Beschluss vom 19.01.2004 -
BVerwG 7 B 103.03ECLI:DE:BVerwG:2004:190104B7B103.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 19.01.2004 - 7 B 103.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:190104B7B103.03.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 103.03

  • VG Greifswald - 19.06.2003 - AZ: VG 6 A 1392/99

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 19. Januar 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht S a i l e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht G ö d e l und K l e y
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 19. Juni 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 204 516,75 € festgesetzt.

Die Kläger begehren die Rückübertragung eines 5 226 m² großen Flurstücks mit Ausnahme einer früher zu einem anderen Flurstück gehörenden Teilfläche von 561 m² nach den Vorschriften des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen - VermG -. Auf der beanspruchten Fläche stand früher ein Wohnhaus mit Gaststätten- und Saalanbau.
Der Beklagte lehnte den Antrag ab und sprach den Klägern einen Anspruch auf Entschädigung dem Grunde nach zu. Die Kläger seien zwar Berechtigte, weil ihre Rechtsvorgängerin Opfer einer Schädigungsmaßnahme im Sinne des § 1 Abs. 1 Buchst. c VermG gewesen sei, eine Rückübertragung sei jedoch nach § 4 Abs. 2 VermG ausgeschlossen, weil der Beigeladene zu 1 das Gebäude und das dafür verliehene Nutzungsrecht redlich erworben habe. Die dagegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen und sich insbesondere auf den Standpunkt gestellt, dass das seinerzeit für die Gebäudefläche verliehene Nutzungsrecht nach Art. 233 § 4 Abs. 3 Satz 3 EGBGB das gesamte Grundstück mit Ausnahme der nicht beanspruchten Teilfläche erfasse.
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil bleibt ohne Erfolg. Es liegen weder die gerügten Verfahrensmängel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO vor (1.), noch weist die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf (2.).
1. Die Kläger sehen eine Verletzung der Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO darin, dass das Verwaltungsgericht ihrem hilfsweise gestellten Antrag, über den Flächenbedarf für das Betreiben der Gaststätte auf dem umstrittenen Grundstück durch Augenscheinseinnahme und ein Sachverständigengutachten Beweis zu erheben, nicht nachgegangen sei. Diese Sachaufklärung hätte nach Auffassung der Kläger zu der Erkenntnis geführt, dass die gesamte beanspruchte Teilfläche des Flurstücks für den Betrieb der Gaststätte weder ortsüblich noch erforderlich gewesen sei. In diesem Zusammenhang sehen die Kläger auch den Grundsatz des fairen Verfahrens verletzt. Das Verwaltungsgericht habe noch im Verhandlungstermin vom 4. Dezember 2001 eine einvernehmliche Lösung zwischen den Beteiligten angestrebt und sei in seiner Entscheidung über den Antrag des Klägers zu 3 auf Prozesskostenhilfe davon ausgegangen, dass eine Rückübertragung nur hinsichtlich einer Fläche von 500 m² ausgeschlossen sei. Da die Kammer in der mündlichen Verhandlung vom 19. Juni 2003 keine Hinweise auf eine von ihrer bisherigen Auffassung abweichende Position gegeben habe, seien sie - die Kläger - von der dann getroffenen Entscheidung völlig überrumpelt worden.
Die gerügten Verfahrensmängel sind nicht erkennbar. Das Verwaltungsgericht hat es weder an der gebotenen Verfahrensfairness fehlen lassen, noch kann ihm eine Verletzung seiner Sachaufklärungspflicht vorgeworfen werden.
Im ersten Termin zur mündlichen Verhandlung am 4. Dezember 2001 hat das Verwaltungsgericht ausweislich der Sitzungsniederschrift die Beteiligten zunächst darauf aufmerksam gemacht, dass es für die zu treffende Entscheidung darauf ankommen dürfte, welchen Umfang das verliehene Nutzungsrecht in Anwendung des Art. 233 § 4 Abs. 3 Satz 3 EGBGB habe. Anschließend ist mit den anwesenden Beteiligten vereinbart worden, dass der Beklagte zunächst versuchen sollte, durch Nachforschungen einen Richtwert hinsichtlich der ortsüblichen Größe von Grundstücken zu ermitteln, die für Gaststättenbetriebe vergleichbarer Art benötigt würden. Für den Fall, dass auf der Grundlage solcher Ermittlungen Einigkeit über den Umfang des Nutzungsrechts zu erzielen wäre, sollte eine einvernehmliche Lösung vor Ort durch Teilung des Flurstücks gefunden werden. Nachforschungen des Beklagten beim Hotel- und Gaststättenverband Mecklenburg-Vorpommern und beim Schweriner Gewerbeamt erbrachten jedoch keine brauchbaren Ergebnisse. Auf eine entsprechende Anfrage legte allerdings der Beigeladene zu 1 eine ins Einzelne gehende Aufstellung zur Größe und zum Flächenbedarf seines Gaststättenbetriebes vor (Sitzplatzzahl, Art der Bewirtschaftung, durchgeführte Veranstaltungen, Personal, Nutzung der unbebauten Grundstücksfläche, insbesondere Parkplätze, Personal, Gebäudeflächen). Darüber hinaus benannte er konkrete Vergleichsfälle zum Nachweis der Ortsüblichkeit der Flächenausstattung. Angesichts dieses den Beteiligten zur Kenntnis gegebenen Materials wäre eine weitere Sachverhaltsklärung nur dann geboten gewesen, wenn die Kläger die Angaben des Beigeladenen zu 1 substantiiert in Frage gestellt oder aufgrund anderer Umstände Zweifel an seinem Vorbringen bestanden hätten. Beides ist nicht der Fall. Die Kläger haben sich darauf beschränkt, die Tatsachenbehauptungen des Beigeladenen zu 1 zu bestreiten, ohne die von ihm genannten Zahlen durch konkretes Gegenvorbringen zu erschüttern. Die Angaben des Beigeladenen zu 1, insbesondere die von ihm benannten Vergleichsfälle aus der Umgebung, waren auch durchaus geeignet, den Flächenbedarf und seine Ortsüblichkeit zu belegen. Weitere Aufklärungsschritte mussten sich dem Gericht nicht aufdrängen, zumal eine Ortsbesichtigung nichts mehr hätte erbringen können, nachdem das Anwesen inzwischen abgebrannt war. Die Kläger machen auch zu Unrecht geltend, von der Entscheidung des Verwaltungsgerichts "überrumpelt" worden zu sein. Die Vergleichsbemühungen, auf die sie sich berufen, waren gescheitert, so dass nur noch eine streitige Entscheidung blieb. Die Kläger konnten auch nicht mit weiterer gerichtlicher Sachaufklärung rechnen, nachdem sie es selbst an substantiiertem Gegenvorbringen hatten fehlen lassen. Schließlich begründete auch der Prozesskostenhilfebeschluss vom 26. April 2001 keineswegs die berechtigte Erwartung, das Verwaltungsgericht teile ihren Rechtsstandpunkt. Abgesehen davon, dass diese summarische Entscheidung über die Erfolgsaussichten der Klage am Anfang des Verfahrens stand, hatte das Verwaltungsgericht selbst ausdrücklich offen gelassen, ob ein Rückgabeausschluss über eine Fläche von 500 m² hinaus bestehe.
2. Die Rechtssache weist auch nicht die von den Klägern geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf. Die Kläger halten für klärungsbedürftig, wie Art. 233 § 4 Abs. 3 Satz 3 EGBGB auszulegen sei. Nach dieser Vorschrift umfasst das Nutzungsrecht, wenn es nur für die Gebäudegrundfläche verliehen worden ist, auch die Nutzung des Grundstücks in dem für Gebäude der errichteten Art zweckentsprechenden ortsüblichen Umfang. Die Kläger meinen, das Verwaltungsgericht sei fehlerhaft davon ausgegangen, dass sich dieses in erster Linie nicht aus objektiven Erfordernissen ergebe, sondern aus den tatsächlichen regionalen Gegebenheiten; dies bedürfe der Überprüfung. Eine solche Prüfung erfordert jedoch angesichts des klaren Wortlauts der Vorschrift nicht die Durchführung eines Revisionsverfahrens. Die Norm stellt - wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausführt - ausdrücklich auf den ortsüblichen Umfang und damit in der Tat auf die regionalen Gegebenheiten ab.
Mit ihrem gesamten übrigen Vorbringen stellen die Kläger die tatsächlichen und rechtlichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts in Frage, ohne einen der in § 132 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO angeführten Gründe zu bezeichnen, die allein die Zulassung der Revision rechtfertigen können. Von einer weiteren Begründung seines Beschlusses sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO ab.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 und § 162 Abs. 3 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.