Beschluss vom 19.06.2002 -
BVerwG 5 B 29.02ECLI:DE:BVerwG:2002:190602B5B29.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 19.06.2002 - 5 B 29.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2002:190602B5B29.02.0]

Beschluss

BVerwG 5 B 29.02

  • Bayerischer VGH München - 17.12.2001 - AZ: VGH 24 B 00.1217

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 19. Juni 2002
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. S ä c k e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. P i e t z n e r und Dr. R o t h k e g e l
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17. Dezember 2001 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 4 090 € (entspricht 8 000 DM) festgesetzt.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die vorgetragenen Gründe rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht.
Grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt der Rechtssache nicht zu.
Dass § 6 Abs. 2 BVFG in der Fassung des Gesetzes zur Klarstellung des Spätaussiedlerstatus (Spätaussiedlerstatusgesetzes - SpStatG) vom 30. August 2001 (BGBl I S. 2266) nach § 100 a BVFG (F. 2001) auch auf Personen anwendbar ist, "die mit Aufnahmebescheid des Bundesverwaltungsamts vor dem In-Kraft-Treten der Neuregelung eingereist sind und bereits vorher ihre Bescheinigung nach § 15 BFG beantragt haben", und hierin keine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung liegt, ist nicht mehr grundsätzlich klärungsbedürftig (vgl. Urteile des erkennenden Senats vom 12. März 2002 - BVerwG 5 C 2.01 und 5 C 28.01 - [Urteilsabdruck S. 5 ff.]).
Der angefochtene Beschluss weicht insoweit auch nicht i.S. des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO von diesen nach seinem Erlass ergangenen höchstrichterlichen Urteilen ab. Soweit die Beschwerde im vorliegenden Zusammenhang auf Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts aus den Jahren 1989 bis 1995 hinweist, übersieht sie, dass die Divergenzrüge nur mit dem neuesten Stand der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts begründet werden kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. April 1991 - BVerwG 5 B 55.91 - <Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 300>).
Entgegen der Ansicht der Beschwerde stellt sich im vorliegenden Fall auch nicht hinsichtlich der Auslegung und Anwendung des § 6 Abs. 2 Satz 3 BVFG "die Frage von grundsätzlicher Bedeutung, ob durch die Neufassung, wie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof angenommen und praktiziert, die amtlichen Vermerke über das bei der Behörde gezeigte Sprachvermögen unerschütterliche Beweiswirkung haben und damit der gerichtlichen Nachprüfbarkeit hinsichtlich des Vorliegens des Sprachvermögens entzogen sind." Denn eine derartige unerschütterliche Beweiswirkung unter Ausschluss gerichtlicher Kontrolle hat der Verwaltungsgerichtshof nicht angenommen, vielmehr der Klägerin vorgehalten, es sei nichts Substantiiertes vorgetragen worden, was geeignet wäre, Zweifel an der Richtigkeit der getroffenen Feststellung des Sachbearbeiters zu wecken.
Darüber hinaus ist in der Rechtsprechung des erkennenden Senats geklärt, dass die mit der Durchführung des Bundesvertriebenengesetzes betrauten Behörden nach § 24 VwVfG zu Ermittlungen in Bezug auf sämtliche Voraussetzungen der deutschen Volkszugehörigkeit berechtigt und verpflichtet sind und dies die Befugnis einschließt, sich deutscher Sprachkenntnisse des Antragstellers zur Zeit seiner Einreise in das Bundesgebiet zu vergewissern, wobei die Behörde Art und Umfang ihrer Ermittlungen nach pflichtgemäßem Ermessen bestimmt (BVerwG, Beschluss vom 30. März 1999 - BVerwG 5 B 4.99 - Beschlussabdruck S. 2). In diesem Beschluss hat der erkennende Senat auch darauf hingewiesen, dass angesichts der Regelungen über den Umfang der gerichtlichen Rechtskontrolle gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 2 VwGO der Überprüfung der Sprachbeherrschung des Antragstellers durch den zuständigen Verwaltungsbeamten bei der Einreise offensichtlich keine abschließende Bedeutung zukommt. Dieser Beschluss ist vor den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Oktober 2000 zu der Verwaltungspraxis in Bund und Ländern ergangen, zu der der Gesetzgeber mit der Neufassung des § 6 Abs. 2 BVFG zurückkehren wollte (vgl. BTDrucks 14/6310 S. 6). Das dort Ausgeführte hat also seine Bedeutung auch für die Neufassung des § 6 Abs. 2 BVFG behalten. Daraus folgt, dass die Feststellung, ob ein Bewerber zum Zeitpunkt der Aussiedlung zumindest ein einfaches Gespräch auf Deutsch führen kann, den zuständigen Behörden obliegt. Welche Mittel sie zur Erforschung des Sachverhalts anwenden, liegt in ihrem verwaltungsverfahrensrechtlichem Ermessen; § 6 Abs. 2 Satz 3 BVFG enthält insoweit keine Spezialregelungen gegenüber § 24 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 VwVfG. Der vom Verwaltungsgerichtshof in Bezug genommene Klammerhinweis der Gesetzesbegründung "(im Rahmen einer Anhörung ["Sprachtest"])" hat im Gesetzestext keinen Niederschlag gefunden und ersichtlich nur erläuternde Bedeutung; er soll auf das in der Verwaltungspraxis geläufigste Sachverhaltsaufklärungsmittel hinweisen, nicht aber andere Aufklärungsmittel ausschließen. Dementsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 19. Februar 1997 - BVerwG 9 B 590.96 - (Beschlussabdruck S. 3) gegenüber behördlichen Aktenvermerken, die ein Bediensteter aufgrund eigenen Augenscheins über die Deutschkenntnisse eines Ausweisbewerbers gefertigt hat, den substantiierten Einwand der Unrichtigkeit zugelassen und neben der Vernehmung des Sachbearbeiters u.a. die Vernehmung von Zeugen für zulässig gehalten, die bekunden könnten, dass der Ausweisbewerber kurz nach der Einreise einen Sprachtest mit "sehr gut" bestanden habe und über derart gute Deutschkenntnisse verfügt habe, dass er in der Lage gewesen sei, sich ohne Schwierigkeiten über alle Bereiche zu unterhalten. Dass im Berufungsverfahren derartig substantiierte Einwände unter Beweis gestellt worden sind, hat die Beschwerde nicht dargelegt.
Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung vermag die Beschwerde auch nicht insoweit aufzuzeigen, als sie die Frage stellt, "welche Anforderungen an die behördlichen Feststellungen der Sprachfähigkeit zu stellen sind." Die Beschwerde meint, derartige Feststellungen müssten die tatsächlichen Grundlagen für die Bewertung nachvollziehbar dokumentieren. Dies hat jedoch der Sachbearbeiter des Landratsamtes Aschaffenburg in seinem Beurteilungsvermerk vom 6. November 1995 getan, indem er vermerkte, die Antragstellerin verstehe kaum Deutsch (z.B. sei sie auf die Aufforderung "Bitte gehen Sie aus dem Zimmer und holen Sie Ihre Mutter herein" sitzen geblieben, da sie diesen einfachen Satz nicht verstanden habe) und spreche zur Verständigung nicht ausreichend Deutsch, so dass eine Verständigung mit ihr nur über ihre Mutter Vera Zeller als Sprachmittlerin möglich gewesen sei. Mit diesem Vermerk hat sich die Beschwerde nicht auseinander gesetzt und nicht dargelegt, in welcher Hinsicht sich vor diesem tatsächlichen Hintergrund grundsätzlich klärungsbedürftige Rechtsfragen ergeben könnten.
Entscheidungserhebliche Verfahrensfehler i.S. des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat die Beschwerde ebenfalls nicht aufgezeigt. Insbesondere ist die Klägerin nicht durch das angefochtene Urteil unter Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) dadurch "überrascht" worden, dass das Berufungsgericht auf den Antrag der Klägerin nach § 15 BVFG das nach dem 7. September 2001 geltende Recht (§ 100 a BVFG) angewendet hat. Denn die Bevollmächtigten der Klägerin mussten als rechtskundige Prozessvertreter damit rechnen, dass das Berufungsgericht seine Entscheidung auf das neue Recht stützen würde oder jedenfalls könnte. Dies gilt umso mehr, als sie auch die Kläger im Verfahren BVerwG 5 C 28.01 vertreten haben und in diesem Verfahren mit Berichterstatterschreiben vom 4. Oktober 2001 aufgefordert worden sind, zur Anwendbarkeit des neuen Rechts Stellung zu nehmen.
Soweit schließlich die Beschwerde ihre Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs darauf stützt, dass das Berufungsgericht die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und die beantragte Einvernahme von Zeugen abgelehnt hat, genügt ihr Vorbringen nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs bei der Behandlung der Beweisanträge würde voraussetzen, dass das Berufungsgericht die Beweisanträge entweder überhaupt nicht berücksichtigt hat oder sie aus Gründen abgelehnt hat, die im Prozessrecht keine Stütze finden. Dies legt die Beschwerde nicht dar. Ihr Hinweis, das Berufungsgericht sei zu Unrecht vom Grundsatz der "Unerschütterbarkeit der Beweiswirkung behördlicher Feststellungsvermerke" ausgegangen, trifft - wie bereits bei der Beurteilung der Grundsatzrüge dargelegt - nicht zu.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes auf § 13 Abs. 1 Satz 2, § 14 Abs. 1 und 3 GKG.