gegenüber dem Alteigentümer darstellt, wenn damit der Eigentumserwerb durch einen "West-Käufer" verhindert werden sollte, kommt grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu. In einem Revisionsverfahren kann insbesondere geklärt werden, ob die von dem Verwaltungsgericht gezogene Parallele zu der Vorgabe eines bestimmten Erwerbers in den so genannten "Ausreisefällen" (vgl. Urteil vom 16. Juli 1998 - BVerwG 7 C 36.97 - BVerwGE 107, 156 <162 ff.>; Beschluss vom 15. Juli 1999 - BVerwG 7 B 33.99 -) auf die manipulative Ausübung des Vorerwerbsrechts übertragbar ist.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Rechtsmittelbelehrung
Das Beschwerdeverfahren wird als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 7 C 7.03 fortgesetzt; der Einlegung einer Revision durch die Beschwerdeführer bedarf es nicht.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig, einzureichen.
Für den Revisionskläger besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Begründung der Revision. Der Revisionskläger muss sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften ferner durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen. In derselben Weise muss sich jeder Beteiligte vertreten lassen, soweit er einen Antrag stellt.

Urteil vom 22.07.2004 -
BVerwG 7 C 7.03ECLI:DE:BVerwG:2004:220704U7C7.03.0

Leitsätze:

Ein staatliches Vorerwerbsrecht wurde unlauter ausgeübt, wenn der angegebene Erwerbszweck nur vorgeschoben war.

Der Eigentumsverlust infolge eines unlauter ausgeübten staatlichen Vorerwerbsrechts ist grundsätzlich als Schädigungsmaßnahme im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG anzusehen.

  • Rechtsquellen
    VermG § 1 Abs. 3
    GVVO 1977 § 11

  • VG Greifswald - 11.04.2002 - AZ: VG 1 A 637/98

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 22.07.2004 - 7 C 7.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:220704U7C7.03.0]

Urteil

BVerwG 7 C 7.03

  • VG Greifswald - 11.04.2002 - AZ: VG 1 A 637/98

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 22. Juli 2004
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht K l e y , H e r b e r t und
K r a u ß , die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von H e i m b u r g und den Richter am Bundesverwaltungsgericht N e u m a n n
für Recht erkannt:

  1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 11. April 2002 wird aufgehoben. Ferner werden der Bescheid des Beklagten vom 20. Juli 1995 und der Widerspruchsbescheid des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen Mecklenburg-Vorpommern vom 12. März 1998 aufgehoben.
  2. Der Beklagte wird verpflichtet, das Grundstück der Gemarkung D., Flur 3, Flurstück 15/1 mit 2 876 m² an die Kläger in Erbengemeinschaft zurückzuübertragen.
  3. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

I


Die Kläger begehren die Rückübertragung des Grundstückes der Gemarkung D., Flur 3, Flurstück 15/1 an sie in Erbengemeinschaft.
Das streitbefangene Grundstück war eine Teilfläche des früheren Flurstücks 15 und stand im Eigentum von Frau Z. Mit Kaufvertrag vom Mai 1966 verkaufte diese eine unvermessene Teilfläche ihres Grundstücks mit einer Größe von ca. 2 500 m2 sowie einen zu dieser Parzelle führenden Weg an die damals in Berlin-Köpenick wohnende Tiermedizinstudentin Za. Der Kaufpreis betrug 500 M. Nach dem Vertrag sollte die Auflassung erfolgen, sobald die Feinvermessung stattgefunden hatte. Die Verkäuferin erteilte der Käuferin Vollmacht, die Auflassung auch in ihrem Namen zu erklären und entgegenzunehmen und befreite sie von den Beschränkungen des § 181 BGB. Die Vollmacht sollte für diesen Zweck über den Tod der Vollmachtgeberin hinaus Gültigkeit haben. Nach der Vorbemerkung des Kaufvertrages erwarb die Käuferin das Grundstück, um dieses eventuell später mit einem Wohnhaus zu bebauen, da sie die Absicht habe, sich in D. als Tierärztin niederzulassen.
Frau Za., später verheiratete S. wurde 1969 aus der Staatsbürgerschaft der DDR entlassen und siedelte nach West-Berlin über.
Ebenfalls im Jahre 1969 wurde das streitbefangene Grundstück herausgemessen. 1975 wandte sich das zuständige staatliche Notariat an den Rat des Kreises und teilte unter Bezugnahme auf den Kaufvertrag mit, inzwischen sei eine Feinvermessung durchgeführt worden. Zur Eigentumsübertragung sei die Auflassung der Fläche an die Käuferin erforderlich. Es werde unter Hinweis auf die Entlassung der Käuferin aus der Staatsbürgerschaft angefragt, ob sie - die Käuferin - in ihrer Verfügungsbefugnis über den erworbenen Grund und Boden beschränkt sei.
Frau S. bemühte sich in der Folgezeit von West-Berlin aus unter Einschaltung der Rechtsanwaltskanzlei Dr. Wolfgang Vogel um die Durchführung des Vertrages. Im Rahmen des darüber geführten Schriftwechsels teilte der Rat des Kreises im April 1977 mit, eine Vermessung könnte staatlicherseits nicht veranlasst werden. Die Käuferin beauftragte daraufhin über ihren Rechtsanwalt einen Vermessungsingenieur mit der Vermessung. Eine Vermessung erfolgte nicht, der Vermessungsingenieur teilte vielmehr im Dezember 1977 mit, die Vermessung sei bereits erfolgt und ordnungsgemäß in das Liegenschaftskataster übernommen. Die Käuferin benötige nunmehr einen Auszug aus der Liegenschaftskartei, eine Abzeichnung der Flurkarte und einen Grundbuchauszug neueren Datums. Die benötigten Unterlagen dürften in diesem Fall nicht erteilt werden, da die Abteilung staatliches Eigentum beim Rat des Kreises jede Auskunft über dieses Grundstück und Grundbuchblatt untersagt habe.
Im März 1978 erklärte Frau S. die Auflassung des streitbefangenen Grundstückes vor einem Notar in West-Berlin. Die Auflassung wurde an den Rat des Kreises übersandt.
Daraufhin bat der Rat des Kreises den Rat des Bezirkes, den Vertrag in Umlauf zu geben, und führte aus, es sei vorgesehen, vom staatlichen Vorerwerbsrecht Gebrauch zu machen, da die Fläche von dem volkseigenen Gut K. bewirtschaftet werde. Der Rat der Gemeinde wurde im Rahmen des Genehmigungsverfahrens nach der Grundstücksverkehrsverordnung angehört. Er erhob auf dem verwandten Formular Einwendungen. Der vorgedruckte Text: "Die ordnungsgemäße Verwaltung und volkswirtschaftlich erforderliche Nutzung des Grundstücks durch den Erwerber sind - nicht - gewährleistet aus folgenden Gründen:" ist maschinenschriftlich ergänzt mit "Neuer Eigentümer kap. Ausland". Weiter wurde vorgeschlagen, das Vorerwerbsrecht auszuüben, damit das Grundstück Eigentum des Volkes werde.
Das VEG K. teilte mit, es möchte das Vorerwerbsrecht in Anspruch nehmen.
In der Vorlage für die Sitzung des Rates des Kreises wurde daraufhin ausgeführt, nach Rücksprache mit übergeordneten Organen werde vorgeschlagen, vom gesetzlichen Vorerwerb Gebrauch zu machen, da das VEG K. die Flächen nutze und damit eindeutige Rechtsverhältnisse hergestellt würden.
Mit Bescheid vom Mai 1978 wurde der Käuferin die Ausübung des Vorerwerbsrechts mitgeteilt. Auf Antrag des Rates des Kreises wurde das Eigentum im Juni 1978 im Grundbuch umgeschrieben.
Frau F. - die alleinige Erbin der Verkäuferin - meldete am 26. Oktober 1990 vermögensrechtliche Ansprüche an. Die Kläger sind Erben der im Dezember 1990 verstorbenen Frau F.
Der Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 20. Juli 1995 ab, da ein Schädigungstatbestand nicht vorliege.
Der Widerspruch der Kläger wurde mit Widerspruchsbescheid des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen Mecklenburg-Vorpommern vom 12. März 1998 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kaufvertrag sei ohne Druck abgeschlossen worden. Wäre der Kaufvertrag genehmigt worden, so wäre das Eigentum auf die Käuferin übergegangen. Auch bei Nichtausübung des Vorerwerbsrechts hätten die Rechtsnachfolger nach Frau Z. nicht Eigentümer des Grundstücks werden können.
Dagegen haben die Kläger Klage erhoben und ausgeführt, bei der Ausübung des staatlichen Vorerwerbsrechts seien die gesetzlichen Bestimmungen nicht eingehalten worden. Das Grundstück sei nie durch das VEG K. genutzt worden.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 11. April 2002 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, in Betracht komme nur der Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 3 VermG. Dieser sei nicht erfüllt. Es dürfte sich zwar um einen manipulierten Vorerwerb gehandelt haben, da der angegebene Vorerwerbszweck lediglich vorgeschoben gewesen sei. Eine Nutzung des Grundstücks durch das VEG K. sei von den staatlichen Stellen nicht angestrebt worden. Es sei allein um die Bereinigung von Grundstücksverhältnissen gegangen, an denen Berechtigte aus der Bundesrepublik oder aus West-Berlin beteiligt gewesen seien. Ausdrücklich weise die Stellungnahme des Rates der Gemeinde auf das Ziel der staatlichen Stellen hin, Westeigentum zu verhindern. Zu beachten sei auch der enge zeitliche Zusammenhang der Entscheidung mit den Ministerratsbeschlüssen von 1976/1977 über die angestrebte Verringerung des Vermögens von Eigentümern aus kapitalistischen Staaten.
Gleichwohl handele es sich nicht um einen Fall unlauterer Machenschaften im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG. Die Manipulation habe nicht das "Ob" der Veräußerung betroffen, sondern die Bestimmung der Person des Erwerbers. Zu ziehen sei eine Parallele zu den Fällen, in denen die staatlichen Stellen rechtmäßigerweise die Veräußerung eines Eigenheimes verlangt und dabei unrechtmäßigerweise einen bestimmten Erwerber vorgegeben hätten. Diese fielen nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht in den Schutzbereich des § 1 Abs. 3 VermG. Für die manipulative Ausübung eines Vorerwerbsrechts müsse gleiches gelten. Denn auch hier sei in die Entscheidungsfreiheit des Eigentümers nur hinsichtlich der Auswahl des Erwerbers eingegriffen worden. Der Vermögensverlust als solcher habe nicht nur der Rechtslage entsprochen, sondern auch dem Willen des Eigentümers. Die Verkäuferin habe sich ohne den manipulativen Eingriff der staatlichen Stellen zur Veräußerung des Grundstücks entschlossen und die vereinbarte Gegenleistung erhalten. Hierbei sei es geblieben. Aufgrund der staatlichen Manipulation sei nur die Person des Erwerbers ausgetauscht worden. Es werde nicht verkannt, dass damit in Fällen manipulativen staatlichen Vorerwerbs eine vermögensrechtliche Wiedergutmachung regelmäßig ganz ausscheide da auch der Käufer keinen vermögensrechtlichen Anspruch habe. Dies sei jedoch hinzunehmen, da das Vermögensgesetz nicht die Rückabwicklung aller DDR-Unrechtsmaßnahmen bezwecke.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Kläger, die die Verletzung materiellen Rechts rügen. Sie machen geltend, die Fälle manipulativer Ausübung des Vorkaufsrechts seien nicht vergleichbar mit den Fällen, in denen ein Ausreisewilliger bei bestehender gesetzlicher Verpflichtung zur Aufgabe des Grundstücks einen ihm genehmen Käufer nicht habe auswählen dürfen. An einer gesetzlichen Pflicht zur Aufgabe des Grundstücks habe es hier gefehlt. Mit der manipulativen Ausübung des Vorerwerbsrechts habe der Staat unmittelbar auf das Grundstück zugegriffen.
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

II


Die zulässige Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen; denn das streitgegenständliche Grundstück ist an die Kläger zurückzuübertragen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 VermG). Das Grundstück unterlag einer Maßnahme im Sinne des § 1 VermG. Die Kläger sind Rechtsnachfolger von Frau Z. - der früheren Eigentümerin des Grundstücks - und damit Berechtigte (§ 2 Abs. 1 Satz 1 VermG). Ein Restitutionsausschlussgrund liegt nicht vor.
Das Grundstück wurde aufgrund einer unlauteren Machenschaft von Seiten staatlicher Stellen erworben (§ 1 Abs. 3 VermG). Unlautere Machenschaften sind Vorgänge, bei denen im Einzelfall in manipulativer, sittlich vorwerfbarer Weise unter Verstoß gegen die Rechtsordnung der DDR auf bestimmte Vermögenswerte zugegriffen wurde. Ein derartig qualifiziertes Unrecht liegt deshalb nicht vor, wenn bei dem Erwerbsvorgang - gemessen an den in der DDR gültigen Rechtsvorschriften und den sie tragenden ideologischen Grundvorstellungen - "alles mit rechten Dingen zugegangen" ist (stRspr, vgl. Urteil vom 27. Juli 1995 - BVerwG 7 C 12.94 - BVerwGE 99, 82 <84 f.>). Die zum Vermögensverlust führende unlautere Machenschaft ist nicht auf bestimmte Handlungsformen und Erwerbsvorgänge beschränkt. Erfasst wird vielmehr grundsätzlich jede Art des Rechtserwerbs. So können nicht nur rechtsgeschäftliche Vorgänge, sondern auch hoheitliche Erwerbsakte den Tatbestand des § 1 Abs. 3 VermG erfüllen. Die einfache Rechtswidrigkeit unter der Schwelle der Willkürlichkeit reicht dabei für die Annahme einer unlauteren Machenschaft nicht aus (vgl. Urteil vom 26. Juni 1997 - BVerwG 7 C 25.96 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 113 S. 346).
Nach diesen Kriterien wurde hier das staatliche Vorerwerbsrecht manipulativ ausgeübt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stellt eine Enteignung u.a. dann eine unlautere Machenschaft dar, wenn ein den gesetzlichen Bestimmungen grundsätzlich entsprechendes Vorhaben als Enteignungszweck nur vorgeschoben wurde, um in Wahrheit zu ganz anderen Zwecken das Eigentum an dem Vermögenswert zu erwerben (vgl. Urteil vom 3. September 1998 -BVerwG 7 C 26.97 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 160 und Urteil vom 26. Juni 1997 - BVerwG 7 C 25.96 - a.a.O.). Für die Ausübung des Vorerwerbsrechts kann nichts anderes gelten. Diese war also dann unlauter, wenn der angegebene Erwerbszweck nur vorgeschoben war, um in Wahrheit zu einem ganz anderen Zweck das Eigentum an dem Grundstück zu erlangen. Dies ist hier der Fall. Als Grund für die Ausübung des Vorerwerbsrechts war eine angebliche Nutzung durch das VEG K. angegeben worden. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts war diese Nutzung aber nur vorgeschoben, um das Vorerwerbsrecht zur Beseitigung von "West-Eigentum" auf Seiten der Verkäuferin und zur Verhinderung des Entstehens von "West-Eigentum" auf Seiten der Käuferin ausüben zu können.
Unzutreffend ist die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Fälle manipulativer Ausübung des staatlichen Vorerwerbsrechts seien ebenso zu behandeln wie die, in denen staatliche Stellen in Übereinstimmung mit der Rechtsordnung der DDR von dem Eigentümer verlangt haben, vor der ständigen Ausreise aus der DDR das unter Inanspruchnahme eines Nutzungsrechts auf einem volkseigenen Grundstück errichtete Eigenheim zu veräußern, dabei aber in manipulativer Weise auf die Person des Erwerbers Einfluss genommen haben (vgl. Urteil vom 16. Juli 1998 - BVerwG 7 C 36.97 - BVerwGE 107, 156). § 1 Abs. 3 VermG setzt nach dieser Entscheidung voraus, dass das die Rückgabe tragende Unwerturteil dem Vermögensverlust selbst anhaftet. Maßgeblich ist der Vorgang, der konkret den Verlust des Vermögenswertes herbeigeführt hat. Es kommt nicht darauf an, ob der Geschädigte den Vermögenswert auch auf andere Weise verloren hätte.
In den Ausreisefällen hatte der Eigentümer sein Eigentum an dem Eigenheim durch den von ihm abgeschlossenen Kaufvertrag verloren. Zum Abschluss des Kaufvertrages war er gezwungen, ohne dass jedoch der staatliche Zwang zum Abschluss des Vertrages als machtmissbräuchliche Einwirkung auf seine Entschließungsfreiheit beurteilt werden konnte. Das machtmissbräuchliche Verhalten betraf nur die Auswahl des Erwerbers.
Hier hat der Geschädigte das Eigentum an dem Vermögenswert aufgrund der (machtmissbräuchlichen) Ausübung des staatlichen Vorerwerbsrechts verloren; denn mangels staatlicher Genehmigung hat der von ihm abgeschlossene Kaufvertrag keine Wirksamkeit erlangt. Die Ausübung des staatlichen Vorerwerbsrechts knüpft zwar an einen Kaufvertrag an, den der Eigentümer abgeschlossen hat. Es handelt sich aber um eine besondere Form des staatlichen Zugriffs auf privates Eigentum. Deshalb ist unerheblich, dass sich die Ausübung des Rechts bezogen auf den Kaufvertrag nur in einem Austausch des Käufers auswirkt; denn es handelt sich im Vergleich zu dem Abschluss des Kaufvertrags um einen (neuen) eigenständigen Erwerbsvorgang, der folglich für sich beurteilt werden muss. Deshalb ist unerheblich, ob der Geschädigte sein Eigentum auch ohne das manipulative Dazwischentreten des Staates in Erfüllung des Kaufvertrages hätte verlieren können. Die machtmissbräuchliche Ausübung des staatlichen Vorkaufsrechts bezieht sich nicht allein auf die Begleitumstände des Vermögensverlustes, sondern auf das Zustandekommen der Veräußerung als solcher.
Der ausreisewillige Eigentümer eines Eigenheims hatte keine Wahl, ob er das Grundstück an den selbst ausgesuchten Erwerber oder ob er es gar nicht verkauft. Verkaufen musste er in jedem Fall. Vor die Alternative gestellt, entweder an den staatlich ausgesuchten Erwerber oder gar nicht zu verkaufen, musste er den Kaufvertrag abschließen. Hier hatte die seinerzeitige Eigentümerin hingegen die Freiheit, das Grundstück an die ihr genehme Erwerberin zu veräußern oder die Veräußerung ganz zu unterlassen. Vor die Alternative gestellt, entweder an den Staat oder gar nicht zu verkaufen, konnte sie den Verkauf unterlassen. Einem beanstandungsfreien Zwang zur Aufgabe des Eigentums war sie nicht ausgesetzt. In diese Abschlussfreiheit greift die Ausübung des staatlichen Vorerwerbsrechts (nachträglich) ein, indem der Eigentümerin ein Kaufvertrag aufgezwungen wird, von dessen Abschluss sie in Kenntnis der Bedingungen gänzlich hätte absehen können. Ein solcher nachträglicher Eingriff in die Abschlussfreiheit ist unter den Voraussetzungen des Vorerwerbsrechts zulässig; wird dieses aber - wie oben dargelegt - machtmissbräuchlich ausgeübt, ist der Veräußerungsvorgang insgesamt, und nicht nur bezogen auf die Person des Erwerbers, zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.