Verfahrensinformation



In den beiden Verfahren streiten die Beteiligten jeweils auf der Grundlage des Berliner Beamtenrechts über die Beihilfefähigkeit von nicht verschreibungspflichtigen Medizinprodukten (hier: Hyaluronsäurepräparaten).


Der Kläger im ersten Verfahren ist Beamter im Dienst des Beklagten. Anfang Mai 2010 beantragte er u.a. eine Beihilfe für fünf „HYA Ject“ Fertigspritzen, die er aufgrund einer ärztlichen Verordnung zur Behandlung eines Knorpelschadens für rund 225 € erworben hatte. Die Klägerin im zweiten Verfahren, eine Ruhestandsbeamtin des Beklagten, beantragte Anfang März 2010 u.a. eine Beihilfe für „Ostenil-Fertigspritzen“, die ihr im Rahmen der Behandlung einer beidseitigen Kniegelenksarthrose i.H.v. 437 € ärztlich in Rechnung gestellt worden waren. Dies lehnte die Beihilfestelle des Beklagten in beiden Fällen mit der Begründung ab, Hyaluronsäurepräparate seien keine beihilfefähigen Arzneimittel.


Das Verwaltungsgericht hatte die Fälle in verschiedenen Kammern zu entscheiden; es hat im ersten Verfahren dem Kläger stattgegeben, während es die Klage im zweiten Verfahren abgewiesen hat. Bei dem Oberverwaltungsgericht sind in beiden Fällen die Kläger erfolgreich gewesen. Ihre Aufwendungen für die streitgegenständlichen Hyaluronsäurepräparate seien beihilfefähig. Bei den Präparaten handele es sich um Arzneimittel im Sinne der Berliner Beihilfeverordnung (§ 22 Satz 1 LBhVO). Zwar sehe das Berliner Beihilferecht mittels einer Verweisungsnorm (§ 22 Satz 2 LBhVO) vor, dass nur bestimmte Medizinprodukte beihilfefähig seien, zu denen Hyaluronpräparate nicht zählten. Auf diese Ausschlussregelung könne sich der Beklagte aber nicht stützen, weil sie nichtig sei. Sie stelle sich als unzulässige dynamische Verweisung dar, die gegen den verfassungsrechtlichen Vorbehalt des Gesetzes und die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht des Dienstherrn verstoße. Zudem sei die Vorschrift, auf die verwiesen werde,  selbst nicht hinreichend bestimmt, da sie die erforderlichen Festlegungen dem dort genannten Bundesausschuss überantworte. Außerdem fehle eine hinreichend bestimmte, besondere Härten abmildernde Ausnahmeregelung. Gegen die Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts wendet sich das beklagte Land mit seinen beim Bundesverwaltungsgericht eingelegten Revisionen.


Pressemitteilung Nr. 23/2015 vom 26.03.2015

Wirksame Beschränkung der Beihilfefähigkeit auf bestimmte Medizinprodukte

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass die Berliner Beihilfeverordnung rechtmäßig ist, soweit sie durch einen Verweis auf das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für Medizinprodukte (hier für Hyaluronsäurepräparate) grundsätzlich ausschließt und nur ausnahmsweise für bestimmte Produkte anerkennt.


In beiden zu entscheidenden Fällen war den beihilfeberechtigten Beamten ein physikalisch wirkendes Präparat zur Behandlung eines Knorpelschadens bzw. einer Kniegelenksarthrose ärztlich verordnet worden. Die Beihilfestelle des Beklagten lehnte die Erstattung der jeweiligen Aufwendungen (225 € in dem einen und 437 € in dem anderen Fall für „HYA Ject“- bzw. „Ostenil-Fertigspritzen“) mit der Begründung ab, diese Hyaluronsäurepräparate seien als Medizinprodukte nicht beihilfefähig. Beide Klagen auf Beihilfegewährung, die von verschiedenen Kammern des Verwaltungsgerichts unterschiedlich entschieden worden waren, hatten in zweiter Instanz Erfolg. Nach Ansicht des Oberverwaltungsgerichts sind diese Medizinprodukte als Arzneimittel beihilfefähig. Die Vorschrift der Berliner Beihilfeverordnung, die dies ausschließe, sei unwirksam. Die dortige Verweisung auf die Regelung im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung (Fünftes Buch Sozialgesetzbuch) und die davon wiederum in Bezug genommene abschließende Übersicht in der Arzneimittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die verordnungsfähigen Medizinprodukte, zu denen Hyaluronsäurepräparate nicht zählten, sei verfassungswidrig.


Die dagegen gerichteten Revisionen des beklagten Landes hatten Erfolg. Das Bundesverwaltungsgericht hat die streitige Regelung in der Berliner Beihilfeverordnung zu Medizinprodukten als rechtmäßig erachtet. Obgleich es sich um eine sogenannte dynamische Verweisung auf die jeweils geltende Fassung des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung handelt, ist diese mit den spezifischen Anforderungen des Rechtsstaats- und Demokratieprinzips, mit der verfassungsrechtlichen Fürsorgepflicht und dem Bestimmtheitsgebot vereinbar. Weil die Verweisungsnorm im Zusammenhang mit einer anderen Verordnungsregelung auszulegen ist, ist ihre Wirkung begrenzt. Danach ist nur die grundsätzliche Anwendung der Regelungen in den in Bezug genommenen Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses angeordnet. Die Beihilfestellen des Dienstherrn haben noch einen Entscheidungsspielraum und können unter Berücksichtigung des beamtenrechtlichen Fürsorgegrundsatzes im Einzelfall Ausnahmen zulassen.


BVerwG 5 C 8.14 - Urteil vom 26. März 2015

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, 7 B 5.14 - Urteil vom 07. Mai 2014 -

VG Berlin, 5 K 51.11 - Urteil vom 13. Juli 2012 -

BVerwG 5 C 9.14 - Urteil vom 26. März 2015

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, 7 B 10.14 - Urteil vom 07. Mai 2014 -

VG Berlin, 7 K 337.10 - Urteil vom 09. Januar 2013 -


Beschluss vom 21.04.2015 -
BVerwG 7 B 10.14ECLI:DE:BVerwG:2015:210415B7B10.14.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 21.04.2015 - 7 B 10.14 - [ECLI:DE:BVerwG:2015:210415B7B10.14.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 10.14

  • VG Magdeburg - 30.11.2011 - AZ: VG 3 A 320/11 MD
  • OVG Magdeburg - 12.12.2013 - AZ: OVG 2 L 21/12

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 21. April 2015
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Nolte und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Krauß und Brandt
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 12. Dezember 2013 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 140 526,91 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Der Kläger ist Insolvenzverwalter; er wendet sich gegen die Heranziehung zu den Kosten einer Ersatzvornahme im Zusammenhang mit der Sanierung der Tongruben der Insolvenzschuldnerin. Diese baute seit den 1990er Jahren in zwei Gruben Ton im Tagebaubetrieb ab. Der letzte Hauptbetriebsplan war bis zum 31. August 2008 zugelassen. Im Rahmen eines Sonderbetriebsplans war es der Insolvenzschuldnerin gestattet, zur Wiedernutzbarmachung ein Teilfeld auch mit Abfall zu verfüllen. Nachdem festgestellt worden war, dass hierzu auch nicht zugelassener Hausmüll verwendet wurde, nahm der Beklagte die Sonderbetriebsplanzulassung teilweise zurück und untersagte die weitere Verfüllung. Mit Bescheid vom 3. Februar 2010, geändert mit Bescheiden vom 4. April und 8. August 2011, gab der Beklagte dem Kläger auf, die Tontagebaue mit Dichtwänden zu sichern, die teilweise aus Ton hergestellt werden sollten. Dem Kläger wurde untersagt, bis zum Abschluss dieser Maßnahmen den in den Tagebauen vorhandenen Ton an Dritte abzugeben oder sonst wegzuschaffen. Darüber hinaus wurde dem Kläger aufgegeben zu dulden, dass der Beklagte den in einem bestimmten Bereich einer der Tongruben vorhandenen - auch noch nicht aufgehaldeten - Ton für die angeordneten Maßnahmen im Rahmen einer Ersatzvornahme verwendet. Die Ersatzvornahme der angeordneten Maßnahmen sowie ein Zwangsgeld für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungs- und Duldungsverfügung wurden angedroht. Mit Bescheid vom 25. Februar 2010 setzte der Beklagte die angedrohte Ersatzvornahme fest. Schließlich zog der Beklagte den Kläger mit Bescheid vom 31. August 2011 zu den Ersatzvornahmekosten für die Errichtung einer Dichtwand in einem der Tagebaue in Höhe von 140 526,91 € heran. Die hiergegen gerichtete Klage hatte vor dem Verwaltungsgericht Erfolg. Das Verwaltungsgericht verwies auf seine Urteile in den Verfahren gegen die Bescheide vom 3. und vom 25. Februar 2010; darin war es davon ausgegangen, dass die Androhung und die Festsetzung der Ersatzvornahme, soweit sie sich auf den in der Unterlassungs- und Duldungsverfügung bezeichneten Ton bezog, rechtswidrig seien. Das Oberverwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen: Dem Bescheid, mit dem keine Kosten für Ton aus den Tongruben der Insolvenzschuldnerin geltend gemacht würden, liege eine rechtmäßig durchgeführte Ersatzvornahme zugrunde. Hierfür sei ein unanfechtbarer bzw. vollziehbarer Grundverwaltungsakt erforderlich. Ein solcher sei hier gegeben; auf dessen Rechtmäßigkeit komme es vorliegend nicht an. Des Weiteren sei die Androhung der Ersatzvornahme wirksam, insbesondere unter Setzung einer angemessenen Frist für den Beginn der Maßnahme, erfolgt.

2 Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.

II

3 Die auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

4 Die vom Kläger als rechtsgrundsätzlich bedeutsam aufgeworfenen Fragen zum Verhältnis von Kostenbescheid und Rechtmäßigkeit der zugrunde liegenden Grundverfügung und zu den Anforderungen an die Bestimmtheit einer Fristsetzung in der Androhung der Ersatzvornahme rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht. Denn diese Fragen wären im erstrebten Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich und jedenfalls deswegen nicht klärungsfähig.

5 Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts, die von der Beschwerde mit Verfahrensrügen nicht angegriffen werden, werden mit dem angefochtenen Kostenbescheid keine Kosten für Ton aus Gruben der Insolvenzschuldnerin geltend gemacht. Die demnach der Ersatzvornahme zugrunde liegenden Anordnungen im Bescheid vom 3. Februar 2010 - Grundverfügung in Ziffern 1 und 2 sowie Androhung der Ersatzvornahme in Ziffer 6 - waren bereits im Zeitpunkt der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts nach rechtskräftiger Abweisung der hiergegen erhobenen Klage durch Urteil des Verwaltungsgerichts im Verfahren - VG 3 A 61/10 MD - und der Ablehnung des hiergegen gerichteten Antrags des Klägers auf Zulassung der Berufung bestandskräftig geworden.

6 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG.