Beschluss vom 19.02.2004 -
BVerwG 9 B 1.04ECLI:DE:BVerwG:2004:190204B9B1.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 19.02.2004 - 9 B 1.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:190204B9B1.04.0]

Beschluss

BVerwG 9 B 1.04

  • Schleswig-Holsteinisches OVG - 22.10.2003 - AZ: OVG 2 LB 108/02

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 19. Februar 2004
durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts H i e n und die Richter
am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. R u b e l und Dr. E i c h b e r g e r
beschlossen:

  1. Auf die Beschwerde der Klägerin wird die Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts über die Nichtzulassung der Revision gegen sein Urteil vom 22. Oktober 2003 aufgehoben.
  2. Die Revision wird zugelassen.
  3. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil wird verworfen.
  4. Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte die Hälfte der Gerichtskosten und ihre eigenen außergerichtlichen Kosten. Im Übrigen folgt die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens der Kostenentscheidung in der Hauptsache.
  5. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 179,20 € festgesetzt.

Die Beschwerde der Klägerin ist zulässig und begründet. Die Beschwerde der Beklagten ist mangels Beschwer unzulässig.
1. Auf die Beschwerde der Klägerin ist die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Sie kann dem Bundesverwaltungsgericht Gelegenheit zur Klärung der von der Klägerin sinngemäß aufgeworfenen Frage geben, ob und in welcher Weise die Änderung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs in seinem Urteil vom 6. November 2001 (IX R 97/00 - BFHE 197, 151) zur anteiligen Anrechnung von Leerstandszeiten einer Ferienwohnung auf die Tage der Eigennutzung und der Vermietung im Rahmen der Einkommenssteuer Veranlassung gibt, die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Berücksichtigung solcher Leerstandszeiten im Rahmen der Veranlagung zur Zweitwohnungssteuer entsprechend zu ändern.
Da bereits diese Grundsatzfrage zur Zulassung der Revision führt, bedarf es keiner Entscheidung, ob die von der Klägerin darüber hinaus geltend gemachten Verfahrensrügen gleichfalls die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO begründen könnten.
2. Die Beschwerde der Beklagten ist unzulässig. Ihr fehlt die für jeden Rechtsbehelf grundsätzliche erforderliche Beschwer.
Das Berufungsgericht hat, dem Antrag der Beklagten in vollem Umfang entsprechend, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zurückgewiesen und damit im Ergebnis dessen die Klage abweisendes Urteil bestätigt. Dies verkennt auch die Beklagte nicht. Sie meint jedoch, aus den von ihr als belastend empfundenen Urteilsgründen eine ausreichende Beschwer ableiten zu können. Das trifft nicht zu. Das Berufungsgericht hat zwar im Anschluss an die vorstehend zitierte neue Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zum Einkommensteuerrecht in den Gründen seines Urteils ausgeführt, dass Leerstandszeiten einer gemischt genutzten Ferienwohnung auch im Recht der Zweitwohnungssteuer hälftig oder ggf. auch anteilig den Zeiten der Vermietung und Eigennutzung zugerechnet werden müssten. Damit weicht es von der bisher durch die Beklagte praktizierten Anwendung ihrer Zweitwohnungssteuersatzung ab, wonach den "Verfügbarkeitszeiten" gemischt genutzter Ferienwohnungen stets auch deren Leerstandszeiten zugeschlagen wurden. Nach Maßgabe dieser Verfügbarkeitszeiten aber erfolgt die in § 4 Abs. 5 der Zweitwohnungssteuersatzung der Beklagten vorgesehene Staffelung der Zweitwohnungssteuer.
Obwohl die Annahme der Beklagten zutreffen dürfte, dass in künftigen Verfahren über Zweitwohnungssteuerbescheide insbesondere das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht selbst dieser neuen Rechtsprechung folgen wird, folgt aus den ihr nachteiligen Urteilsgründen keine ausreichende Beschwer. Denn die von der Beklagten beanstandeten Feststellungen erwachsen ihr gegenüber nicht in Rechtskraft und haben als bloßes Begründungselement jener Entscheidung auch nicht an der gemäß § 121 VwGO erweiterten Bindungswirkung dieses Urteils - sollte es in Rechtskraft erwachsen - teil (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 18. September 2001 - BVerwG 1 C 4.01 - BVerwGE 115, 111 <114 ff.>). Eine solche Bindungswirkung für künftige Verfahren wäre jedoch Mindestvoraussetzung einer ausreichenden Beschwer, wenn der Rechtsmittelführer - wie hier - formell in vollem Umfang obsiegt hat. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Januar 1961 (BVerwG 1 B 135.60 - DVBl 1961, 449), auf den sich die Beklagte in diesem Zusammenhang beruft. Auch dort hat das Bundesverwaltungsgericht die Nichtzulassungsbeschwerde des Beigeladenen, der mit seinem Berufungsantrag Erfolg hatte, nur deshalb für zulässig erachtet, weil in der konkreten Fallkonstellation die Begründung des berufungsgerichtlichen Urteils eine dem Beigeladenen nachteilige Rechtskraftwirkung bei der Fortführung eines ausgesetzten Beschwerdeverfahrens zur Folge gehabt hätte. An einer vergleichbaren Rechtskraftwirkung fehlt es hier gerade.
3. Die Kostenentscheidung beruht, soweit hierüber befunden wurde, auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 13 Abs. 2, § 14 GKG.
Rechtsmittelbelehrung
Das Beschwerdeverfahren wird als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 9 C 1.04 fortgesetzt; der Einlegung einer Revision durch die Klägerin und Beschwerdeführerin bedarf es nicht.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig, einzureichen.
Für den Revisionskläger besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Begründung der Revision. Der Revisionskläger muss sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften ferner durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen. In derselben Weise muss sich jeder Beteiligte vertreten lassen, soweit er einen Antrag stellt.