Beschluss vom 19.04.2002 -
BVerwG 1 B 98.02ECLI:DE:BVerwG:2002:190402B1B98.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 19.04.2002 - 1 B 98.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2002:190402B1B98.02.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 98.02

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 14.01.2002 - AZ: OVG 8 A 5052/98.A

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 19. April 2002
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht
E c k e r t z - H ö f e r und die Richter am Bundes-
verwaltungsgericht H u n d und R i c h t e r
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 14. Januar 2002 wird verworfen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die auf einen Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde ist unzulässig. Sie entspricht nicht den Anforderungen an die Darlegung des geltend gemachten Zulassungsgrundes aus § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
Die Beschwerde rügt eine Verletzung des Anspruchs des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs, weil es sich bei dem angefochtenen Urteil "insbesondere um eine unzulässige Überraschungsentscheidung" handele. Das Berufungsgericht habe - nach Zulassung der Berufung auf seinen Antrag hin, nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe und nach seiner Anhörung sowie der Vernehmung von zwei Zeugen in der Berufungsverhandlung - seinen Vortrag "als unglaubhaft zurückgewiesen". Der Kläger sei von der Beweiswürdigung überrascht; das Berufungsgericht hätte ihn insbesondere "darauf hinweisen müssen, dass es seinem Vortrag zur Mitgliedschaft in der HADEP keinen Glauben" schenke. Ein eindeutiger Hinweis wäre nicht zuletzt deshalb geboten gewesen, weil das Gericht nicht nur Einzelheiten des klägerischen Vortrags bezweifelt, sondern den gesamten Vortrag für unglaubhaft gehalten habe. Nach dem bisherigen Verfahrensverlauf, insbesondere nach der positiven Entscheidung über Prozesskostenhilfe, sei der Kläger davon ausgegangen, dass das Gericht eher von einer Glaubhaftigkeit seines Vortrags ausgehe.
Damit wird die behauptete Verletzung des rechtlichen Gehörs durch eine so genannte Überraschungsentscheidung nicht schlüssig dargetan. So fehlt es bereits an der erforderlichen Darlegung dessen, was auf den vermissten Hinweis des Berufungsgerichts im Einzelnen noch vorgetragen worden wäre, um die vom Berufungsgericht angenommenen unauflöslichen Widersprüche auszuräumen. Soweit sich die Rüge insbesondere darauf bezieht, dass das Berufungsgericht den Kläger hätte darauf hinweisen müssen, es schenke seinem Vortrag zu einer Mitgliedschaft in der HADEP keinen Glauben, geht sie auch deshalb fehl, weil bereits das Verwaltungsgericht den Verfolgungsvortrag insoweit nicht für glaubhaft gehalten hat. Eine unzulässige Überraschungsentscheidung kommt nämlich nur in Betracht, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der die Beteiligten nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchten (vgl. etwa Beschluss vom 25. April 2001 - BVerwG 4 B 31.01 - <juris> und vom 11. Mai 1999 - BVerwG 9 B 1076.98 - <juris> m.w.N.). Im Übrigen verkennt die Beschwerde, dass das Gericht nicht verpflichtet ist, die ihm obliegende abschließende Sachverhalts- und Beweiswürdigung vorab mit den Beteiligten zu erörtern (stRspr, vgl. Beschluss vom 21. Januar 2000 - BVerwG 9 B 614.99 - Buchholz 310 § 130 a VwGO Nr. 46 und Beschluss vom 26. November 2001 - BVerwG 1 B 347.01 - <Abdruck vorgesehen in der Sammlung Buchholz unter 310 § 86 Abs. 3 VwGO>). Auch aus der Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren konnte der Kläger nicht - wie die Beschwerde meint - folgern, dass das Gericht "eher von einer Glaubhaftigkeit" seines Vortrags ausgehe. In Wahrheit wendet sich die Beschwerde auch insoweit lediglich gegen die dem Tatrichter vorbehaltene Beweiswürdigung, ohne einen Gehörsfehler aufzuzeigen.
Soweit die Beschwerde im Rahmen der Begründung eines Verfahrensmangels ferner noch Ausführungen dazu macht, dass das Berufungsgericht einen Hilfsbeweisantrag zur Einholung eines Sachverständigengutachtens (zu Verletzungsspuren an Oberkörper und Hüfte des Klägers) abgelehnt habe (Beschwerdebegründung S. 2 vierter Absatz), führt sie auch nicht ansatzweise aus, inwiefern die für die Ablehnung dieses Beweisantrags vom Berufungsgericht gegebene Begründung (UA S. 15 f.) im Prozessrecht keine Stütze finden und deshalb den Anspruch auf die Gewährung rechtlichen Gehörs verletzen könnte. Auch die späteren Ausführungen dazu, dass es nahe gelegen hätte, den Kläger zu den behaupteten Folterspuren weiter zu befragen (Beschwerdebegründung S. 3 zweiter Absatz), entsprechen nicht den Anforderungen an die Darlegung einer insoweit noch denkbaren Aufklärungsrüge, zumal sich die Beschwerde nicht im Einzelnen mit den umfangreichen Ausführungen des Berufungsgerichts (UA S. 13 ff.) dazu auseinandersetzt, weshalb es auch unter Berücksichtigung der Zeugenaussagen und der Persönlichkeit des Klägers zu keiner anderen Beurteilung der Glaubhaftigkeit seines Asylvorbringens gelangt (vgl. im Übrigen allgemein zur Beweiswürdigung bei geltend gemachter Traumatisierung Beschluss vom 18. Juli 2001 - BVerwG 1 B 118.01 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 18 = DVBl 2002, 53 m.w.N.).
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben; der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG n.F.