Beschluss vom 19.07.2006 -
BVerwG 8 B 28.06ECLI:DE:BVerwG:2006:190706B8B28.06.0

Beschluss

BVerwG 8 B 28.06

  • VG Magdeburg - 24.01.2006 - AZ: VG 5 A 318/05 MD

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 19. Juli 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Postier und die Richterin
am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hauser
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 24. Januar 2006 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
  3. Der Antrag des Beigeladenen, ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 123 500 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

2 Der geltend gemachte Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor.

3 Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Bestimmung kommt einer Rechtssache nur dann zu, wenn die Beschwerde eine Rechtsfrage aufwirft, deren zu erwartende revisionsgerichtliche Klärung der Einheit oder der Fortentwicklung des Rechts zu dienen vermag. Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage dieser Art ist in der Beschwerde nicht gestellt worden.

4 Die Beschwerde meint, es sei eine grundsätzlich zu klärende Rechtsfrage, „ob ein rechtswidriger vermögensrechtlicher Bescheid nach § 48 Abs. 1 VwVfG lediglich zur Herstellung einer materiell richtigen Entscheidung, ohne Berücksichtigung der durch den seit fast zehn Jahren rechtskräftigen und vollzogenen Bescheid geschaffenen Rechtssicherheit aufgehoben werden kann“.

5 Auf die aufgezeigte Rechtsfrage käme es in einem Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich an. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts lässt der streitgegenständliche Bescheid erkennen, dass der Beklagte sein Ermessen erkannt und die wesentlichen Belange der Betroffenen in seiner Entscheidung berücksichtigt hat. Nach der eigenen Auskunft der Klägerin habe diese über die verfahrensgegenständlichen Grundstücke noch nicht verfügt und ihr Interesse mit Ausnahme des „Bestandsinteresses“ nicht näher konkretisiert. Dementsprechend habe der Beklagte die sich aufdrängenden Belange der Klägerin als Verfügungsberechtigte geprüft und sei dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass diese Belange aufgrund der bisherigen Nichtverfügung über die Flächen weniger schutzwürdig erschienen als die des Beigeladenen, dessen Rechte durch den Bescheid in schwerwiegendem Maße verletzt worden seien.

6 Auch wenn, wie die Klägerin meint, dem Prinzip der Rechtssicherheit bei einer Ermessensentscheidung über die Rücknahme eines rechtswidrig begünstigenden Verwaltungsakts im Vermögensrecht ein stärkeres Gewicht zukäme als in anderen Rechtsgebieten, würde dies im Einzelfall nicht bedeuten, dass dieses Interesse bei einer Abwägung der Belange stets überwiegt. Vielmehr ist eine Abwägung der Umstände des Einzelfalles erforderlich, die der Beklagte nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts im Ergebnis zutreffend vorgenommen hat. Hierbei hat das Verwaltungsgericht auch nicht, wie die Beschwerde unterstellt, die Rechtsauffassung vertreten, dass das Vertrauen des Verfügungsberechtigten in den Bestand eines ablehnenden Restitutionsbescheides nicht berücksichtigt werden müsse und dem Belang einer materiell richtigen Entscheidung Vorrang gebühre. Für eine derartige Annahme geben die vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen nichts her.

7 Eine Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zur zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts besteht nicht. Das Verwaltungsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung schon nicht den behaupteten Rechtssatz aufgestellt: „Belange des rechtswidrig Begünstigten (hier des Verfügungsberechtigten) sind nur dann in die Ermessenserwägung einzustellen, wenn sie sich aufdrängen“.

8 Die beantragte Prozesskostenhilfe war dem Beigeladenen zu versagen, weil die wirtschaftlichen Voraussetzungen nicht vorliegen. Nach § 114 Satz 1 ZPO i.V.m. § 166 VwGO erhält eine Partei auf Antrag Prozesskostenhilfe, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann. Die Einkommenssituation des Beigeladenen spricht zwar dafür, dass er die Prozesskosten hieraus nicht bestreiten kann. Allerdings hat der Antragsteller über das Schonvermögen (2 301 €) hinausgehendes Vermögen. Es existiert ein Bausparguthaben von 4 408,98 € sowie ein Bankguthaben von 2 336,33 €. Dieses Vermögen muss der Antragsteller für die Führung des Prozesses einsetzen. Hinzu kommt, dass ihm nach der hier zugleich getroffenen Kostenentscheidung keine Kosten der Prozessführung im Sinne von § 114 Satz 1 ZPO i.V.m. § 166 VwGO entstehen.

9 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.