Beschluss vom 21.12.2004 -
BVerwG 1 B 68.04ECLI:DE:BVerwG:2004:211204B1B68.04.0

Beschluss

BVerwG 1 B 68.04

  • Hessischer VGH - 21.01.2004 - AZ: VGH 6 UE 2570/01.A

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 21. Dezember 2004
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts E c k e r t z - H ö f e r ,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht B e c k und den Richter am
Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. D ö r i g
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 21. Januar 2004 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die Beschwerde der Klägerin, die sich nur auf ihr Begehren auf Abschiebungsschutz nach § 53 AuslG bezieht, hat keinen Erfolg.
Die Beschwerde bemängelt, das Berufungsgericht habe über den in der Berufungsverhandlung - neben dem Antrag zu § 51 Abs. 1 AuslG - gestellten Hilfsantrag der Klägerin zu § 53 AuslG nicht in der Sache entschieden. Es sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass dieser Teil des Klagebegehrens nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens sei. Nachdem das Verwaltungsgericht die Asylklage der Klägerin in vollem Umfang - also sowohl hinsichtlich des Asylanspruchs nach Art. 16 a Abs. 1 GG als auch hinsichtlich des Abschiebungsschutzes nach § 51 Abs. 1 AuslG und nach § 53 AuslG - abgewiesen habe, habe die Klägerin mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung das gesamte Urteil angegriffen und zur Überprüfung gestellt. Das Berufungsgericht habe zwar die Berufung nur hinsichtlich der Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG zugelassen und den Antrag im Übrigen abgelehnt. Das Ausscheiden der Prüfung des Abschiebungsschutzes nach § 53 AuslG sei indes rechtlich unzulässig und widerspreche der in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannten Dreistufigkeit des Prüfungsverfahrens in Asylrechtsstreitigkeiten. Wenn die Berufung hinsichtlich der Voraussetzungen des § 51 AuslG zuzulassen sei, so ergebe sich denknotwendig und auch aus der gesetzlichen Konstruktion des Asylverfahrensgesetzes, dass die Berufung auch hinsichtlich der Frage zuzulassen gewesen wäre, ob in der Person der Klägerin die Voraussetzungen des § 53 AuslG vorlägen. Da das Begehren auf Abschiebungsschutz nach § 53 AuslG als Hilfsbegehren zu dem Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG aufzufassen sei, müsse es immer dann geprüft werden, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG verneint würden. Etwas anderes könne nur dann gelten, wenn vom Asylbewerber selbst die Prüfung der Frage des Abschiebungsschutzes nach § 53 AuslG ausdrücklich ausgeschieden worden sei. Mit seiner gegenteiligen Auffassung weiche das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ab. Zumindest sei damit auch die grundsätzliche klärungsbedürftige Frage aufgeworfen, ob durch die hier vorgenommene Form der Zulassung der Berufung nicht rechtsfehlerhaft der Rechtsmittelweg für die Klägerin verkürzt worden sei.
Mit diesem Vorbringen ist eine Grundsatz- oder Divergenzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO) schon deshalb nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise dargelegt, weil die Beschwerde weder die Klärungsbedürftigkeit der Frage auf der Grundlage der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung darlegt noch einen bestimmten Rechtssatz aus einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts benennt, von dem das Berufungsgericht abgewichen sein soll. Unabhängig davon kann aber der Beschwerde sinngemäß eine Verfahrensrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) entnommen werden, die allerdings in der Sache nicht durchgreift. Denn die Auffassung des Berufungsgerichts, dass im Berufungsverfahren über den Hilfsantrag auf Abschiebungsschutz nach § 53 AuslG nicht in der Sache zu entscheiden war, ist entgegen der Ansicht der Beschwerde prozessrechtlich nicht zu beanstanden. Unstreitig hat das Berufungsgericht den Berufungszulassungsantrag der Klägerin bezüglich des in erster Instanz geprüften und abgewiesenen Begehrens auf Abschiebungsschutz nach § 53 AuslG in seinem Beschluss vom 19. September 2001 abgelehnt und die Berufung nur hinsichtlich der Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG zugelassen. Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags hinsichtlich des Abschiebungsschutzes nach § 53 AuslG ist das Urteil des Verwaltungsgerichts auch insoweit - hinsichtlich des Ausspruchs zu § 53 AuslG auflösend bedingt für den Fall des Erfolgs der Berufung der Klägerin zu § 51 Abs. 1 AuslG - rechtskräftig geworden (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO). Ob die Ablehnung zu Recht erfolgt ist oder die Berufung auch im Hinblick auf § 53 AuslG hätte zugelassen werden müssen, war daher in dem Berufungsverfahren, das nur noch den Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG zum Gegenstand hatte, nicht mehr zu prüfen. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn eine teilweise Zulassung der Berufung nur zu § 51 AuslG aus Rechtsgründen nicht zulässig wäre, weil es sich um einen unteilbaren Streitgegenstand handelte, oder das Hilfsbegehren auf Abschiebungsschutz nach § 53 AuslG mit der Zulassung des Hauptbegehrens zu § 51 Abs. 1 AuslG automatisch und unabhängig von der Zulassungsentscheidung in der Rechtsmittelinstanz anfiele. Beides ist jedoch nicht der Fall. Dass die Ansprüche auf Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16 a GG und auf Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG sowie die Ansprüche auf Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 1, 2 und 4 einerseits und nach § 53 Abs. 6 AuslG andererseits entweder eigenständige Streitgegenstände oder jedenfalls rechtlich abtrennbare Streitgegenstandsteile sind, steht nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts außer Frage (vgl. Urteil vom 15. April 1997 - BVerwG 9 C 19.96 - BVerwGE 104, 260 <262>). Auch wenn diese Ansprüche regelmäßig in einem Asylprozess und im Verhältnis von Haupt- und Hilfsbegehren geltend gemacht werden, handelt es sich um unterschiedliche Ansprüche, die auch verfahrensrechtlich gesondert zu behandeln sein können. Eine auf den Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG beschränkte Zulassung der Berufung des Asylbewerbers ist daher prozessrechtlich zulässig. Entgegen der Ansicht der Beschwerde liegen auch die Voraussetzungen für ein automatisches Anfallen des Hilfsbegehrens zu § 53 AuslG in der Berufungsinstanz hier nicht vor. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts fällt allerdings ein Hilfsantrag, über den die Vorinstanz nicht zu entscheiden brauchte, weil sie dem Hauptantrag entsprochen hat, durch das Rechtsmittel der beklagten Bundesrepublik Deutschland oder des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten gegen eine Verurteilung nach dem Hauptantrag ebenfalls und automatisch in der Rechtsmittelinstanz an (vgl. Urteil vom 15. April 1997, a.a.O.; zuletzt etwa Beschluss vom 4. April 2003 - BVerwG 1 B 210.02 - Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 70). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Das Verwaltungsgericht hat im Falle der Klägerin sowohl den Hauptantrag als auch den Hilfsantrag abgewiesen. Die Klägerin konnte deshalb gegen diese Entscheidung in vollem Umfang eigene Rechtsmittel einlegen und hat dies auch getan. Anders als im Falle eines erstinstanzlich erfolgreichen Hauptantrags und des dagegen eingelegten Rechtsmittels der Gegenseite besteht im Falle der Klägerin deshalb keine Rechtsschutzlücke, die durch ein automatisches Anfallen des Hilfsantrags in der Berufungsinstanz - unabhängig vom Umfang der Berufungszulassung - geschlossen werden müsste.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG a.F. (= § 83 b AsylVfG i.d.F. des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 5. Mai 2004, BGBl I S. 718) nicht erhoben; der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG a.F. (vgl. § 60 RVG).