Beschluss vom 18.07.2013 -
BVerwG 9 B 16.13ECLI:DE:BVerwG:2013:180713B9B16.13.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 18.07.2013 - 9 B 16.13 - [ECLI:DE:BVerwG:2013:180713B9B16.13.0]

Beschluss

BVerwG 9 B 16.13

  • VG Köln - 06.07.2011 - AZ: VG 24 K 6736/10
  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 23.01.2013 - AZ: OVG 14 A 1860/11

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 18. Juli 2013
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bier,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Buchberger und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Korbmacher
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 23. Januar 2013 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte.
  3. Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 309,40 € festgesetzt.

Gründe

1 1. Die auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sowie der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2 a) Die Fragen,
„Stellt der Aufwand für weitere - d. h. über die Grundbedarfsdeckung hinausgehende - entgeltliche Übernachtungen ungeachtet der beruflichen Bedingtheit oder zwingenden beruflichen Erforderlichkeit einen steuerbaren Aufwand für die persönliche Lebensführung nach Art. 105 Abs. 2a GG dar?
Unterliegt der Aufwand für entgeltliche Übernachtungen in Hotels, Pensionen, Herbergen, Gästezimmern usw. auch dann als Aufwand für die persönliche Lebensführung der indirekten Aufwandbesteuerung nach Art. 105 Abs. 2a GG, wenn die Übernachtung zwingend beruflich erforderlich ist?
Ist im Recht der Aufwandsteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2a GG ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der Vermeidbarkeit des Aufwands unbekannt? Ist im Recht der Aufwandsteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2a GG auch bei indirekter Steuererhebung ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der Vermeidbarkeit des Aufwands unbekannt?“
sind nicht klärungsbedürftig, weil sie durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits geklärt sind. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erfordert die im Begriff der Aufwandsteuer angelegte Abgrenzung der Einkommensverwendung zur Einkommenserzielung von Verfassungs wegen eine umfassende Würdigung der Umstände des Einzelfalles (Urteile vom 10. Oktober 1995 - BVerwG 8 C 40.93 - BVerwGE 99, 303 <307>, vom 26. September 2001 - BVerwG 9 C 1.01 - BVerwGE 115, 165 <169> und vom 19. Dezember 2008 - BVerwG 9 C 16.07 - Buchholz 401.61 Zweitwohnungssteuer Nr. 26 Rn. 14). Hierzu hat es in seinen Urteilen vom 11. Juli 2012 - BVerwG 9 CN 1.11 (BVerwGE 143, 301 Rn. 16 = Buchholz 11 Art. 105 GG Nr. 51) und BVerwG 9 CN 2.11 - ausgeführt, dass ein Aufwand der Einkommenserzielung zuzuordnen ist und damit nicht der Aufwandsteuer unterfällt, wenn die Übernachtung mit der Berufs- oder Gewerbeausübung oder auch einer freiberuflichen Tätigkeit zwangsläufig verbunden ist. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass ohne die entgeltliche Übernachtung die Berufsausübung, gewerbliche Tätigkeit oder freiberufliche Tätigkeit nicht ausgeübt und deshalb Einkommen nicht erwirtschaftet werden könnte (zustimmend Waldhoff, JZ 2013, 49 <50>; ablehnend Wernsmann, NVwZ 2013, 124 <126>; Thiemann, ZG 2013, 75 <85 ff.>).

3 Der weiteren Frage,
„Gewährleistet eine zusätzliche Erstattungsregelung in einer Satzung, mit der indirekte Steuern auf die entgeltliche Übernachtung in Hotels, Pensionen, Herbergen, Gästezimmern usw. ohne Differenzierung nach beruflich zwingender Erforderlichkeit der Übernachtung erhoben werden, dass die Anforderungen an die hinreichende Bestimmtheit und Vorhersehbarkeit für die Betroffenen und an die Ausgestaltung des Verfahrensrechts im Hinblick auf die gleichmäßige Umsetzung der steuerlichen Belastung ohne unverhältnismäßige Mitwirkungsbeiträge der Steuerpflichtigen oder übermäßigen Ermittlungsaufwand der Behörde (erfüllt werden), wenn Inhalt der Erstattungsregelung ist, dass zu Unrecht auf den Übernachtungsgast abgewälzte Übernachtungssteuern unmittelbar an den Übernachtungsgast auf Antrag erstattet werden?“
kommt eine grundsätzliche Bedeutung schon deshalb nicht zu, weil sie sich dem Berufungsgericht nicht gestellt hat. Eine Rechtsfrage, auf die die Vorinstanz nicht entscheidend abgehoben hat, kann regelmäßig - und auch hier - nicht zur Zulassung der Revision führen (Beschluss vom 6. Mai 2010 - BVerwG 6 B 73.09 - juris Rn. 4 <insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 448.0 § 29 WPflG Nr. 24> m.w.N.). Das Berufungsgericht hat die Erstattungsregelung der Satzung der Beklagten zur Erhebung einer Kulturförderabgabe schon deswegen als für den vorliegenden Rechtsstreit unerheblich erachtet, weil sie nicht das Verhältnis zwischen der Beklagten als Steuergläubigerin und dem Betreiber des Beherbergungsbetriebes als Steuerschuldner betreffe. Im übrigen liegt es auf der Hand und bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren, dass steuerrechtliche Regelungen für die Betroffenen hinreichend bestimmt und voraussehbar sein müssen (BVerfG, Urteil vom 19. Dezember 1961 - 2 BvL 6/59 - BVerfGE 13, 261 <271>; Beschluss vom 17. Juli 2003 - 2 BvL 1/99 u.a. - BVerfGE 108, 186 <235>; BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2012 a.a.O. Rn. 31). Der Steuertatbestand muss so genau beschrieben werden, dass der Steuerpflichtige die für ihn bestehende Steuerlast erkennen kann. Eine Erstattungsregelung der genannten Art erfüllt diese Voraussetzungen nicht, weil weder aus der Erstattungsregelung noch aus der Satzung die Voraussetzungen für eine rechtmäßige Steuererhebung erkennbar sind. Es fehlt an jeglicher Bestimmung, wie eine Differenzierung zwischen den beruflich erforderlichen und privaten Übernachtungen erfolgen soll.

4 b) Auch die Divergenzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) bleibt ohne Erfolg. Das angefochtene Urteil weicht entgegen der Auffassung der Beschwerde nicht von dem Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Februar 2010 - 1 BvR 2664/09 - (NVwZ-RR 2010, 457) ab. Einen Rechtssatz des von der Beschwerde formulierten Inhalts „... dass jeder Aufwand für weitere - d.h. über die Grundbedarfsdeckung hinausgehende - entgeltliche Übernachtungen ungeachtet der beruflichen Bedingtheit einen steuerbaren Aufwand für die persönliche Lebensführung nach Art. 105 Abs. 2a GG darstellt“ hat das Bundesverfassungsgericht nicht aufgestellt. In dem vorgenannten Kammerbeschluss, der zur Zweitwohnungssteuer ergangen ist, hat es unter Hinweis auf seinen Beschluss vom 11. Oktober 2005 - 1 BvR 1232/00 u.a. - (BVerfGE 114, 316 <334>) ausgeführt, es sei für die Einordnung einer Zweitwohnungssteuer als Aufwandsteuer im Sinne von Art. 105 Abs. 2a GG unerheblich, dass das Innehaben der Zweitwohnung durch eine Berufsausübung veranlasst worden und nach Maßgabe des Einkommensteuerrechts als Werbungskosten bei der Einkünfteermittlung abzusetzen sei. Es ging in dem Kammerbeschluss ausschließlich um die Frage, ob eine Zweitwohnung neben einer Erstwohnung besteuert werden darf, wenn am Ort der Zweitwohnung eine beruflich bedingte Residenzpflicht, aber keine Bereitschaft besteht, dort auch den Hauptwohnsitz zu nehmen. Die Frage eines steuerbaren Aufwandes für jegliche entgeltliche Übernachtungen stand nicht in Rede. Die Entscheidung stellt zudem, was die Beklagte nicht berücksichtigt, darauf ab, dass die Aufwandsteuer die in der Einkommensverwendung zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit treffen soll (BVerfG, Kammerbeschluss vom 17. Februar 2010 - 1 BvR 2664/09 - NVwZ-RR 2010, 457 Rn. 50). Demgegenüber ist das Oberverwaltungsgericht im Anschluss an das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 11. Juli 2012 a.a.O. Rn. 14) davon ausgegangen, dass es sich bei den beruflich erforderlichen Übernachtungen, wie sie hier in Rede stehen, um Aufwand zur Einkommenserzielung, nicht aber um Einkommensverwendung handelt.

5 2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.