Beschluss vom 19.07.2010 -
BVerwG 10 B 10.10ECLI:DE:BVerwG:2010:190710B10B10.10.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 19.07.2010 - 10 B 10.10 - [ECLI:DE:BVerwG:2010:190710B10B10.10.0]

Beschluss

BVerwG 10 B 10.10

  • VGH Baden-Württemberg - 19.01.2010 - AZ: VGH A 5 S 63/08

In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 19. Juli 2010
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig, Richter und Prof. Dr. Kraft
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 19. Januar 2010 wird verworfen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Die Beschwerde der Klägerin, mit der ein Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) geltend gemacht wird, bleibt ohne Erfolg.

2 Die Beschwerde rügt, die Ablehnung des von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsbeweisantrags finde im Prozessrecht keine Stütze und verletze dadurch den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Dieser Verfahrensmangel ist nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechenden Weise bezeichnet und liegt im Übrigen auch nicht vor.

3 Während sich die Voraussetzungen für die Ablehnung eines in der mündlichen Verhandlung unbedingt gestellten Beweisantrags aus § 86 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 VwGO ergeben, wird mit einem nur hilfsweise gestellten Beweisantrag lediglich die weitere Erforschung des Sachverhalts nach § 86 Abs. 1 VwGO angeregt (Beschluss vom 10. Juni 1999 - BVerwG 9 B 81.99 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 302 m.w.N.; Urteil vom 26. Juni 1968 - BVerwG 5 C 111.67 - BVerwGE 30, 57 <58>). Der von der Beschwerde der Sache nach geltend gemachte Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) ist nur dann ausreichend dargelegt, wenn substantiiert vorgetragen wird, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären. Weiterhin muss dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - NJW 1997, 3328 m.w.N.). Die Rüge, das rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) sei verletzt, erfordert regelmäßig die substantiierte Darlegung dessen, was die Prozesspartei bei ausreichender Gehörsgewährung noch vorgetragen hätte und inwiefern der weitere Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre (vgl. Beschluss vom 19. März 1991 - BVerwG 9 B 56.91 - Buchholz 310 § 104 VwGO Nr. 25 S. 12 m.w.N.). Schließlich ist bei allen Verfahrensrügen darzulegen, dass und inwieweit die angefochtene Entscheidung auf dem behaupteten Mangel beruht, d.h. inwiefern die nicht aufgeklärte Tatsache - vom materiellrechtlichen Standpunkt des Berufungsgerichts - zu einer günstigeren Entscheidung hätte führen können. Diesen Maßstäben genügt die Beschwerde nicht.

4 Der Verwaltungsgerichtshof hat im Berufungsverfahren eine Vielzahl von Stellungnahmen zur medizinischen Versorgung in der Demokratischen Republik Kongo im Allgemeinen sowie zur Behandelbarkeit von bestimmten Krankheiten im Besonderen eingeführt (Gerichtsakte Bl. 69 - 81, 99) und in der angefochtenen Entscheidung verarbeitet. Darunter befinden sich mehrere Auskünfte, die sich u.a. mit den Risiken und der Behandelbarkeit von Malaria und Hepatitis befassen. Liegen - wie hier - bereits gutachterliche Stellungnahmen zu einer entscheidungserheblichen Tatsache vor, steht es nach § 98 VwGO i.V.m. § 412 Abs. 1 ZPO im Ermessen des Tatsachengerichts, ob es zusätzliche Sachverständigengutachten einholt. Die Klägerin hat weder bei der Begründung ihres Hilfsbeweisantrags im Berufungsverfahren noch in der Beschwerdebegründung aufgezeigt, dass und ggf. welche weitergehenden neueren oder besseren Erkenntnisse bei dem begehrten Sachverständigengutachten über die in den eingeführten Stellungnahmen hinaus zu erwarten gewesen wären. Auch eine aktuelle wesentliche Veränderung der Tatsachenlage, die möglicherweise Anlass zur Einholung weiterer Auskünfte hätte sein können, wird von der Beschwerde selbst nicht behauptet und ist auch sonst nicht ersichtlich. Ebenso wenig zeigt die Beschwerde in substantiierter Weise auf, dass der in dem Hilfsbeweisantrag benannte Sachverständige über einen im Vergleich zu den übrigen Auskunftsstellen überlegenen oder weitergehenden Sachverstand verfüge. Warum sich dem Berufungsgericht unter diesen Umständen auf der Grundlage seiner materiellen Rechtsauffassung die beantragte weitere Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen, lässt sich der Beschwerde somit nicht entnehmen. Hinsichtlich der von ihr angeführten Möglichkeit einer Erkrankung an „grauem Star“ ist weder dargelegt noch ersichtlich, inwieweit eine Linsentrübung (Katarakt) zu einer Extremgefahr für die Klägerin bei Rückkehr in ihr Heimatland führen oder auch nur zu ihrem Eintritt beitragen könnte. Im Hinblick auf die weiter von der Beschwerde genannte „Schlafkrankheit“ (gemeint ist wohl die Afrikanische Trypanosomiasis) lässt die Beschwerde Ausführungen dazu vermissen, welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären. Zudem setzt sie sich nicht damit auseinander, warum die vom Berufungsgericht angeführten Maßnahmen des „Mückenschutzes als wichtigste und wirksamste Vorbeugung gerade auch gegen Malaria“ (UA S. 25 f.) angesichts des gleichartigen Übertragungsweges durch einen Insektenstich nicht auch das Infektionsrisiko bezüglich dieser Krankheit wirksam zu mindern vermögen.

5 Zum Erfolg verhilft der Beschwerde auch nicht die Rüge, das Berufungsgericht sei nicht der Behauptung nachgegangen, dass die Mutter der Klägerin psychisch nicht in der Lage sei, für diese zu sorgen und sie behandeln zu lassen. Auch insoweit wird das Vorbringen der Beschwerde den Darlegungsanforderungen nicht gerecht. Diese erstmalig in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht geäußerte Annahme gründet die Beschwerde auf das Verhalten der Mutter in der Berufungsverhandlung. Denn diese habe auf Fragen des Gerichts begonnen zu weinen, so dass die Verhandlung unterbrochen worden sei. Die Beschwerde hat ihre an diesem Umstand anknüpfenden und darauf aufbauenden spekulativen Vermutungen, dass und warum die Mutter der Klägerin ernsthaft psychisch erkrankt sei und sie deshalb nicht zu betreuen vermöge, auch im Nachhinein in keiner Weise substantiiert. Damit fehlen Ausführungen dazu, welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären. Zudem ist nicht dargelegt, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem behaupteten Aufklärungsmangel beruht. Denn das Berufungsgericht ist im Hinblick auf die Betreuung der Klägerin davon ausgegangen, dass ihre Mutter „nach gemeinsamer Rückkehr wieder mit dem bereits nach Kinshasa zurückgekehrten Vater ihrer Kinder zusammenleben und auch wieder Anschluss an ihre Großfamilie finden wird.“ (UA S. 18). Damit ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass die Aufklärung der behaupteten psychischen Erkrankung der Mutter - auf der Grundlage der insoweit nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts - zu einer der Klägerin günstigeren Entscheidung hätte führen können.

6 Der Senat sieht von einer weiteren Begründung der Entscheidung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

7 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Satz 1 RVG.