Beschluss vom 19.08.2003 -
BVerwG 7 B 34.03ECLI:DE:BVerwG:2003:190803B7B34.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 19.08.2003 - 7 B 34.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:190803B7B34.03.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 34.03

  • VG Leipzig - 02.12.2002 - AZ: VG 3 K 1437/00

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 19. August 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht S a i l e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht G ö d e l und K l e y
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 2. Dezember 2002 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 281 210,53 € festgesetzt.

Die Klägerin begehrt die Aufhebung eines Widerspruchsbescheides des Sächsischen Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen, soweit darin den Beigeladenen ein Anspruch auf Auskehr des Erlöses aus der investiven Veräußerung eines Grundstücks zuerkannt worden ist. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil das im Jahre 1936 zwangsversteigerte Grundstück Gegenstand einer Schädigungsmaßnahme im Sinne des
§ 1 Abs. 6 VermG gewesen sei.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil bleibt ohne Erfolg.
Die Klägerin rügt eine Verletzung der gerichtlichen Pflicht zur Sachaufklärung nach § 86 Abs. 1 VwGO, weil das Verwaltungsgericht nicht hinreichend ermittelt habe, ob der Rechtsvorgänger der Beigeladenen tatsächlich verfolgungsbedingt an der Ausübung seiner Rechte zur Abwendung der Zwangsversteigerung gehindert gewesen sei.
1. Soweit sie dazu konkret geltend macht, das Verwaltungsgericht habe klären müssen, ob der Sicherungshypothek zugunsten des Kaufmannes S. in Höhe von 20 000 RM eine Forderung zugrunde gelegen habe, ist kein Verstoß gegen § 86 Abs. 1 VwGO feststellbar. Das Verwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, es sei nicht ersichtlich, ob dieser Hypothek eine Forderung gegen den Grundstückseigentümer zugrunde gelegen habe, auffallend sei jedoch, dass das Grundpfandrecht unmittelbar nach der Auswanderung des Bruders des Grundstückseigentümers eingetragen worden sei, so dass dieser weder für sich noch für seinen Bruder Einwände habe erheben können. Maßgeblicher Beitrag zur Verfolgungssituation war demnach für das Verwaltungsgericht allein der Zeitpunkt der Eintragung der Hypothek, der die Abwehrmöglichkeiten der Betroffenen erschwerte, nicht die ausdrücklich offen gelassene Frage des Forderungsbestandes. Ausgehend davon mussten sich dem Verwaltungsgericht keine weiteren Ermittlungen aufdrängen, ganz abgesehen davon, dass die Klägerin nicht darlegt, welche Beweismittel dafür überhaupt in Betracht gekommen wären.
Ebenso wenig liegt der Feststellung des Verwaltungsgerichts, die Sicherungshypothek zugunsten des Reichsfiskus in Höhe von 40 000 RM sei offensichtlich missbräuchlich, ein Sachaufklärungsdefizit zugrunde. Das Verwaltungsgericht beruft sich für seine Feststellung auf den Beschwerdebeschluss des Landgerichts Leipzig vom 2. Juni 1939. Für dessen Einzelheiten - sowie für die Einzelheiten des vorausgehenden Einziehungsbeschlusses des Amtsgerichts Leipzig vom 31. Juli 1938 - verweist es im Tatbestand seines Urteils auf die entsprechenden Seiten der Verwaltungsvorgänge. Angesichts der in dieser Weise in Bezug genommenen Begründung der landgerichtlichen Entscheidung, nach der sich "schlechterdings nicht erkennen" lässt, welche Handlungen der Beschuldigten als Vergehen angesehen würden und in welchen konkreten Einzelakten die Merkmale des ihnen zur Last gelegten Devisenvergehens zu finden seien, ist die Feststellung missbräuchlichen Handelns der Behörden zumindest so nahe liegend, dass sich dem Verwaltungsgericht nicht noch weitere Ermittlungen in dieser Hinsicht hätten aufdrängen müssen. Das gilt auch in Ansehung des Umstandes, dass die Einziehung noch im Jahre 1939 aufgehoben worden ist. Die Schlussfolgerung der Klägerin, eine Aufhebung zu diesem Zeitpunkt sei schwerlich vorstellbar, wenn die Eintragung der Sicherungshypothek im Jahre 1936 tatsächlich verfolgungsbedingt geschehen sei, so dass schon deswegen weitere Ermittlungen angezeigt gewesen wären, ist spekulativ. Die Begründung des Beschlusses deutet ausschließlich darauf hin, dass das
Landgericht sich nach wie vor rechtsstaatlichen Grundsätzen verpflichtet fühlte.
2. Die daran anschließende Rüge, das Verwaltungsgericht habe die Höhe des Zuschlages in der Zwangsversteigerung als weiteres Indiz für einen verfolgungsbedingten Vermögensverlust angesehen, ohne die dafür notwendigen Tatsachenfeststellungen getroffen zu haben, greift ebenfalls nicht durch.
Das Verwaltungsgericht ist der Auffassung, neben ("des weiteren") der Zwangsversteigerung als solcher, die es ausdrücklich als Missbrauch der Staatsgewalt eingeordnet hat, spreche die Art und Weise der weiteren Durchführung des Vollstreckungsverfahrens für einen solchen Missbrauch, weil der Zuschlag für einen Betrag in Höhe von 72 % des Schätzwertes und damit nur geringfügig über dem Mindestgebot von 70 % des Grundstückswertes erteilt worden sei. Nach Auffassung der Klägerin hätte sich dem Gericht die Frage aufdrängen müssen, ob und inwieweit bei der Versteigerung eines Grundstücks eines Nichtverfolgten unter vergleichbaren Umständen ein höheres Gebot erreicht worden wäre; erst auf dieser Tatsachengrundlage hätte sich beurteilen lassen, ob die Höhe des Zuschlages für einen Missbrauch der Staatsgewalt spreche. Ob die Klägerin diesen Einwand zu Recht erhebt, kann jedoch dahingestellt bleiben; denn das Urteil könnte auf einem solchen Verfahrensmangel nicht im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO beruhen. Selbst wenn die Erwägungen des Gerichts zur Indizwirkung des Zuschlages für einen verfolgungsbedingten Vermögensverlust entfielen, bliebe die das Urteil eigenständig tragende Begründung bestehen, dass die Herbeiführung der Zwangsversteigerung als solche missbräuchlich und daher eine Schädigungsmaßnahme im Sinne des § 1 Abs. 6 VermG war.
3. Dasselbe gilt, soweit die Klägerin Ermittlungen dazu vermisst, ob den Betroffenen seinerzeit Schuldnerschutz gewährt worden sei. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu diesem Punkt haben ebenfalls nur unterstützende Funktion ("ferner ist nicht ersichtlich, ...") und ändern nichts daran, dass es die Zwangsversteigerung unabhängig davon als Verfolgungsmaßnahme bewertet. Das betont es an dieser Stelle des Urteils nochmals ausdrücklich, indem es darauf verweist, dass bereits die - zur Zwangsversteigerung führende - Überschuldung des Grundstücks verfolgungsbedingt gewesen sei.
Von einer weiteren Begründung seines Beschlusses sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO ab.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG. Der gegenüber der Vorinstanz geringere Wert ergibt sich daraus, dass das Flurstück 393/1 nicht Gegenstand des Rechtsbehelfs ist.