Beschluss vom 22.07.2004 -
BVerwG 3 B 11.04ECLI:DE:BVerwG:2004:220704B3B11.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 22.07.2004 - 3 B 11.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:220704B3B11.04.0]

Beschluss

BVerwG 3 B 11.04

  • VG Chemnitz - 25.11.2003 - AZ: VG 6 K 1867/01

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 22. Juli 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. D r i e h a u s sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht
van S c h e w i c k und Dr. D e t t e
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 25. November 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 4 000 € festgesetzt.

Die Beschwerde ist nicht begründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe des Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen nicht vor.
Der Kläger begehrt seine Rehabilitierung nach den Regelungen des Beruflichen bzw. Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes (BerRehaG bzw. VwRehaG) im Zusammenhang mit seiner Exmatrikulation vom Studium an der Ingenieurschule für Schwermaschinenbau und Elektrotechnik Leipzig im Dezember 1957 und macht in diesem Zusammenhang eine berufliche Benachteiligung bis zum Abschluss seines Fernstudiums in Schmalkalden im November 1964 geltend.
1. Entgegen der Auffassung des Klägers führt seine Verfahrensrüge nicht auf einen Zulassungsgrund für die begehrte Revision. Ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist nur dann "bezeichnet" (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird (vgl. Beschluss vom 10. November 1992 - BVerwG 3 B 52.92 - Buchholz 303 § 314 ZPO Nr. 5; Weyreuther, Revisionszulassung und Nichtzulassungsbeschwerde in der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte, 1971, Rn. 222 m.w.N.). Er setzt voraus, dass die zur Begründung vorgetragenen Tatsachen, ihre Richtigkeit unterstellt, die Mängel ergeben (Beschluss vom 18. März 1982 - BVerwG 9 CB 1076.81 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 35).
Die Beschwerde hält dem Verwaltungsgericht einen Verstoß gegen den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör und faires Verfahren (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 1 und 2 VwGO) vor, da das Verwaltungsgericht von einem falschen oder unvollständigen Sachverhalt ausgegangen und wesentliche Bekundungen des Klägers nicht berücksichtigt habe. Dadurch, dass das Verwaltungsgericht den Vortrag des Klägers nur unzureichend gewürdigt habe, habe es dessen Sinn und Bedeutung verändert.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungs- wie des Bundesverwaltungsgerichts ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Gerichte brauchen nicht jedes Vorbringen in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden; nur wenn sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalles deutlich ergibt, dass ein Gericht seine Pflicht zur Kenntnisnahme und Erwägung erheblichen Tatsachenstoffes verletzt hat, kann ein Gehörsverstoß im Einzelfall festgestellt werden. Im Übrigen schützt das Gehörsgrundrecht die Beteiligten auch nicht davor, dass ein Gericht einzelne Tatsachen oder Erkenntnisse oder bestimmtes Vorbringen von Beteiligten entweder aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts bei seiner Entscheidung unberücksichtigt lässt oder tatsächlich bzw. rechtlich anders bewertet als die Verfahrensbeteiligten (vgl. etwa Beschluss vom 5. Februar 1999 - BVerwG 9 B 797.98 - Buchholz 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 4 S. 3 m.w.N.). Ausgehend hiervon ist der Beschwerdevortrag nicht geeignet, einen Gehörsverstoß darzutun.
Die Verfahrensrüge behauptet, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass tatsächlich eine politisch motivierte Exmatrikulation und somit eine hoheitliche Maßnahme der ehemaligen DDR vorlag, die zu einer beruflichen Benachteiligung geführt habe. In dem angegriffenen Urteil sei nicht berücksichtigt worden, dass der Kläger weder eine strafbare Urkundenfälschung noch einen Betrug begangen habe. Es sei ferner unberücksichtigt geblieben, dass die "Abschrift" als Formulierungsvorschlag den zuständigen Behörden vorgelegt worden sei, um als Musterentwurf für eine Änderung der eigentlichen Entlassungsurkunde herangezogen zu werden; dem delegierenden Betrieb habe sowohl die verfälschte als auch die korrekte Version der Entlassungsurkunde vorgelegen. Das Verwaltungsgericht habe auch nicht gewürdigt, dass die unvollständige Antwort auf die Frage einer Parteizugehörigkeit erst aufgrund der Formulierung im Personalbogen der Schule resultierte. Weiterhin habe es das Schreiben des Delegierungsbetriebs VEB Glüso-Werk vom 7. Dezember 1957 nicht richtig gewürdigt und es unterlassen, die Rehabilitierungsentscheidung des Landgerichts Rostock vom 16. Juli 2001 sorgfältig auszuwerten.
Abgesehen davon, dass im Tatbestand des angefochtenen Urteils (vgl. S. 3 bis 6) das Vorbringen des Klägers detailliert wiedergegeben worden ist, ergibt sich aus den vorstehenden Darlegungen eindeutig, dass die Beschwerde die Urteilsgründe in ihrem zusammenfassenden Gehalt verkennt. Die Gründe reduzieren das Vorbringen des Klägers auf ihren Kern, der - wie auch die Darlegungen in der Beschwerdebegründung belegen - in der Behauptung besteht, dass tatsächlich eine politisch motivierte Exmatrikulation vorgelegen habe. Mit diesem Vorbringen beschäftigen sich die Urteilsgründe indessen in der gebotenen Weise, indem sie einleitend ausführen, dass die als Exmatrikulation zu bewertende Beurlaubung des Klägers vom Ingenieurstudium ihren Grund nicht in einer politischen Verfolgung, sondern ganz offensichtlich hauptsächlich in der von ihm gefertigten und zu Täuschungszwecken manipulierten Abschrift des Entlassungsschreibens der Deutschen Volkspolizei hatte. Sodann wird diese Auffassung des Gerichts sorgfältig auf das Vorbringen des Klägers eingehend begründet (vgl. S. 8 bis 10). In Wahrheit wendet sich die Beschwerde mit ihrer Rüge gegen die ihrer Ansicht nach unrichtige verwaltungsgerichtliche Würdigung der Gesamtumstände der Exmatrikulation des Klägers. Damit kann ein Verfahrensmangel aber nicht begründet werden.
2. Die Beschwerde sieht als grundsätzlich klärungsbedürftig im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO die Frage an, "ob ein angebliches vorsätzliches Fehlverhalten eines Studenten, das tatsächlich allerdings nie vorlag, ausnahmslos als sachgerechter Grund für eine Exmatrikulation anzusehen ist oder ob ein geringfügiges Verschulden des Betroffenen bei der Feststellung der Rechtsstaatswidrigkeit einer Maßnahme im Sinne von § 1 VwRehaG bzw. § 1 Abs. 1 Nr. 3 BerRehaG akzeptabel ist, wenn die Exmatrikulation eine grobe Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes darstellen würde."
Diese Fragen verleihen der Rechtssache jedoch keine grundsätzliche Bedeutung, weil sie sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen würden. Dieses hat nämlich nach § 137 Abs. 2 VwGO von den vom Verwaltungsgericht verfahrensfehlerfrei festgestellten Tatschen auszugehen. Wie dargelegt, hat das Verwaltungsgericht ohne Verfahrensfehler festgestellt, dass die Exmatrikulation des Klägers ihren Grund nicht in einer politischen Verfolgung, sondern ganz offensichtlich hauptsächlich in der von ihm gefertigten und zu Täuschungszwecken manipulierten Abschrift des Entlassungsschreibens der Deutschen Volkspolizei hatte. Auf die vom Kläger aufgeworfenen Fragen nach sachgerechten Gründen für eine Exmatrikulation kommt es demnach nicht an, denn in jedem Fall setzt die berufliche Rehabilitierung eine Verfolgungsmaßnahme voraus, die hier nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht gegeben war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 14 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.