Beschluss vom 18.12.2008 -
BVerwG 10 B 40.08ECLI:DE:BVerwG:2008:181208B10B40.08.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 18.12.2008 - 10 B 40.08 - [ECLI:DE:BVerwG:2008:181208B10B40.08.0]

Beschluss

BVerwG 10 B 40.08

In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 18. Dezember 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Mallmann sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht Richter und Prof. Dr. Kraft
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 25. Februar 2008 wird verworfen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Sie legt die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und der Abweichung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO) nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise dar.

2 1. Die Beschwerde hält zunächst die Frage für grundsätzlich bedeutsam, ob das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) bei Überstellung eines Flüchtlings in einen anderen, nach der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl EG Nr. L 50 vom 25. Februar 2003, S. 1 - Dublin II), zuständigen Mitgliedstaat stets eine Abschiebungsanordnung gemäß § 34a AsylVfG erlassen kann bzw. muss oder ob das in Art. 19 Dublin II und Art. 7 - 9 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 mit Durchführungsbestimmungen zu der genannten Verordnung (ABl EG Nr. L 222 vom 5. September 2003, S. 3 - DV-Dublin-II) geregelte Überstellungsverfahren durchzuführen ist. Sie ist der Auffassung, angesichts der in der Bundesrepublik Deutschland unmittelbar geltenden Verordnungsregelungen hätte geprüft werden müssen, ob die Überstellung des Klägers nicht auch auf Initiative des Asylbewerbers innerhalb einer vorgegebenen Frist oder in Form der kontrollierten Ausreise (Art. 7 Abs. 1 Buchst. a und b DV-Dublin-II) in Betracht gekommen wäre.

3 Mit diesem Vorbringen kann eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nicht erreicht werden; denn die Beschwerde zeigt nicht - wie erforderlich - die Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Frage auf. Auf der Grundlage der von ihr vertretenen Rechtsauffassung läge es nahe, das dann erforderliche Auswahlermessen des Bundesamtes entweder vor Erlass einer Abschiebungsanordnung gemäß § 34a Abs. 1 AsylVfG oder auf der Ebene der Durchsetzung im Wege des Verwaltungszwangs in Anlehnung an die in § 58 Abs. 1 und 3 AufenthG genannten Kriterien auszurichten (vgl. dazu Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, II-§ 34a, Stand: November 2007, Rn. 59). Warum sich dann aber im Fall des Klägers, der seinen Asylantrag erst nach Aufgriff durch die Polizei im Anschluss an einen - nach seinen Angaben - zweiwöchigen Aufenthalt im Bundesgebiet gestellt hat, der Erlass und die Vollstreckung einer Abschiebungsanordnung infolge einer Ermessensreduzierung nicht aufgedrängt haben soll, wird von der Beschwerde nicht dargelegt.

4 Die Beschwerde wirft darüber hinaus die Frage auf, in welcher Form ein zuständigkeitsbegründender Selbsteintritt (Art. 3 Abs. 2 Dublin-II) erfolgen kann bzw. infolge konkludenten Handelns durch Eintritt in die sachliche Prüfung des Asylbegehrens als erfolgt gilt. Auch mit diesem Vorbringen genügt die Beschwerde nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, denn sie zeigt nicht auf, dass sie diese Rechtsfrage zum Gegenstand ihres Vortrags in der Berufungsinstanz gemacht hat; das war auch tatsächlich nicht der Fall. Es ist fraglich, ob sie dies mit der Nichtzulassungsbeschwerde nachholen und damit - unter Übergehung der Berufungsinstanz - Rechtsprobleme, die sich bereits zuvor gestellt haben, an das Revisionsgericht zur erstmaligen Befassung und Entscheidung herantragen kann (Beschluss vom 12. Oktober 2006 - BVerwG 1 B 6.06 - Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG Nr. 22). Im Übrigen macht die Beschwerde nicht ersichtlich, dass sich die aufgeworfene Frage in dem vorliegenden Fall stellt. Denn die Gesamtwürdigung der Verfahrensweise der Beklagten, die die italienischen Behörden noch vor der Anhörung des Klägers um Übernahme ersucht und in der Folgezeit an dieses Ersuchen mehrfach erinnert und den Kläger entsprechend belehrt hat, nimmt der ergänzenden Befragung auch zu seinen Asylgründen das für eine Zuständigkeitsbegründung durch schlüssiges Verhalten notwendige indizielle Gewicht.

5 Mit dem weiteren Vorbringen, grundsätzlich klärungsbedürftig sei auch die Frage, ob und in welchen Grenzen die Beklagte bei Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte ihr Ermessen hinsichtlich einer Übernahme aus humanitären Gründen auszuüben habe, bezeichnet die Beschwerde keine in dem hier angestrebten Revisionsverfahren grundsätzlich klärungsfähige Rechtsfrage zur Auslegung und Anwendung des Art. 15 Abs. 1 Dublin-II. Denn es ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass die Geschwister des Klägers zu den Familienangehörigen i.S.d. Art.15 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Buchst. i Dublin-II zählen.

6 2. Das Vorbringen, die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs beruhe auf einer Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschlüsse vom 22. Oktober 1986 - 2 BvR 197/83 - NJW 1987, 577 <580>; vom 8. Juni 2000 - 2 BvR 2279/98 - EZAR 215 Nr. 21 und vom 30. Juli 2003 - 2 BvR 1880/00 - NVwZ-Beilage I 12 2003, 97 <98>), genügt schon im Ansatz nicht den Darlegungsanforderungen. Der Darstellung der Beschwerde ist lediglich zu entnehmen, dass der Verwaltungsgerichtshof - aus Sicht der Beschwerde - die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unzutreffend angewendet haben soll, nicht aber - wie es für eine Divergenzrüge erforderlich wäre -, dass das Berufungsgericht einen abstrakten, der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts widersprechenden Rechtssatz aufgestellt hat.

7 3. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung der Entscheidung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

8 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Satz 1 RVG.