Beschluss vom 20.08.2014 -
BVerwG 9 B 9.14ECLI:DE:BVerwG:2014:200814B9B9.14.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 20.08.2014 - 9 B 9.14 - [ECLI:DE:BVerwG:2014:200814B9B9.14.0]

Beschluss

BVerwG 9 B 9.14

  • VG Gelsenkirchen - 27.11.2012 - AZ: 19 K 2007/11
  • OVG Münster - 23.10.2013 - AZ: OVG 14 A 314/13

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 20. August 2014
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bier,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Buchberger und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Steinkühler
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 23. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte.
  3. Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 704,40 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sowie der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2 1. Grundsätzliche Bedeutung kommt der Rechtssache nicht zu.

3 a) Die Frage,
„ob Steuerschuldner einer kommunalen sog. Bettensteuer auch der sein kann, der nicht sämtliche (subjektiven und objektiven) Tatbestandsmerkmale (hier: privater Charakter des Besuchs), an deren Vorliegen das Gesetz die Steuerpflicht knüpft, in seiner Person selbst verwirklicht,“
rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. Denn sie betrifft ausschließlich die Auslegung einer Norm des Landesrechts. Das Oberverwaltungsgericht hat § 12 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b KAG NW dahin ausgelegt, dass der Betreiber des Beherbergungsbetriebes nicht Schuldner, sondern allenfalls Entrichtungspflichtiger der genannten Steuer sein könne, da er nur zu einem Teil des steuerbegründenden Tatbestandes in einer besonderen rechtlichen und wirtschaftlichen Beziehung stehe. Der Verweis der landesrechtlichen Norm auf § 38 und § 43 AO stellt den erforderlichen Bundesrechtsbezug nicht her. Wird eine Vorschrift des Bundesrechts auf der Grundlage des Landesrechts herangezogen, um das Landesrecht zu ergänzen oder auszulegen, wird die Vorschrift Teil des Landesrechts und entzieht sich damit revisionsrechtlicher Überprüfung (Urteile vom 30. Januar 1996 - BVerwG 1 C 9.93 - Buchholz 430.2 Kammerzugehörigkeit Nr. 7 S. 3 und vom 7. Juni 2006 - BVerwG 4 C 7.05 - NVwZ 2006, 1065 <1066>; Beschlüsse vom 3. Juli 2007 - BVerwG 9 B 9.07 - Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 27 Rn. 8 und vom 10. August 2007 - BVerwG 9 B 19.07 - Buchholz 310 § 137 Abs. 1 VwGO Nr. 29 Rn. 5). Sind Normen des Landes- und des Bundesrechts durch Bezugnahmen verschränkt, liegt revisibles Bundesrecht i.S.d. § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO dann vor, wenn die Anwendung der Norm des Bundesrechts auf den konkret geregelten Sachverhalt auf dem Gesetzesbefehl eines Rechtsetzungsorgans des Bundes beruht. Kommt die Norm des Bundesrechts hingegen aufgrund eines Normsetzungsbefehls des Landesgesetzgebers zur Anwendung, ist sie nicht revisibel. Verweist das Landesrecht auf eine Norm des Bundesrechts, wird diese aufgrund eines Normsetzungsbefehls des Bundes angewendet, wenn sich ihr sachlicher Anwendungsbereich durch die Verweisung nicht ändert. Das ist der Fall, wenn der Landesgesetzgeber die bundesrechtliche Norm als geltend voraussetzt und sie lediglich zum Anknüpfungspunkt einer eigenen Regelung nimmt. Ob ihre Voraussetzungen erfüllt sind, ist deshalb eine revisible Vorfrage für die Anwendung der landesrechtlichen Norm. Demgegenüber ist der Normsetzungsbefehl des Landes maßgeblich, wenn die Verweisung auf das Bundesrecht dessen sachlichen Anwendungsbereich, wie der Bundesgesetzgeber ihn bestimmen konnte und wollte, erweitert (Urteil vom 21. Februar 2013 - BVerwG 7 C 4.12 - Buchholz 406.27 § 149 BBergG Nr. 3 Rn. 14; Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 137 Rn. 74 ff. m.w.N.).

4 So liegt die Sache - entgegen der Auffassung der Beklagten - hier. Die Abgabenordnung wird aufgrund eines Normsetzungsbefehls des Landesgesetzgebers angewandt und dient der Ergänzung des Landesrechts. Ihr sachlicher Anwendungsbereich wird durch die vom Kommunalabgabengesetz Nordrhein-Westfalen erfassten Regelungsbereiche erweitert (vgl. auch Urteil vom 27. Juni 2012 - BVerwG 9 C 7.11 - BVerwGE 143, 222 Rn. 10 = Buchholz 11 Art. 20 GG Nr. 206). Demzufolge würde sich dem Senat die von der Beschwerde aufgeworfene Frage in dem erstrebten Revisionsverfahren nicht stellen.

5 Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ergibt sich nicht daraus, dass das OVG Schleswig (Beschluss vom 15. Februar 2012 - 4 MR 1/12 - NVwZ 2012, 771 und Urteil vom 7. Februar 2013 - 4 KN 1/12 - NVwZ-RR 2013, 816) oder auch das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 11. Juli 2012 - BVerwG 9 CN 1.11 - BVerwGE 143, 301 = Buchholz 11 Art. 105 GG Nr. 51) den Begriff des Steuerschuldners möglicherweise anders ausgelegt oder angewandt haben. Denn deren Entscheidungen lag das jeweils geltende Landesrecht zugrunde. Im Übrigen hat das Bundesverwaltungsgericht in jenem Urteil (ebenso im Parallelurteil BVerwG 9 CN 2.11 ) den Begriff des Steuerschuldners nicht problematisieren müssen.

6 b) Die Revision ist auch nicht zuzulassen, weil die Beschwerde die Verletzung des von Art. 28 Abs. 2 GG geschützten kommunalen Steuerfindungsrechts geltend macht. Die Beschwerde beschränkt sich auf die Rüge, dass zwar nach Auffassung des Berufungsgerichts eine Gestaltung der Satzung möglich sei, bei der der Beherbergungsgast Steuerschuldner und der Beherbergungsbetrieb Steuerentrichtungspflichtiger i.S.d. § 43 Satz 2 AO sei. Eine solche Regelung führe jedoch infolge eines strukturellen Vollzugsdefizits zu einer Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG. Damit kann die Beschwerde schon deshalb nicht durchdringen, weil es an der Feststellung entsprechender Tatsachen fehlt. Rechtsfragen, die in einem Revisionsverfahren erst auf der Grundlage von Tatsachen erheblich werden könnten, welche von der Vorinstanz nicht festgestellt wurden, rechtfertigen regelmäßig - und auch hier - die Zulassung der Revision nicht (stRspr, vgl. nur Beschluss vom 17. März 2000 - BVerwG 8 B 287.99 - BVerwGE 111, 61 <62> = Buchholz 428 § 30a VermG Nr. 14). Davon abgesehen fehlt es an der Darlegung (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), dass der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu den bundesrechtlichen Normen, deren Verletzung geltend gemacht wird, bisher keine Aussagen zu entnehmen sind, die eine bundesrechtskonforme Auslegung und Anwendung des Landesrechts gewährleisten (vgl. z.B. Beschluss vom 23. März 1992 - BVerwG 5 B 174.91 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 306). Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung kann nur dann in Betracht kommen, wenn der Rechtsstreit Anlass zur Klärung einer bundesrechtlich nicht oder noch nicht ausreichend geklärten Rechtsfrage gibt (Beschluss vom 3. April 2013 - BVerwG 9 B 44.12 - juris Rn. 5 m.w.N.). Die Beschwerde zeigt nicht auf, zu welcher weiteren grundsätzlichen Klärung des Regelungsgehalts von Art. 28 Abs. 2 und Art. 3 Abs. 1 GG der Rechtsstreit Anlass geben würde.

7 c) Die grundsätzliche Bedeutung ergibt sich auch nicht daraus, dass der Begriff des Steuerschuldners im Zusammenhang mit der Auslegung von Art. 105 Abs. 2a GG klärungsbedürftig wäre. Denn die verfassungsrechtlich vorgegebenen Merkmale der Aufwandsteuer, die von der Gesetzgebungskompetenz der Länder erfasst wird, bestimmen nicht den Schuldnerbegriff (vgl. zu den einzelnen Merkmalen BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 2009 - 1 BvL 8/05 - BVerfGE 123, 1 <15 ff.>). Die Frage, wer einerseits Steuerschuldner, andererseits (nur) Steuerentrichtungspflichtiger ist, richtet sich nach der einfachrechtlichen Ausgestaltung der jeweiligen Steuer und ist von dem zuständigen Normgeber festzulegen.

8 2. Die Beschwerde macht weiterhin geltend, das Oberverwaltungsgericht weiche von den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Juli 2012 - BVerwG 9 CN 1.11 und BVerwG 9 CN 2.11 - ab, weil das Bundesverwaltungsgericht in den genannten Entscheidungen den Beherbergungsbetrieb als Steuerschuldner benannt und mithin keinen Verstoß gegen die Regelungen der §§ 38, 43 AO gesehen habe. Damit ist nicht dargelegt, dass das Berufungsgericht bei Anwendung derselben Vorschrift mit einem eigenen Rechtssatz von einem Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts abgewichen ist. Die Beschwerde kritisiert lediglich die Rechtsanwendung im konkreten Fall. Mit Angriffen gegen die berufungsgerichtliche Würdigung kann eine Abweichungsrüge jedoch nicht begründet werden (Beschlüsse vom 12. Dezember 1991 - BVerwG 5 B 68.91 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 302 und vom 28. August 2007 - BVerwG 9 B 15.07 - juris Rn. 4).

9 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.