Verfahrensinformation

Die Klägerin erstrebt eine Baugenehmigung für die Nutzungsänderung eines im Kerngebiet gelegenen Gebäudes in einen bordellartigen Betrieb („Laufhaus“). Das zuständige Berliner Bezirksamt lehnte den Antrag ab. Das Vorhaben sei rücksichtslos, weil mit Nachzieheffekten und der Entstehung eines „Rotlichtviertels“ zu rechnen sei. Zwischenzeitlich hat das Bezirksamt die Aufstellung eines Bebauungsplans, mit dem das Gebiet in ein Mischgebiet umgewandelt werden soll, sowie eine Veränderungssperre beschlossen. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) hat festgestellt, dass das beklagte Land Berlin bis zum Erlass der Veränderungssperre verpflichtet war, über den Bauantrag neu zu entscheiden, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Mit der Revision macht die Klägerin geltend, dass die Geltungsdauer der Veränderungssperre bereits wegen der „faktischen Zurückstellung“ ihres Bauantrags abgelaufen sei. Das beklagte Land Berlin wendet sich gegen die Auffassung des OVG, das Rücksichtnahmegebot sei unanwendbar, weil der Ausschluss von Bordellen und bordellähnlichen Betrieben bereits bei der Ausweisung des Kerngebiets hätte erwogen werden müssen.


Pressemitteilung Nr. 65/2013 vom 12.09.2013

Zulässigkeit eines bordellartigen Betriebes in Berlin weiter offen

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit eines bordellartigen Betriebes („Laufhaus“) im zweiten bis fünften Obergeschoss eines siebenstöckigen Gebäudes in Berlin-Schöneberg erneut zu entscheiden hat.


Der Beklagte hatte die beantragte Baugenehmigung mit der Begründung abgelehnt, dass das in einem Kerngebiet gelegene Vorhaben wegen der drohenden Entstehung eines „Rotlichtviertels“ gegen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot (§ 15 Abs. 1 BauNVO) verstoße. Während des Berufungsverfahrens beschloss das zuständige Bezirksamt die Aufstellung eines Bebauungsplans mit dem Ziel, das Vorhabengrundstück als Mischgebiet auszuweisen, und erließ eine Veränderungssperre. Das OVG hat die Verpflichtungsklage der Klägerin abgewiesen, weil die Veränderungssperre der beabsichtigten Nutzungsänderung entgegenstehe. Zeiten „faktischer Zurückstellung“ seien auf die Geltungsdauer der Veränderungssperre nicht in entsprechender Anwendung des § 17 Abs. 1 Satz 2 BauGB anzurechnen, solange ein Beschluss zur Aufstellung des Bebauungsplans noch nicht gefasst worden sei. Den Hilfsanträgen, mit denen die Klägerin Feststellung begehrt, dass der Beklagte bei und in der Zeit vor dem Inkrafttreten der Veränderungssperre verpflichtet gewesen sei, über ihren Bauantrag erneut zu entscheiden, hat es demgegenüber mit der Begründung stattgegeben, dass dem Beklagten ein Rückgriff auf das Rücksichtnahmegebot verwehrt sei, weil der drohende Konflikt bereits auf der Ebene des Bebauungsplans hätte bewältigt werden müssen.


Die Revisionen der Klägerin und des Beklagten hatten teilweise Erfolg. Das Bundesverwaltungsgericht hat den Rechtsstreit insgesamt an das OVG zurückverwiesen. Mit der zwischenzeitlichen Bekanntmachung des durch die Veränderungssperre gesicherten Bebauungsplans ist die Veränderungssperre außer Kraft getreten. Diese Rechtsänderung hat das Revisionsgericht zu berücksichtigen. Eine abschließende Entscheidung der Frage, ob die jetzt erfolgte Mischgebietsausweisung wirksam ist und deshalb dem Vorhaben entgegensteht, bleibt dem OVG vorbehalten. Infolgedessen konnte das Bundesverwaltungsgericht auch über die Erfolgsaussichten der Hilfsanträge nicht abschließend entscheiden. Die Auffassung der Vorinstanz, dass das in § 15 Abs. 1 BauNVO enthaltene Rücksichtnahmegebot auch dann verdrängt werde, wenn eine planerische Konfliktbewältigung zwar rechtlich geboten war, aber tatsächlich nicht stattgefunden hat, hat es jedoch als bundesrechtswidrig beanstandet.


BVerwG 4 C 8.12 - Urteil vom 12. September 2013

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, 2 B 18.11 - Urteil vom 07. Juni 2012 -

VG Berlin, 19 A 167.08 - Urteil vom 19. Mai 2008 -


Beschluss vom 21.03.2012 -
BVerwG 2 B 18.11ECLI:DE:BVerwG:2012:210312B2B18.11.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 21.03.2012 - 2 B 18.11 - [ECLI:DE:BVerwG:2012:210312B2B18.11.0]

Beschluss

BVerwG 2 B 18.11

  • Sächsisches OVG - 25.08.2010 - AZ: OVG 2 A 488/08

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 21. März 2012
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Herbert,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Thomsen und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts 25. August 2010 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2 1. Der Kläger steht als Steuerinspektor (Besoldungsgruppe A 9) im Dienst des Beklagten. Er wendet sich gegen seine Regelbeurteilung für den Zeitraum von Juli 2001 bis Juni 2004. Er hat Klage mit dem Antrag erhoben, den Beklagten zu verpflichten, eine neue Regelbeurteilung für den Beurteilungszeitraum von Juli 2001 bis Juni 2004 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erstellen und die angefochtene Beurteilung aus der Personalakte zu entfernen. Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberverwaltungsgericht hat sie abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Zwar sehe die letztlich für die Erstellung der Beurteilungen maßgebliche Dienstvereinbarung von 1998 grundsätzlich vor, dass das Gesamturteil arithmetisch aus den Einzelnoten der Leistungs- und Befähigungsmerkmale errechnet werde. Dieser Berechnungsmodus werde aber verlassen, weil nach der Dienstvereinbarung der Beurteiler von dem errechneten Mittel um bis zu 0,5 Punkte abweichen dürfe. Zudem sei bei der Beurteilung des Klägers die Festlegung der Punktzahlen in den einzelnen Blöcken das Ergebnis eines mehrstufigen Prozesses gewesen. Der Beurteiler habe bereits bei der Bewertung und Gewichtung der einzelnen Leistungsmerkmale die gebotene Gesamtwürdigung vorgenommen. Das Oberverwaltungsgericht hat gegen sein Urteil die Revision nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.

3 2. Grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine - vom Beschwerdeführer zu bezeichnende - grundsätzliche, bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder einer Weiterentwicklung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf und die für die Entscheidung des Revisionsgerichts erheblich sein wird (stRspr, u.a. Beschluss vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91 f.>). Das ist hier nicht der Fall.

4 Die in der Beschwerde in Bezug auf Ziffer II Nr. 8 der Dienstvereinbarung vom 3. September 1998 aufgeworfenen Fragen zur Bildung des Beurteilungsergebnisses nach dem arithmetischen Mittel der bei den Blöcken der Leistungs- und Befähigungsmerkmale vergebenen Punkte begründen die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache bereits deshalb nicht, weil sie sich auf auslaufendes Recht beziehen.

5 Die Dienstvereinbarung vom 3. September 1998 in der Fassung der Änderungsvereinbarung vom 23. Februar 2000 beruhte auf der Sächsischen Beurteilungsverordnung in der Fassung vom 21. April 1998 (SächsGVBl S. 169). Rechtsverordnung und Dienstvereinbarung sind aber im Jahr 2006 außer Kraft getreten. Die seit 2006 für den Geschäftsbereich des Sächsischen Staatsministeriums der Finanzen geltenden Bestimmungen (Sächsische Beurteilungsverordnung vom 16. Februar 2006, SächsGVBl S. 26, sowie die Dienstvereinbarung vom 25. Juli 2006) sehen für dienstliche Beurteilungen ein gegenüber der Vorgängerregelung abweichendes Verfahren vor.

6 Rechtsfragen, die auslaufendes oder ausgelaufenes Recht betreffen, kommt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung zu. Das die Zulassung der Revision rechtfertigende Ziel, mit der Revision der Erhaltung der Rechtseinheit oder der Weiterentwicklung des Rechts zu dienen, kann nicht mehr erreicht werden, wenn sich die zu klärende Rechtsfrage im Zusammenhang mit auslaufendem Recht stellt und ihrer Beantwortung deshalb nicht für die Zukunft richtungsweisend sein kann (Beschluss vom 20. Dezember 1995 - BVerwG 6 B 35.95 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziffer 1 VwGO Nr. 9 m.w.N.). Dies gilt nur dann nicht, wenn die Klärung noch für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft von Bedeutung ist (Beschluss vom 9. Dezember 1994 - BVerwG 11 PKH 28.94 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4). Für das Vorliegen einer solchen Sachlage ist der Beschwerdeführer darlegungspflichtig. Diese Anforderung hat der Kläger nicht erfüllt.

7 Im Übrigen ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass die rein rechnerische Ermittlung eines Gesamturteils ohne entsprechende Rechtsgrundlage unzulässig ist. Sie verbietet sich bei den dienstlichen Beurteilungen der Beamten, wenn die Bildung eines Gesamturteils vorgesehen ist, mit dem die Einzelbewertungen in einer nochmaligen eigenständigen Wertung zusammengefasst werden. Denn bei der Bildung des Gesamturteils wird u.a. die unterschiedliche Bedeutung der Einzelbewertungen wertend berücksichtigt, indem diese allgemein oder in Beziehung auf das ausgeübte Amt gewichtet werden (Urteile vom 24. November 1994 - BVerwG 2 C 21.93 - BVerwGE 97, 128 <131> und vom 21. März 2007 - BVerwG 2 C 2.06 - Buchholz 232.1 § 40 BLV Nr. 27). Hiervon ist auch das Oberverwaltungsgericht in seinem Berufungsurteil ausgegangen. Zudem hat es, ohne dass der Kläger hiergegen Verfahrensrügen erhoben hat, festgestellt, dass die Gesamtnote der angegriffenen Regelbeurteilung des Klägers nicht lediglich das arithmetische Mittel der Einzelnoten ist. Vielmehr hat der Beurteiler die Einzelnoten der verschiedenen Leistungsblöcke nach ihrer Bedeutung für die konkrete Tätigkeit des Klägers vorab gewichtet.

8 Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 sowie § 52 Abs. 2 GKG.