Beschluss vom 21.12.2010 -
BVerwG 5 B 39.10ECLI:DE:BVerwG:2010:211210B5B39.10.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 21.12.2010 - 5 B 39.10 - [ECLI:DE:BVerwG:2010:211210B5B39.10.0]

Beschluss

BVerwG 5 B 39.10

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 08.04.2010 - AZ: OVG 12 A 2783/07

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 21. Dezember 2010
durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Hund
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit und Dr. Häußler
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 8. April 2010 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf 11 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde ist teilweise unzulässig und teilweise unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO) liegen nicht vor.

2 1. Die Beschwerde nimmt zur Begründung der grundsätzlichen Bedeutung der Sache sowie der „durchschlagenden Verfahrensrügen“ pauschal auf den Schriftsatz im Beschwerdeverfahren der Eltern des Klägers Bezug. Dieses Vorgehen genügt nicht dem Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, weil der zitierte Schriftsatz nicht innerhalb der Beschwerdefrist in Kopie vorgelegt worden ist und weil es ist nicht Aufgabe des Beschwerdegerichts sein kann, aus einem in Bezug genommenen Schriftsatz das herauszusuchen, was möglicherweise - bei wohlwollender Auslegung - zur Begründung der Beschwerde geeignet sein könnte (vgl. Beschlüsse vom 2. August 2010 - BVerwG 4 BN 36.10 - juris Rn. 5 und vom 19. November 1993 - BVerwG 1 B 179.93 - Buchholz 310 § 133 VwGO <n.F.> Nr. 13). Der am 2. September 2010 beim Bundesverwaltungsgericht eingegangene Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 31. August 2010 kann die vorstehend bezeichneten Mängel schon deshalb nicht heilen, weil die Begründungsfrist des § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO am 28. Juni 2010 abgelaufen ist. Im Übrigen ist weder dargelegt noch ersichtlich, inwieweit ein Erfolg im Beschwerdeverfahren der Eltern dem Kläger im vorliegenden Verfahren zustatten kommen könnte. Denn das Oberverwaltungsgericht hat die Abstammung des Klägers von deutschen Volkszugehörigen bejaht und das angegriffene Urteil selbstständig tragend darauf gestützt, dass es beim Beschwerdeführer selbst an einem durchgehenden Bekenntnis ausschließlich zum deutschen Volkstum fehle (UA S.8).

3 2. Die Revision ist auch nicht im Hinblick auf eine Divergenz zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zuzulassen. Soweit die Beschwerde eine Abweichung von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. März 2000 - BVerwG 5 C 25.99 - (Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 92) rügt, ist dies schon deshalb nicht geeignet, die Zulassung der Revision herbeizuführen, weil es an der Darlegung miteinander in unmittelbarem Widerspruch stehender, entscheidungstragender Rechtssätze fehlt. Die Rüge der Abweichung vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. September 2007 - BVerwG 5 C 25.06 - (Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 110) ist zwar hinreichend dargelegt, aber in der Sache unbegründet. Denn das Oberverwaltungsgericht hat sich ausdrücklich den vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Rechtssatz zu eigen gemacht, dass in der Entgegennahme und Führung eines Passes mit eingetragener nichtdeutscher Nationalität nur dann eine außenwirksame Zuwendung zu einem anderen Volkstum liegt, wenn dieses Verhalten dem Passinhaber zurechenbar ist. In wörtlicher Übereinstimmung mit dem Senatsurteil (a.a.O. Rn. 10) wird vom Berufungsgericht (UA S. 9) ausgeführt:
„Ist einer Person die Entgegennahme, das Führen, die Nutzung eines Passes mit eingetragener nichtdeutscher Nationalität zurechenbar, dann wendet sie sich damit nach außen einem anderen Volkstum zu. Das ist der Fall, wenn die Entgegennahme und Führung eines Passes mit nichtdeutscher Nationalität vom Willen des Passinhabers getragen ist oder wenn dieser eine Möglichkeit, sich der Entgegennahme und Führung eines Passes mit nichtdeutscher Nationalität zu widersetzen und stattdessen einen Pass mit deutscher Nationalität zu erhalten, nicht nutzt. Dann lässt er ihn für sich wirken.“

4 Die Bewertung des Berufungsgerichts, dass dies hier der Fall sei, weil der Kläger in der Zeit von Mitte 1992 bis Juli 1995 den Inlandspass mit dem ungarischen Nationalitäteneintrag freiwillig genutzt/geführt habe, ohne die Möglichkeit wahrzunehmen, einen Pass mit deutschem Nationalitäteneintrag zu erhalten, betrifft die einzelfallbezogene Anwendung eines nicht bestrittenen Rechtssatzes.

5 Soweit die Beschwerde meint (Beschwerdebegründung vom 28. Juni 2010 S. 2), das Bundesverwaltungsgericht verlange ein Führen des Inlandspasses und ein Benutzen und nicht nur die Möglichkeit, dass dieser irgendwie hätte benutzt werden können, vernachlässigt dies bereits, dass der Senat in jener Entscheidung nicht den Rechtssatz aufgestellt hat, dass der Betreffende den Pass mit der eingetragenen nichtdeutschen Nationalität nur dann für sich wirken lässt, wenn er ihn auch tatsächlich benutzt hat. Ansonsten ist nicht zu vertiefen, ob der Einwand der mangelnden tatsächlichen Benutzung des Ausweises mit der nichtdeutschen Nationalitätseintragung beachtlich gewesen wäre. Denn das Oberverwaltungsgericht hat seine Bewertung, der Kläger habe sich nicht im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG auf vergleichbare Weise zum deutschen Volkstum bekannt, „unabhängig von der zeitweisen Zurechenbarkeit des Eintrages einer nichtdeutschen Nationalität im Inlandspass“ - und damit die Entscheidung selbstständig tragend - auch darauf gestützt, dass nicht festzustellen sei, dass der Kläger sich ab dem Zeitpunkt der Bekenntnisfähigkeit im Jahre 1986 bis zum Jahr 1990 auf vergleichbare Weise nur zum deutschen Volkstum bekannt habe (UA S. 10 ff.). Bei einer derartigen kumulativen Mehrfachbegründung kann nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Nichtzulassungsbeschwerde nur dann Erfolg haben, wenn hinsichtlich jeder dieser selbstständig tragenden Abweisungsgründe ein Zulassungsgrund vorgetragen und gegeben ist (stRspr, vgl. etwa Beschluss vom 19. Oktober 2010 - BVerwG 9 B 20.10 - juris Rn. 3).

6 3. Die Revision ist schließlich auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen. Soweit der Kläger beanstandet, dass er zum Nachweis seines Bekenntnisses zum deutschen Volkstum seine eigene Anhörung beantragt habe und dass die beantragte Zeugeneinvernahme seines Vaters unterblieben sei, genügt dies nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Ein Verfahrensmangel ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung im Einzelnen dargetan wird. Für die ordnungsgemäße Begründung der hier erhobenen Rüge mangelhafter Sachaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) muss dementsprechend substantiiert dargelegt werden, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären, welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern deren Berücksichtigung auf der Grundlage der vordergerichtlichen Rechtsauffassung zu einem anderen Ergebnis hätte führen können (vgl. Urteil vom 20. April 2004 - BVerwG 1 C 13.03 - BVerwGE 120, 298 <303>). Daran fehlt es. Die Beschwerdeschrift legt hinsichtlich der beantragten Anhörung des Klägers nicht einmal dar, dass diese unterblieben sei. Hinsichtlich der beantragten Zeugeneinvernahme lässt sie jede Befassung damit vermissen, dass das Oberverwaltungsgericht den hilfsweise gestellten Beweisantrag im angegriffenen Urteil (UA S. 15 f.) mangels hinreichender Substantiierung und mangels Entscheidungserheblichkeit abgelehnt hat.

7 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 3, Abs. 1 und 2, § 52 Abs. 2 GKG (vgl. Ziffer 49.2 des Streitwertkatalogs 2004 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit <NVwZ 2004, 1327> und Beschluss vom 30. Januar 2009 - BVerwG 5 B 44.08 - juris Rn. 7 m.w.N.).

Beschluss vom 09.03.2011 -
BVerwG 5 B 7.11ECLI:DE:BVerwG:2011:090311B5B7.11.0

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    BVerwG, Beschluss vom 09.03.2011 - 5 B 7.11 - [ECLI:DE:BVerwG:2011:090311B5B7.11.0]

Beschluss

BVerwG 5 B 7.11

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 08.04.2010 - AZ: OVG 12 A 2783/07

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 9. März 2011
durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Hund
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit und Dr. Häußler
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge des Klägers gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Dezember 2010 - BVerwG 5 B 39.10  - wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Rügeverfahrens.

Gründe

1 Die Anhörungsrüge ist jedenfalls unbegründet. Der Senat hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt (§ 152a Abs. 1 VwGO).

2 Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet zwar ein Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Eine Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG ist allerdings nur dann dargetan, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist (BVerfG, Beschluss vom 28. März 1985 - 1 BvR 1245/84, 1254/84 - BVerfGE 69, 233 <246>). Dafür ist hier nichts ersichtlich.

3 Soweit der Kläger rügt, dass sich der Senat nicht mit der Vorschrift des „§ 6 Abs. 2 Nr. 3 3. Alt. BVFG“ (gemeint ist offenbar § 6 Abs. 2 Satz 1 Alt. 3 BVFG) befasst habe, kann darin schon deswegen kein Gehörsverstoß liegen, weil der Kläger diese Vorschrift im Text seiner Nichtzulassungsbeschwerdeschrift vom 28. Juni 2010 nicht ausdrücklich und sinngemäß allenfalls durch einen nicht ausreichenden Pauschalverweis auf einen Schriftsatz in einem anderen Verfahren angesprochen und damit auch nicht zum Gegenstand einer zulässigen Grundsatz-, Divergenz- oder Verfahrensrüge gemacht hat. Hierzu hätte Veranlassung bestanden, weil das Berufungsgericht die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 Satz 1 Alt. 3 BVFG geprüft und deren Vorliegen aus Rechtsgründen verneint hat (UA S. 14).

4 Soweit der Kläger meint, der Anspruch auf rechtliches Gehör zwinge ein Revisionsgericht auch ohne eine zulässige Rüge, „den ihm unterbreiteten Sachverhalt unter eine zwingende bestimmte Norm, die dem Normadressaten günstig ist, zu subsumieren“, verkennt er die Tragweite dieses Prozessgrundrechts. Art. 103 Abs. 1 GG gewährt keinen Schutz gegen Entscheidungen, die den Sachvortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise oder ganz unberücksichtigt lassen (vgl. BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1997 - 1 BvR 1621/94 - BVerfGE 96, 205 <216>); erst recht gebietet Art. 103 Abs. 1 GG nicht, von den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO abzusehen oder nicht erhobene Rügen zu bescheiden.

5 Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

6 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil sich die Gerichtsgebühr unmittelbar aus Nr. 5400 der Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz ergibt.