Beschluss vom 19.02.2004 -
BVerwG 2 B 56.03ECLI:DE:BVerwG:2004:190204B2B56.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 19.02.2004 - 2 B 56.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:190204B2B56.03.0]

Beschluss

BVerwG 2 B 56.03

  • Thüringer OVG - 31.03.2003 - AZ: OVG 2 KO 548/01

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 19. Februar 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. S i l b e r k u h l und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. K u g e l e und
G r o e p p e r
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom 31. März 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 35 135,62 € festgesetzt.

Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Die sinngemäß als klärungsbedürftig (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bezeichneten Fragen, ob beamtete Staatssekretäre auch und trotz der Anforderungen ihres Amtes der Laufbahn des allgemeinen höheren Verwaltungsdienstes zugeordnet werden können mit der Folge, dass ihr Amt ein Beförderungsamt darstellt, oder ob ihr Amt bei sachgerechter Bewertung als Eingangsamt (Einzelamt) anzusehen ist, beziehen sich auf ausgelaufenes Recht.
Die aufgeworfenen Fragen betreffen § 5 Abs. 3 Satz 1 des Beamtenversorgungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Dezember 1994 (BGBl I S. 3858). Nach dieser Bestimmung sind dann, wenn ein Beamter aus einem nicht der Eingangsbesoldungsgruppe seiner Laufbahn angehörenden Amt in den Ruhestand getreten ist und er die Dienstbezüge aus diesem Amt nicht mindestens zwei Jahre erhalten hat, ruhegehaltfähig nur die Bezüge des vorher bekleideten Amtes. Durch Art. 6 Nr. 4 Buchst. b aa) des Gesetzes zur Umsetzung des Versorgungsberichts (Versorgungsreformgesetz 1998 - VReformG) vom 29. Juni 1998 (BGBl I S. 1666) ist § 5 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG neu gefasst worden. Nunmehr sind nur die Dienstbezüge des vorletzten Amtes ruhegehaltfähig, wenn der Beamte aus einem Amt in den Ruhestand getreten ist, das nicht der Eingangsbesoldungsgruppe seiner Laufbahn oder das keiner Laufbahn angehört, und wenn er die Dienstbezüge dieses oder eines mindestens gleichwertigen Amtes vor dem Eintritt in den Ruhestand nicht mindestens drei Jahre erhalten hat. Nach der bisherigen Fassung des § 5 Abs. 3 BeamtVG waren die laufbahnfreien Beamtengruppen von der Wartefrist ausgenommen. Nach der Neufassung des § 5 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG durch Art. 6 Nr. 4 Buchst. b VReformG wird nunmehr der dreijährige Bezug der Dienstbezüge auch von diesem Personenkreis gefordert.
§ 5 Abs. 3 BeamtVG a.F. findet zwar noch auf Versorgungsfälle Anwendung, die vor dem 1. Januar 1999 eingetreten sind. Fragen zur Auslegung und Anwendung ausgelaufenen Rechts haben aber nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ungeachtet anhängiger Fälle regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung, da die Revisionszulassung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO eine für die Zukunft maßgebende Klärung herbeiführen soll (vgl. u.a. Beschlüsse vom 10. Mai 1991 - BVerwG 2 B 50.91 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 297 S. 33 und vom 20. Dezember 1995 - BVerwG 6 B 35.95 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 9 S. 11). Ob ausnahmsweise etwas anderes gilt, wenn das ausgelaufene Recht noch für einen nicht überschaubaren Personenkreis in unabsehbarer Zukunft von Bedeutung ist (vgl. Beschluss vom 20. Dezember 1995, a.a.O.), mag auf sich beruhen. Für eine solche Sachlage ist der Beschwerdeführer jedenfalls darlegungspflichtig (vgl. u.a. Beschluss vom 20. Dezember 1995, a.a.O. S. 11 f., m.w.N.). Es müssen zumindest Anhaltspunkte für eine erhebliche Zahl von Altfällen dargetan oder ersichtlich sein (vgl. Beschluss vom 20. Dezember 1995, a.a.O. S. 12). Hierfür trägt die Beschwerde nichts vor.
Auch die weitere Frage, ob die Anwendung der Fristen des § 5 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG a.F. auf beamtete Staatssekretäre im Verhältnis zu anderen Beamtengruppen eine grobe Ungleichheit bedeutet, betrifft ausgelaufenes Recht und bedarf keiner Klärung, da die geltende Fassung der Bestimmung eine solche Ungleichbehandlung jedenfalls im Hinblick auf andere Laufbahnbeamte nicht enthält. Soweit für kommunale Wahlbeamte Abweichendes gilt (vgl. § 66 Abs. 8 BeamtVG), käme eine Anwendung der für sie geltenden Bestimmungen auf den Fall des Klägers selbst dann nicht in Betracht, wenn die Privilegierung dieser Beamtengruppe gleichheitswidrig wäre.
Schließlich rechtfertigt auch die Frage nicht die Zulassung der Revision, ob es eine Verletzung der Sorgfaltspflicht darstellt, wenn der auskunftsgebende Beamte entgegen den ausdrücklichen und aktenkundigen anders lautenden Prüfergebnissen seiner im Beamtenrecht bewanderten Mitarbeiter und gestützt auf nur eine abweichende Kommentarmeinung das Amt des beamteten Staatssekretärs als Einzel-/Eingangsamt bezeichnet und diese Rechtsauskunft uneingeschränkt ohne Hinweis auf anders lautende Kommentarmeinungen und ohne Hinweis auf die ein Jahr zuvor beschlossene Regelung des § 4 Abs. 2 Thüringer BeamtVorschaltG vom 17. Juli 1991 erteilt. Wie bereits die Formulierung erkennen lässt, handelt es sich nicht um eine verallgemeinerungsfähige Frage von grundsätzlicher Bedeutung; vielmehr betrifft die Frage die besonderen Umstände des Einzelfalls.
Auch die zusammenfassende Frage, ob sich ein Beamter auf unbedingte, eindeutige Auskünfte einer Staatskanzlei und eines Ministeriums zu seinem Status verlassen können müsse, wäre in einem Revisionsverfahren nicht grundsätzlich zu klären. Sie ist keine Rechtsfrage, sondern eine - vom Berufungsgericht verneinte - tatsächliche Frage. Außerdem betrifft sie nicht die vom Berufungsgericht geprüfte und für den geltend gemachten Schadensersatzanspruch relevante Frage eines Verschuldens des Beklagten, sondern ein etwaiges Mitverschulden des Klägers.
2. Das als Verfahrensfehler - § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO - gerügte Übergehen eines Beweisangebots zur in Thüringen geübten Praxis der Ernennung beamteter Staatssekretäre führt ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision. Zum einen verletzt das Gericht seine Aufklärungspflicht grundsätzlich nicht, wenn es davon absieht, Beweis zu erheben, ohne dass die in der mündlichen Verhandlung anwaltlich vertretene Partei dies ausdrücklich beantragt oder sich die Beweiserhebung aus anderen Gründen aufdrängt. Zum anderen zielt die Rüge letztlich wieder auf die Rechtsfrage, ob das Amt eines Staatssekretärs als Eingangsamt anzusehen ist oder nicht. Diese Frage lässt sich nicht durch die Feststellung einer Praxis klären. Insbesondere kommt es dabei nicht auf die subjektiven Vorstellungen der Beteiligten an.
Auch die weiteren Verfahrensrügen greifen nicht durch. Selbst wenn das Berufungsgericht in den Entscheidungsgründen mitgeteilt hätte, in welchen obergerichtlichen Entscheidungen die ursprüngliche Auffassung des Beklagten zur Auslegung des § 5 Abs. 3 BeamtVG a.F. geteilt worden war, hätte das Berufungsgericht nicht allein deshalb die Revision zulassen müssen. Ebenso stellt es keinen Verfahrensfehler dar, dass das Berufungsgericht seine Auffassung zu einer Sorgfaltspflichtverletzung des Beklagten nicht vorab hat erkennen lassen. Es entspricht dem Wesen gerichtlicher Entscheidungen, dass sich das endgültige Meinungsbild erst nach Abschluss der mündlichen Verhandlung in der Beratung ergibt. Das aus dem Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) abzuleitende Verbot einer Überraschungsentscheidung verbietet es lediglich, die Entscheidung auf Gesichtspunkte zu stützen, die in das Verfahren nicht eingeführt worden waren und zu denen die Beteiligten nicht Stellung nehmen konnten. Der Beschwerde ist nicht zu entnehmen, dass die Frage einer Sorgfaltspflichtverletzung vor Erlass des Berufungsurteils nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen ist, zumal der Kläger auch in seiner Berufungsbegründungsschrift vom 27. September 2001 (Beiakte II Bl. 263) eine Verletzung der Fürsorgepflicht geltend gemacht hatte. Es stellt auch keine Überraschungsentscheidung dar, wenn das Gericht in den Entscheidungsgründen nicht auf alle vom Kläger geltend gemachten Punkte eingeht, sofern nur erkennbar ist, dass es das diesbezügliche Vorbringen zur Kenntnis genommen hat. Ausweislich des Tatbestandes des angegriffenen Urteils (Urteilsabdruck S. 12) war das hier der Fall.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 13 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 GKG (zweifacher Jahresbetrag der Differenz zwischen dem Betrag der Ruhestandsbezüge nach B 4 BBesG und B 9 BBesG <vgl. Beschluss vom 13. September 1999 - BVerwG 2 B 53.99 - NVwZ-RR 2000, 188>).