Beschluss vom 21.08.2003 -
BVerwG 8 BN 1.03ECLI:DE:BVerwG:2003:210803B8BN1.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 21.08.2003 - 8 BN 1.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:210803B8BN1.03.0]

Beschluss

BVerwG 8 BN 1.03

  • OVG Mecklenburg-Vorpommern - 03.07.2002 - AZ: OVG 4 K 4/01

In der Normenkontrollsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 21. August 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. M ü l l e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. P a g e n k o p f und P o s t i e r
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 3. Juli 2002 wird zurückgewiesen.
  2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 8 180,67 € festgesetzt.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Darlegungen ergeben nicht, dass die Revision zuzulassen ist.
1. Der Sache kommt die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht zu.
a) Die Beschwerde wirft die Frage auf:
"Ist die Ersetzung von Willenserklärungen/-betätigungen und die Ersetzung nicht getroffener, notwendiger Bestandteile der Gründungsverbandssatzung durch den Landesgesetzgeber wegen des Eingriffs in das in Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG enthaltene Homogenitätsprinzip verfassungskonform?"
Die Frage zieht jedoch keinen fallübergreifenden Klärungsbedarf nach sich.
Das Volk muss gemäß Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG auch in den Kreisen und Gemeinden eine gewählte Vertretung haben. Die Norm bestimmt, dass die Grundentscheidungen der Verfassung für die Prinzipien der Volkssouveränität und der Demokratie sowie für ein demokratisches Wahlverfahren nicht nur auf Bundes- und Landesebene gelten sollen, sondern auch in den Untergliederungen der Länder, den Gemeinden und Gemeindeverbänden (vgl. BVerfGE 83, 27 <53>; 52, 95 <111>). Die Vorschrift gewährleistet damit für alle Gebietskörperschaften auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland die Einheitlichkeit der demokratischen Legitimationsgrundlage.
Über die Gewährleistung einer demokratisch gewählten Volksvertretung für die Kreise und Gemeinden hinaus macht Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG keine Vorgaben dazu, welche Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft dem gewählten Gemeinde- oder Kreisparlament vorbehalten sein müssen. Die Entscheidung trifft der Landesgesetzgeber im Rahmen der ihm zustehenden Befugnis zur Ausgestaltung des Kommunalrechts. Seine Auffassung ist für den bundesverfassungsrechtlichen Maßstab nicht bindend. Nicht jede Verletzung des einfach-rechtlichen Kommunalverfassungsrechts begründet zugleich einen Verfassungsverstoß (Bundesverfassungsgericht, 3. Kammer des Zweiten Senats, Beschluss vom 23. Juli 2002 - 2 BvL 14/98 - LKV 2002, 569 <572>).
Ein - das Demokratieprinzip beeinträchtigender - Eingriff in den Kompetenzbereich der Gemeindevertretung der Antragstellerin durch die rückwirkend auch auf den Beschluss zum Beitritt bzw. zur Bildung des Zweckverbandes und dessen Satzung verzichtenden Heilungsvorschriften in § 170 a Abs. 1 Satz 2 und 3 Kommunalverfassung liegt nicht vor, weil der Gemeinderat der Antragstellerin ausweislich seines Beschlusses Nr. 14/91 am 18. April 1991 die Verbandssatzung anerkannt, auf dieser Grundlage seinen Beitritt zum Antragsgegner erklärt und seinen Bürgermeister sowie Gemeindevorsteher ermächtigt hat, die gegenüber der Gründungsbehörde abzugebenden Beitrittserklärungen zu unterzeichnen, was diese noch am selben Tage getan haben. Der Antragstellerin ist danach kein Gründungswille aufgezwungen worden.
b) Die Beschwerde möchte ferner geklärt wissen,
ob es dem Rechtsstaatsprinzip von Art. 20 Abs. 3 GG entspricht, wenn ein Gericht einen Rechtsanwalt, der gegen das Tätigkeitsverbot nach § 45 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Abs. 2 Nr. 2 BRAO im anhängigen Verfahren verstößt, nach § 156 Abs. 2 BRAO nicht zurückweist.
Zur Beantwortung dieser Frage bedarf es nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens. Denn die Antwort ergibt sich ohne weiteres aus dem Gesetz. § 156 Abs. 2 BRAO lässt die Zurückweisung eines Rechtsanwalts nur bei Vorliegen eines vom Anwaltsgericht beschlossenen vorläufigen Berufs- oder Vertretungsverbots (§ 150 Abs. 1, § 153 BRAO) zu, was hier nicht verhängt worden ist. Die Stellung der Vorschrift im (5.) Abschnitt der Bundesrechtsanwaltsordnung "Das Berufs- und Vertretungsverbot als vorläufige Maßnahme" lässt über den Regelungsgegenstand von § 156 Abs. 2 BRAO keine Unklarheit aufkommen. Bereits die rechtsförmliche Ausgestaltung des anwaltsgerichtlichen Verfahrens zur Verhängung eines vorläufigen Berufs- und Vertretungsverbots steht einer analogen Anwendung von § 156 Abs. 2 BRAO auf nicht förmlich festgestellte Betätigungsverbote (etwa nach § 45 BRAO) entgegen (vgl. Kammergericht, Beschluss vom 4. Oktober 1994 - 4 W 6060/94 -, NJW-RR 1995, 762 <763>; Kleine-Cosack, BRAO, 3. Aufl., § 156 Rn. 1 f., § 45 Rn. 45;
Henssler/Prütting, BRAO, § 45 Rn. 43).
2. Die Divergenzrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) führen ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision. Ihr Erfolg würde voraussetzen, dass die Vorinstanz mit einem ihre Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (stRspr, vgl. Beschluss vom 1. September 1997 - BVerwG 8 B 144.97 - Buchholz 406.11 § 128 BauGB Nr. 50). Hiernach liegt jedoch keine revisionseröffnende Abweichung vor.
a) Die Beschwerde meint, eine Divergenz bestehe hinsichtlich des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Juli 2002 (a.a.O.), wonach die Bildung der Zweckverbände in den neuen Ländern zunächst auf der Kommunalverfassung der DDR vom 17. Mai 1990 beruht habe. Doch diese Mitteilung beinhaltet keinen Rechtssatz, also keine Aussage über den Inhalt des geltenden Rechts darüber, was von Rechts wegen geboten, verboten oder erlaubt ist. Sie erfolgte nur im Rahmen einer Schilderung des Sachverhalts und gehört nicht zu den Gründen der Entscheidung (a.a.O. S. 569).
b) Soweit die Beschwerde eine Abweichung vom Rechtssatz in den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Mai 1986 - 2 BvL 2/83 - (BVerfGE 72, 200) und vom 3. Dezember 1997 - 2 BvR 882/97 - (BVerfGE 97, 67) rügt, wonach die sog. "echte Rückwirkung" wegen Verstoßes gegen das Vertrauensschutzgebot grundsätzlich unzulässig sei, wird kein abstrakter Rechtssatzwiderspruch dargelegt. Sollte ein Subsumtionsfehler des Oberverwaltungsgerichts vorliegen, läge darin keine Abweichung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO.
3. Die von der Beschwerde geltend gemachten Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) bestehen nicht.
a) Die Beschwerde meint, das Oberverwaltungsgericht habe sich auf die Austrittsbemühungen der Antragstellerin nicht eingelassen. Die Rüge ist jedoch unbegründet. Die - kommunalaufsichtsrechtlich beanstandeten - Austrittsbemühungen der Antragstellerin aus dem Antragsgegner werden im Tatbestand des angegriffenen Urteils erwähnt (UA S. 3, 4) und in den Entscheidungsgründen im Rahmen der Prüfung von Bedenken hinsichtlich der Verbandssatzung 2001 geprüft (UA S. 29). Dass dem Austritt dabei wegen der Anordnung der sofortigen Vollziehung des Beanstandungsbescheides und fehlenden Erfolges des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens zunächst keine Rechtswirkung beigemessen wird, vermag keinen Gehörsverstoß, sondern - wenn überhaupt - Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit des Urteils zu begründen.
b) Die Beschwerde bemängelt ferner, dass sich das Oberverwaltungsgericht im angefochtenen Urteil nicht mit dem Vorbringen befasst habe, dass wegen der zeitlichen Differenzen zwischen der Rückwirkungsregelung in der Verbandssatzung 1995 und dem Änderungsbeschluss vom 17. Dezember 1998 betreffend § 19 Abs. 1 der Satzung in der Zeit vom 11. März bis 27. Dezember 1995 keine Bekanntmachungsregelung gegolten habe. Die Beschwerde hat aber die Rechtserheblichkeit ihres Vorbringens nicht ausreichend dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Das Innenministerium Mecklenburg-Vorpommern hatte mit Schreiben vom 18. Februar 1999 an den Antragsgegner darauf hingewiesen (vgl. Beiakte A Fach 4 Bl. 21), dass in der fraglichen Zeit die bisherige Bekanntmachungsregelung gelte. Hierzu verhält sich die Beschwerde nicht.
c) Ähnlich steht es um ihren Einwand, die Beanstandung des Austrittsbegehrens der Antragstellerin sei verspätet gewesen. Auch hier lässt es die Beschwerde an einer hinreichenden Darlegung fehlen, inwieweit die von ihr herangezogene Regelung in § 152 Abs. 4 Kommunalverfassung entscheidungserheblich sein könnte. Diese Vorschrift ermöglicht eine Inkraftsetzung einer geänderten Verbandssatzung. Eine solche, in der die Antragstellerin nicht als Mitglied aufgeführt ist, wurde jedoch nicht öffentlich bekannt gemacht und damit wirksam.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus §§ 13, 14 GKG.