Beschluss vom 21.12.2006 -
BVerwG 3 B 64.06ECLI:DE:BVerwG:2006:211206B3B64.06.0

Beschluss

BVerwG 3 B 64.06

  • VG Berlin - 14.03.2006 - AZ: VG 9 A 504.01

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 21. Dezember 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht van Schewick und Dr. Dette
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 14. März 2006 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Mit Bescheid vom 20. Oktober 2000 stellte das Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin fest, dass der Kläger politisch Verfolgter im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 BerRehaG sei und die Verfolgungszeit vom 18. März 1980 bis 30. November 1982 gedauert habe. Der darüber hinausgehende Antrag auf Erteilung einer Rehabilitierungsbescheinigung nach § 17 Abs. 1 i.V.m. § 22 Abs. 1 des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes (BerRehaG) wurde unter Verweis auf § 4 BerRehaG abgelehnt, da der Kläger einem Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit der ehemaligen DDR Mitteilungen zu einer westlichen Fluchthilfeorganisation gemacht und in 22 Kontaktgesprächen detaillierte Angaben zu den Beteiligten einer Schleuserorganisation gegeben habe. Das Verwaltungsgericht hat die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage zurückgewiesen, da Ausschließungsgründe nach § 4 BerRehaG vorlägen. Zur Begründung hat es auf sein Urteil vom 14.  März 2006 (VG 9 A 433.01 ) verwiesen, mit dem es auch die Klagen des Klägers gegen die Aufhebung der ihm nach dem Häftlingshilfegesetz und dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz erteilten Bescheide zurückgewiesen hatte.

2 Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil bleibt ohne Erfolg. Es ist weder feststellbar, dass die Rechtssache die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO aufweist (1.), noch liegen nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO Verfahrensmängel vor (2.).

3 1. Grundsätzliche Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat eine Rechtssache nur, wenn zu erwarten ist, dass die Revisionsentscheidung dazu beitragen kann, die Rechtseinheit in ihrem Bestand zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Anhaltspunkte dafür, dass hier diese Voraussetzungen gegeben sein könnten, sind nicht dargelegt. Der Kläger hält zwar im Hinblick auf seinen Bruder für klärungsbedürftig, ob
„jemand, der im Auftrag von diesem Informationen weiterleitet, diesen in seinem Menschenrecht verletzen kann“.

4 Damit wird eine grundsätzlich zu klärende Rechtsfrage jedoch nicht dargelegt, sondern gerade die konkrete Frage des vorliegenden Einzelfalls benannt, die anhand der bereits vorliegenden grundsätzlichen Rechtsprechung des Senats zu beantworten ist. Der Streit ist hier danach zu entscheiden, ob die Voraussetzungen der Ausschlussnorm des § 4 BerRehaG vorliegen. Dazu hat der Senat bereits grundlegend entschieden, dass eine Spitzeltätigkeit für die Stasi unter Inkaufnahme einer Drittschädigung im Regelfall einen Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit begründet (Urteil vom 8. März 2002 - BVerwG 3 C 23.01 - BVerwGE 116, 100 = Buchholz 428.8 § 4 BerRehaG Nr. 1; vgl. zuletzt auch Urteil vom 19. Januar 2006 - BVerwG 3 C 11.05 - ZOV 2006, 178). Das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 14. März 2006 (VG 9 A 433.01 ), auf das im vorliegenden Verfahren verwiesen wurde, festgestellt, dass der Kläger in über zwanzig dokumentierten Zusammenkünften dem MfS Informationen über eine Fluchthilfeorganisation gegeben habe; dabei habe er insbesondere über seinen Bruder Kurt aber auch über andere Personen informiert. Zudem habe er dem MfS über Westkontakte eines NVA-Offiziers sowie über Fluchtabsichten eines Dritten berichtet. Durch diese Tätigkeiten habe er gegen Grundsätze der Menschlichkeit verstoßen. Unbeschadet der im Folgenden zu klärenden Frage, ob die gegen diese Feststellungen erhobenen Verfahrensrügen greifen, ist eine grundsätzliche Bedeutung der erheblichen Rechtsfragen mithin nicht gegeben. Insbesondere kommt es bei einer unter Inkaufnahme einer Drittschädigung erfolgten Tätigkeit für das MfS nicht darauf an, ob die Zusammenarbeit auf einer Verpflichtungserklärung basierte. Die Beschwerde beschränkt sie sich mithin letztlich darauf, die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts anzugreifen und grundsätzliche Bedeutung zu behaupten. Damit kann jedoch die grundsätzliche Bedeutung nicht dargelegt werden.

5 2. Ebenso wenig können die mit der Beschwerde geltend gemachten Verfahrensmängel gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO die Zulassung der Revision rechtfertigen. Die Beschwerde hält dem Verwaltungsgericht eine Verletzung der Aufklärungs- und Ermittlungspflicht vor. Der Kläger sei lediglich Übermittler bzw. Werkzeug des amerikanischen Geheimdienstes gewesen und hätte seine Informationen nur über seinen Bruder erhalten. Das Gericht hätte zur weiteren Sachverhaltsaufklärung daher den Bruder des Klägers Kurt R. als Zeugen hören müssen. Auch die Ehefrau des Klägers Hannelore R. hätte gehört werden müssen, da er sich mit ihr - anders als in einem MfS-Bericht vermerkt - niemals über Angehörige der NVA unterhalten habe. In diesem Zusammenhang wäre die Ehefrau auch hinsichtlich des gestellten Besuchsersuchens nach Norwegen zu ihrer damals schwer erkrankten Verwandten zu befragen gewesen. Schließlich hätten auch die Führungsoffiziere befragt werden müssen. Der Kläger bestreite die Richtigkeit der in den BStU-Unterlagen dokumentierten Berichte. Es sei unzutreffend, dass im Jahr 1978 vier Kontaktgespräche und im Zeitraum März bis Dezember 1979 22 Zusammenkünfte zwischen dem Kläger und Mitarbeitern des MfS stattgefunden hätten. Auch zum Ablauf und Inhalt der Vernehmung des Klägers im Rahmen des Ermittlungsverfahrens vom 28. Mai 1980 hätten die Führungsoffiziere aufklärend befragt werden müssen.

6 Diese Rüge geht fehl. Da der Kläger in der mündlichen Verhandlung keinen förmlichen Beweisantrag gestellt hat (§ 86 Abs. 2 VwGO), läge eine Verletzung der Aufklärungspflicht durch das Verwaltungsgericht nur vor, wenn sich ihm die Notwendigkeit einer Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugen hätte aufdrängen müssen. Das ist nicht der Fall.

7 Das Verwaltungsgericht hat insoweit zu Recht berücksichtigt, dass der vorsorglich geladene, aber nicht erschienene Bruder des Klägers Kurt R. zum Inhalt der Gespräche des Klägers mit Mitarbeitern des MfS ohnehin nichts hätte aussagen können. Das gleiche gilt für die Ehefrau des Klägers Hannelore R. Dass der Kontakt zum MfS ursprünglich auf Veranlassung des Bruders des Klägers zustande gekommen ist, hat das Gericht demgegenüber ohnedies unterstellt, allerdings nicht als entlastend gewertet. Darüber hinaus hat das Verwaltungsgericht entscheidend darauf abgestellt, dass die Annahme, verschiedene Mitarbeiter des MfS könnten in zahlreichen Berichten detaillierte Angaben über den Inhalt der Gespräche mit dem Kläger erfunden haben, außerhalb der Wahrscheinlichkeit liegt. So hat der Kläger außer seinem pauschalen Bestreiten auch keinen Anhaltspunkt aufgezeigt, warum die Mitarbeiter des MfS die Begegnungen in den nunmehr vom Verwaltungsgericht als Urkunden herangezogenen Berichten hätten unrichtig dokumentieren sollen. Demgegenüber stützt sich das Gericht zu Recht auf den Umstand, dass der Kläger Treffen mit verschiedenen MfS-Angehörigen in seinem Schriftsatz vom 9. Februar 2006 sowie in der mündlichen Verhandlung am 14. März 2006 eingeräumt hat. Zudem hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 14. März 2006 bestätigt, dass die Unterschrift unter dem Vernehmungsprotokoll vom 28. Mai 1980 von ihm stammt. Plausible Anhaltspunkte, dass seine Aussagen darin unzutreffend aufgenommen worden sind, sind nicht vorgetragen aber auch nicht erkennbar, zumal sich seine Unterschrift auf jeder Seite des Protokolls befindet.

8 Von einer weiteren Begründung seines Beschlusses sieht der Senat nach § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO ab.

9 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.