Beschluss vom 18.10.2007 -
BVerwG 1 WB 46.06ECLI:DE:BVerwG:2007:181007B1WB46.06.0

Leitsätze:

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Für Streitigkeiten über die Erteilung oder die Versagung bzw. den Entzug militärischer Erlaubnisse, deren Vorliegen Voraussetzung für eine bestimmte Verwendung des Soldaten ist, ist der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten eröffnet.

  • Rechtsquellen
    LuftVG § 4 Abs. 1 und 3; § 30 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. ZDv 19/11 Nr. 124

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 18.10.2007 - 1 WB 46.06 - [ECLI:DE:BVerwG:2007:181007B1WB46.06.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 46.06

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den ehrenamtlichen Richter Oberst i.G. Buchholz und
den ehrenamtlichen Richter Oberstleutnant Titze
am 18. Oktober 2007 beschlossen:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe

I

1 Der Antragsteller wendet sich gegen den endgültigen Entzug seiner Erlaubnis zum Führen von Luftfahrzeugen der Bundeswehr.

2 Der 1955 geborene Antragsteller ist Berufssoldat; seine Dienstzeit wird voraussichtlich am 28. Februar 2019 enden. Zum Oberstleutnant wurde er am 19. Oktober 1992 ernannt. Der Antragsteller gehörte seit dem 3. Juni 2002 dem Stab/...geschwader ... als Luftfahrzeugeinsatzstabsoffizier/Stellvertretender Kommodore an. Wegen der Vorgänge, die dem hier streitgegenständlichen Entzug der militärischen Luftfahrerlaubnis zugrunde liegen, wurde der Antragsteller von diesen Aufgaben entbunden; seit dem 27. Oktober 2003 wird er als Einsatzstabsoffizier bei dem Kommando ... in ... verwendet.

3 Der Antragsteller war seit dem 14. Mai 1978 zum Führen von militärischen Flugzeugen der Bundeswehr auf dem Luftfahrzeugmuster F/TF 104 G berechtigt. Auf diesem Luftfahrzeugmuster erhielt er zudem am 15. Juli 1982 die Nachprüfflugberechtigung und am 18. Februar 1987 die Berechtigung zur Luftfahrzeugführerüberprüfung. Am 2. Juni 1988 wurde ihm die Berechtigung zum Führen des Luftfahrzeugmusters Tornado (Militärluftfahrzeugführerschein Nr. 7351 mit Beiblatt „F“) erteilt sowie hierzu am 10. August 1989 die Fluglehrberechtigung und am 9. Januar 1990 die Nachprüfflugberechtigung.

4 Mit Verfügung vom 22. Oktober 2003 leitete der Kommandeur der ... Luftwaffendivision ein gerichtliches Disziplinarverfahren gegen den Antragsteller ein. Dem Antragsteller wurden in insgesamt elf, zum Teil mehrere Vorkommnisse umfassenden Anschuldigungspunkten Dienstpflichtverletzungen bei der Planung und Durchführung eines Familientags zum ...-jährigen Indienststellungsjubiläum des ...geschwaders ... am ... 2003 sowie weitere Dienstpflichtverletzungen im Nachgang zu dieser Veranstaltung zur Last gelegt. Ihm wurde u.a. vorgeworfen, einen in sich widersprüchlichen Flugauftrag und Flugplan erteilt, in vorschriftswidriger Weise Übungsangriffe geplant, als verantwortlicher Luftfahrzeugführer die Mindestflughöhe unterschritten, das Publikum überflogen, unzulässige Übungsangriffsflüge durchgeführt, die Höchstfluggeschwindigkeit vielfach überschritten, unzulässigerweise den Nachbrenner genutzt sowie unter Verstoß gegen das Flugbetriebshandbuch einen so genannten „Low Approach” und einen „Touch and Go“ geflogen zu haben. Außerdem habe der Antragsteller während des Flugs selbst die Flugdienstleitung übernommen, obwohl der Flugdienstleiter zum Aufenthalt auf dem Fliegerhorst verpflichtet sei. Ferner habe der Antragsteller einem Soldaten den Befehl erteilt, ihn für den Flugtag des 30. Juli 2003 einzuplanen, obwohl gegen ihn zu diesem Zeitpunkt bereits ein Flugverbot verhängt gewesen sei; entgegen dem Flugverbot habe der Antragsteller an diesem Tag zwei Flüge, darunter einen Ausbildungsflug mit einem Flugschüler, durchgeführt. Schließlich wurde dem Antragsteller in mehreren Punkten das Unterlassen von Meldungen bzw. die Erstattung unrichtiger Meldungen vorgeworfen.

5 Wegen dieser Vorkommnisse beantragte der Kommandeur der ... Luftwaffendivision unter dem 1. Dezember 2003 außerdem den endgültigen Entzug der Erlaubnis und der Berechtigungen des Antragstellers zum Führen von Luftfahrzeugen der Bundeswehr.

6 Mit Schreiben vom 29. Dezember 2003 wies der Antragsteller die gegen ihn in der Einleitungsverfügung erhobenen Vorwürfe zurück. Da er sich zur Sache erst im gerichtlichen Disziplinarverfahren äußern wolle, beantragte er, die Entscheidung über den Entzug der Erlaubnis bis zum rechtskräftigen Abschluss des gerichtlichen Disziplinarverfahrens zurückzustellen.

7 Mit Verfügung vom 28. Januar 2004 entzog der Befehlshaber des Luftwaffenführungskommandos dem Antragsteller endgültig die Erlaubnis zum Führen von Luftfahrzeugen der Bundeswehr nebst Beiblatt „F“ zum Militärluftfahrzeugführerschein, forderte ihn auf, seinen Militärluftfahrzeugführerschein nebst Beiblatt „F“ unverzüglich abzugeben und lehnte den Antrag auf Aussetzung des Entzugsverfahrens ab. Die Begründung des Bescheids stützte sich im Wesentlichen auf den in der Einleitungsverfügung zum gerichtlichen Disziplinarverfahren dargestellten Sachverhalt. Der Antragsteller habe beim Familientag anlässlich des ...-jährigen Jubiläums des ...geschwaders ... und durch sein anschließendes Verhalten erhebliche charakterliche Mängel im Hinblick auf Verantwortungsbewusstsein, Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit gezeigt. Damit biete er auch künftig nicht mehr die unverzichtbare jederzeitige Gewähr, dass er sich unter allen Umständen an die Vorschriften des Flugdienstes halten werde. Die Tatsache, dass er trotz eines Flugverbots noch zwei Flüge, davon einen sogar als Ausbildungsflug mit einem Flugschüler, absolviert habe, zeige, dass er weder bereit sei, die Konsequenzen seines Fehlverhaltens zu tragen, noch Befehle seines fliegerischen Vorgesetzten zu befolgen. Der Entzug der Flugerlaubnis müsse auch endgültig erfolgen. Das Fehlverhalten des Antragstellers sei nicht nur als einmaliger, situationsbedingter „Aussetzer“ zu bewerten. Der Antragsteller habe mehrfach, nicht nur am ... 2003, sondern auch am 30. Juli 2003 bewusst gegen wichtige Vorschriften und gegen ein bestehendes Flugverbot verstoßen. Er sei deshalb dauerhaft als unzuverlässig beim Führen eines Luftfahrzeugs der Bundeswehr anzusehen.

8 Mit Schreiben vom 9. Februar 2004 erhob der Antragsteller Beschwerde gegen die Entzugsverfügung. Außerdem beantragte er, die Vollziehung des Entzugs bis zum Abschluss des Beschwerde- und eines sich eventuell anschließenden Antragsverfahrens auszusetzen, ihm einstweilen die Erlaubnis zum Führen von Luftfahrzeugen der Bundeswehr wiederzuerteilen, ihm einstweilen den Militärluftfahrzeugführerschein wieder auszuhändigen sowie die Entscheidung über die vorliegende Beschwerde bis zum rechtskräftigen Abschluss des sachgleichen Disziplinarverfahrens auszusetzen. Zur Begründung verwies der Antragsteller auf die Vorgreiflichkeit des gerichtlichen Disziplinarverfahrens. Der Befehlshaber des Luftwaffenführungskommandos habe keine eigenen Ermittlungen durchgeführt, sondern sich lediglich auf den Inhalt des Tatvorwurfs der Einleitungsverfügung bezogen.

9 Mit Verfügung vom 11. März 2004 setzte der Generalinspekteur der Luftwaffe die Entscheidung über die Beschwerde des Antragstellers bis zum Abschluss des gerichtlichen Disziplinarverfahrens aus. Im Übrigen lehnte er die Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz ab.

10 Mit der Anschuldigungsschrift vom 26. August 2004 wurde dem Antragsteller zusätzlich zu den in der Einleitungsverfügung genannten Punkten ein weiterer, zwölfter Anschuldigungspunkt zur Last gelegt, wonach der Antragsteller ihm unterstellten Soldaten zu nicht dienstlichen Zwecken die Mitführung einer Kamera im Cockpit und die Fertigung von Luftbildaufnahmen befohlen habe.

11 Mit Urteil vom 11. April 2005 (Az.: N 8 VL 23/04) verhängte das Truppendienstgericht Nord, 8. Kammer, gegen den Antragsteller wegen eines Dienstvergehens ein Beförderungsverbot für die Dauer von 30 Monaten verbunden mit einer Kürzung der Dienstbezüge um ein Zwanzigstel für die Dauer von 12 Monaten. Das Urteil ist seit dem 27. Juni 2005 rechtskräftig. Der Entscheidung liegen die folgenden tatsächlichen Feststellungen und die folgende dienst- und disziplinarrechtliche Würdigung zugrunde:
„III.
(...).
Das ...geschwader ... in S., Fliegerhorst ..., hatte im Jahre 2003 ...jähriges-Indienststellungsjubiläum. Aus diesem Anlass begannen Mitte 2002 Planungen für einen Familientag, zu dem neben den Angehörigen des Geschwaders mit ihren persönlichen Gästen auch Vertreter der Presse und Repräsentanten des örtlichen politischen Lebens eingeladen werden sollten. Als Projektoffizier für die Jubiläumsveranstaltung war der Soldat eingeteilt. Dieser beabsichtigte, dem Besucherkreis einen Eindruck von der Leistungsfähigkeit des ...geschwaders ... und vom Aufgabenspektrum der Luftwaffe zu verschaffen. Zu diesem Zweck hatte er u.a. die Ausstellung von Luftfahrzeugen des Geschwaders und von Gastluftfahrzeugen (Awacs, Transall, Hubschrauber) vorgesehen. Von den Maschinen des Geschwaders sollte auch ein Tornado in Sonderlackierung (Kennzeichen ...) ausgestellt werden. Bei den ursprünglichen Planungen war kein Flugbetrieb vorgesehen. Der Flugplatz S. sollte am ... 2003, dem Termin des Familientages, geschlossen bleiben. Drei bis vier Wochen vor dem Familientag stellte sich heraus, dass die Gastluftfahrzeuge im Verlaufe des Familientages starten mussten, um ihre Heimatflugplätze wieder zu erreichen. Zu diesem Zweck musste der Flugplatz S. in Betrieb gehalten werden. Da Angehörige des Geschwaders dadurch ohnehin dienstlich gebunden waren, entschied der Soldat als Projektoffizier, dies auch zur Präsentation des Tornados ... zu nutzen.
Der Geschwaderbefehl 47/2003 für den Familientag am ... 2003 wurde am 2. Juni 2003 durch den Soldaten unterschrieben. Nach diesem Befehl hatte die ...staffel des Geschwaders die Aufgabe, die Durchführung des Fluges sicherzustellen und eine ausgewählte Luftfahrzeugbesatzung zu stellen. Das so genannte ‚Static Display’, die Ausstellung von Luftfahrzeugen, Kraftfahrzeugen etc., war nach einer Anlage zu diesem Befehl auf dem südlichen Teil der so genannten ‚Betonplatte’ vor und südwestlich der Halle 1 geplant. Dieser Bereich war abtrassiert und bildete eine Barriere zu der südlich des Zuschauerbereiches gelegenen Rollbahn. Zwischen Rollbahn und der ca. 100 m breiten ‚Betonplatte’ befand sich noch von Süden her betrachtet ein Grasstreifen von ca. 100 m Breite und der ‚Taxiway’ in einer Breite von ca. 20 m.
(...).
Der Geschwaderbefehl enthielt keine Einzelheiten hinsichtlich der Durchführung eines Fluges mit dem Tornado ... In Vorbereitung des Familientages hatte der Soldat jedoch mit dem Kommodore des ...geschwader ..., Oberst M., über die Durchführung des Fluges gesprochen und seine Absicht dargestellt, zur Präsentation der Maschine ‚Fly bys’ durchzuführen. Bei seinen Planungen hatte der Soldat die Absicht, die Maschine in Sonderlackierung dem Publikum möglichst von allen Seiten zu zeigen. Im Verlaufe der konkreten Planungen für den Flug stellte der Soldat fest, dass die Zeit, eine Luftfahrzeugbesatzung in seine Absichten einzuweisen und diese in die Lage zu setzen, einen seinen Vorstellungen entsprechenden Flug zu absolvieren, nicht ausreichen würde. Dies war dadurch bedingt, dass die ...staffel in großen Teilen erst am 3. Juli 2003 aus D. zurückkehrte. Der Soldat bat daher den Kommodore, den Flug mit der Maschine in Sonderlackierung selbst durchführen zu dürfen, was der Kommodore, ohne sich nach Einzelheiten zu erkundigen, genehmigte.
Zu Anschuldigungspunkt 1
Entsprechend dem Geschwaderbefehl für den Familientag hatte die ...staffel des Geschwaders den Zeugen Hauptmann L. für den Flug am Nachmittag des Tages als Waffensystemoffizier eingeteilt.
Am Morgen des ... 2003 bearbeitete der Soldat gemeinsam mit dem Zeugen L. das Formular ‚Flight Order/Flight Plan/Flight Record’. Dieses war durch das Gefechtsstandpersonal insofern vorbereitet, als als Zweck des Fluges ein so genanntes ‚Allgemeines fliegerisches Programm’ (AFP) eingetragen war. Das AFP beschreibt gemäß dem ‚Programm für Taktische Einsatzausbildung der Kampfverbände der Luftwaffe (TCTP)’, Beilage 4, I. + II., fliegerische Grundmanöver ohne taktische Anteile. Nach der nicht zu widerlegenden Einlassung des Soldaten beauftragte er dieses AFP durch seine Unterschrift in der Spalte ‚Auftragserteiler’, weil zum Zeitpunkt der Auftragserteilung noch nicht absehbar war, ob die Wetterverhältnisse an diesem Tage die von ihm ins Auge gefassten ‚Fly bys’ zulassen würden. Als Mindestflughöhe legte er in der entsprechenden Spalte eine Flughöhe von 1000 Fuß Above Ground Level (ft AGL) fest. Diese Angaben wurden durch den Soldaten und den Zeugen L. als Luftfahrzeugbesatzung in der dafür vorgesehenen Spalte gegengezeichnet.
In der Rubrik ‚Flight Plan’ war der Standardflugplan ‚J 11’ eingetragen und durch die Paraphe des Soldaten autorisiert. Der Standardflugplan ‚J 11’ sieht einen Flug unter Wechsel der Flugregeln mit folgender Route vor: ... Der Standardflugplan ‚J 11’ führt zu einem Verlassen des Kontrollbereiches des Flugplatzes S. Ohne Beauftragung von Tieffluganteilen bei diesem Flug, die mit dem Kürzel ‚T01’ in der Spalte ‚Zweck des Fluges’ festgelegt werden müssen, darf nach Flugbetriebshandbuch (FBH) Band III/1, Kap. 08, Ziffer 08000, eine Flughöhe von 1500 ft AGL nicht unterschritten werden. In der Spalte ‚Flight Rules’ trug der Soldat die Angabe ‚V’ ein, die für ‚Visuale Flight Rules’ steht. Das Flugbetriebshandbuch sieht bei einem Wechsel der Flugregeln, der mit dem Standardflugplan ‚J 11’ verbunden ist, die Angabe von ‚Y’ vor.
Im weiteren Verlauf des Vormittags traf der Zeuge L. mit dem Zeugen Hauptmann S. zusammen. Als dieser von dem Zeugen L. erfuhr, er sei als Waffensystemoffizier für den Flug mit dem Soldaten am Nachmittag des Familientages eingeplant, wies er den Zeugen L. - einer ‚inneren Eingebung’ folgend - darauf hin, dass es nach seiner Einschätzung bei Familientagen und Tagen der Offenen Tür schon des Öfteren zu Problemen bei den dort durchgeführten Flügen gekommen sei. (...).
Um die durch dieses Gespräch geweckten Bedenken auszuräumen, begab sich der Zeuge L. in das Büro des Soldaten, um diesen zu dem am Nachmittag beabsichtigten Flug zu befragen. Der Soldat teilte dem Zeugen L. daraufhin mit, er beabsichtige, mehrere Anflüge, u.a. auch Übungsangriffe, auf den Flugplatz J. durchzuführen. Derartige Übungsangriffe sind gemäß Flugbetriebshandbuch Band V ...G ..., Kap. 8, Ziffer 0801, innerhalb 20 nautischer Meilen (NM) um den Flugplatz J. grundsätzlich nicht durchzuführen. Der Kommodore des Geschwaders kann hiervon jedoch eine Ausnahme zulassen. Eine ausdrückliche Genehmigung des Kommodore, diese Übungsangriffe durchzuführen, lag nicht vor. Nach der Beweisaufnahme war aber davon auszugehen, dass der Kommodore sein Einverständnis konkludent erteilte, als er die Planungen des Soldaten zur Kenntnis nahm und diesem freie Hand bei der Umsetzung ließ. Auch das Verhalten des Kommodore nach Abbruch des Fluges zeigt, dass die Übungsangriffe an sich genehmigt waren. Der Kommodore hat nach den Bekundungen des Zeugen L. nicht die Anzahl von Tiefflugangriffen, sondern die Anzahl der Überschreitungen der Flughöhe von 200 ft ermitteln lassen.
Nachdem sich die Wetterverhältnisse im Laufe des Tages so gebessert hatten, dass die von dem Soldaten beabsichtigten Anflüge und Übungsangriffe möglich erschienen, gab der Zeuge L. um 12:14 Uhr Z (14:14 Uhr Ortszeit) den Flugplan ‚Route as Filed’ (RAF) auf. Hierbei handelt es sich um die Bekanntgabe eines Fluges mit einer Route, die nicht als Standardflugplan hinterlegt und für die Staffelangehörigen erkennbar ist. Der bis dahin aktivierte standardisierte Flugplan ‚J 11’ wurde daraufhin widerrufen. Gemäß Flugbetriebshandbuch Band V ...G ... Kap. 3, Ziffer 0317, ist bei der Aufgabe eines nicht standardisierten Flugplanes die Abgabe eines Flugdatenblattes erforderlich. Nach der Einlassung des Soldaten wird dieses im ...geschwader ... regelmäßig durch den Waffensystemoffizier ausgefüllt und abgegeben. Der Soldat hat sich darauf verlassen, dass diese Aufgabe auch bei diesem Flug durch den Zeugen L. wahrgenommen wird. Dieser verfügte jedoch mangels entsprechender Einweisung durch den Soldaten nicht über die dafür erforderlichen Informationen.
Zu Anschuldigungspunkt 2
In der Vorflugbesprechung erläuterte der Soldat dem Zeugen L. seine Vorstellungen von den ‚Übungsangriffen’ auf den Flughafen S. Die Angriffshöhe für diese Angriffe legte er dabei gegenüber dem Zeugen L. auf 200 ft AGL fest. Er setzte weiter eine so genannte ‚Mindestangriffshöhe’ auf 145 ft AGL und eine ‚absolute Minimumhöhe’ auf 100 ft AGL fest. Der Zeuge L. erwiderte nach Kenntnisnahme dieser Absichten, auf dem Schießplatz N. sei als Mindesthöhe 145 ft AGL festgelegt. Diesen Einwand des Zeugen zerstreute der Soldat mit dem Hinweis, die Höhe von 145 ft AGL gelte nur für den Schießplatz N. und nicht für den Flugplatz J. Trotz der durch den Zeugen vorgebrachten Einwände hielt er an der Planung fest. Das Flugbetriebshandbuch Band III/1, Kap. 08, Ziffer 08800, legt eine Mindestangriffshöhe von 250 ft AGL fest. Die Höhe von 200 ft AGL hielt der Soldat für zulässig, weil er anlässlich einer Tagung der Oberfinanzpräsidenten in S. im März 2003 dem Bundesministerium der Verteidigung - FüL I 7 - über das Luftwaffenführungskommando ein Programm zur Billigung vorgelegt hatte, in dem ein Übungsangriff auf den Flughafen S. mit einer Mindestangriffshöhe von 200 ft AGL und einer Geschwindigkeit von 480 Kts CAS Bestandteil war. Dieser Programmpunkt war durch das Luftwaffenführungskommando als vorschriftenkonform genehmigt worden.
Der Soldat unterließ es, den beauftragten ‚AFP-Flug’ im Flugauftrag abzuändern und als Zweck des Fluges zusätzlich die Durchführung von Übungsangriffen ‚T25’ in der Rubrik ‚Zweck des Fluges’ einzutragen. Nach seiner Einlassung fühlte er sich berechtigt, den ursprünglich erteilten Flugauftrag abzuändern, da er diesen persönlich erteilt hatte. Eine schriftliche Abänderung des Flugauftrages hielt er für entbehrlich, weil er nach seiner Einlassung wusste, was er fliegen wollte.
Seinen Waffensystemoffizier, den Zeugen L., wies er während der Vorflugbesprechung grob in den geplanten Ablauf des Fluges ein. Dieser fühlte sich nach seiner Bekundung ausreichend auf den Flug vorbereitet. Was im Einzelnen Inhalt dieser Vorflugbesprechung war, konnte nicht aufgeklärt werden.
Zu Anschuldigungspunkt 3
Nach Durchführung des Geschwaderappells in der Zeit von ca. 12:00 Uhr bis 12:45 Uhr Z führte der Soldat von 13:05 Uhr Z bis 13:47 Uhr Z (gleich 15:05 Uhr bis 15:47 Uhr Ortszeit) einen Flug mit dem Tornado ... in Sonderlackierung durch, über den nach den Ausführungen des Sachverständigen G. folgende technischen Daten aufgezeichnet wurden:
Zeit (Uhr Z)
Flugdaten
13:05
Start und 1. Vorbeiflug, Einleitung einer Rechtskurve bei ca. 35 ft AGL, 210-240 Knoten Calibrated Air Speed (Kts CAS),
13:09
2. Vorbeiflug Minima: 78 ft AGL, 390 Kts CAS,
13:10
3. Vorbeiflug Minima: 340 ft AGL, 340 Kts CAS,
13:11
4. Vorbeiflug Minima: 138 ft AGL, 350 Kts CAS,
13:13
5. Vorbeiflug Minima: 92 ft AGL, max. 498 Kts CAS,
13:15
Übungsanflug (Low Approach) Minima: 103 ft AGL, 184 Kts CAS,
13:16
Nachbrenner zur Beschleunigung und Einleitung einer linken Steigflugkurve, ca. 150 ft AGL,
13:17
6. Vorbeiflug Minima: 330 ft AGL, 258 Kts CAS,
13:18
Nachbrenner zur Beschleunigung und Einleitung des folgenden Vorbeifluges, ca. 740 ft AGL,
13:19
7. Vorbeiflug (Opposite) Minima: 79 ft AGL, max. 452 Kts CAS,
13:21
Übungsanflug (Touch and Go) Minima: 145 Kts CAS,
13:22
Warteschleifen über dem ...,
Minima: 600-1000 ft AGL/ Above Sea Level (ASL), 230-280 Kts CAS,
13:29
8. Vorbeiflug Minima: 87 ft AGL, max. 432 Kts CAS,
13:30
9. Vorbeiflug Minima: 216 ft AGL, max. 430 Kts CAS,
13:31
10. Vorbeiflug Minima: 123 ft AGL, max. 349 Kts CAS,
13:32
11. Vorbeiflug Minima: 262 ft AGL, max. 380 Kts CAS,
13:32
Vollkreis südlich der Runway Minima: 900 ft AGL, max. 360 Kts CAS,
13:34
12. Vorbeiflug (Opposite) Minima: 195 ft AGL, max. 302 Kts CAS,
13:35
Warteschleifen über dem ...,
Minima: 1000-1400 ft AGL/ASL, 230-290 Kts CAS,
13:47
Landung.
Zu Anschuldigungspunkt 3a
Der Soldat startete um 13:05 Uhr Z. Nach der Beschleunigung ca. bis zur hälftigen Startbahn hob er etwa auf Höhe der Halle 1 - davon war zu seinen Gunsten auszugehen - ab. Nach den Ausführungen des Sachverständigen G. leitete er nach Erreichen einer Höhe von ca. 35 ft AGL bei einer Geschwindigkeit von 210 bis 240 Kts CAS eine Rechtskurve im Winkel von ca. 30 bis 35 Grad zur Startbahnrichtung ein. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme war in Anwendung des Grundsatzes ‚in dubio pro reo’ nicht erwiesen, dass diese Rechtskurve in Richtung des Zuschauerbereiches geflogen wurde.
Für die angeschuldigte Rechtskurve in Richtung des Zuschauerbereiches sprach die Bekundung des Zeugen N., der an dem Familientag als Flugsicherheitsoffizier eingesetzt war. Dieser Zeuge hat ausgesagt, nach dem Abheben habe der Soldat mit dem Luftfahrzeug den Zuschauerbereich überflogen, was ihn veranlasst habe, den Soldaten um 13:09 Uhr Z über den Tower anweisen zu lassen, das Publikum nördlich der ‚Runway’ nicht zu überfliegen. Diese Anweisung des Flugsicherheitsoffiziers wurde um 13:09 Uhr Z durch den Tower wie folgt umgesetzt:
‘TWR: ‘... 02, FSO just called, ähhh, do not overfly the, ähh public north of Runway’
Der Zeuge konnte in der Hauptverhandlung nicht mehr mit Sicherheit bestimmen, in welchem Bereich der Zuschauer der von ihm beobachtete Überflug stattgefunden haben soll. (Wird im Einzelnen ausgeführt).
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stand auch nicht fest, dass der Soldat beim Start möglicherweise in Richtung des Parkplatzbereiches flog. Auch insoweit konnte kein Zeuge entsprechende Bekundungen mit der notwendigen Sicherheit machen. Keiner der Zeugen, die sich an unterschiedlichen Stellen des Zuschauerbereiches aufhielten, hat bekundet, er sei überflogen worden oder der Soldat sei auf ihn zugeflogen. Ein Überflug von Zuschauern wurde nur von den noch östlich der Halle 1 stehenden Zeugen N. und R. bekundet.
Da sich der Unwertgehalt des Anschuldigungspunktes 3a aus der vorschriftswidrigen Einleitung einer Kurve unterhalb von 200 ft AGL in Verbindung mit der Tatsache, dass diese in Richtung des Zuschauerbereiches eingeleitet worden sein soll, ergibt, musste der Soldat von dem Tatvorwurf 3a aus tatsächlichen Gründen insgesamt freigestellt werden, weil der als ‚Weniger’ darin enthaltene Vorwurf, unterhalb von 200 ft AGL eine Kurve eingeleitet zu haben, nicht hilfsweise angeschuldigt war.
Zu Anschuldigungspunkt 3b
Nachdem der Zeuge Re. den Soldaten auf Veranlassung des Zeugen N. um 13:09 25 Uhr Z angewiesen hatte, das Publikum nördlich der ‚Runway’ nicht zu überfliegen, führte der Soldat um 13:09 50 Uhr Z, 13:10 55 Uhr Z, 13:11 45 Uhr Z und 13:13 45 Uhr Z vier weitere Vorbeiflüge durch. Nach den Bekundungen des Zeugen N. war der fünfte Vorbeiflug (13:13 45 Uhr Z) dabei der nördlichste. (...). Aufgrund der Inaugenscheinnahme einer Videoaufzeichnung des fünften Vorbeifluges, auf der das Fahrzeug des Zeugen N. erkennbar war und als Maßstab zur Verfügung stand, hat der Sachverständige G. überzeugend und nachvollziehbar die Einlassung des Soldaten bestätigt, dass der auf dem Video erkennbare Vorbeiflug des Luftfahrzeuges mit Sicherheit nicht über dem ‚Taxiway’, sondern südlicher mindestens im Bereich der Grasfläche - parallel zur Startbahn - erfolgte. Dies deckt sich mit den Bekundungen des Zeugen Re., wonach die nördliche Abweichung von der Startbahn bei allen Vorbeiflügen nur unwesentlich und für ihn vom Tower aus nicht deutlich wahrnehmbar gewesen sei. Der mit der Anschuldigung erhobene Vorwurf, der Soldat habe, obwohl er gegen 13:09 Uhr Z darauf hingewiesen worden sei, das sich auf dem Grasstreifen und dem Rollweg aufhaltende Publikum nicht zu überfliegen, Grasstreifen und Rollweg überflogen, war nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht nachweisbar. (Wird ausgeführt).
Der Soldat war daher aus tatsächlichen Gründen vom Vorwurf zu Anschuldigungspunkt 3b freizustellen.
Zu Anschuldigungspunkt 3c
Gemäß Flugbetriebshandbuch Band V ...G ..., Kap. 8, Ziffer 0801, sind innerhalb 20 nautischer Meilen um den Flugplatz J. Übungsangriffe durch den Kommodore ...geschwader ... verboten. Im Verlaufe seines Fluges führte der Soldat in drei Fällen Übungsangriffe auf den Flugplatz S. durch. Nach den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen G. und Ri. wiesen der um 13:13 Uhr Z durchgeführte fünfte Vorbeiflug und der um 13:19 Uhr Z durchgeführte siebte Vorbeiflug sowie mit Einschränkungen der um 13:29 Uhr Z durchgeführte achte Vorbeiflug nach den Flugparametern - abgesehen von der unzulässigen Unterschreitung der gemäß Flugbetriebshandbuch Band III/1, Kap. 8, Ziffer 08800, festgesetzten Mindesthöhe von 250 ft AGL - die Merkmale eines Übungsangriffs auf.
Der mit Anschuldigungspunkt 3c erhobene Vorwurf, zwölfmal einen Übungsangriff durchgeführt zu haben, hat sich aufgrund der Auswertung des Flugdatenschreibers und den Ausführungen der Sachverständigen in tatsächlicher Hinsicht in drei Fällen erwiesen. Die übrigen neun zur Last gelegten Vorbeiflüge waren nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen G. unspezifisch und konnten weder einem ‚Low Approach’, da dafür zu schnell, noch einem Übungsangriff, da dafür zu langsam, zugeordnet werden. Hinsichtlich der drei Übungsangriffe war nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon auszugehen, dass insofern eine Ausnahmegenehmigung des Kommodore ...geschwader ... aus den zu Anschuldigungspunkt 1 dargestellten Gründen vorlag.
Der Soldat war daher aus tatsächlichen Gründen von dem unter Anschuldigungspunkt 3c zur Last gelegten Vorwurf insgesamt freizustellen.
Zu Anschuldigungspunkt 3d
Im Verlaufe des Fluges von 13:05 Uhr Z bis 13:47 Uhr Z hielt sich der Soldat mit dem Luftfahrzeug im Wesentlichen in der Kontrollzone des Flugplatzes ... auf. Ob der Soldat während der Warteschleifen um 13:22 Uhr Z und 13:35 Uhr Z über dem ..., der teilweise noch innerhalb der Kontrollzone des Flughafens S. liegt, außerhalb der Kontrollzone eine Flughöhe von 1500 ft AGL unterschritt, war nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht mehr feststellbar. Die vorhandenen technischen Aufzeichnungen konnten nicht mit der notwendigen Sicherheit nachweisen, ob bzw. in welcher Höhe der Soldat außerhalb der Kontrollzone flog.
Zu Anschuldigungspunkt 3e
Das Flugbetriebshandbuch Band III/1, Kap. 01, Ziffer 01420, legt fest, dass eine Höchstfluggeschwindigkeit von 250 Kts Indicated Air Speed (Kts IAS) grundsätzlich nicht überschritten werden darf. Während des Fluges wurde diese Geschwindigkeit um 13:09 Uhr Z, 13:10 Uhr Z, 13:11 Uhr Z, 13:13 Uhr Z, 13:17 Uhr Z, 13:19 Uhr Z, 13:22 Uhr Z, 13:29 Uhr Z, 13:30 Uhr Z, 13:31 Uhr Z, 13:32 Uhr Z, zwischen 13:32 Uhr Z und 13:34 Uhr Z, um 13:34 Uhr Z und 13:35 Uhr Z überschritten. Die näheren Einzelheiten dazu ergeben sich aus dem oben dargestellten Ablauf des Fluges.
Zu Anschuldigungspunkt 3f
Gemäß Flugbetriebshandbuch Band III/1, Kap. 1, Ziffer 01110, ist die Nutzung des Nachbrenners unterhalb einer Höhe von 3000 ft AGL nur dann zulässig, wenn Flugsicherheitsgründe dies erfordern. Die Bestimmung des Flugbetriebshandbuches war dem Soldaten bekannt. Im Verlaufe des Fluges nutzte er den Nachbrenner im Anschluss an die Durchführung eines ‚Low Approach’ um 13:16 Uhr Z zur Beschleunigung und Einleitung einer linken Steigflugkurve ab einer Höhe von ca. 150 ft AGL. Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen G. gab es für diese Nutzung des Nachbrenners keine fliegerische Notwendigkeit. Das Luftfahrzeug des Soldaten hätte auch ohne Nutzung des Nachbrenners den ‚Low Approach’ sicher abschließen und an notwendiger Höhe gewinnen können.
Zu einer zweiten Nutzung des Nachbrenners kam es um 13:18 Uhr Z. Nach der nicht zu widerlegenden Einlassung des Soldaten wählte er hier den Nachbrenner in einer Höhe von 740 ft AGL in der Phase der Einleitung eines Vorbeifluges an, um seine Flugbahn während des Vorbeifluges in einem sicheren Abstand von den Zuschauern halten zu können. Er hat eingeräumt, den Anflug nicht so vorbereitet zu haben, dass eine Nutzung des Nachbrenners sich erübrigt hätte. Zu seinen Gunsten war aber davon auszugehen, dass ein Vorbeiflug vor den Zuschauern in sicherem Abstand die Anwahl des Nachbrenners erforderte, so dass er insoweit von dem Vorwurf pflichtwidrigen Verhaltens freizustellen war.
Zu Anschuldigungspunkt 3g
Während des Fluges führte der Soldat um 13:15 Uhr Z einen so genannten ‚Low Approach’ und um 13:21 Uhr Z einen ‚Touch and Go’ durch. Zu Gunsten des Soldaten war davon auszugehen, dass er hierfür aufgrund der Vorgespräche mit dem Kommodore des ...geschwaders ... eine Genehmigung hatte. Der Soldat hatte dem Kommodore seine Absicht, die Maschine in Sonderlackierung zu präsentieren, deutlich gemacht. Er hatte dem Kommodore mitgeteilt, er plane so genannte ‚Fly bys’. Ein ‚Low Approach’ und ein ‚Touch and Go’ gehören nach den Ausführungen der Sachverständigen G. und Ri. zu dem auf einem Flugplatz durchgeführten Standardprogramm. Mit diesen Flugmanövern war der beabsichtigte Zweck des Fluges am ehesten im Einklang mit bestehenden Vorschriften zu erreichen. Es war daher davon auszugehen, dass diese Flugmanöver durch den Kommodore genehmigt waren.
Der Soldat war von dem Tatvorwurf dieses Punktes freizustellen.
Zu Anschuldigungspunkt 3 zusammenfassend
Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen G. bestand zu keinem Zeitpunkt während des Fluges eine Gefahr für die während des Familientages anwesenden Zuschauer. Die Reaktionen des Soldaten auf das Unterschreiten der durch ihn festgelegten Minimumhöhe von 100 ft AGL waren stets kontrolliert. Die viermalige Unterschreitung der selbst gesetzten Mindestflughöhe von 100 ft AGL für fünf Sekunden (13:09 Uhr Z), drei Sekunden (13:13 Uhr Z), fünf Sekunden (13:19 Uhr Z) und fünf Sekunden (13:29 Uhr Z) lässt Rückschlüsse auf eine mangelnde Crew-Koordination zu. Es ist auch davon auszugehen, dass der Radarhöhenmesser, der nach der Planung des Soldaten auf 100 ft AGL einzustellen war, während des Fluges noch unterhalb der Marke von 100 ft AGL eingestellt oder ausgeschaltet war, da nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen G. die Tonspur der Flugdatenaufzeichnung keinen Warnton enthält und technische Defekte nicht erkennbar waren. Für die Aktivierung des Radarhöhenmessers war der Soldat verantwortlich.
Nachdem der Kommodore dem Tower bereits vor 13:14 35 Uhr Z die Anweisung erteilte hatte, dem Soldaten zu befehlen, es ‚easier’ angehen zu lassen und die ‚Limits’ einzuhalten, befahl der Tower dem Soldaten auf Befehl des Kommodore um 13:37 Uhr Z, den Flug abzubrechen.
Zu Anschuldigungspunkt 4
Entsprechend dem Geschwaderbefehl 47/2003 vom 2. Juni 2003 oblag dem Soldaten die Gesamtleitung für den Familientag. Der Geschwaderbefehl enthält keine näheren Angaben, wer während des Familientages die Flugdienstleitung zu übernehmen hatte. Nach seiner Einlassung übernahm der Soldat die Flugdienstleitung während des Familientages persönlich, weil er der Auffassung war, die von dem Flugdienstleiter wahrzunehmenden Aufgaben auch während seines eigenen fliegerischen Einsatzes erfüllen zu können. Während seines fliegerischen Einsatzes stand er mit dem Kontrollturm in Funkkontakt, was er als ausreichend ansah, um möglicherweise notwendig werdende Entscheidungen zu treffen. Die Dienstanweisung für den Flugdienstleiter ...G ... bestimmt unter Ziffer 1.2, dass der Flugdienstleiter während seines Dienstes zum Aufenthalt auf dem Fliegerhorst verpflichtet ist. Nach der Dienstanweisung hat der Flugdienstleiter die Aufgabe, den Flugbetrieb zentral zu steuern, zu koordinieren und zu überwachen. Während des Fluges des Soldaten fand auf dem Flugplatz S. weiterer Flugverkehr statt. Es starteten wenigstens ein Hubschrauber und eine Transall C 160, welche jeweils einen Vorbeiflug genehmigt bekommen hatten. Während der Start- und Vorbeiflugphasen absolvierte der Soldat von 13:22 Uhr Z bis 13:29 Uhr Z bzw. von 13:35 Uhr Z bis 13:40 Uhr Z jeweils eine Warteschleife über dem ...
Zu Anschuldigungspunkt 5 bis 7
Nachdem der Kommodore ...geschwader ... den unter Punkt 3. angeschuldigten Flug abgebrochen hatte, kümmerte sich dieser im Verlaufe des Familientages zunächst weiter um die aus dem Bereich des öffentlichen Lebens stammenden Gäste. Entgegen der ursprünglichen Planung wurde die Maschine in Sonderlackierung nicht wieder auf der ‚Betonplatte’ abgestellt, sondern zu einem abseits vom Geschehen des Familientages liegenden Platz befohlen. Dem Soldaten war bewusst, dass der Abbruch des Fluges durch den Kommodore befohlen worden war, weil ihm dieses auf eine entsprechende Frage durch den Tower mitgeteilt worden war. Bei einem kurzen Zusammentreffen mit dem Soldaten am Abend des Familientages wies der Kommodore den Soldaten auf die Notwendigkeit einer umfangreichen Aussprache über den Flug hin. Eine genaue Auswertung der Daten des Fluges lag dem Kommodore zu diesem Zeitpunkt noch nicht vor. Er hatte Kenntnis davon, dass der Zeuge N. als Flugsicherheitsoffizier am Nachmittag den ‚Crash-Rekorder’ hatte ausbauen und sicherstellen lassen. Wegen dieser Maßnahme des Zeugen N. war es zu einem Gespräch zwischen dem Zeugen C., dem S3-Technik, dem Zeugen N. und dem Kommodore gekommen, in dessen Verlauf der Kommodore angeordnet hatte, dass der Crash-Rekorder bis Montag, 7. Juli 2003, im Bereich des Zeugen C. verbleiben solle, um dann dort ausgewertet zu werden.
Am Samstag, dem 5. Juli 2003, kam es zu einem eher zufälligen Zusammentreffen zwischen dem Kommodore und dem Soldaten im Dienstzimmer des Kommodore. Der Kommodore hielt dem Soldaten im Verlaufe des Gespräches vor, nicht vorschriftengerecht geflogen zu sein und die Minimumflughöhe weit unterschritten zu haben. Eine detaillierte Mitteilung der vorgeworfenen Pflichtverletzungen und einen Hinweis auf ein bestehendes Aussageverweigerungsrecht erteilte der Kommodore dabei nicht. Im Ergebnis eröffnete er dem Soldaten, er müsse diesem den Flugschein entziehen, wobei er sich hinsichtlich des Zeitraumes noch Gedanken machen wolle. Der Kommodore sah durch den aus seiner Sicht undisziplinierten und nicht vorbildlich durchgeführten Flug den positiven Eindruck und die Professionalität des Geschwaders in Frage gestellt und hielt auch den Zeugen L. insoweit für verantwortlich. Der Soldat bat in dem Zusammenhang darum, den Zeugen L. aus der Sache herauszuhalten, da dieser aus seiner Sicht nicht verantwortlich zu machen sei.
Der Soldat war nach seiner unwiderlegten Einlassung der Auffassung, ein Flugscheinentzug beginne mit dem Zeitpunkt des zugrunde liegenden pflichtwidrigen Fluges. Da er den Flugschein am 5. Juli 2003 nicht mitgeführt hatte, legte er ihn am Montag, dem 7. Juli 2003, unaufgefordert auf den Schreibtisch im Dienstzimmer des Kommodore. Der Kommodore wertete zu diesem Zeitpunkt gemeinsam mit dem Zeugen C. den Crash-Rekorder aus.
Nach der Einlassung des Soldaten geschah hinsichtlich des ‚Flugscheinentzuges’ bis zum 14. Juli 2003 nichts mehr. Am 14. Juli 2003 befand sich der Kommodore letztmalig vor dem Antritt einer Kur, die bis zum 6. August 2003 dauerte, im Dienst. Am Nachmittag des 14. Juli 2003 händigte er dem Soldaten den Flugschein nach dessen nicht zu widerlegender Einlassung mit der Aufforderung aus, er solle bis zum Monatsende nicht fliegen. Nach dessen gleichfalls nicht zu widerlegender Einlassung erwiderte der Kommodore auf seine Äußerung, dann könne er ja einen geplanten Flug am 31. Juli 2003 zur Kommandeurtagung nach K. durchführen, nichts.
In einem Briefing am 15. Juli 2003 äußerte der Soldat - so hat er sich unwiderlegt eingelassen - gegenüber der ...staffel des Geschwaders, er stehe bis zum Monatsende wegen eines Flugscheinentzuges für den Flugbetrieb nicht zur Verfügung. Dass der Soldat in diesem Briefing persönlich angab, einen vierwöchigen oder einen einmonatigen ‚Flugscheinentzug’ oder ein entsprechendes Flugverbot bekommen zu haben, war nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht erwiesen. (Wird ausgeführt).
Am Dienstag, dem 29. Juli 2003, und ein weiteres Mal ein bis zwei Tage vor diesem Zeitpunkt, hatte der Soldat dem Zeugen Oberstleutnant A., dem Staffelkapitän der ...staffel des Geschwaders, mitgeteilt, er stehe für den Flugbetrieb wieder zur Verfügung. Als sich im Laufe des 29. Juli 2003 herausstellte, dass wegen eines Mangels an Fluglehrern der Ausbildungsbetrieb litt, äußerte der Soldat gegenüber dem Zeugen A. sinngemäß, er solle ihn für den Flug- und Ausbildungsbetrieb wieder einplanen. Der Zeuge A. teilte den Soldaten daraufhin für zwei Flüge am 30. Juli 2003, in einem Fall als Fluglehrer, ein. Der Soldat absolvierte die Flüge am 30. Juli 2003 mit einem Tornado in der Zeit von 07:20 Uhr Z bis 09:30 Uhr Z und von 12:50 Uhr Z bis 14:45 Uhr Z. Der Soldat sah keinen Anlass, seinen Kommodore nach Rückkehr am 7. August 2003 von der Durchführung der Flüge in Kenntnis zu setzen.
Zu Anschuldigungspunkt 8
Der Kommandeur der ... Luftwaffendivision, der Zeuge Generalmajor V., hatte im August 2003 gerüchteweise über den stellvertretenden General Flugsicherheit gehört, dass es in dem ihm unterstellten ...geschwader ... zu einem ‚Flugscheinentzug’ beim Stellvertretenden Kommodore gekommen sein solle. Da er hierüber auf dem Dienstweg noch nicht in Kenntnis gesetzt worden war, führte er am 27. August 2003 ein Gespräch mit dem Kommodore des Geschwaders, um bei diesem den Sachstand zu erfragen. Er ging in diesem Gespräch, in dem der Sachverhalt bestätigt wurde, davon aus, der ‚Flugscheinentzug’ sei ordnungsgemäß bearbeitet und verfügt worden und befahl deshalb, noch am Abend des 27. August 2003 die entsprechenden Ermittlungsunterlagen und Verfügungen ihm persönlich vorzulegen. Der Zeuge V. wollte sich dadurch in die Lage versetzen, gegenüber vorgesetzten Dienststellen auskunftsfähig zu sein und seine Dienstaufsicht wahrnehmen zu können. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es keine schriftlichen Vernehmungsniederschriften bezüglich des Fluges vom ... 2003. Auch schriftliche Verfügungen über den Entzug des Flugscheines lagen zu diesem Zeitpunkt noch nicht vor. Der Kommodore erklärte gegenüber dem Soldaten, er müsse für den Kommandeur der ... Luftwaffendivision die nach dem Flug vom ... 2003 getroffenen Maßnahmen nunmehr auch papiermäßig abwickeln. Zu diesem Zweck hatte der Kommodore dem Zeugen Hauptmann Ni., dem S1-Offizier des Geschwaders, und dem Zeugen L. befohlen, Vernehmungsniederschriften bzw. ‚Entzugsverfügungen’ für den Soldaten und den Zeugen L. zu erstellen. Der Zeuge Ni. bereitete daraufhin Niederschriften über die Vernehmung eines Soldaten gemäß Formblatt ZDv 14/3, Anlage 25/1, vor. Auf der ersten Seite dieses Formblattes trug er oben rechts das Datum 5. Juli 2003 ein, weil der Soldat an diesem Tag von dem Kommodore angehört worden war. Auf dem Formblatt befindet sich darüber hinaus folgende Formulierung:
‚Er wurde gleichzeitig darauf hingewiesen, dass es ihm freistehe, sich zur Sache zu äußern oder nicht auszusagen. Er wurde darüber belehrt, dass er nach § 13 Abs. 1 SG und § 32 Abs. 4 WDO verpflichtet ist, in dienstlichen Angelegenheiten die Wahrheit zu sagen, wenn er eine Erklärung abgibt.’
Auf der zweiten Seite der Vernehmungsniederschrift hatte der Zeuge Ni. unter der Überschrift ‚Zur Sache:’ aus den ihm zur Verfügung stehenden Informationen (Gespräch mit dem Kommodore) bereits den Text einer Aussage formuliert. Der Soldat ergänzte und korrigierte diesen Text, soweit er es für erforderlich hielt. Nach Einarbeitung der von ihm gewünschten Korrekturen unterschrieb er auf der zweiten Seite der Vernehmungsniederschrift unter den Wörtern: ‚Vorgelesen/selbst gelesen und genehmigt’. Mit dieser Vernehmungsniederschrift sollte das am 5. Juli 2003 zwischen dem Kommodore und dem Soldaten mündlich Besprochene und Erörterte in Form einer schriftlichen Vernehmung festgehalten werden. Am 5. Juli 2003 war der Soldat nicht belehrt worden. Nach seiner nicht widerlegten Einlassung nahm er die erste Seite des Vernehmungsprotokolls nicht zur Kenntnis, weil für ihn nur die Angaben zur Sache wichtig waren.
Zu Anschuldigungspunkt 9
Nach der Besprechung mit dem Kommandeur ... Luftwaffendivision am 27. August 2003 war der Kommodore ...geschwader ... dienstlich für längere Zeit außerhalb des Standortes S. abkommandiert. In dieser Zeit führte der Soldat das Geschwader. Der Kommandeur ... Luftwaffendivision forderte deshalb den Soldaten als Stellvertretenden Kommodore auf, eine Meldung über den Entzug des Militärflugzeugführerscheines hinsichtlich des Zeugen L. und seiner Person vorzulegen, weil die ihm am 27. August 2003 überreichten Unterlagen unvollständig und nicht entsprechend den Bestimmungen der ZDv 19/11 erstellt waren. Er erwartete, dass der Soldat die förmliche Meldung gemäß ZDv 19/11, Ziffer 126, vorlegte. Der Soldat hatte dieses missverstanden und war auch nicht im Detail darüber informiert, was der Kommodore ...geschwader ... mit dem Kommandeur ... Luftwaffendivision am 27. August 2003 besprochen hatte. Er erstattete eine Meldung folgenden Inhalts:
‚Im Rahmen des Familientages zum ...-jährigen Bestehen des ...geschwaders ... war OTL X. als verantwortlicher Luftfahrzeugführer mit der Durchführung von Überflügen beauftragt. Während dieses Einsatzes hat er mindestens einmal die Mindestflughöhe und den Abstand von den Zuschauern unterschritten. Aus diesem Grunde wurde sein Militärflugzeugführerschein (MFS) noch am gleichen Tag eingezogen und ein Flugverbot für einen Monat verhängt. Dem WSO, Olt L., wurde ein Flugverbot von zwei Wochen erteilt.’
Die näheren Umstände des ‚Flugscheinentzuges’, insbesondere die Tatsache, dass der Flugschein von ihm erst am 7. Juli 2003 dem Kommodore des ...geschwaders ... ausgehändigt worden war und er diesen bereits am 14. Juli 2003 wieder zurückerhalten hatte, nahm er nicht in die Meldung auf. Ihm war bewusst, dass diese Meldung zumindest hinsichtlich der Dauer des Flugverbotes inhaltlich unrichtig war. Er hielt sich bei der Formulierung der Meldung jedoch an die am 27. August 2003 erstellte Verfügung des Kommodore, die er nicht in Abwesenheit des Kommodore in Frage stellen wollte.
Zu Anschuldigungspunkt 10 und 11
Nachdem dem Kommandeur ... Luftwaffendivision die Meldung des Soldaten vom 1. September 2003 zugegangen war und dieser erkannte, dass die Meldung nicht den Formerfordernissen der ZDv 19/11 entsprach, forderte er den Soldaten telefonisch auf, die gemäß ZDv 19/11 vorgesehene Meldung für sich und den Zeugen L. vorzulegen. Der Soldat erstattete daraufhin unter dem 2. September 2003 folgende Meldung:
‚...G ... meldet den Entzug des MFS und MBS für o.a. Soldaten und übersendet gem. ZDv 19/11, Kap. 1, Nr. 126 die Durchschriften (Kopien) der entsprechenden Verfügungen.’
Der Meldung fügte er zwei durch den Kommodore unterschriebene Verfügungen mit dem Datum 07.07.2003 bei, die - was er wusste - am 27. August 2003 nachträglich schriftlich erstellt worden waren und die folgenden Inhalt hatten:
Betreffend den Soldaten:
‚Im Rahmen des Familientages des ...geschwaders ... waren Sie zusammen mit Olt L. zum Flugdienst eingeteilt. Bei mindestens einem Überflug haben Sie die vorgeschriebene Mindestflughöhe unterschritten und keinen ausreichenden Abstand von den Zuschauern gehalten.
Ich entziehe Ihnen für die Dauer vom 07. Juli 2003 bis
06. August 2003 Ihren MFS.
Außerdem haben Sie sich einer Dienstpflichtverletzung schuldig gemacht.
Da während der durchgeführten Manöver jedoch keine direkte Gefahr für die Besatzung des Lfz sowie der anwesenden Gäste bestanden hat und unter Berücksichtigung Ihrer bisher gezeigten Leistungen und Ihrer tadellosen Führung, sehe ich ausnahmsweise gem. § 36 (Abs. 1) der Wehrdisziplinarordnung von der Verhängung einer Disziplinarmaßnahme ab.’
Betreffend den Zeugen L.:
‚Im Rahmen des Familientages des ...geschwaders ... waren Sie zusammen mit Oberstlt X. zum Flugdienst eingeteilt. Bei mindestens einem Überflug haben Sie es versäumt, den verantwortlichen LFF auf die Unterschreitung der Flughöhe und auf den geringen Abstand zu den Zuschauern aufmerksam zu machen.
Ich entziehe Ihnen für die Dauer vom 07. Juli 2003 bis
21. Juli 2003 Ihren MBS.
Außerdem haben Sie sich einer Dienstpflichtverletzung schuldig gemacht.
Da während der durchgeführten Manöver jedoch keine direkte Gefahr für die Besatzung des Lfz sowie der anwesenden Gäste bestanden hat, halte ich eine darüber hinausgehende disziplinare Ahndung auch unter Berücksichtigung Ihrer bisherigen Führung und ihrer gezeigten Leistungen für nicht erforderlich. Gem. § 36 Abs. 1 der Wehrdisziplinarordnung verzichte ich daher ausnahmsweise auf die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme.’
Nach seiner Einlassung hatte der Soldat den Text seiner Meldung bewusst knapp gefasst und sich darauf beschränkt, die ‚Entzugsverfügungen’ als Anlage beizufügen, weil er sich in einem Gewissenskonflikt sah. Auf der einen Seite war ihm bewusst, dass die Verfügungen inhaltlich teilweise unrichtig und nachträglich erstellt worden waren. Auf der anderen Seite lagen von dem Kommodore persönlich unterschriebene Verfügungen vor, deren Vorlage befohlen war. Der Soldat handelte deshalb auch mit der Motivation, den Kommodore nicht in dessen Abwesenheit durch eine Richtigstellung der Vorgänge in Schwierigkeiten zu bringen.
Zu Anschuldigungspunkt 12
Zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt im Sommer 2003 trat die Gemeinde S. an das ...geschwader ... mit der Bitte heran, ihr Luftaufnahmen vom Gemeindegebiet zur Verfügung zu stellen. Dies wurde seitens der Geschwaderführung mit der Idee verknüpft, den Tornado PA200 in Sonderlackierung zu filmen. Zu einem nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkt vor dem 15. Juli 2003, dem Tag, an dem der Kommodore des Geschwaders eine Kur antrat, wurde der Soldat durch den Kommodore darauf hingewiesen, vor Durchführung der geplanten Videoaufnahmen eine Genehmigung zur Mitführung einer Kamera beim Luftwaffenführungskommando zu beantragen. Der Soldat war der Auffassung, dass das Flugbetriebshandbuch Band III/1, Kap. 03, Ziffer 03230, kein Verbot der Mitführung einer Videokamera beinhaltete. Ihm war auch keine andere Vorschrift bekannt, die dieses Mitführen einer Kamera nicht zuließ. Entsprechend der Weisung des Kommodore beantragte er - entgegen eigener Überzeugung - am 14. Juli 2003 auf dem Dienstweg eine Genehmigung zur Mitführung einer Videokamera für Aufnahmen des Tornados in Sonderlackierung über den Gemeinden J. und S. Ohne den Eingang der Genehmigung abzuwarten und ohne den Sachstand des Genehmigungsverfahrens zu kennen, erteilte er nach dem 14. Juli 2003 dem Zeugen A. den Befehl, in den nächsten Tagen während eines Fluges des Tornados in Sonderlackierung von diesem Aufnahmen mit dem Hintergrund der Gemeinden J. und S. machen zu lassen und zu diesem Zweck eine zu sonstigen dienstlichen Zwecken vorhandene Videokamera mitzuführen. Auf die Frage des Zeugen A., ob die Ausnahmegenehmigung zur Durchführung der Videoaufnahmen vorliege, antwortete der Soldat, diese sei auf dem Wege. Der Zeuge A. befahl daraufhin dem Zeugen B., am 16. Juli 2003 während eines Formationsfluges die entsprechenden Videoaufnahmen zu machen. Der von dem Soldaten befohlene Flug unter Mitführung der Videokamera wurde am 16. Juli 2003 in der Zeit von 07:35 Z bis 09:25 Z durch den Zeugen B. als WSO und Hauptmann W. als Luftfahrzeugführer durchgeführt.
Der Antrag des Soldaten vom 14. Juli 2003 wurde durch das Luftwaffenführungskommando am 5. August 2003 abgelehnt. Hiervon erhielt der Soldat noch am gleichen Tage Kenntnis. Er nahm die Ablehnung zum Anlass, noch am 5. August 2003 eine Gegenvorstellung beim Luftwaffenführungskommando zu erheben, in der er das Argument des Luftwaffenführungskommandos, dass die Aufmerksamkeitsverteilung der Crew durch die Fotoaufnahmen nicht gewährleistet sei, mit dem Hinweis auf den Einsatz eines Fluglehrers während dieses Fluges und eine besondere Radarüberwachung zu entkräften suchte. Ohne auf eine Reaktion des Luftwaffenführungskommandos auf diese Gegenvorstellung zu warten, befahl er dem Zeugen L. am 6. August 2003, weitere Videoaufnahmen unter Mitführung der dienstlich bereitgestellten Videokamera zu erstellen. Der Soldat wollte die vorherrschende Schönwetterperiode zur Anfertigung der Videoaufnahmen nutzen. Er hatte die Durchführung der Aufnahmen trotz abgelehnter Ausnahmegenehmigung zuvor mit dem Kommodore erörtert, der dem Vorschlag des Soldaten, die Videoaufnahmen wegen des absehbaren Endes des schönen Wetters ohne Genehmigung durchzuführen, zustimmte.
Der Zeuge L. erstellte die von dem Soldaten befohlenen Videoaufnahmen während eines Fluges am 7. August 2003 in der Zeit von 08:00 Uhr Z bis 09:10 Uhr Z und führte hierbei die dienstlich bereitgestellte Videokamera mit. Ein Fluglehrer wurde während dieses Fluges nicht eingesetzt. Auch eine besondere Radarüberwachung war nicht befohlen.
(...).
IV.
Dienst- und disziplinarrechtlich war das festgestellte Verhalten des Soldaten wie folgt zu würdigen:
Zu Anschuldigungspunkt 1
Die Kammer hat Anschuldigungspunkt 1 dahingehend ausgelegt, dass dem Soldaten mit dem einführenden Satz weder die Planung des Fluges mit dem Tornado in Sonderlackierung, noch die Tatsache, sich den Flugauftrag selbst erteilt zu haben, noch die Festlegung eines allgemeinen fliegerischen Programms als Zweck des Fluges zur Last gelegt werden sollte, sondern dass der erhobene Vorwurf dahin geht, im Widerspruch zur Festlegung eines AFP mit der standardisierten Route ‚J 11’ eine Mindestflughöhe von 1000 ft AGL eingetragen zu haben und die Angabe ‚V’ im Widerspruch zum Standardflugplan ‚J 11’ gemacht zu haben. Durch dieses festgestellte Verhalten hat der Soldat seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten im dienstlichen Bereich (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) verletzt; denn er hat einen Flugauftrag und Flugplan erteilt, die in sich nicht schlüssig waren. Gemäß FBH Band III/1, Kap. 8, Ziffer 08000, muss Tiefflug unterhalb von 1500 ft GND besonders befohlen werden. Die Eintragung einer Mindestflughöhe von 1000 ft AGL hätte deshalb vorausgesetzt, in der Spalte ‚Zweck des Fluges’ ‚TO1’ als Kennzeichen für Tiefflug einzutragen (TCTP, Abschnitt IV der Beilage 4). Ohne diese Eintragung ist bei einem AFP die Eintragung einer Mindestflughöhe von 1500 ft AGL zwingend (vgl. Flugbetriebshandbuch Bd. III/1, Kap. 03, Anlage 2). In gleicher Weise widersprüchlich war die Angabe der Flugregel ‚V’ beim Standardflugplan ‚J 11’, der einen Wechsel der Flugregeln vorsieht, der mit ‚Y’ zu kennzeichnen ist. Der Soldat handelte insoweit fahrlässig; denn er hätte erkennen können und müssen, dass seine Eintragungen in Flugauftrag und Flugplan widersprüchlich waren.
Durch das in Anschuldigungspunkt 1 am Ende angeschuldigte Unterlassen der Abgabe des Flugdatenblattes entgegen Flugbetriebshandbuch Bd. V, Kap. 3, Ziffer 0317, und die Nichtänderung des Flugauftrages (FBH Bd. III/1, Kap. 03, Ziffer 03340) nach Wetterbesserung und der Möglichkeit, auch Tiefflugangriffe durchzuführen, hat der Soldat seine Pflichten verletzt, seinen Vorgesetzten zu gehorchen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 SG) sowie der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Dienst als Soldat erfordert (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG). Die Einlassung des Soldaten, er sei während des Fluges im Kontrollbereich des Flugplatzes S. geblieben, so dass die Abgabe eines Flugdatenblattes nicht erforderlich gewesen sei, beseitigt nicht die Pflichtwidrigkeit des Handelns. Das Flugdatenblatt ist nach dem Flugbetriebshandbuch Band V in jedem Fall der Abweichung von einem standardisierten Flugplan abzugeben, weil mit dem Flugdatenblatt nicht nur die Route für Außenstehende erkennbar wird, sondern auch Berechnungen zum Spritverbrauch und Angaben zu Ausweichflugplätzen zu machen sind.
Die Einlassung des Soldaten, eine schriftliche Änderung des Flugauftrages sei durch ihn nicht vorzunehmen gewesen, da er der Flugauftragerteilende gewesen sei und gewusst habe, was er plane, kann die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens gleichfalls nicht beseitigen. (Wird ausgeführt).
Der Soldat handelte auch insoweit fahrlässig; denn er hätte erkennen können und müssen, dass sein Handeln nicht im Einklang mit den genannten Vorschriften des Flugbetriebshandbuches stand.
Zu Anschuldigungspunkt 2
Durch die Planung von Übungsangriffen auf den Flughafen S. hat der Soldat nicht gegen Flugbetriebshandbuch Band V, Kap. 8, Ziffer 0801, verstoßen, da insoweit davon auszugehen war, dass hierfür eine Genehmigung des Kommodore vorlag. Er hat durch die Planung der Übungsangriffe auch nicht gegen Flugbetriebshandbuch Band III/1, Kap. 08, Ziffer 08000, verstoßen, da die Übungsangriffe innerhalb der Kontrollzone stattfanden und die genannte Ziffer des Flugbetriebshandbuches nur außerhalb der Kontrollzone Anwendung findet. Durch die Planung der Übungsangriffe unter der bloßen Angabe ‚AFP’ ohne die entsprechende Beauftragung ‚T25’ (s. TCTP Beilage 4, Abschnitt IV) im Flugauftrag hat der Soldat seine Pflicht verletzt, der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Dienst als Soldat erfordert (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG), denn es war von ihm zu erwarten, dass er sich an den selbst erstellten Flugauftrag hält, der für ihn kein Befehl war, weil der Befehl das Handeln eines militärischen Vorgesetzten voraussetzt (§ 2 Nr. 2 WStG). Durch die Festsetzung der Angriffshöhe auf 200 ft AGL, anstatt der gemäß FBH Bd. III/1, Kap. 08, Ziffer 08800, vorgeschriebenen 250 ft AGL, die Vorgabe der Mindestangriffshöhe von 145 ft AGL und einer absoluten Minimumhöhe von 100 ft AGL, hat der Soldat seine Pflichten verletzt, seinen Vorgesetzten zu gehorchen (§ 11 Abs. 1 SG), für seine Untergebenen zu sorgen (§ 10 Abs. 3 SG), die Rechte des Kameraden zu achten (§ 12 Satz 2 SG) sowie der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Dienst als Soldat erfordert (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG). Die Festsetzung der Mindestangriffshöhe im Flugbetriebshandbuch Band III/1 stellt einen Befehl dar, der auch aus Sicherheitsgründen zum Schutz der Luftfahrzeugbesatzung ergangen ist. Die unter Verletzung der Mindestangriffshöhe betriebenen Planungen des Soldaten erhöhten ohne dienstlichen Zweck das Risiko für den Zeugen L. und waren deshalb unfürsorglich und unkameradschaftlich. Der Soldat wusste, dass die Minimumhöhe von 100 ft AGL nicht der Vorgabe des FBH entsprach und wollte, was er tat. Er handelte deshalb vorsätzlich.
Zu Anschuldigungspunkt 3
Bei der Durchführung von drei Übungsangriffsflügen (13:13 Uhr Z, 13:19 Uhr Z, 13:29 Uhr Z in einer Flughöhe von 92 ft AGL, 79 ft AGL und 87 ft AGL) unter Unterschreitung der gemäß Flugbetriebshandbuch Band III/1, Kap. 08, Ziffer 08800, vorgeschriebenen Mindestangriffshöhe von 250 ft AGL, hat der Soldat auch bei der Durchführung des Fluges die unter Ziffer 2 aufgeführten soldatischen Pflichten vorsätzlich verletzt.
Durch die Überschreitung der gemäß FBH Band III/1, Kap. 01, Ziffer 01420, grundsätzlich gebotenen Höchstfluggeschwindigkeit von 250 Kts IAS (Ziffer 3e) hat der Soldat in elf Fällen pflichtwidrig gehandelt, nämlich um 13:09 Uhr Z, 13:10 Uhr Z, 13:11 Uhr Z, 13:17 Uhr Z, 13:22 Uhr Z, 13:30 Uhr Z, 13:31 Uhr Z, 13:32 Uhr Z, während des Vollkreises um 13:32 Uhr Z, um 13:34 Uhr Z und 13:35 Uhr Z. Die Überschreitung der Höchstfluggeschwindigkeit während der Übungsangriffsflüge um 13:13 Uhr Z, 13:19 Uhr Z und 13:29 Uhr Z war aufgrund der Genehmigung des Angriffsverfahrens von der Geschwindigkeit her gerechtfertigt, so dass der Soldat in drei Fällen von dem Vorwurf pflichtwidrigen Verhaltens freizustellen war. Aufgrund der Genehmigung des Übungsangriffs war er auch von dem Vorwurf eines Verstoßes gegen Flugbetriebshandbuch Band III/1, Kap. 08, Ziffer 08600, freizustellen. Durch die elffache Überschreitung der befohlenen Höchstfluggeschwindigkeit hat der Soldat seine Pflicht verletzt, seinen Vorgesetzten zu gehorchen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 SG) sowie der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Dienst als Soldat erfordert (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG). Als erfahrenem Fluglehrer und Luftfahrzeugführer war dem Soldaten die Höchstfluggeschwindigkeit von 250 Kts IAS bekannt. Er hat diese Geschwindigkeit mit Wissen und Wollen überschritten und handelte deshalb vorsätzlich.
Durch die Nutzung des Nachbrenners entgegen Flugbetriebshandbuch Band III/1, Kap.1, Ziffer 01110, um 13:16 Uhr Z (Ziffer 3f) hat der Soldat gleichfalls seine Pflichten zum Gehorsam und zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten verletzt. Ihm war bewusst, dass die Nutzung des Nachbrenners erst ab einer Mindesthöhe von 3000 ft AGL zulässig ist. Der Soldat hat mit Wissen und Wollen den Nachbrenner unterhalb dieser Höhe angewählt und damit vorsätzlich gehandelt. Seine Einlassung, er habe dies aus Flugsicherheitsgründen für notwendig gehalten, war nicht glaubhaft. Nach den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen bestand in der fraglichen Situation kein Anlass, den Nachbrenner zu nutzen. Nach Überzeugung der Kammer diente die Nutzung des Nachbrenners einer nachdrücklichen Darstellung der Leistungsfähigkeit des Luftfahrzeuges und der Herbeiführung eines besonderen Effektes für die Zuschauer.
Zu Anschuldigungspunkt 4
Durch die Übernahme der Flugdienstleitung während des Fluges von 13:05 Uhr Z bis 13:47 Uhr Z hat der Soldat wiederum seine Pflicht zum Gehorsam und zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten verletzt, denn die Dienstanweisung für den Flugdienstleiter legt vom Wortlaut her eindeutig fest, dass sich der Flugdienstleiter während seines Dienstes auf dem Fliegerhorst aufzuhalten hat. Die Dienstanweisung war dem Soldaten bekannt. Er hat mit Wissen und Wollen gegen diese Dienstanweisung verstoßen und damit vorsätzlich gehandelt.
Zu Anschuldigungspunkt 5 bis 7
Mit dem Befehl an den Zeugen A., ihn für den Flugtag des 30. Juli 2003 einzuplanen, obwohl das gegen ihn verhängte Flugverbot noch bestand, hat der Soldat seine Pflichten verletzt, Befehle nur zu dienstlichen Zwecken und unter Beachtung der Gesetze und Dienstvorschriften zu erteilen (§ 10 Abs. 4 SG), seinen Vorgesetzten zu gehorchen (§ 11 Abs. 1 SG), für seine Untergebenen zu sorgen (§ 10 Abs. 3 SG), die Rechte des Kameraden zu achten (§ 12 Satz 2 SG) sowie der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Dienst als Soldat erfordert (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG). Durch seine wahrheitswidrige Angabe gegenüber dem Zeugen A., er stehe dem Flugbetrieb wieder zur Verfügung, hat er darüber hinaus seine Pflicht zur Wahrheit in dienstlichen Angelegenheiten (§ 13 Abs. 1 SG) verletzt.
Mit der Durchführung der zwei Flüge am 30. Juli 2003 verletzte der Soldat wiederum seine Pflicht zum Gehorsam und zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten.
Von dem Vorwurf, dem Kommodore nach dessen Rückkehr am 07. August 2003 von den durchgeführten Flügen keine Meldung gemacht zu haben, musste der Soldat freigestellt werden. Der Soldat hätte sich durch eine solche Meldung selber belasten müssen. Im Falle einer Vernehmung durch den Kommodore hätte er sich auf sein Aussageverweigerungsrecht berufen können. Dieses kann nicht durch die Konstruktion einer Verpflichtung zur Meldung umgangen werden.
Zu Anschuldigungspunkt 8
Durch die Unterzeichnung der am 27. August 2003 erstellten Vernehmungsniederschrift hat der Soldat keine Dienstpflichten verletzt. Mit seiner Unterschrift unter das Vernehmungsprotokoll hat er nicht den Anschein erweckt, dass die Vernehmung am 5. Juli 2003 durchgeführt und protokolliert wurde und auch nicht wahrheitswidrig bestätigt, vor seiner Vernehmung ordnungsgemäß belehrt worden zu sein. Mit seiner Unterschrift unter die Vernehmungsniederschrift hat er ausschließlich bestätigt, dass das von ihm zur Person und zur Sache in der Vernehmungsniederschrift Enthaltene von ihm genehmigt wird. (Wird ausgeführt).
Zu Anschuldigungspunkt 9
Indem der Soldat in der Meldung an den Kommandeur der ...Luftwaffendivision objektiv unrichtig meldete, ihm sei am ... 2003 der Militärflugzeugführerschein ‚eingezogen’ und ein Flugverbot für einen Monat verhängt worden und darüber hinaus verschwieg, dass er den Militärflugzeugführerschein erst am 7. Juli 2003 dem Kommodore ausgehändigt, diesen aber bereits am 14. Juli 2003 wieder zurückerhalten hatte, hat er seine Pflicht zur Wahrheit in dienstlichen Angelegenheiten (§ 13 Abs. 1 SG) und zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten im dienstlichen Bereich (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) verletzt. Der Soldat erstattete die Meldung vom 1. September 2003 als agierender Kommodore des ...geschwaders ... Er hatte in dieser Funktion die Pflicht, den Kommandeur der ... Luftwaffendivision umfassend über die Umstände des ‚Entzuges’ des Militärflugzeugführerscheines zu unterrichten, um diesen in die Lage zu versetzen, gegenüber höheren Kommandobehörden auskunftsfähig zu sein. Dem Soldaten ist in diesem Punkt fahrlässiges Verhalten zur Last zu legen; denn er hätte vor Erstattung der Meldung bei Einsichtnahme in die ZDv 19/11 erkennen können und müssen, dass seine Meldung objektiv unrichtig war. Er hätte auch erkennen können und müssen, dass er als agierender Kommodore verpflichtet gewesen wäre, die näheren Umstände des ‚Flugscheinentzuges’ ohne konkrete Nachfrage zu offenbaren. Eine unzumutbare Selbstbelastung war mit dieser Meldung nicht verbunden, denn die Verantwortung für die Art und Weise der Durchführung der ‚Entziehung’ trug der Kommodore, Oberst M.
Zu Anschuldigungspunkt 10 und 11
Durch die Vorlage der Meldung vom 2. September 2003 auf dem Dienstweg an den Befehlshaber Luftwaffenführungskommando hat der Soldat gleichfalls seine Pflicht zur Wahrheit in dienstlichen Angelegenheiten (§ 13 Abs. 1 SG) und zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten im dienstlichen Bereich (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) verletzt. Durch die Beifügung der unter dem Datum 7. Juli 2003 am 27. August 2003 erstellten Verfügungen über den ‚Entzug’ des Militärflugzeugführerscheines bzw. des Militärluftfahrzeugbesatzungsscheines hat er den Inhalt der beigefügten Verfügungen zum Gegenstand seiner Meldung gemacht. Inhalt seiner Meldung an den Befehlshaber Luftwaffenführungskommando war deshalb über den von ihm formulierten Text hinaus, dass die als Anhang beigefügten Verfügungen am 7. Juli 2003 erstellt und die darin ausgesprochenen Maßnahmen so tatsächlich erfolgt sind. Die so zu verstehende Meldung war inhaltlich unrichtig. Der Soldat wusste, dass die beigefügten Verfügungen erst am 27. August 2003 erstellt worden waren und inhaltlich nicht das wiedergaben, was geschehen war. Der Soldat handelte deshalb vorsätzlich.
Zu Anschuldigungspunkt 12
Durch den zwischen dem 14. Juli 2003 und 16. Juli 2003 an Major A. erteilten Befehl, während des laufenden Genehmigungsverfahrens zur Nutzung einer Videokamera diese am 16. Juli im Cockpit mitführen und Filmaufnahmen machen zu lassen, hat der Soldat seine Pflicht zur Fürsorge (§ 10 Abs. 3 SG) und Kameradschaft (§ 12 Satz 2 SG) verletzt; denn er hat den Zeugen A. in die Gefahr disziplinarer Verfolgung gebracht. Er ist hierdurch gleichzeitig auch nicht der Achtung und dem Vertrauen gerecht geworden, die sein Dienst als Soldat erfordert (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG). Den angeschuldigten Verstoß gegen die Gehorsamspflicht wegen eines Handelns entgegen FBH Band III/1, Kap. 03, Ziffer 03230, und Kap. 14, Ziffer 14400, hielt die Kammer für nicht gegeben. Die entsprechenden Ziffern des Flugbetriebshandbuches definieren die Standardflugausrüstung, die ein Besatzungsmitglied unter bestimmten Umständen mitzunehmen hat. Sie stellen ausdrücklich klar, dass die Luftfahrzeugbesatzung die Verantwortung dafür hat, dass die dort genannten Gegenstände verfügbar sind. Ein Verbot der Mitführung weiterer Gegenstände im Cockpit kann der Bestimmung nicht entnommen werden. Gegen diese Auslegung spricht bereits die in der Luftwaffe geübte Praxis, neben den in Ziffer 03230 genannten Ausrüstungsgegenständen für Zwecke der Navigation z.B. eine Tasche mit Kartenmaterial und ein so genanntes ‚Klemmbrett’ mit an Bord zu nehmen. Die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens und die ansehensschädigende Wirkung ergibt sich daraus, dass der Soldat auf Veranlassung des Kommodore eine Ausnahmegenehmigung beantragte und ohne diese abzuwarten, in Kenntnis der anderen Erwartung des Kommodore handelte. Indem der Soldat nach Eingang des ablehnenden Bescheides des Luftwaffenführungskommandos dem Zeugen L. den Befehl zur Mitführung einer Videokamera erteilte, hat er auch hier gegen seine Pflichten zur Fürsorge, Kameradschaft sowie zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten verstoßen. Die ablehnende Entscheidung des Luftwaffenführungskommandos stellte sich als Verbot des Luftwaffenführungskommandos dar, während des Fluges eine Videokamera mitzuführen, und war für den Soldaten ein Befehl. Er hat daher zusätzlich seine Pflicht verletzt, seinen Vorgesetzten zu gehorchen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 SG). Sein Befehl an den Zeugen L. lief zudem dem Verbot des Luftwaffenführungskommandos und damit dienstlichen Zwecken zuwider, so dass der Soldat auch seine Pflicht verletzt hat, Befehle nur zu dienstlichen Zwecken zu erteilen (§ 10 Abs. 4 SG). Der Soldat wusste und wollte, was er tat, und handelte vorsätzlich.
Der Soldat hat seine Dienstpflichten schuldhaft - teils vorsätzlich, teils fahrlässig - verletzt und ein Dienstvergehen gemäß § 23 Abs. 1 SG begangen.“
Nachdem der Antragsteller sich nach Rechtskraft des truppendienstlichen Urteils zur Fortsetzung des Beschwerdeverfahrens geäußert hatte, wies der Inspekteur der Luftwaffe mit Bescheid vom 27. September 2005 die Beschwerde des Antragstellers gegen den endgültigen Entzug der Erlaubnis zum Führen von Luftfahrzeugen der Bundeswehr zurück. Aufgrund der bindenden Tatsachenfeststellungen im Urteil des Truppendienstgerichts stehe fest, dass die von dem Antragsteller schuldhaft begangenen vielfältigen Verstöße gegen fliegerische Vorschriften und soldatische Pflichten einen erheblichen Charaktermangel und eine Gefahr für die Flugsicherheit begründeten und den endgültigen Entzug der Flugerlaubnis zwingend erforderten. Ungeachtet der Tatsache, dass der Antragsteller von einzelnen Anschuldigungspunkten ganz oder teilweise freigestellt worden sei, machten die der Verurteilung zugrunde liegenden Vorkommnisse in ihrer Gesamtheit deutlich, dass bei dem Antragsteller ein unzureichendes Verantwortungsbewusstsein, eine unzulängliche Vorschriftentreue, mangelnde Willenskraft und eine inkorrekte Dienstauffassung vorlägen. Es sei nicht mit der erforderlichen Gewissheit auszuschließen, dass der Antragsteller nicht auch zukünftig seiner eigenen Lagebeurteilung unzulässigerweise den Vorrang vor Befehlen und Dienstvorschriften einräumen werde. Die Vielzahl der Pflichtverletzungen und die Tatsache, dass der Antragsteller in unterschiedlichen Situationen jeweils einen neuen Entschluss zu pflichtwidrigem Handeln fassen musste, verbiete es, sein Verhalten als einmaliges, situationsbedingtes „Augenblicksversagen“ zu werten. An diesem Ergebnis würden auch die in den Beurteilungen dokumentierten guten dienstlichen, insbesondere fliegerischen Leistungen des Antragstellers, die ihm attestierte persönliche Integrität sowie sein unbedingter Einsatzwille nichts ändern. Nicht zu beanstanden sei auch der dauerhafte Entzug der Erlaubnis. Wer wie der Antragsteller als Stabsoffizier, fliegerischer Vorgesetzter und Fluglehrer an einem Familientag vor den ihm unterstellten Soldaten und deren Familien in krasser Weise mehrfach gegen fliegerische Vorschriften verstoße, sich über ein Flugverbot hinwegsetze und als amtierender Geschwaderkommodore, wiederum für Untergebene erkennbar, Befehle bewusst missachte, biete dauerhaft nicht mehr die Gewähr dafür, dass er den charakterlichen Anforderungen, die an einen Luftfahrzeugführer zu stellen sind, genügen werde. Indem der Antragsteller bei seinen Übungsangriffen die befohlene Mindestflughöhe drastisch unterschritten und den Radarhöhenmesser, der vor einer Gefährdung durch Unterschreiten der festgelegten Höhe akustisch warnen soll, entweder nicht aktiviert oder gar ausgeschaltet habe, habe er nicht hinnehmbare Risiken in Kauf genommen. Im Interesse der Allgemeinheit und des Dienstherrn an der strikten und ausnahmslosen Beachtung flugsicherheitsrelevanter Vorschriften sei es daher unumgänglich, dem Antragsteller die Erlaubnis zum Führen von Luftfahrzeugen der Bundeswehr endgültig zu entziehen.

12 Mit Schreiben vom 14. Oktober 2005 legte der Antragsteller weitere Beschwerde ein. Zur Begründung nahm er sein gesamtes bisheriges Vorbringen in Bezug. Ergänzend führte er aus, dass sich der Befehlshaber des Luftwaffenführungskommandos ausschließlich auf Sachverhalte gestützt habe, die den Tatvorwürfen der Einleitungsverfügung im gerichtlichen Disziplinarverfahren entnommen seien. Nach rechtskräftigem Abschluss des gerichtlichen Disziplinarverfahrens stehe fest, dass die Entzugsverfügung zu einem erheblichen Teil auf unrichtigen Tatsachengrundlagen beruhe. Immerhin sei der Antragsteller von etwa einem Drittel der gegen ihn erhobenen Tatvorwürfe freigestellt worden. Bereits aus diesem Grunde hätte seiner Beschwerde stattgegeben werden müssen. Der mitangefochtene Beschwerdebescheid sei aber auch unter Berücksichtigung der Sachverhaltsfeststellungen und der rechtlichen Würdigung durch das Truppendienstgericht rechtswidrig. In dem Beschwerdebescheid würden zwar umfangreich die Feststellungen zu den Tatvorwürfen zitiert und deren disziplinare Würdigung wörtlich wiedergegeben. Zur Vervollständigung der Entscheidungsgrundlagen seien jedoch auch die Ausführungen des disziplinargerichtlichen Urteils zur Persönlichkeit des Antragstellers, insbesondere dessen überdurchschnittliche Beurteilungen, sowie zu den positiven Leumundszeugnissen seiner Vorgesetzten heranzuziehen. Der Antragsteller verfüge über eine Gesamtflugstundenzahl von ca. 3700 Stunden, darunter ca. 800 bis 900 Stunden als Fluglehrer, die er mit weit überdurchschnittlichem Können geleistet habe. Dem stehe der eine verfahrensgegenständliche Flug gegenüber, der disziplinar geahndet worden sei. Aus diesem lasse sich kein Schluss auf die mangelnde charakterliche Eignung des Antragstellers zum Führen von Militärluftfahrzeugen ziehen. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass es sich dabei um ein bewusst leichtfertiges Verhalten eines besonders pflichtvergessenen und leichtfertigen Fliegeroffiziers mit Wiederholungsgefahr gehandelt habe. Vielmehr sei im Gegenteil von einer einmaligen persönlichkeitsfremden Fehlhandlung und völlig atypischen Verhaltensweise auszugehen, die sich weder in dieser Form noch ähnlich wiederholen werde. Wegen der Ablösung des Antragstellers aus der Verwendung als Stellvertretender Kommodore des ...geschwaders ... sei auch die übereilte Entziehung nicht notwendig gewesen. Ein einzuberufender Untersuchungsausschuss hätte einen Entscheidungsvorschlag unterbreitet, der keinesfalls zu dem Ergebnis gelangt wäre, dem Antragsteller die Erlaubnis wegen charakterlicher Ungeeignetheit zu entziehen.

13 Mit Bescheid vom 31. Juli 2006 wies der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - die weitere Beschwerde zurück. Der Entzug der militärischen Flugerlaubnis sei formell und materiell rechtmäßig erfolgt. Die bindenden Tastsachenfeststellungen des Disziplinarurteils zu den Verstößen des Antragstellers gegen fliegerische Vorschriften und soldatische Pflichten begründeten in ihrer Gesamtheit einen erheblichen Charaktermangel und eine Gefahr für die allgemeine Flugsicherheit. Danach stehe fest, dass sich der Antragsteller in einer Reihe von Geschehenskomplexen im direkten bzw. engen Zusammenhang mit seiner fliegerischen Tätigkeit dienstpflichtwidrig verhalten habe. Es handele sich auch nicht um einen einmaligen, wesensfremden, situationsbedingten „Aussetzer“. Der Antragsteller habe in verschiedenen Situationen, nämlich bei der Planung des Familientags, bei der Durchführung des Flugs am Familientag, bei den Flügen trotz bestehenden Flugverbots, bei dem flugbezogen unkorrekten Verhalten gegenüber seinen Vorgesetzten und schließlich bei dem Einsatz der Videokamera ohne bzw. trotz versagter Genehmigung in erheblichem Maße und über einen längeren Zeitraum wiederholt gegen geltende Bestimmungen, insbesondere zur Gewährleistung eines sicheren Flugbetriebs, verstoßen. An der negativen Prognose würden auch die in den Beurteilungen dokumentierten guten dienstlichen, insbesondere fliegerischen Leistungen nichts ändern. Die während des Flugtags bei dem Antragsteller zu Tage getretene grundlose Risikobereitschaft, die mangelhafte Crew-Koordination und Zusammenarbeit mit der Flugsicherung während des Flugs sowie die damit einhergehende unzulängliche Befehlstreue würden deutliche Schatten auf das in den Beurteilungen gezeichnete Leistungs- und Persönlichkeitsbild werfen. Das hinsichtlich der Dauer des Entzugs eingeräumte Ermessen sei fehlerfrei ausgeübt worden. Im Falle des Antragstellers sei eine nur befristete Entziehung nicht in Betracht gekommen, weil er nicht mehr dauerhaft die Gewähr dafür biete, die für die Aufrechterhaltung der Sicherheit des Flugverkehrs sowie zum Schutze von Mensch und Material aufgestellten Flugvorschriften einzuhalten. Die Schwere des von dem Antragsteller begangenen Dienstvergehens und die hinsichtlich seines künftigen Verhaltens zu treffende Prognose ließen keine andere Entscheidung zu. Wenn hochrangige Rechtsgüter, wie das Leben von Luftfahrzeugbesatzungsangehörigen und unbeteiligten Dritten, bereits durch kurze und an sich geringfügige menschliche Fehlleistungen gefährdet werden könnten, sei bereits eine geringe Eintrittswahrscheinlichkeit eines solchen Schadens ausreichend, um einen Soldaten wegen der in seiner Person liegenden Risiken von der Tätigkeit auszuschließen.

14 Mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 18. August 2006 beantragte der Antragsteller die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Der Antrag wurde vom Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - mit seiner Stellungnahme vom 28. August 2006 dem Senat vorgelegt.

15 Zur Begründung nimmt der Antragsteller Bezug auf sein gesamtes bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend insbesondere vor:
Der Entzug der militärischen Luftfahrerlaubnis sei ermessensfehlerhaft und unter Verstoß gegen die Fürsorgepflicht ergangen. Die Entzugsverfügung sei schon deshalb rechtswidrig, weil der Befehlshaber des Luftwaffenführungskommandos seine Entscheidung lediglich auf die - durch das Urteil des Truppendienstgerichts nicht in vollem Umfange bestätigten - Vorwürfe in der Einleitungsverfügung gestützt habe. Aber auch auf der Basis der rechtskräftigen Feststellungen des Truppendienstgerichts sei die endgültige, d.h. auf Lebenszeit des Antragstellers wirkende Entziehung der Erlaubnis „aus charakterlichen Gründen“ nicht gerechtfertigt. Die offensichtlich in allen drei angefochtenen Bescheiden zugrunde gelegte Feststellung „wiederholter Verstöße“ gegen fliegerische Vorschriften komme dadurch zustande, dass der Gesamttatvorwurf gegen den Antragsteller in eine Vielzahl von Verstößen während ein und desselben, weniger als eine Stunde dauernden Fluges aufgespalten und dem Antragsteller sodann als eine Aneinanderreihung von Dienstpflichtverletzungen zur Last gelegt werde. Die vom Truppendienstgericht disziplinarisch geahndeten Verstöße seien jedoch als ein Verstoß gegen fliegerische Vorschriften - etwa wie beim früher im Strafrecht anerkannten Fortsetzungszusammenhang - zu betrachten. Dies führe dazu, dass nicht von der Anzahl von Einzelverstößen gegen Vorschriften, sondern von dem einen missratenen Flug insgesamt auszugehen sei. Bei diesem Flug handele es sich um ein einmaliges persönlichkeitsfremdes Versagen, aus dem sich eine charakterliche Nichteignung des Antragstellers nicht herleiten lasse. Soweit das Truppendienstgericht dem Antragsteller lediglich fahrlässiges Verhalten zur Last gelegt habe, lasse dies den Schluss auf einen erheblichen Charaktermangel von vornherein nicht zu. Ferner habe das Truppendienstgericht in den Ausführungen zu den Milderungsgründen und zur Gewichtung solcher Umstände ausgeführt, dass die Vorgesetzten des Antragstellers ein erhebliches, diesen entlastendes Mitverschulden bzw. eine Mitverantwortung treffe, und im Übrigen die bisherigen dienstlichen Leistungen des Antragstellers uneingeschränkt zu dessen Gunsten gewürdigt. Aus den Urteilsgründen gehe ferner hervor, dass der Antragsteller den Angehörigen des Geschwaders und deren Familienangehörigen an dem Familientag ein besonderes „Wir-Gefühl“ und Stolz habe vermitteln wollen; es sei ihm nicht um fliegerische Selbstdarstellung gegangen.

16 Der Antragsteller beantragt,
die Verfügung des Befehlshabers des Luftwaffenführungskommandos vom 28. Januar 2004 sowie den Beschwerdebescheid des Inspekteurs der Luftwaffe vom 27. September 2005 und den weiteren Beschwerdebescheid des Bundesministers der Verteidigung vom 31. Juli 2006 aufzuheben.

17 Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.

18 Die durch den Inspekteur der Luftwaffe bestätigte Entscheidung des Befehlshabers des Luftwaffenführungskommandos, dem Antragsteller die militärische Flugerlaubnis endgültig zu entziehen, sei nicht zu beanstanden. Die dabei zugrunde gelegten Tatsachen beschränkten sich keineswegs auf die Vorkommnisse während des Flugtags. Vielmehr habe der Befehlshaber des Luftwaffenführungskommandos seine Entscheidung auch auf weitere, zeitlich und sachlich davon zu trennende Vorkommisse gestützt, die in gleicher Weise auf erhebliche charakterliche Mängel des Antragstellers schließen ließen. Das Vorliegen eines erheblichen Charaktermangels und einer Gefahr für die allgemeine Flugsicherheit werde dadurch erhärtet, dass sich der Antragsteller in Kenntnis der Pflichtwidrigkeit seines während des Flugtags gezeigten Verhaltens entgegen einem wirksamen Flugverbot noch zu zwei Flügen habe einteilen lassen und er als amtierender Geschwaderkommodore seinen Vorgesetzten unrichtige Meldungen erstattet habe. Die sich aus unterschiedlichen und zeitlich gestaffelten Lebenssachverhalten ergebenden zahlreichen Verstöße gegen fliegerische Vorschriften und soldatische Pflichten würden in ihrer Gesamtheit verdeutlichen, dass der Antragsteller dauerhaft nicht mehr die jederzeitige Gewähr dafür biete, die zur Aufrechterhaltung der Sicherheit des Luftverkehrs sowie zum Schutz von Mensch und Material aufgestellten Vorschriften einzuhalten.

19 Wegen des Vorbringens im Einzelnen wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten sowie der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakten des Inspekteurs der Luftwaffe (Az.: FüL/RB 25-05-11 B 003/04) und des Bundesministeriums der Verteidigung - PSZ I 7 - (Az.: 25-05-12 593/06), die Personalgrundakte des Antragstellers, Hauptteile A bis D, sowie das Urteil des Truppendienstgerichts Nord vom 11. April 2005 (Az.: N 8 VL 23/04) haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

20 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.

21 Für die Überprüfung des Entzugs einer Erlaubnis zum Führen von Luftfahrzeugen der Bundeswehr ist der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten - hier zum Bundesverwaltungsgericht als sachlich zuständigem Gericht (§ 21 Abs. 1 WBO) - eröffnet (vgl. zuletzt Beschluss vom 8. Mai 2001 - BVerwG 1 WB 15.01 - Buchholz 442.40 § 30 LuftVG Nr. 6 = NZWehrr 2001, 165). Militärische Erlaubnisse, deren Vorliegen Voraussetzung für eine bestimmte Verwendung ist, stehen in einem untrennbaren sachlichen Zusammenhang mit dieser Verwendung. Streitigkeiten über die Erteilung oder die Versagung bzw. den Entzug solcher Erlaubnisse betreffen deshalb - ebenso wie Streitigkeiten über die entsprechende Verwendungsentscheidung - truppendienstliche Maßnahmen und sind nicht vor den allgemeinen Verwaltungsgerichten, sondern vor den Wehrdienstgerichten zu führen (vgl. ebenso für die Entziehung der Kraftfahrzeugfahrerlaubnis der Bundeswehr Beschlüsse vom 15. Februar 1968 - BVerwG 1 WB 37.67 - BVerwGE 33, 62 <64>, vom 20. Dezember 1978 - BVerwG 1 WB 61.78 - ZBR 1981, 134 und vom 16. Januar 1980 - BVerwG 1 WB 93.79 -; für die Erteilung bzw. den Widerruf der Anerkennung als amtlich anerkannter Prüfer für den Kraftfahrzeugverkehr Beschlüsse vom 22. November 1983 - BVerwG 1 WB 20.82 - NZWehrr 1986, 257 und vom 30. Januar 1996 - BVerwG 1 WB 87.95 - Buchholz 236.1 § 3 SG Nr. 9).

22 Der endgültige Entzug der Erlaubnis zum Führen von Luftfahrzeugen der Bundeswehr (nebst Beiblatt „F“ zum Militärluftfahrzeugführerschein) durch die Verfügung des Befehlshabers der Luftwaffenführungskommandos vom 28. Januar 2004 in der Gestalt des Beschwerdebescheids des Inspekteurs der Luftwaffe vom 27. September 2005 sowie des weiteren Beschwerdebescheids des Bundesministers der Verteidigung vom 31. Juli 2006 ist rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten.

23 1. Die Bundeswehr kann gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 des Luftverkehrsgesetzes (LuftVG) von den Vorschriften des Ersten Abschnitts dieses Gesetzes - ausgenommen die §§ 12, 13 und 15 bis 19 - sowie von den zu seiner Durchführung erlassenen Vorschriften - insbesondere der Luftverkehrszulassungsordnung (LuftVZO) - abweichen, soweit dies zur Erfüllung ihrer besonderen Aufgaben unter Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung erforderlich ist. Aufgrund dieser Ermächtigung hat der Bundesminister der Verteidigung die „Zulassungsordnung für Führer von Luftfahrzeugen der Bundeswehr“ (ZDv 19/11) erlassen. Sie sieht unter anderem spezielle Regelungen für den Entzug von Erlaubnissen und Berechtigungen vor, die im militärischen Bereich an die Stelle der für den zivilen Luftverkehr geltenden Vorschriften über den Widerruf und das Ruhen der Erlaubnis (§ 4 Abs. 1 und 3 LuftVG, § 29 LuftVZO) treten.

24 Danach sind Erlaubnisse und Berechtigungen zum Führen von Luftfahrzeugen der Bundeswehr - unter anderem - dann zu entziehen, wenn bei ihrem Inhaber erhebliche charakterliche oder geistige Mängel, besonders Mangel an Verantwortungsbewusstsein oder Willenskraft, festgestellt worden sind (Nr. 124 Satz 1 1. Spiegelstrich ZDv 19/11). Der Entzug kann befristet oder endgültig erfolgen (Nr. 124 Satz 2 ZDv 19/11). Diese Regelungen sind, wie der Senat mehrfach entschieden hat, rechtlich nicht zu beanstanden (vgl. Beschlüsse vom 16. Januar 1985 - BVerwG 1 WB 27.84 -, vom 28. November 1991 - BVerwG 1 WB 74.91 - und vom 8. Mai 2001 a.a.O.).

25 Allerdings ist der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl. Beschlüsse vom 21. Juni 1988 - BVerwG 1 WB 40.87 - BVerwGE 86, 33 <41> = NZWehrr 1989, 72 und vom 8. Mai 2001 a.a.O. mit zahlreichen Nachweisen) davon ausgegangen, dass der Begriff der „charakterlichen oder geistigen Mängel“ (bzw. - als dessen Gegenstück - der „charakterlichen oder geistigen Eignung“ im Sinne von Nr. 113 1. Spiegelstrich ZDv 19/11) einen unbestimmten Rechtsbegriff darstellt, bei dessen Ausfüllung dem zuständigen Vorgesetzten ein Beurteilungsspielraum zusteht. Demzufolge beschränkte sich die gerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle darauf, zu prüfen, ob der Vorgesetzte von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat.

26 An dieser Rechtsprechung hält der Senat nicht fest. Auslegung und Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs der „charakterlichen oder geistigen Mängel“ - ebenso wie der übrigen Entzugstatbestände der Nr. 124 Satz 1 2. bis 4. Spiegelstrich ZDv 19/11 („unzureichende fachliche Kenntnisse oder Leistungen“, „schwere schuldhafte Verstöße gegen die für Sicherheit und Ordnung in der Luftfahrt erlassenen Bestimmungen“, „andere die Flugsicherheit gefährdende Tatsachen“) - unterliegen in vollem Umfang der Nachprüfung durch die Wehrdienstgerichte. Die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet dem Einzelnen, der sich durch die öffentliche Gewalt in eigenen Rechten verletzt glaubt, nicht nur den Zugang zu den Gerichten, sondern auch einen wirksamen Rechtsschutz; daraus ergibt sich grundsätzlich die Pflicht der Gerichte, die angefochtene Entscheidung in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht vollständig nachzuprüfen. Nur ausnahmsweise und bei Vorliegen besonderer Voraussetzungen ist es gerechtfertigt, der Verwaltungsbehörde oder sonstigen Stelle einen eigenen, gerichtlicher Kontrolle nicht oder nur beschränkt zugänglichen Beurteilungsspielraum einzuräumen (Urteil vom 21. Dezember 1995 - BVerwG 3 C 24.94 - BVerwGE 100, 221 <225> = Buchholz 418.04 Heilpraktiker Nr. 20 sowie Beschluss vom 22. September 2005 - BVerwG 1 WB 4.05 - Buchholz 236.110 § 2 SLV 2002 Nr.6, jeweils m.w.N.; vgl. ferner Urteil vom 6. Oktober 1998 - BVerwG 6 C 11.98 - BVerwGE 107, 245 <253> = Buchholz 448.0 § 13a WPflG Nr. 25).

27 Ein solcher Ausnahmefall ist bei dem Begriff der „charakterlichen oder geistigen Mängel“ im Sinne von Nr. 124 Satz 1 1. Spiegelstrich ZDv 19/11 nicht gegeben. Zweck der Vorschriften über den Luftverkehr und dabei insbesondere der Vorschriften über die Erteilung und den Widerruf bzw. Entzug von Luftfahrerlaubnissen ist die Gewährleistung der Flugsicherheit. Für den zivilen Bereich ist anerkannt, dass sich deshalb die Beurteilung der „Zuverlässigkeit“ eines Bewerbers im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 LuftVG allein an dem Zweck, Gefahren für die Sicherheit und Ordnung des Luftverkehrs zu vermeiden, zu orientieren hat (vgl. Schwenk/Giemulla, Handbuch des Luftverkehrsrechts, 3. Aufl. 2005, S. 443). Nichts anderes gilt im militärischen Bereich, wie sich aus den Entzugstatbeständen der Nr. 124 Satz 1 ZDv 19/11, insbesondere dem Auffangtatbestand der Nr. 124 Satz 1 4. Spiegelstrich ZDv 19/11 („andere die Flugsicherheit gefährdende Tatsachen“) ergibt. Für die Beurteilung bestimmter Umstände oder Vorkommnisse und für die Frage, ob aufgrund dessen das Vorliegen „charakterlicher oder geistiger Mängel“ anzunehmen ist, kann im Einzelfall die Heranziehung eines Sachverständigen erforderlich sein. Es ist jedoch - ausgehend von dem Gesetzeszweck der Gewährleistung der Flugsicherheit - nicht ersichtlich, dass es sich hierbei um eine allein dem Dienstherrn bzw. dem Vorgesetzten vorbehaltene und deshalb einen Beurteilungsspielraum rechtfertigende fachliche Bewertung handelt. Deshalb unterliegt die Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs der „charakterlichen oder geistigen Mängel“ im Sinne von Nr. 124 Satz 1 1. Spiegelstrich ZDv 19/11 - ebenso wie die Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs der „Zuverlässigkeit“ im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 LuftVG (vgl. Hofmann/Grabherr, Luftverkehrsgesetz, Stand Mai 2006, § 4 Rn. 28 und 60; Schmid, in: Giemulla/Schmid, Luftverkehrsgesetz, Stand Oktober 2007, § 4 Rn. 61 m.w.N.) und ähnlicher, im Gefahrenabwehrrecht häufig verwendeter Eignungsmerkmale - in vollem Umfang der gerichtlichen Kontrolle. Dies entspricht im Übrigen der Rechtsprechung des Senats zu anderen militärischen Erlaubnissen, bei denen die Anwendung vergleichbarer, auf die Eignung bezogener unbestimmter Rechtsbegriffe ebenfalls einer vollen gerichtlichen Kontrolle unterstellt ist (vgl. zur Eignung zum Führen von Bundeswehrkraftfahrzeugen Beschlüsse vom 15. Februar 1968 - BVerwG 1 WB 37.67 - BVerwGE 33, 62 <65> und vom 20. Dezember 1978 - BVerwG 1 WB 61.78 - ZBR 1981, 134; zur körperlichen Eignung für die Tätigkeit als amtlich anerkannter Prüfer für den Kraftfahrzeugverkehr Beschluss vom 30. Januar 1996 - BVerwG 1 WB 87.95 - Buchholz 236.1 § 3 SG Nr. 9; zur charakterlichen Eignung für den Flugsicherungskontrolldienst Beschlüsse vom 6. Dezember 1972 - BVerwG 1 WB 137.71 - und vom 27. Juni 1973 - BVerwG 1 WB 17.73 -).

28 2. Bei dem Antragsteller liegen erhebliche charakterliche Mängel im Sinne von Nr. 124 Satz 1 1. Spiegelstrich ZDv 19/11 vor. Die Erlaubnis des Antragstellers zum Führen von Luftfahrzeugen der Bundeswehr war daher - zwingend - zu entziehen.

29 Im Verfahren über einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen Maßnahmen, denen - wie hier - unmittelbar oder mittelbar der Vorwurf eines Dienstvergehens zugrunde liegt, ist der Senat an die tatsächlichen Feststellungen und die rechtliche Würdigung gebunden, auf denen die Entscheidung im sachgleichen disziplinargerichtlichen Verfahren beruht (§ 145 Abs. 2 WDO; vgl. Beschluss vom 21. Juni 1988 - BVerwG 1 WB 40.87 - BVerwGE 86, 33 <LS 1 und 38 f.> = NZWehrr 1989, 72). Das Truppendienstgericht Nord hat den Antragsteller mit dem rechtskräftigen Urteil vom 11. April 2005 (Az.: N 8 VL 23/04) zwar von einer Reihe von Vorwürfen im Zusammenhang mit dem Geschehen, das auch dem Entzug der militärischen Flugerlaubnis zugrunde liegt, aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen freigestellt. Überwiegend hat es jedoch in den gegen den Antragsteller erhobenen Anschuldigungen Dienstpflichtverletzungen erkannt und gegen ihn wegen eines Dienstvergehens ein Beförderungsverbot für die Dauer von 30 Monaten verbunden mit einer Kürzung der Dienstbezüge um ein Zwanzigstel für die Dauer von 12 Monaten verhängt.

30 Als Dienstpflichtverletzungen hat das Truppendienstgericht insbesondere die folgenden Punkte gewürdigt: Der Antragsteller habe bei der Vorbereitung seiner Flugvorführung auf dem Familientag am ... 2003 fahrlässig widersprüchliche Angaben in Flugauftrag und Flugplan eingetragen; ferner habe er es, nachdem am Familientag die Wetterverhältnisse gewechselt hätten, fahrlässig unterlassen, den Flugauftrag zu ändern und das Flugdatenblatt abzugeben (Anschuldigungspunkt 1). Der Antragsteller habe Übungsangriffe ohne die entsprechende Beauftragung im Flugauftrag geplant und hierfür vorsätzlich zu niedrige Mindestangriffshöhen festgesetzt (Anschuldigungspunkt 2). Im Rahmen seiner Flugvorführung am Familientag habe der Antragsteller bei drei Übungsangriffsflügen vorsätzlich die zulässige Mindestangriffshöhe unterschritten; vorsätzlich habe er außerdem in insgesamt elf Fällen die zulässige Höchstfluggeschwindigkeit überschritten und in einem Fall entgegen den Bestimmungen des Flugbetriebshandbuchs den Nachbrenner benutzt (Anschuldigungspunkt 3). Ebenfalls vorsätzlich habe der Antragsteller während seiner Flugvorführung gleichzeitig die Aufgabe der Flugdienstleitung übernommen, obwohl sich der Flugdienstleiter während seines Dienstes nach der eindeutigen Dienstanweisung auf dem Fliegerhorst aufzuhalten habe (Anschuldigungspunkt 4). Nachdem gegen ihn wegen der Vorfälle auf dem Familientag ein Flugverbot verhängt worden sei, habe der Antragsteller - unter wahrheitswidrigen Angaben gegenüber dem Staffelkapitän - den Befehl erteilt, ihn für den Flugtag am 30. Juli 2003 einzuplanen, und an diesem Tag auch tatsächlich zwei Flüge, davon einen als Fluglehrer, durchgeführt (Anschuldigungspunkte 5 bis 7). Außerdem habe er am 1. September 2003 dem Kommandeur der ... Luftwaffendivision fahrlässig eine objektiv unrichtige Meldung über die näheren Umstände des gegen ihn, den Antragsteller, verhängten Flugverbots erstattet (Anschuldigungspunkt 9). Ferner habe er am 2. September 2003 einer Meldung an den Befehlshaber des Luftwaffenführungskommandos vorsätzlich zwei auf den 7. Juli 2003 datierte Verfügungen über den Entzug seines Militärflugzeugführerscheins bzw. des Militärluftfahrzeugbesatzungsscheins des am Familientag mitfliegenden Waffensystemoffiziers beigefügt, obwohl er gewusst habe, dass diese Verfügungen erst am 27. August 2003 verfasst worden und zudem inhaltlich unrichtig gewesen seien (Anschuldigungspunkte 10 und 11). Schließlich habe der Antragsteller ihm unterstellten Soldaten zu nicht dienstlichen Zwecken befohlen, bei Flügen am 16. Juli und 7. August 2003 eine Videokamera im Cockpit mitzuführen und Luftbildaufnahmen zu fertigen, was diese der Gefahr disziplinarer Verfolgung ausgesetzt habe; im Falle des ersten Flugs habe der Antragsteller die von ihm beantragte Erteilung einer Ausnahmegenehmigung für diese Aufnahmen nicht abgewartet, im Falle des zweiten Flugs habe er den Befehl in Kenntnis der Ablehnung der Genehmigung durch das Luftwaffenführungskommando erteilt (Anschuldigungspunkt 12).

31 Die Summe dieser Vorfälle lässt bei dem Antragsteller erhebliche charakterliche Mängel erkennen, die den Entzug der militärischen Luftfahrerlaubnis rechtfertigen. Es ist zu befürchten, dass der Antragsteller sich auch künftig über Vorschriften zur Gewährleistung der Flugsicherheit hinwegsetzt und dadurch die Sicherheit und Ordnung des Luftverkehrs gefährdet.

32 Dem Antragsteller fallen - in zunächst rein quantitativer Hinsicht - eine Vielzahl von Dienstpflichtverletzungen zur Last. Es handelt sich dabei nicht, wie es die Antragsbegründung darstellt, um einen künstlich in Einzelverstöße aufgespaltenen einheitlichen Lebenssachverhalt. Die Pflichtverletzungen erstrecken sich vielmehr über einen Zeitraum von rund zwei Monaten und umfassen deutlich voneinander abgesetzte Geschehen wie die Vorbereitung des Familientags, die Flugvorführung am Familientag (... 2003), die weiteren Flüge nach Verhängung des Flugverbots (30. Juli 2003), die unrichtigen Meldungen an Vorgesetzte (1. und 2. September 2003) sowie die Befehle zu nicht dienstlich veranlassten Luftbildaufnahmen (Flüge vom 16. Juli und 7. August 2003). Das Verhalten des Antragstellers kann deshalb auch nicht als ein „einmaliges persönlichkeitsfremdes Versagen“ gedeutet werden. Der Antragsteller hatte zwischen den einzelnen Sachverhaltskomplexen nicht nur mehrfach die - von ihm nicht genutzte - Gelegenheit, sich über sein Handeln Rechenschaft abzulegen und zur besseren Einsicht zu gelangen. Ihm ist vielmehr darüber hinaus vorzuwerfen, dass er sich selbst von konkreten Maßnahmen, wie dem gegen ihn verhängten Flugverbot (Nr. 125 Abs. 3 ZDv 19/11) oder der Ablehnung der Ausnahmegenehmigung für die Luftbildaufnahmen, nicht hat ansprechen und von weiteren Pflichtverletzungen abhalten lassen.

33 Die von dem Truppendienstgericht festgestellten Pflichtverletzungen betreffen sämtlich das fliegerische und flugbezogene Verhalten des Antragstellers und haben deshalb für die Beurteilung seiner Eignung zum Führen von militärischen Luftfahrzeugen besonderes Gewicht. Der Antragsteller zeigt insoweit - wie auch die angefochtenen Bescheide zurecht herausgestellt haben - eine nicht hinnehmbare hohe Bereitschaft, sich über Rechts- und Dienstvorschriften, Befehle und Maßnahmen hinwegzusetzen, wenn er deren Beachtung nach eigener Einschätzung für nicht erforderlich hält. Seine Dienstpflichtverletzungen betreffen zentrale soldatische Pflichten - wie die Pflicht zum Gehorsam gegenüber Vorgesetzten (§ 11 Abs. 1 Satz 1 SG), die Pflicht, Befehle nur zu dienstlichen Zwecken zu erteilen (§ 10 Abs. 4 SG), die Pflicht zur Wahrheit in dienstlichen Angelegenheiten (§ 13 Abs. 1 SG) und die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) -, deren Erfüllung nicht nur für den militärischen Dienst im Allgemeinen, sondern gerade auch für den auf uneingeschränkte Vorschriften- und Befehlstreue angewiesenen Flugbetrieb unerlässlich ist (vgl. hierzu Beschluss vom 14. Dezember 1990 - BVerwG 7 C 20.90 - Buchholz 442.40 § 4 LuftVG Nr. 4). Der diesbezügliche Mangel an Zuverlässigkeit und Verantwortungsbewusstsein bei dem Antragsteller und dessen deutlich hervortretende Tendenz zu eigenmächtigem Handeln berühren eine der Grundvoraussetzungen eines sicheren Flugbetriebs.

34 Ein sich wiederholendes Verhaltensmuster stellt ferner dar, dass sich der Antragsteller in Konfliktsituationen, in die er sich meist ohne Not selbst begeben hat, nicht von dienstlicher Korrektheit, sondern von einer falsch verstandenen Form von „Beharrlichkeit“ leiten lässt. Beispiele hierfür sind die Erteilung eines widersprüchlichen Flugauftrags und Flugplans, um letztlich die beabsichtigte „spektakuläre“ Flugvorführung - einschließlich der damit verbundenen zahlreichen Verstöße gegen fliegerische Vorschriften - durchführen zu können, die gleichzeitige Übernahme der Flugdienstleitung während der Flugvorführung entgegen der Dienstanweisung, dass sich der Flugdienstleiter auf dem Fliegerhorst aufzuhalten hat, die Erstattung unrichtiger Meldungen gegenüber seinen Vorgesetzten auch aus (vermeintlich geschuldeter) Loyalität zu seinem Geschwaderkommodore sowie schließlich die Missachtung eines ausdrücklichen Verbots und die Erteilung rechtswidriger Befehle an Untergebene, um das einmal beschlossene Vorhaben, Luftaufnahmen der Gemeinden J. und S. anzufertigen, durchzusetzen. Auch dieser Charakterzug stellt die Eignung des Antragstellers zum Führen von militärischen Luftfahrzeugen in Frage.

35 Soweit der Antragsteller zu seiner Entlastung auf seine Beurteilungen verweist, die ihn als tadellosen und in allen Belangen vorbildlichen Generalstabsoffizier beschreiben, sind die der Entzugsverfügung zugrunde liegenden Vorkommnisse in der Tat - wie auch das Truppendienstgericht ausgeführt hat - nicht ohne weiteres mit dem dort gezeichneten positiven Persönlichkeitsbild in Einklang zu bringen. Allerdings muss sich der Antragsteller vorhalten lassen, dass er gerade in den seine Persönlichkeit fordernden Funktionen und Situationen gravierende charakterliche Schwächen offenbart hat. Der Antragsteller hat bei dem Familientag, bei dem er als Stellvertretender Kommodore für die Darstellung des Verbands nach außen mitverantwortlich war, vor den ihm unterstellten Soldaten, ihren Familien und den weiteren Besuchern in massiver und offenkundiger Weise gegen fliegerische Vorschriften verstoßen. Er hat als Fluglehrer trotz des gegen ihn verhängten Flugverbots einen Ausbildungsflug mit einem Flugschüler durchgeführt. Er hat als amtierender Geschwaderkommodore seinen höheren Vorgesetzten unrichtige Meldungen erstattet. Als Vorgesetzter hat er sich über die berechtigten Einwände des ihm untergebenen Waffensystemoffiziers hinweggesetzt und diesen in die disziplinarisch geahndeten Vorgänge im Zusammenhang mit der Flugvorführung am Familientag „mit hineingezogen“; ähnlich hat er im Falle der Anordnung, bei den Tornadoflügen vom 16. Juli und 7. August 2003 Luftbildaufnahmen anzufertigen, die beteiligten Soldaten in die Gefahr disziplinarer Verfolgung gebracht. Als Vorgesetzter hat er schließlich seine Befehlsgewalt sowohl durch die Anweisung, ihn trotz des Flugverbots für zwei Flugtage einzuplanen, als auch wiederum bei der Anordnung der Luftbildaufnahmen missbraucht.

36 Insgesamt sind deshalb bei dem Antragsteller so erhebliche charakterliche Mängel festzustellen, dass ihm nach Nr. 124 Satz 1 1. Spiegelstrich ZDv 19/11 die militärische Luftfahrerlaubnis zu entziehen ist.

37 3. Auch die Entscheidung der zuständigen Stellen, die Erlaubnis des Antragstellers zum Führen von Luftfahrzeugen der Bundeswehr endgültig zu entziehen, ist nicht zu beanstanden.

38 Gemäß Nr. 124 Satz 2 ZDv 19/11 kann der Entzug der Luftfahrerlaubnis befristet oder endgültig erfolgen. Diese Ermessensentscheidung kann vom Gericht (nur) darauf überprüft werden, ob der zuständige Vorgesetzte den Soldaten durch Überschreiten oder Missbrauch dienstlicher Befugnisse in seinen Rechten verletzt (§ 17 Abs. 3 Satz 2 WBO) bzw. die gesetzlichen Grenzen des ihm insoweit zustehenden Ermessens überschritten oder von diesem in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 114 VwGO analog; stRspr, vgl. Beschluss vom 8. Mai 2001 - BVerwG 1 WB 15.01 - Buchholz 442.40 § 30 LuftVG Nr. 6 = NZWehrr 2001, 165 mit zahlreichen Nachweisen). Bei der Ausübung des Ermessens ist auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten (vgl. Beschluss vom 28. November 1991 - BVerwG 1 WB 74.91 -).

39 Die angefochtenen Bescheide gehen bei der Entscheidung über die Dauer des Entzugs von der zuvor getroffenen Feststellung „erheblicher charakterlicher Mängel“ des Antragstellers aus. Schwere und Häufigkeit der Verfehlungen, dabei insbesondere auch der Umstand, dass sich die Verstöße gegen fliegerische Vorschriften und soldatischen Pflichten aus unterschiedlichen und zeitlich gestaffelten Lebenssachverhalten ergeben würden, führten zu der Prognose, dass der Antragsteller dauerhaft nicht die Gewähr dafür biete, die zur Aufrechterhaltung der Sicherheit des Luftverkehrs bestehenden Vorschriften einzuhalten. Diese Entscheidung begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

40 Die Bescheide des Inspekteurs der Luftwaffe und des Bundesministers der Verteidigung über die Beschwerde bzw. weitere Beschwerde, die der Entzugsverfügung ihre hier maßgebliche Gestalt gegeben haben, sind von den tatsächlichen Feststellungen und der rechtlichen Würdigung in dem Urteil des Truppendienstgerichts Nord vom 11. April 2005 ausgegangen. Das Ermessen wurde daher auf der zutreffenden, weil auch für die Exekutive verbindlichen (vgl. Dau, Wehrdisziplinarordnung, 4. Aufl. 2002, § 145 Rn. 5) Entscheidungsgrundlage ausgeübt. Wegen der umfassenden Sachaufklärung durch das Truppendienstgericht und der bindenden Wirkung seines Urteils war die von dem Antragsteller gewünschte Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, die unabhängig davon im Ermessen des zuständigen Vorgesetzten stünde (Nr. 125 Abs. 2 ZDv 19/11), nicht erforderlich.

41 Der Entzug der militärischen Luftfahrerlaubnis musste auch nicht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit befristet werden. Eine Befristung (zu zeitlichen Abstufungen und den entsprechenden Zuständigkeiten siehe Nr. 509 ff. ZDv 19/11) kann zum Beispiel bei offenkundig einmaligen oder geringfügigen Verstößen geboten sein, wenn anzunehmen ist, dass die von dem befristeten Entzug ausgehende Warnung ausreicht, den Inhaber der Erlaubnis zu einem künftig einwandfreien Verhalten anzuhalten und damit den präventiven Zweck der Maßnahme zu erfüllen; ein solcher Fall liegt nach dem oben unter 2. Gesagten hier jedoch nicht vor. Eine Befristung des Entzugs kommt ferner dann in Betracht, wenn der festgestellte Eignungsmangel seiner Natur nach vorübergehend ist oder wenn gesicherte Erkenntnisse dafür vorliegen, dass die Eignung nach Ablauf der bestimmten Frist wiederhergestellt sein wird; auch eine derartige Fallkonstellation ist vorliegend nicht gegeben. Die Zulässigkeit eines „endgültigen“ Entzugs der Flugerlaubnis erfordert andererseits nicht, dass der zuständige Vorgesetzte es für ausgeschlossen halten muss, dass der Betroffene jemals wieder die Eignungsvoraussetzungen erfüllen wird. Es genügt vielmehr - wie hier -, dass der Vorgesetzte einen grundsätzlich dauerhaften Eignungsmangel, dessen Wegfall nicht absehbar ist, feststellt; er ist nicht verpflichtet, eine Befristung zu treffen, für die ihm gesicherte tatsächliche Anhaltspunkte fehlen.

42 Hieraus folgt zugleich, dass der „endgültige“ Entzug der militärischen Luftfahrerlaubnis im Sinne einer Entscheidung auf unbestimmte Dauer, nicht aber - darüber hinausgehend - im Sinne eines definitiven Verbots der erneuten Erteilung der Erlaubnis zu verstehen ist. Nach allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsätzen kann die zuständige Stelle die Entzugsverfügung ausdrücklich oder stillschweigend aufheben und erneut eine Erlaubnis zum Führen von Luftfahrzeugen der Bundeswehr erteilen, wenn der Antragsteller die für die Erteilung geltenden Voraussetzungen zu einem späteren Zeitpunkt (wieder) erfüllen sollte (vgl. für die zivile Flugerlaubnis Schmid, in: Giemulla/Schmid, Luftverkehrsgesetz, Stand August 2007, § 4 Rn. 78). Allerdings hat der Antragsteller, auch wenn er die Voraussetzungen erfüllt, auf die erneute Erteilung der militärischen Luftfahrerlaubnis (und eine entsprechende militärische Verwendung)
ebenso wenig einen Rechtsanspruch wie er ihn auf die erstmalige Erteilung (und Verwendung) hatte.