Beschluss vom 20.12.2004 -
BVerwG 1 B 67.04ECLI:DE:BVerwG:2004:201204B1B67.04.0

Beschluss

BVerwG 1 B 67.04

  • OVG Mecklenburg-Vorpommern - 06.01.2004 - AZ: OVG 3 L 6/99

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 20. Dezember 2004
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts E c k e r t z - H ö f e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. M a l l m a n n und
Prof. Dr. D ö r i g
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 6. Januar 2004 wird verworfen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die Beschwerde ist unzulässig. Weder der geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) noch die geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) sind entsprechend den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargelegt.
1. Die Beschwerde stützt sich zur Begründung der Divergenzrüge darauf, das Berufungsgericht sei im vorliegenden Verfahren mit der von ihm gewählten Entscheidung im Beschlussverfahren nach § 130 a VwGO von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. März 1999 - BVerwG 4 B 112.98 (NVwZ 1999, 763) abgewichen. Das Bundesverwaltungsgericht habe in diesem Beschluss die Entscheidung im Wege des § 130 a VwGO dann für unbedenklich erklärt, wenn durch den ausschließlich berufsrichterlich besetzten Senat nur noch Rechtsfragen zu entscheiden seien. Hiervon weiche die angegriffene Entscheidung dadurch ab, dass das Berufungsgericht eben gerade keinen feststehenden Sachverhalt nur noch rechtlich gewürdigt, sondern ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung Sachverhaltsermittlung betrieben habe. Damit ist der Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht hinreichend bezeichnet. Die Darlegung der Divergenz setzt die Bezeichnung eines inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatzes voraus, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung unter anderem des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Daran fehlt es hier. Das bloße Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung solcher Rechtssätze genügt den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge nicht (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 = NJW 1997, 3328).
2. Die Beschwerde legt auch einen Verfahrensmangel nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht schlüssig dar. Einen solchen sieht sie darin, dass das Berufungsgericht im Beschlussverfahren nach § 130 a VwGO entschieden habe. Dies verstoße gegen das Prinzip des gesetzlichen Richters (§ 138 Nr. 1 VwGO, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG), weil das Gericht bei einer Entscheidung aufgrund einer mündlichen Verhandlung in anderer Besetzung zu entscheiden gehabt hätte. Gleichzeitig sei dadurch auch gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz verstoßen worden (§ 55 VwGO i.V.m. § 169 GVG). Die Voraussetzungen für ein Verfahren nach § 130 a VwGO hätten nicht vorgelegen, weil das Gericht zur Frage, "ob und inwieweit Strukturen des organisierten Verbrechens auf staatliche Strukturen übergegriffen und letztere übernommen haben", entscheidungsvorbereitend Sachverhaltsaufklärung betrieben habe. Dann aber habe auch die Entscheidung nicht ohne mündliche Verhandlung ergehen dürfen.
Einen Verfahrensfehler zeigt die Beschwerde mit ihrem Vorbringen indes nicht auf. Dass ein Berufungsgericht Sachverhaltsaufklärung betrieben hat, führt entgegen der Rechtsauffassung der Beschwerde grundsätzlich nicht dazu, dass für eine Entscheidung nach § 130 a VwGO kein Raum mehr ist (vgl. Beschluss vom 16. Juni 1999 - BVerwG 9 B 1084.98 - NVwZ 1999, 1108). Mit der Regelung in dieser Vorschrift sollte den Oberverwaltungsgerichten nach dem Willen des Gesetzgebers das notwendige Instrument an die Hand gegeben werden, um "eindeutig aussichtslose Berufungen rasch und ohne unangemessenen Verfahrensaufwand zu erledigen" (Begründung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung vom 27. April 1990, BTDrucks 11/7030, S. 31). Den Wegfall der in der Vorläufervorschrift im Entlastungsgesetz noch enthaltenen zeitlichen Grenze hat er für den Gerichtsbescheid, dessen Regelung insoweit entsprechend erfolgte, damit begründet, dass die Erledigung einer Streitsache in diesem vereinfachten Verfahren sich nicht selten auch dann noch als sachgerecht anbietet, "wenn bereits eine mündliche Verhandlung oder eine Beweisaufnahme stattgefunden hat" (a.a.O. S. 26; vgl. auch den Beschluss des Senats vom 12. November 2004 - BVerwG 1 B 33.04 ). Ob das Berufungsgericht den ihm nach § 130 a VwGO eröffneten Weg der Entscheidung im Beschlussverfahren beschreitet, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen, das nur auf sachfremde Erwägungen und grobe Fehleinschätzungen überprüfbar ist (stRspr, etwa Beschluss vom 3. Februar 1999 - BVerwG 4 B 4.99 - Buchholz 310 § 130 a VwGO Nr. 33 = NVwZ 1999, 1109). Anhaltspunkte für derartige Ermessensfehler lassen sich der Beschwerde nicht entnehmen. Die Beschwerde legt nicht dar, welche Umstände einen Ermessensfehler des Gerichts begründen könnten. Sie macht nicht ersichtlich, aus welchem Grund eine sachgerechte Würdigung der beigezogenen Auskünfte zu den Strukturen des organisierten Verbrechens in Armenien nur im Rahmen einer mündlichen Verhandlung hätte erfolgen können. Sie legt weiter nicht dar, dass es für die Entscheidung des Gerichts auf die Würdigung dieser Erkenntnisquellen überhaupt ankam. Hierfür hätte Veranlassung deshalb bestanden, weil die angefochtene Entscheidung sich - selbständig tragend - darauf stützt, dass der erforderliche Zusammenhang zwischen Repressalien durch die Mafia oder der Mafia angehörende Amtswalter und einem asylerheblichen Merkmal in der Person der Kläger nicht ersichtlich und von den Klägern auch nicht aufgezeigt sei (BA S. 17).
Soweit die Beschwerde weiter geltend macht, dass Art. 6 Abs. 1 EMRK einer Entscheidung im Beschlussverfahren entgegenstehe, führt auch dies nicht zu einem Verfahrensmangel. Denn Art. 6 Abs. 1 EMRK findet nach der Rechtsprechung des Senats in asyl- und ausländerrechtlichen Verfahren der vorliegenden Art keine Anwendung (vgl. Urteil vom 14. März 2002 - BVerwG 1 C 15.01 - Buchholz 310 § 130 a VwGO Nr. 58 m.w.N.). Ein Rechtsstreit über die Abschiebung eines Ausländers ist auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht als Streit über "zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen" im Sinne von Art. 6 Abs. 1 EMRK anzusehen (vgl. EGMR, Große Kammer, Urteil vom 5. Oktober 2000 - Nr. 39652/98 - Maaouia - InfAuslR 2001, 109 <LS>; Urteil vom 12. Juli 2001 - Nr. 44759/98 - Ferrazzini - NJW 2002, 3453; Meyer-Ladewig, EMRK, 1. Aufl. 2003, Art. 6 Rn. 9).
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG a.F. (= § 83 b AsylVfG n.F.) nicht erhoben; der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG a.F. (vgl. § 60 RVG).