Verfahrensinformation

Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung einer Zurückstellung und die Einberufung zum Grundwehrdienst durch die beklagte Wehrverwaltung. Der Kläger hatte noch als Schüler von einem Elektrokonzern nach einem Auswahlverfahren die Zusage für eine Ausbildung in einem dualen Bildungsgang erhalten. Er sollte nach seinem Abitur eine betriebliche Ausbildung zum Elektroniker für Automatisierungstechnik durchlaufen und parallel - bei Freistellung von der Arbeit unter Fortzahlung der Vergütung - ein Studium mit dem Ziel eines Abschlusses als Bachelor of Engineering in Elektro- und Informationstechnik betreiben.


Duale Bildungsgänge sind, was die Möglichkeit einer Zurückstellung vom Wehrdienst anbelangt, gegenüber einem hergebrachten Hochschulstudium privilegiert. Während ein solches einer Einberufung nur entgegengehalten werden kann, wenn zum vorgesehenen Diensteintritt das dritte Semester erreicht ist, stellt ein Studium mit studienbegleitender betrieblicher Ausbildung grundsätzlich schon ab dem Beginn eines der Teile des dualen Bildungsgangs einen Zurückstellungsgrund dar.


Allein diese Privilegierung konnte den Kläger allerdings - so die Einschätzung der beklagten Wehrverwaltung - nicht vor seiner Einberufung unmittelbar nach der Ablegung seines Abiturs bewahren, denn zu diesem Zeitpunkt hatte er die duale Ausbildung noch nicht begonnen. Ein Zurückstellungsgrund wäre nur dann gegeben gewesen, wenn - so die Ansicht des Klägers - es entsprechend der gesetzlichen Zurückstellungsregelung für „normale“ Berufsausbildungen auch für einen dualen Bildungsgang genügte, dass dieser rechtsverbindlich zugesagt oder vertraglich gesichert ist.


Das Verwaltungsgericht Ansbach hat die dem Kläger günstige Gesetzesauslegung befürwortet und dementsprechend den Einberufungsbescheid der beklagten Wehrverwaltung aufgehoben und diese zur Zurückstellung des Klägers vom Wehrdienst bis zur Beendigung seiner dualen Ausbildung verpflichtet. Das Bundesverwaltungsgericht wird auf die Revision der Beklagten zu prüfen haben, ob diese Gesetzesauslegung Bestand haben kann.


Pressemitteilung Nr. 89/2010 vom 20.10.2010

Keine Zurückstellung vom Wehrdienst vor Aufnahme des dualen Bildungsgangs

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass ein Wehrpflichtiger nur dann wegen eines Studiums mit studienbegleitender betrieblicher Ausbildung (dualer Bildungsgang) vom Grundwehrdienst zurückgestellt werden kann, wenn er den dualen Bildungsgang zum Zeitpunkt des vorgesehenen Diensteintritts bereits begonnen hat. Es reicht nicht aus, dass der Wehrpflichtige einen Vertrag über eine Berufsausbildung geschlossen hat, die den praktischen Teil des Studiums bildet.


Duale Bildungsgänge sind nach dem Wehrpflichtgesetz, was die Möglichkeit einer Zurückstellung vom Wehrdienst anbelangt, gegenüber einem hergebrachten Hochschulstudium privilegiert. Während ein solches nur dann eine Zurückstellung rechtfertigt, wenn zum vorgesehenen Diensteintritt das dritte Semester erreicht ist, stellt ein Studium mit studienbegleitender betrieblicher Ausbildung grundsätzlich schon ab dem Beginn eines der Teile des dualen Bildungsgangs einen Zurückstellungsgrund dar. Noch weitergehend genießen Berufsausbildungen ohne Studium Einberufungsschutz bereits dann, wenn sie rechtsverbindlich zugesagt oder vertraglich gesichert sind.


Der Kläger hatte noch als Schüler von einem Elektrokonzern nach einem Auswahlverfahren die Zusage für eine Ausbildung in einem dualen Bildungsgang erhalten. Er sollte nach seinem Abitur auf der Grundlage eines geschlossenen Ausbildungsvertrages eine betriebliche Ausbildung zum Elektroniker für Automatisierungstechnik durchlaufen und parallel - bei Freistellung von der Arbeit unter Fortzahlung der Vergütung - ein Studium mit dem Ziel eines Abschlusses als Bachelor of Engineering in Elektro- und Informationstechnik betreiben. Hierfür beantragte er seine Zurückstellung vom Grundwehrdienst.


Die beklagte Wehrverwaltung lehnte die Zurückstellung des Klägers ab und berief ihn unmittelbar nach der Ablegung seines Abiturs zum Grundwehrdienst ein. Die dagegen gerichtete Klage hatte vor dem Verwaltungsgericht Ansbach Erfolg. Auf die Revision der beklagten Wehrverwaltung hat das Bundesverwaltungsgericht einen Zurückstellungsanspruch des Klägers verneint.


Auch dann, wenn der praktische Teil eines dualen Bildungsgangs als eigenständige Berufsausbildung ausgestaltet ist, vermittelt er dem Auszubildenden nicht den gleichen, bereits ab der rechtlichen Sicherung eines Ausbildungsanspruchs eingreifenden Einberufungsschutz wie eine Berufsausbildung ohne Studium. Denn der Gesetzgeber hat die Zurückstellung wegen eines dualen Bildungsgangs in einer speziellen Bestimmung geregelt und dabei nicht an die betriebliche Ausbildung, sondern an das Studium angeknüpft, das die dualen Bildungsgänge prägt. Diese sind zwar mit Blick auf die sie kennzeichnende Verzahnung von Theorie und Praxis anders als herkömmliche Studiengänge von Beginn an vor wehrdienstbedingten Unterbrechungen geschützt. Gleichwohl wollte der Gesetzgeber der Wehrverwaltung die Möglichkeit erhalten, Abiturienten unmittelbar vor dem Beginn der weiterführenden Ausbildung zum Grundwehrdienst einzuberufen.


BVerwG 6 C 20.09 - Urteil vom 20.10.2010

Vorinstanz:

, - vom -


Urteil vom 20.10.2010 -
BVerwG 6 C 20.09ECLI:DE:BVerwG:2010:201010U6C20.09.0

Leitsatz:

Die Vorschrift des § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 letzter Halbs. WPflG, die für Berufsausbildungen eine Zurückstellung vom Wehrdienst bereits für die rechtsverbindlich zugesagte oder vertraglich gesicherte Ausbildung vorsieht, ist auf duale Bildungsgänge im Sinne des § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchst. c WPflG nicht anwendbar.

  • Rechtsquellen
    WPflG § 5 Abs. 1, § 12 Abs. 4 und Abs. 6

  • Bayer. VG Ansbach - 30.06.2009 - AZ: VG An 15 K 09.00653 u. An 15 K 09.00875

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 20.10.2010 - 6 C 20.09 - [ECLI:DE:BVerwG:2010:201010U6C20.09.0]

Urteil

BVerwG 6 C 20.09

  • Bayer. VG Ansbach - 30.06.2009 - AZ: VG An 15 K 09.00653 u. An 15 K 09.00875

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 20. Oktober 2010
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Neumann und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Graulich, Vormeier, Dr. Bier und Dr. Möller
für Recht erkannt:

  1. Das Verfahren wird eingestellt, soweit es die Anfechtungsklage gegen den Einberufungsbescheid des Kreiswehrersatzamts Nürnberg vom 24. April 2009 und den Widerspruchsbescheid der Wehrbereichsverwaltung Süd vom 30. April 2009 betrifft. Insoweit ist das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 30. Juni 2009 wirkungslos.
  2. Im Übrigen wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 30. Juni 2009 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
  3. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

II

12 1. Das Verfahren ist im Hinblick auf die Anfechtungsklage gegen den Einberufungsbescheid entsprechend § 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen, weil die Beteiligten den Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist in diesem Umfang nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO wirkungslos.

13 2. Hinsichtlich der Verpflichtungsklage auf Zurückstellung vom Wehrdienst ist die Revision der Beklagten zulässig und begründet. Zwar hat der Kläger auch für diese Klage zu Recht die Hauptsache für erledigt erklärt (a)). Ungeachtet der eingetretenen Erledigung hat die Beklagte jedoch ein weiterhin anzuerkennendes Sachentscheidungsinteresse (b)). Demgemäß ist die Klage abzuweisen, weil sie ursprünglich zwar zulässig aber nicht begründet war (c)).

14 a) Das anhängig gemachte Verpflichtungsbegehren hat seine Erledigung gefunden. Für die verwaltungsgerichtliche Beurteilung einer Verpflichtungsklage, mit der ein Anspruch auf Zurückstellung vom Wehrdienst geltend gemacht wird, kommt es grundsätzlich auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung an. Ist allerdings bereits ein Einberufungsbescheid ergangen, richtet sich die Begründetheit der Verpflichtungsklage nach dem für die rechtliche Prüfung dieses Eingriffsaktes maßgeblichen Gestellungszeitpunkt. Wiederum auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ist indes abzustellen, wenn sich der Einberufungsbescheid, wie es hier infolge Zeitablaufs geschehen ist, erledigt hat. Tritt die Erledigung des Einberufungsbescheids - wie im vorliegenden Fall - während des Revisionsverfahrens ein, so ist für die Beurteilung des Zurückstellungsbegehrens der Zeitpunkt maßgeblich, in dem das Revisionsgericht entscheidet. Dieses kann ausnahmsweise aus Gründen der Prozessökonomie auch Tatsachenänderungen berücksichtigen, wenn diese sich in einem bloßen Zeitablauf und darauf bezogenen Erklärungen der Beteiligten erschöpfen (vgl. zum Ganzen: Urteile vom 28. Januar 1971 - BVerwG 8 C 90.70 - BVerwGE 37, 151 <152 ff.> = Buchholz 448.0 § 12 WPflG Nr. 50 S. 77 ff., vom 30. November 1977 - BVerwG 8 C 80.76 - BVerwGE 55, 94 <96> = Buchholz 448.11 § 43 ZDG Nr. 1 S. 3 und vom 24. Oktober 2007 - BVerwG 6 C 9.07 - Buchholz 448.0 § 12 WPflG Nr. 214 Rn. 14).

15 Zu dem danach erheblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats über das Zurückstellungsbegehren des Klägers sind die Voraussetzungen des Zurückstellungsgrundes des § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchst. c WPflG in der hier anwendbaren, das Gesetz zur Änderung wehrrechtlicher und anderer Vorschriften (Wehrrechtsänderungsgesetz 2008) vom 31. Juli 2008 (BGBl. S. 1629) berücksichtigenden Bekanntmachung der Neufassung des Wehrpflichtgesetzes vom 16. September 2008 (BGBl. I S. 1886) durch Zeitablauf eingetreten. Der Zurückstellungsgrund greift ein, wenn die Einberufung des Wehrpflichtigen einen zum vorgesehenen Diensteintritt begonnenen dualen Bildungsgang - definiert als Studium mit studienbegleitender betrieblicher Ausbildung - unterbrechen würde, dessen Regelstudienzeit acht Semester nicht überschreitet und bei dem das Studium spätestens drei Monate nach Beginn der betrieblichen Ausbildung aufgenommen wird. Der Kläger hat den vierjährigen, aus einem Studium mit dem Abschluss eines Bachelor of Engineering in Elektro- und Informationstechnik und einer studienbegleitenden betrieblichen Ausbildung zum Elektroniker für Automatisierungstechnik bestehenden dualen Bildungsgang, der einen Zeitraum von weniger als drei Monaten zwischen dem Beginn des praktischen Teils und dem Studienbeginn aufweist, nicht nur begonnen, sondern bereits zu mehr als einem Viertel absolviert. Die Beklagte hat dem dadurch Rechnung getragen, dass sie den Kläger durch die in der mündlichen Verhandlung abgegebene Zusage seiner Zurückstellung klaglos gestellt hat. Der Kläger hat daraufhin zutreffend den Rechtsstreit über seine Zurückstellung in der Hauptsache für erledigt erklärt.

16 b) Die Beklagte hat indes der Erledigungserklärung des Klägers widersprochen, so dass diese einseitig geblieben ist. Der erkennende Senat darf gleichwohl nicht ohne Weiteres - jedenfalls ohne eine Prüfung der Begründetheit der ursprünglichen Klage - dem Begehren auf Feststellung der Hauptsacheerledigung entsprechen, das in einer solchen Konstellation unabhängig von den in § 91 Abs. 1, § 142 Abs. 1 Satz 1 VwGO enthaltenen Einschränkungen an die Stelle des ursprünglichen Klageantrags tritt (vgl.: Urteile vom 31. Oktober 1990 - BVerwG 4 C 7.88 - BVerwGE 87, 62 <65 f.> = Buchholz 406.401 § 29 BNatSchG S. 2 ff. und vom 12. April 2001 - BVerwG 2 C 16.00 - BVerwGE 114,149 <151> = Buchholz 310 § 161 VwGO Nr. 118 S. 6). Denn die Beklagte hat ein berechtigtes Interesse daran, den in der Hauptsache erledigten Rechtsstreit über das Zurückstellungsbegehren des Klägers fortzuführen.

17 Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteile 18. April 1986 - BVerwG 8 C 84.84 - Buchholz 310 § 161 VwGO Nr. 69 S. 13 f., vom 3. Juni 1988 - BVerwG 8 C 86.86 - Buchholz 448.0 § 12 WPflG Nr. 174 S. 12, vom 31. Oktober 1990 a.a.O. S. 64 ff. bzw. S. 2 ff., vom 13. November 2006 - BVerwG 6 C 22.05 - Buchholz 448.0 § 12 WPflG Nr. 209 Rn. 13 und vom 22. August 2007 - BVerwG 6 C 28.06 - Buchholz 448.0 § 12 WPflG Nr. 212 Rn. 18) erfordert die Feststellung der Hauptsacheerledigung auf die einseitige Erledigungserklärung der Klägerseite hin dann die Überprüfung der Zulässigkeit und der Begründetheit des ursprünglichen Klagebegehrens, wenn die Beklagtenseite sich für ihren Widerspruch gegen die Erledigungserklärung und ihr Festhalten an dem Antrag auf Abweisung der Klage auf ein schutzwürdiges Interesse an einer gerichtlichen Entscheidung berufen kann, dass die Klage vor ihrer Erledigung unzulässig oder unbegründet war. Die Annahme eines derartigen Sachentscheidungsinteresses der Beklagtenseite setzt ebenso wie die Bejahung eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses der Klägerseite nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO voraus, dass die Partei mit dem von ihr erstrebten Urteil in der Sache noch etwas anfangen kann. Dabei muss im Wehrpflichtrecht wegen der typischerweise kurzen Geltungsdauer der in diesem Rechtsgebiet ergehenden Bescheide das Rechtsklärungsinteresse der beklagten Wehrverwaltung nicht notwendigerweise gegenüber dem konkreten Kläger bestehen, sondern kann auch aus dem Verhältnis zu anderen, aktuell in vergleichbarer Weise betroffenen Wehrpflichtigen hergeleitet werden.

18 Bezogen auf den für das Zurückstellungsbegehren bis zur Erledigung des Einberufungsbescheids maßgeblichen Zeitpunkt des Gestellungstermins 1. Juli 2009 erforderte die Entscheidung des vorliegenden Falles die Beantwortung der Rechtsfrage, ob sich die in § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 letzter Halbs. WPflG enthaltene Regelung, derzufolge es genügt, dass die Einberufung die Aufnahme einer rechtsverbindlich zugesagten oder vertraglich gesicherten Berufsausbildung verhindern würde, nur auf den Zurückstellungsgrund des § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchst. e WPflG, der Berufsausbildungen ohne Studium betrifft, oder auch auf die hier in Rede stehende Regelung des § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchst. c WPflG für duale Bildungsgänge, anknüpfend an deren betrieblichen Ausbildungsteil, bezieht. Diese Frage ist in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte in unterschiedlicher Weise beurteilt worden. Die Beklagte ist deshalb auf eine Klärung durch den erkennenden Senat angewiesen, um die Einberufung von Wehrpflichtigen, die ein Studium im dualen Bildungsgang aufnehmen wollen, ordnungsgemäß durchführen zu können.

19 c) Die Klage auf eine Verpflichtung der Beklagten, den Kläger mit Rücksicht auf sein Studium im dualen Bildungsgang zurückzustellen, war zwar zulässig aber unbegründet. Der Kläger konnte sich Anfang Juli 2009 nicht auf den Zurückstellungsgrund aus § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchst. c WPflG berufen. Zu jener Zeit erfüllte er die Voraussetzungen des Zurückstellungstatbestandes deshalb nicht, weil er zum fraglichen Zeitpunkt weder mit dem Studium, noch mit dem praktischen Teil des dualen Bildungsgangs begonnen hatte, so dass dieser durch die Einberufung nicht unterbrochen werden konnte. Die weitergehende, bereits ab der rechtlichen Sicherung eines Ausbildungsanspruchs eingreifende Vergünstigung des § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 letzter Halbs. WPflG ist auf den Zurückstellungsgrund des § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchst. c WPflG nicht anwendbar (aa)). Ferner war für den dieser speziellen Vorschrift zuzuordnenden Lebenssachverhalt ein Rückgriff auf die allgemeine Härteklausel des § 12 Abs. 4 Satz 1 WPflG ausgeschlossen (bb)).

20 aa) Nach den anerkannten Methoden der Normauslegung ((1) bis (4)) erweist sich § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchst. c WPflG als abschließende, nicht durch § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 letzter Halbs. WPflG zu ergänzende Regelung der Zurückstellung vom Wehrdienst wegen eines dualen Bildungsgangs.

21 (1) Dieses Gesetzesverständnis wird bereits durch den Wortlaut der genannten Zurückstellungsregelungen nahegelegt.

22 Der Begriff der Berufsausbildung findet sich im Regelungsrahmen des § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 WPflG nur in dessen letztem Halbsatz und der diesem unmittelbar vorangehenden, auf Berufsausbildungen ohne Studium bezogenen Bestimmung des § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchst. e WPflG. Demgegenüber verwendet § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchst. c WPflG zur Umschreibung des betrieblichen Teils des dualen Bildungsgangs den Begriff der studienbegleitenden betrieblichen Ausbildung. Zudem ergibt sich aus dem Umstand, dass das Gesetz den dualen Bildungsgang als ein Studium mit einem derart umschriebenen betrieblichen Ausbildungsteil definiert, dass der Anknüpfungspunkt der Zurückstellungsvergünstigung nicht in der betrieblichen Ausbildung besteht, sondern in dem Studium, in das diese Ausbildung integriert ist.

23 (2) Die Entstehungsgeschichte des im Rahmen des Wehrrechtsänderungsgesetzes 2008 in die Regelungen des § 12 Abs. 4 Satz Nr. 3 WPflG eingefügten Zurückstellungstatbestandes für duale Bildungsgänge ist für sich genommen wenig aussagekräftig. Sie steht jedenfalls der durch den Gesetzeswortlaut veranlassten Auslegung nicht entgegen.

24 Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung (BTDrucks 16/7955 S. 6, 25, 27) sah - anschließend an die Rechtsprechung des erkennenden Senats (Urteil vom 24. Oktober 2007 a.a.O. Rn. 18 ff., vgl. weiter: Urteil vom 11. Juni 2008 - BVerwG 6 C 35.07 - juris Rn. 16 ff.) zu der vorherigen, bis zum 8. August 2008 gültig gewesenen Gesetzesfassung und insoweit klarstellend - die zurückstellungsrechtliche Gleichbehandlung von herkömmlichen Hochschulstudien und dualen Bildungsgängen in der Vorschrift des § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchst. b WPflG vor. Der Berufsausbildung, die in einem dualen Bildungsgang in das Studium integriert sei, könne - so die Begründung des Gesetzesentwurfs - für die Entscheidung über eine Zurückstellung vom Wehrdienst keine Bedeutung zukommen. Weiterhin sollte der im Vergleich mit § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchst. c und Nr. 3 letzter Halbs. WPflG a.F. im Wortlaut geänderte Schutz der Berufsausbildung für die begonnene Ausbildung in § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchst. d WPflG und für die rechtsverbindlich zugesagte oder vertraglich gesicherte Ausbildung in § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 4 WPflG geregelt werden.

25 Die Gleichbehandlung von Studierenden in dualen Bildungsgängen und herkömmlichen Studiengängen sah der Bundesrat in seiner Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf (BTDrucks 16/7955, Anlage 2, S. 46 f.) als nicht vertretbar an. Er forderte stattdessen, die dual Studierenden im Hinblick auf eine Zurückstellung wie andere beruflich Auszubildende zu behandeln, und berief sich zur Begründung auf die enge Vernetzung von Studium und Ausbildung, die die dualen Bildungsgänge kennzeichne.

26 Dem hielt die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung (BTDrucks 16/7955, Anlage 3, S. 49) entgegen, es gehe zu weit, duale Bildungsgänge wehrpflichtrechtlich den rein beruflichen Ausbildungen gleichzustellen und die betreffenden Wehrpflichtigen dementsprechend bereits von der rechtsverbindlichen Einstellungszusage eines Arbeitgebers an für den gesamten dualen Bildungsgang vom Wehrdienst zurückzustellen. Damit werde wegen der Dauer der dualen Bildungsgänge im Ergebnis eine faktische Wehrdienstausnahme für dual Studierende geschaffen, die gegenüber Studierenden in herkömmlichen Studiengängen nicht zu rechtfertigen sei. Es sei indes nicht zu verkennen, dass die wehrdienstbedingte Unterbrechung eines Studiums, bei dem betriebliche Anteile mit Ausbildungsabschnitten an Hochschulen verknüpft seien, organisatorisch schwieriger zu handhaben sei und dementsprechend stärkere Belastungen mit sich bringe als die Unterbrechung eines herkömmlichen Studiums. Als sachgerecht stelle sich daher eine Privilegierung der dualen Bildungsgänge dar, die eine Ausbildungsunterbrechung verhindere, jedoch derart begrenzt sei, dass es einerseits möglich bleibe, die Wehrpflichtigen vor dem Beginn eines solchen Bildungsgangs zum Wehrdienst einzuberufen, und andererseits auch im Hinblick auf die Heranziehungsgrenze des fünfundzwanzigsten Lebensjahres eine Einberufung nach dem Ausbildungsende nicht scheitere. Die Bundesregierung schlug deshalb die Einführung eines eigenständigen Zurückstellungstatbestandes für duale Bildungsgänge mit genau definierten zeitlichen Begrenzungen als § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchst. c des Gesetzesentwurfs vor, der bereits den später zum Gesetz gewordenen Wortlaut hatte. Im Hinblick auf die Tatbestände der Zurückstellung wegen einer Berufsausbildung - nunmehr als § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchst. e und Nr. 4 WPflG - blieb der Entwurf unverändert.

27 Der Verteidigungsausschuss des Bundestages sprach sich sodann mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD - der seinerzeitigen Regierungskoalition - für den Text sämtlicher hier relevanter Teile des § 12 Abs. 4 Satz 2 WPflG in der heutigen Gesetzesfassung aus (BTDrucks 16/8640 S. 3), übernahm also nicht nur den in der Gegenäußerung der Bundesregierung vorgeschlagenen Wortlaut des § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchst. c WPflG, sondern führte auch den Zurückstellungstatbestand der Berufsausbildung als § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchst. e und Nr. 3 letzter Halbs. WPflG nach Text und Struktur auf den bisherigen, in Gestalt des § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchst. c und Nr. 3 letzter Halbs. WPflG a.F. bereits durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Zivildienstgesetzes und anderer Vorschriften (Zweites Zivildienständerungsgesetz - 2. ZDGÄndG) vom 27. September 2004 (BGBl. S. 2358) geschaffenen Zustand zurück. Die in dem Bericht der Berichterstatter des Verteidigungsausschusses (BTDrucks 16/8640 S. 6 f.) und den Wortbeiträgen in den Gesetzesberatungen aufscheinenden Argumente der Vertreter der die Regierung tragenden Fraktionen verdeutlichen den Kompromisscharakter des Gesetzestextes. Dem entspricht es, dass der von dem Bundesrat gegen das von dem Bundestag verabschiedete Gesetz angerufene Vermittlungsausschuss die Gesetzesfassung bestätigte und der Bundesrat daraufhin von der Einlegung eines Einspruchs nach Art. 77 Abs. 3 GG absah (BRDrucks 410/08).

28 (3) Die Gesetzessystematik unterstützt das anhand des Gesetzeswortlauts gefundene Auslegungsergebnis. Auch hiernach erweist sich § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchst. c WPflG als abschließende, nicht durch § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 letzter Halbs. WPflG zu ergänzende Regelung der Zurückstellung im Falle eines dualen Bildungsgangs.

29 Durch die Einführung des Zurückstellungsgrundes für duale Bildungsgänge ist die schon zuvor bestehende Verknüpfung des Zurückstellungsgrundes der begonnenen Berufsausbildung mit der weiteren Vergünstigung in Form des Schutzes auch bereits der rechtsverbindlich zugesagten oder vertraglich gesicherten Berufsausbildung nicht erweitert worden. Der Gesetzgeber hat vielmehr den neuen Zurückstellungsgrund des dualen Bildungsgangs in § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchst. c WPflG deutlich abgesetzt von den Vorschriften über die Zurückstellung wegen einer Berufsausbildung ohne Studium und direkt im Anschluss an den auf das hergebrachte Hochschulstudium abstellenden Tatbestand des § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchst. b WPflG eingefügt. Diese Art der Regelung trägt der zu dem vorhergehenden Rechtszustand angestellten Erwägung des Senats (Urteil vom 24. Oktober 2007 a.a.O. Rn. 22 f.) Rechnung, dass ein dualer Studiengang durch das Studium mehr als durch die betriebliche Ausbildung geprägt wird. Sie verdeutlicht, dass der Zurückstellungsgrund des dualen Bildungsgangs einerseits in Abgrenzung zu der Möglichkeit einer Zurückstellung wegen eines hergebrachten Hochschulstudiums eine Vergünstigung darstellt, es andererseits aber ausgeschlossen sein soll, dass ein dual studierender Wehrpflichtiger zusätzlich dadurch privilegiert wird, dass er zunächst den Vorteil einer ersten Zurückstellung nach § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 letzter Halbs. WPflG erlangen und sodann in deren Schutz allein durch Zeitablauf den Anspruch auf eine zweite Zurückstellung gemäß § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchst. c WPflG erwerben kann, die zudem oftmals nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a, § 12 Abs. 6 Satz 1 WPflG im Hinblick auf die Höchstaltersgrenze von fünfundzwanzig Jahren zu einer faktischen Freistellung vom Grundwehrdienst führen würde.

30 (4) Die nach den bisherigen Darlegungen gefundene Auslegung der Vorschriften des § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchst. c und Nr. 3 letzter Halbs. WPflG im Sinne eines abschließenden Charakters der in § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchst. c WPflG enthaltenen Regelung der Zurückstellung wegen eines dualen Bildungsgangs entspricht auch dem Sinn und Zweck der Vorschriften.

31 Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 24. Oktober 2007 (a.a.O. Rn. 23) zu der bis zum 8. August 2008 geltenden Rechtslage festgestellt, die Besonderheiten dualer Bildungsgänge erforderten keine weitergehenden Zurückstellungsregelungen als die für herkömmliche Studiengänge bestehenden. Hier wie dort sei es sachgerecht, dass die studierwilligen Wehrpflichtigen ihren Wehrdienst grundsätzlich vor dem Studium abzuleisten und gegebenenfalls vor dem Eintritt in das dritte Semester auch eine Unterbrechung des Studiums hinzunehmen hätten. Die zusätzliche Anwendung der für Berufsausbildungen gegebenen Zurückstellungsgründe würde dagegen zu einer zweckwidrigen Kumulierung von Begünstigungswirkungen führen und dem Grundsatz der Wehrgerechtigkeit widersprechen.

32 Mit § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchst. c WPflG hat der Gesetzgeber zwar insoweit einen abweichenden Regelungsansatz verfolgt, als er es aufgrund des im Gesetzgebungsverfahren gefundenen Interessenausgleichs ausgeschlossen hat, dass eine wehrdienstbedingte Unterbrechung eines dualen Bildungsgangs eintreten kann. Demgegenüber hat sich der Gesetzgeber, was die Anwendung der in ihrem Inhalt unveränderten Vorschrift des § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 letzter Halbs. WPflG auf duale Bildungsgänge anbelangt, ersichtlich den Erwägungen des Senats angeschlossen und der Wehrverwaltung insbesondere die Möglichkeit erhalten, Abiturienten vor dem Beginn eines dualen Bildungsgangs zum Grundwehrdienst einzuberufen.

33 bb) Konnte der Kläger nach alledem seine Zurückstellung nicht auf Grund der speziell für duale Bildungsgänge geschaffenen und durch die Zurückstellungsregeln für Berufsausbildungen nicht erweiterbaren Vorschrift des § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchst. c WPflG erreichen, vermochte auch die allgemeine Härteklausel des § 12 Abs. 4 Satz 1 WPflG seinem Begehren nicht zum Erfolg zu verhelfen.

34 Soweit ein Lebenssachverhalt, der eine Zurückstellung vom Wehrdienst wegen besonderer Härte begründen soll, in § 12 Abs. 4 Satz 2 WPflG erfasst ist, kommt dieser Regelung hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals der besonderen Härte abschließender Charakter zu. Sind die Voraussetzungen einer Zurückstellung des für den Lebenssachverhalt einschlägigen Tatbestands des Satzes 2 nicht gegeben, sind die an eine besondere Härte zu stellenden Anforderungen nicht erfüllt. Ein Rückgriff auf die allgemeine Härteklausel des Satzes 1 scheidet insoweit aus; diese kann grundsätzlich nur Anwendung finden, wenn ein Sachverhalt nicht unter die Sondertatbestände des Satzes 2 fällt. Etwas anderes gilt nur dann, wenn außergewöhnliche weitere Umstände hinzukommen, die keinem der in § 12 Abs. 4 Satz 2 WPflG umschriebenen Sondertatbestände zuzuordnen sind (Urteil vom 24. Oktober 1997 - BVerwG 8 C 21.97 - BVerwGE 105, 276 <278 f.> = Buchholz 448.0 § 12 WPflG Nr. 202 S. 49, Beschluss vom 9. Oktober 2001 - BVerwG 6 B 57.01 - Buchholz 448.0 § 12 WPflG Nr. 204 S. 3).

35 Derartige zusätzliche Momente, die eine atypische, den Begriff der besonderen Härte ausfüllende Belastung darstellen, wies die Situation des Klägers nicht auf. Insbesondere konnte eine Anwendung der allgemeinen Härteklausel nicht durch den Verweis auf den möglichen Verlust eines zugesagten Platzes für die duale Ausbildung gerechtfertigt werden. Wie dargelegt, gewährt § 12 Abs. 4 Satz 2 WPflG in dem letzten Halbsatz seiner Nr. 3 einen bereits ab der rechtlichen Sicherung eines Ausbildungsanspruchs eingreifenden Einberufungsschutz nur für eine Berufsausbildung ohne Studium, schließt ihn hingegen für einen dualen Bildungsgang aus. Diese gesetzgeberische Entscheidung darf durch eine Anwendung der allgemeinen Härtevorschrift nicht unterlaufen werden.

36 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 161 Abs. 2 VwGO. Im Rahmen der Ermessensentscheidung, die der Senat nach der letztgenannten Vorschrift für den erledigten Verfahrensteil zu treffen hatte, hat er berücksichtigt, dass die gleichen Gründe, die einer Verpflichtung der Beklagten zur Zurückstellung des Klägers vom Wehrdienst entgegenstanden, zu einer Abweisung der gegen den Einberufungsbescheid vom 24. April 2009 gerichteten Anfechtungsklage geführt hätten.