Urteil vom 18.06.2015 -
BVerwG 2 WD 11.14ECLI:DE:BVerwG:2015:180615U2WD11.14.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 18.06.2015 - 2 WD 11.14 - [ECLI:DE:BVerwG:2015:180615U2WD11.14.0]

Urteil

BVerwG 2 WD 11.14

  • TDG Nord 6. Kammer - 25.03.2014 - AZ: TDG N 6 VL 23/12

In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 18. Juni 2015, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Burmeister,
Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt,
ehrenamtlicher Richter Oberst i.G. Mirow und
ehrenamtlicher Richter Oberstabsarzt Meissner,
...
als Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts,
Rechtsanwalt ...,
als Verteidiger,
Geschäftsstellenverwalterin ...
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
für Recht erkannt:

  1. Auf die Berufung der Wehrdisziplinaranwaltschaft wird das Urteil der 6. Kammer des Truppendienstgerichts Nord vom 25. März 2014 im Ausspruch über die Disziplinarmaßnahme geändert.
  2. Der frühere Soldat wird wegen eines Dienstvergehens in den Dienstgrad eines Majors a. D. herabgesetzt.
  3. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem früheren Soldaten auferlegt, der auch die ihm darin erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen hat.

Gründe

I

1 Der ... geborene frühere Soldat verfügt über den Realschulabschluss, wurde ... in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen und ... zum Berufssoldaten ernannt. Er wurde zuletzt im Oktober ... zum Oberstleutnant befördert. Seine Dienstzeit endete regulär am 30. Juni ...

2 Nach zahlreichen Verwendungen wurde er im Oktober ... zum Stab ... versetzt und dort als ...stabsoffizier und S3-Stabsoffizier eingesetzt. Zum Januar 2008 wurde er in der Verwendung eines Stabsoffiziers z.b.V. zur ... und zum Januar ... als ...stabsoffizier und S3-Stabsoffizier zum ... bei dem ... M. versetzt. Im Stab des ... wurde er zuletzt in der Stabsgruppe ... als Projektoffizier verwendet.

3 Von Dezember ... bis Ende Mai ... nahm er am ... Deutschen Einsatzkontingent SFOR sowie von Dezember ... bis Mitte Januar ... im Stab des Deutschen Heereskontingents KFOR am internationalen Auslandseinsatz der Bundeswehr teil.

4 In der Beurteilung vom 21. März 2007 erhielt er im Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung "4,555". Die Einzelmerkmale "Funktionale Kompetenz" sowie "Soziale Kompetenz" werden jeweils als "stärker ausgeprägt" beurteilt, die "Geistige Kompetenz" sowie "Konzeptionelle Kompetenz" als "ausgeprägt" und die "Kompetenz in Menschenführung" als "weniger ausgeprägt". Der frühere Soldat sei offen, ehrlich, korrekt im Auftreten sowie loyal und zuverlässig. Seine ruhige, zurückhaltende Art mache ihn zu einem angenehmen Stabsmitarbeiter. Schnell habe er sich in den Aufgabenbereich des ...stabsoffiziers in der ..-Abteilung der ... eingearbeitet; dieser Aufgabenbereich erfordere ein Höchstmaß an Eigenständigkeit, die Fähigkeit, technische Zusammenhänge zu durchdringen sowie teilstreitkraftübergreifend zu denken und zu handeln. Insgesamt sei er ein ausgezeichneter Stabsarbeiter. Er sei in der Lage, auch komplexe Zusammenhänge zu erfassen und zu strukturieren. Insgesamt erfülle er die Anforderungen des Soldatenberufs. Der nächsthöhere Vorgesetzte beurteilte den früheren Soldaten als ausgezeichneten Stabsarbeiter, der seinen Aufgabenbereich mit Enthusiasmus und Leistungsbereitschaft schnell in den Griff bekommen habe und ihn mittlerweile beherrsche. Er arbeite selbstständig und niemals eigenmächtig, verfüge über eine rasche Auffassungsgabe, denke klar und analysiere präzise. Dabei gelinge es ihm, den Überblick zu behalten und das Wesentliche gezielt einzugrenzen. Die Entwicklungsprognose bestehe bis zur allgemeinen Laufbahnperspektive.

5 Der Leumundszeuge Oberst B. hat erstinstanzlich ausgesagt, der eigenverantwortlich tätige frühere Soldat sei handlungssicher und zeige Leistungen, die er mit "hohe 5 bis niedrige 6" bewerte. Man könne über ihn nichts Negatives, aber auch nichts Herausragendes sagen. Als Fachmann habe er sich bewährt, aber ohne zu glänzen. Daher würde er ihn leistungsmäßig im Vergleich zu seinen Dienstgradgruppenkameraden im zweiten Drittel unten ansiedeln. Die Vorfälle seien in der Einheit bei den Mannschaftssoldaten nicht bekannt geworden. Er hätte dem früheren Soldaten die vorgeworfenen Taten nicht zugetraut, da dieser ihn nie belogen habe. Aus einer einmaligen Zurechtweisung habe der frühere Soldat gelernt; auch sei er insgesamt kritik- und teamfähig.

6 In der vom 25. Juni 2014 datierenden Sonderbeurteilung des Disziplinarvorgesetzten wird der frühere Soldat im Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung mit "5,63" beurteilt. Der frühere Soldat sei ein lebens- und diensterfahrener Stabsoffizier, der seinen Erfahrungsschatz im täglichen Dienstbetrieb einbringe. Im Auftreten sei er korrekt und zeige eine ausgezeichnete soldatische Grundeinstellung; er sei auch ein gern gesehener und geschätzter Kamerad. Mit seinem offenen und ruhigen Wesen stehe er mit Rat und Tat immer zur Verfügung. Eine überaus gut entwickelte Intelligenz und eine sehr gute Allgemeinbildung ließen ihn auch bei komplexen Aufgabenstellungen praktikable Lösungen finden; er habe sich im Laufe der Zeit ein profundes Fachwissen erarbeitet. Seine Stärken lägen in der Stabsarbeit und Organisation. Er könne technische Zusammenhänge gut durchdringen und anderen begreifbar erklären. Er sei ein Stabsoffizier, der die an ihn gestellten Anforderungen stets erfülle.

7 Dem disziplinarrechtlich nicht vorbelasteten Soldaten wurden 1980, 1984 sowie 1987 Förmliche Anerkennungen erteilt. Er ist berechtigt, das Abzeichen für Leistungen im Truppendienst sowie die Schützenschnur und das Tätigkeitsabzeichen für Rohrwaffenpersonal - jeweils in Gold - sowie das amerikanische Fallschirmspringerabzeichen der Stufe 1 zu tragen. ... wurde ihm die Einsatzmedaille der Bundeswehr SFOR verliehen.

8 Strafrechtlich ist der Soldat wegen des unter Anschuldigungspunkt 1 beschriebenen Sachverhalts durch das Amtsgericht K. unter dem 14. März 2011 wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in 3 Fällen zu 75 Tagessätzen zu jeweils 85 € Geldstrafe rechtskräftig verurteilt worden. Darüber hinaus weist die aktuelle Auskunft aus dem Zentralregister drei rechtskräftige Strafbefehle und den am 10. Juli 2012 erfolgten Widerruf der Waffenbesitzkarte aus. Der frühere Soldat erhielt hiernach am 16. März 2004 durch das Amtsgericht K. eine Geldstrafe in Höhe von 10 Tagessätzen zu je 50 € wegen Beleidigung, am 7. November 2006 durch dasselbe Amtsgericht eine Geldstrafe in Höhe von 20 Tagessätzen zu je 30 € wegen fahrlässiger Körperverletzung und am 7. Dezember 2006 durch das Amtsgericht P. eine Geldstrafe in Höhe von 25 Tagessätzen zu je 40 € wegen Beleidigung.

9 Unter dem 20. September 2008 stellte der Kommandeur Division Luftbewegliche Operation fest, dass der frühere Soldat durch die mit Strafbefehl des Amtsgerichts P. geahndete Beleidigung sowie durch einen ebenfalls mit einem Strafbefehl geahndeten Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz ein Dienstvergehen begangen habe, sah aber von einer Disziplinarmaßnahme ab. Die Verfügung wies den früheren Soldat darauf hin, dass der festgestellten Pflichtverletzung ein größeres Gewicht zukommen werde, wenn er erneut straf- oder disziplinarisch in Erscheinung trete. Der Strafbefehl wegen des Verstoßes gegen das Pflichtversicherungsgesetz wurde später aufgehoben.

10 Der frühere Soldat ist seit 2005 verwitwet. Seine verstorbene Ehefrau brachte eine zwischenzeitlich volljährige und nicht mehr in seinem Haushalt lebende Tochter mit in die Ehe. Er erhält Versorgungsbezüge in Höhe von 2 989,91 € netto. In der Berufungshauptverhandlung hat der frühere Soldat seine wirtschaftlichen Verhältnisse als geordnet bezeichnet. Allerdings hätten sich die von ihm beim Truppendienstgericht angegebenen Lebenshaltungskosten, insbesondere für Miete und Versicherungen, erhöht. In unregelmäßigen Abständen unterstützt er seine Stieftochter mit 500 - 1 000 €.

II

11 1. Mit seit Mitte September 2010 bestandskräftigem Bescheid der Stadt K. vom 12. Juli 2007 war dem früheren Soldaten die Fahrerlaubnis für Kraftfahrzeuge entzogen und er darauf hingewiesen worden, dass er mit Zustellung der Verfügung im öffentlichen Straßenverkehr keine führerscheinpflichtigen Kraftfahrzeuge mehr führen dürfe und er sich bei einer Zuwiderhandlung strafbar mache. Darüber hinaus war ihm erläutert worden, dass ein von ihm eingelegter Widerspruch keine aufschiebende Wirkung entfalte.

12 Der vom früheren Soldaten dagegen gestellte Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wurde vom Verwaltungsgericht K. durch Beschluss vom 24. September 2007 abgelehnt. In der Entscheidungsbegründung heißt es, ungeachtet dessen, dass der frühere Soldat nicht mit dem Vortrag gehört werden könne, die Eintragung von 6 Punkten im Verkehrszentralregister wegen eines Verstoßes gegen das Pflichtversicherungsgesetz sei zu Unrecht erfolgt, hätten sich bereits aufgrund des Urteils des Amtsgerichts K. vom 7. November 2006 mehr als 14 Punkte ergeben.

13 Seit Mitte Januar 2011 verfügt der frühere Soldat wieder über eine Fahrerlaubnis.

14 2. Nachdem nach Anhörung des früheren Soldaten unter dem 14. September 2011 das disziplinargerichtliche Verfahren eingeleitet worden und der frühere Soldat abschließend angehört worden war, hat die 6. Kammer des Truppendienstgerichts Nord auf der Grundlage der Anschuldigungsschrift der Wehrdisziplinaranwaltschaft für den Bereich des ... vom 21. November 2011 gegen ihn durch Urteil vom 25. März 2014 ein Beförderungsverbot für die Dauer von vier Jahren und eine Bezügekürzung von 15 vom Hundert für die Dauer von fünf Jahren verhängt. Der Anhörung der Vertrauensperson hatte der frühere Soldat im vorgerichtlichen Verfahren widersprochen.

15 a) Unter Ausklammerung eines Teilvorwurfs hat das Truppendienstgericht festgestellt:
"2. Zu Anschuldigungspunkt 1.:
Obwohl er wusste, dass ihm die Erlaubnis zum Führen eines Fahrzeugs durch (die) Fahrerlaubnisbehörde K. mit Verfügung vom 12. Juli 2007, ihm zugestellt am 14. Juli 2007, entzogen war, befuhr der Soldat:
a) im Rahmen einer Probefahrt mit einem neuen Kraftfahrzeug am 03. Mai 2010 gegen 17:51 Uhr mit dem PKW ..., amtliches Kennzeichen ..., die B.. in Richtung H. in der Gemarkung W. und
b) in aus seiner Sicht Ermangelung öffentlicher Verkehrsmittel am 17. September 2010 gegen 19:00 Uhr mit dem PKW ..., amtliches Kennzeichen ..., in B.; dort befindet sich eine Polizeidienststelle, bei der er wegen des Führerscheinentzugs aus dem Jahr 2007 vorsprechen wollte.
3. Zu Anschuldigungspunkt 2.:
Dem Soldaten war bekannt, dass er nach der ZDv 43/2, Nr. 405, 6. Spiegelstrich unverzüglich seinem Disziplinarvorgesetzten die Entziehung seiner privaten Fahrerlaubnis zu melden und seinen Dienstführerschein zurückzugeben hat.
Nachdem ihm mit Verfügung der Fahrerlaubnisbehörde der Stadt K. vom 12. Juli 2007, ihm zugestellt am 14. Juli 2007, seine private Fahrerlaubnis entzogen worden und ihm aufgeben worden war, den Führerschein innerhalb der nächsten acht Tage bei der Behörde abzugeben, meldete er dies in der Folgezeit seinem nächsten Disziplinarvorgesetzten nicht.
Der Soldat wandte vor dem erkennenden Gericht ein, er sei davon ausgegangen, die Sache würde sich schnell klären in dem Sinne, dass die Entziehung rechtswidrig war und er seine Fahrerlaubnis schnellstmöglich zurückbekäme. Nachdem sich das ganze Verfahren aber zeitlich verzögert hinzog, hat er es unterlassen, diese Entziehung entsprechend seiner Verpflichtung zu melden.
4. Zu Anschuldigungspunkt 3.:
Obwohl der Soldat wusste, dass der Entzug der zivilen Fahrerlaubnis durch die entsprechende Fahrerlaubnisbehörde der Stadt K. vom 12. Juli 2007 gemäß ZDv 43/1 Nr. 622 und 623 die amtliche Verwahrung auch des Dienstführerscheins und damit einhergehend auch die Unterbrechung seiner Dienstfahrerlaubnis bis zum Erlöschenszeitpunkt nach sich zieht, führte er ohne zivile Fahrerlaubnis und ohne berechtigende Dienstfahrerlaubnis folgende Fahrten im öffentlichen Straßenverkehr mit einem Dienstkraftfahrzeug der Bundeswehr gegen den ausdrücklichen Befehl der Vorschrift ZDv 43/2 Nr. 201 durch:
a) Am 09. Juli 2010 fuhr er mit einem weiteren Kameraden von M. mit dem Dienstkraftfahrzeug ..., ..., amtliches Kennzeichen ..., zum Flughafen Ha. über eine Fahrstrecke von 132 km, da beide gemeinsam in Wi. dienstlich zu tun hatten und dort hinfliegen mussten.
b) Nach dem Rückflug von Wi. nach Ha. befuhr er mit demselben Kameraden am 11. Juli 2010 mit dem unter b) (gemeint a) beschriebenen Dienstkraftfahrzeug als Selbstfahrer die Strecke von Ha. nach M. zurück (Fahrstrecke 134 km). Beide Fahrten hat der Soldat als Selbstfahrer durchgeführt und ist nach eigenem Bekunden vor dem erkennenden Gericht bewusst das Risiko einer Entdeckung eingegangen.
c) Am 05. Oktober 2010 fuhr er - wiederum als Selbstfahrer - mit einem nicht mehr verifizierbaren Dienstkraftfahrzeug von M. zum Truppenübungsplatz nach Pu., um dort Dienstaufsicht bei einem Schießvorhaben durchzuführen und wahrzunehmen, und wieder zurück nach M. Die gefahrene Strecke betrug zweimal 198 Kilometer. Auch hier ist er nach eigenem Bekunden vor dem erkennenden Gericht bewusst das Risiko einer Entdeckung des Fahrens ohne gültige Fahrerlaubnis eingegangen.
Zusammenfassend stellte der Soldat vor dem erkennenden Gericht im Hauptverhandlungstermin dar, es sei für ihn unstrittig, dass er etwas falsch gemacht habe bezüglich der Fahrten im öffentlichen Straßenverkehr ohne Fahrerlaubnis. 'Ich war mir zu diesem Zeitpunkt klar, ich mache etwas, was ich nicht machen darf'."

16 b) Der frühere Soldat habe durch seine teilweise strafrechtlich als vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis zu wertenden Verhaltensweisen ein Dienstvergehen begangen.

17 Durch seine zwei Fahrten gemäß Anschuldigungspunkt 1 habe er gegen seine Dienstpflicht zum treuen Dienen nach § 7 SG verstoßen, da sie von Soldaten die Wahrung der Rechtsordnung, insbesondere die Beachtung der Strafgesetze verlange und der frühere Soldat durch das Fahren ohne Fahrerlaubnis § 21 StVG verletzt habe. Gleichzeitig habe er durch sein Verhalten gegen seine Dienstpflicht nach § 17 Abs. 2 Satz 2, Alt. 2 SG verstoßen, sich auch außerhalb des Dienstes so zu verhalten, dass er die Achtung und das Vertrauen, die seine dienstliche Stellung erfordere, nicht ernsthaft beeinträchtige. Schließlich habe er dadurch, dass er gemäß Anschuldigungspunkt 2 den Entzug der Fahrerlaubnis seinem nächsten Disziplinarvorgesetzten nicht gemeldet habe, gegen seine Dienstpflicht zum Gehorsam nach § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 SG i.V.m. ZDv 43/2 Nr. 406, 6. Spiegelstrich, verstoßen. Dieses Verhalten begründe zugleich eine Verletzung seiner Dienstpflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten im Dienst nach § 17 Abs. 2 Satz 1, Alt. 2 SG. Indem der frühere Soldat gemäß Anschuldigungspunkt 3 trotz der entzogenen Fahrerlaubnis Dienstkraftfahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr geführt habe, habe er gegen seine Dienstpflicht zum Gehorsam nach § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 SG i.V.m. ZDv 43/2 Nr. 201 sowie ZDv 43/1 Nr. 622 und 623 verstoßen. Danach sei der Dienstführerschein nach Entzug der zivilen Fahrerlaubnis erloschen. Gleichzeitig habe er damit die nach § 17 Abs. 2 Satz 1, Alt. 2 SG bestehende Dienstpflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten im Dienst verletzt. Da der Soldat jeweils gewusst habe, was er tue, und er dies auch gewollt habe, habe er durchgehend vorsätzlich gehandelt.

18 c) Bereits das Fahren ohne Fahrerlaubnis im außerdienstlichen Bereich stelle die dienstliche Zuverlässigkeit eines Soldaten infrage und wiege im dienstlichen Bereich noch viel schwerer. Die Nichtbeachtung verkehrsrechtlicher Vorschriften lasse zum Schutz der Allgemeinheit Rückschlüsse auf charakterliche Defizite zu und ziehe die Autorität eines Vorgesetzten erheblich in Zweifel. Höchstrichterlich werde Fahren ohne Fahrerlaubnis als gravierender bewertet, wenn die Handlung im dienstlichen Zusammenhang stehe, mit Dienstfahrzeugen erfolgt und nicht vereinzelt geschehen sei.

19 Der Verstoß gegen die Gehorsamspflicht wiege bei einem Berufssoldaten, gerade bei einem Oberstleutnant, überragend schwer. Auch die Pflicht zur Wahrung von Achtung und Vertrauen im und außerhalb des Dienstes sei kein Selbstzweck, sondern habe funktionalen Bezug zur Erfüllung des grundgesetzmäßigen Auftrags der Streitkräfte.

20 Bereits das Fahren ohne Fahrerlaubnis im außerdienstlichen Bereich lasse wegen seiner strafrechtlichen Relevanz eine erhebliche Beeinträchtigung der Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit ernsthaft besorgen. Der frühere Soldat habe in dem Wissen, keine gültige Fahrerlaubnis zu besitzen, Privatfahrten ohne Fahrerlaubnis durchgeführt. Dass er die Entziehung der Fahrerlaubnis für rechtswidrig gehalten, er namentlich nicht bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens gewartet und etwa drei Jahre später mehrfach ein Kraftfahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr geführt habe, offenbare Uneinsichtigkeit und einen bedenklichen Mangel an Rechtsbewusstsein.

21 Milderungsgründe in den Umständen der Tat lägen nicht vor. Es belaste vielmehr den früheren Soldaten, dass er strafrechtlich mehrfach auffällig geworden sei, insbesondere fünfmal ohne Fahrerlaubnis Kraftfahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr geführt habe. Bereits der zu Anschuldigungspunkt 1 ergangene Strafbefehl zeige die besondere disziplinare Schwere des Dienstvergehens. Die gegen den früheren Soldaten im September 2008 erlassene Absehensverfügung sei wirkungslos geblieben. Die von dem früheren Soldaten angegebenen Begründungen für seine Pflichtverletzungen sprächen gegen ihn. Bei allen Fahrten habe er aus Bequemlichkeit weder öffentliche Verkehrsmittel genutzt noch um die Gestellung eines Kraftfahrers gebeten. Zu seinen Gunsten spreche, dass er disziplinarisch bislang unauffällig gewesen sei, er drei Förmliche Anerkennungen erhalten, sich zweimal im internationalen Auslandseinsatz bewährt habe und wegen guter Leistungen schon nach acht Jahren Dienst Offizieranwärter geworden sei. Allerdings sei nach der Stabsoffizierprüfung ein gewisser "Bruch" in den Leistungen festzustellen. Zu seinen Gunsten spreche zudem das allumfassende Geständnis. Nach alledem sei eine Dienstgradherabsetzung zwar "so gerade eben noch" unverhältnismäßig; gleichwohl habe der frühere Soldat durch das Dienstvergehen sein dienstliches Ansehen so sehr in Mitleidenschaft gezogen, dass die ausgeurteilte Disziplinarmaßnahme erforderlich sei.

22 3. Gegen das der Wehrdisziplinaranwaltschaft am 22. April 2014 zugestellte Urteil hat sie am 19. Mai 2014 zuungunsten des früheren Soldaten maßnahmebeschränkt Berufung eingelegt und beantragt, ihn in den Dienstgrad eines Majors a.D. herabzusetzen. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, das Truppendienstgericht habe zwar die Schwere des Dienstvergehens zutreffend als "beträchtlich" eingestuft, jedoch keine angemessene Disziplinarmaßnahme verhängt.

III

23 1. Die Berufung der Wehrdisziplinaranwaltschaft ist zulässig, sie wurde insbesondere gemäß § 115 Abs. 1 Satz 1, § 116 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 WDO form- und fristgerecht eingelegt. Dass der frühere Soldat während des gerichtlichen Disziplinarverfahrens aus dem Dienstverhältnis ausgeschieden ist, steht dessen Durchführung nicht entgegen (§ 82 Abs. 1 WDO).

24 2. Die Berufung ist auch begründet.

25 Das von der Wehrdisziplinaranwaltschaft zuungunsten des früheren Soldaten eingelegte Rechtsmittel ist auf die Bemessung der Disziplinarmaßnahme beschränkt worden. Der Senat hat daher gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO in Verbindung mit § 327 StPO die Tat- und Schuldfeststellungen sowie die disziplinarrechtliche Würdigung des Truppendienstgerichts seiner Entscheidung zugrunde zu legen (a)) und auf dieser Grundlage über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden (b)).

26 a) Das Truppendienstgericht hat festgestellt, der frühere Soldat habe vorsätzlich ein Dienstvergehen nach § 23 Abs. 1 SG begangen.

27 Er habe durch zwei außerdienstliche Fahrten ohne Führerschein vorsätzlich gegen § 7 SG i.V.m. § 21 StVG und § 17 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 SG verstoßen. Durch die unterbliebene Meldung des Verlustes des privaten Führerscheins bei seinem Disziplinarvorgesetzten habe er vorsätzlich gegen § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 sowie § 17 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 SG verstoßen. Durch die drei dienstlichen Fahrten ohne Führerschein habe er vorsätzlich gegen § 11 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 SG sowie § 17 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 SG verstoßen.

28 Diese Schuldfeststellungen sind eindeutig und widerspruchsfrei und für den Senat damit bindend. Ob die Tat- und Schuldfeststellungen vom Truppendienstgericht rechtsfehlerfrei getroffen wurden, darf von ihm nicht überprüft werden. Denn bei einer auf die Bemessung der Disziplinarmaßnahme beschränkten Berufung wird der Prozessstoff nicht mehr von der Anschuldigungsschrift, sondern nur von den bindenden Tat- und Schuldfeststellungen des angefochtenen Urteils bestimmt.

29 b) Der frühere Soldat, der sich als Berufssoldat im Ruhestand befindet, ist im Dienstgrad herabzusetzen (§ 58 Abs. 2 Nr. 3 WDO i.V.m. § 62 WDO). Das Urteil des Truppendienstgerichts ist insoweit abzuändern. Zu Unrecht hat es angenommen, von einer Herabsetzung im Dienstgrad "gerade eben noch" absehen zu können.

30 Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist von der von Verfassungs wegen allein zulässigen Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts auszugehen. Diese besteht ausschließlich darin, dazu beizutragen, einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb wiederherzustellen und/oder aufrechtzuerhalten (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Juni 2008 - 2 WD 11.07 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 26 Rn. 23 m.w.N.).

31 Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen.

32 aa) Eigenart und Schwere des Dienstvergehens bestimmen sich nach dem Unrechtsgehalt der Verfehlung. Danach wiegt das Dienstvergehen schwer.

33 aaa) Eigenart und Schwere des Dienstvergehens werden zunächst durch die Verstöße gegen die Gehorsamspflicht sowie die Pflicht zum innerdienstlichen Wohlverhalten bestimmt. Sie bilden wegen ihres unmittelbaren dienstlichen Bezugs den Schwerpunkt des Dienstvergehens und wiegen auch deshalb besonders schwer, weil sie die Kernpflicht des soldatischen Gehorsams betreffen. Die Pflicht zum Gehorsam (§ 11 Abs. 1 SG) gehört zu den zentralen Dienstpflichten eines jeden Soldaten. Gegen sie hat der frühere Soldat mehrfach verstoßen. Alle Streitkräfte beruhen auf dem Prinzip von Befehl und Gehorsam. Vorsätzlicher Ungehorsam stellt daher stets ein sehr ernstzunehmendes Dienstvergehen dar. Fehlt die Bereitschaft zum Gehorsam, kann die Funktionsfähigkeit der Bundeswehr in Frage gestellt sein (BVerwG, Urteil vom 8. Mai 2014 - 2 WD 10.13 - Rn. 64). Erschwerend hinzu kommt des Weiteren, dass der frühere Soldat trotz der - seinerzeit - manifesten Zweifel an seiner Eignung, Kraftfahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr zu führen, einen anderen Kameraden mitgenommen und damit jedenfalls einer abstrakten Gefährdung ausgesetzt hat. Hinzu treten die Vielzahl und die Intensität der Pflichtverletzungen, die dadurch dokumentiert werden, dass der frühere Soldat mehrere hundert Kilometer ohne Fahrerlaubnis zurückgelegt hat. Darüber hinaus hat sich der Verstoß gegen die Gehorsamspflicht über Jahre erstreckt. Auch der Verstoß gegen die Pflicht zum treuen Dienen in Gestalt der Wahrung der Rechtsordnung begründet einen Verstoß gegen eine zentrale soldatische Pflicht.

34 Mit allen festgestellten Pflichtverletzungen ging ein Verstoß gegen § 17 Abs. 2 SG einher, der sich darüber hinaus überwiegend im innerdienstlichen Bereich (§ 17 Abs. 2 Satz 2 SG) bewegte. Die Pflicht zur Wahrung von Achtung und Vertrauen ist kein Selbstzweck, sondern hat funktionalen Bezug zur Erfüllung des grundgesetzmäßigen Auftrages der Streitkräfte und zur Gewährleistung des militärischen Dienstbetriebs. Ein Soldat, insbesondere - wie hier - ein Vorgesetzter, bedarf der Achtung seiner Kameraden und Untergebenen sowie des Vertrauens seiner Vorgesetzten, um seine Aufgaben so zu erfüllen, dass der gesamte Ablauf des militärischen Dienstes gewährleistet ist.

35 Eigenart und Schwere des Dienstvergehens werden des Weiteren dadurch bestimmt, dass der frühere Soldat aufgrund seines Dienstgrades als Oberstleutnant und somit als Stabsoffizier in einem exponierten Vorgesetztenverhältnis stand (§ 1 Abs. 3 Satz 1 und 2 SG i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 VorgV). Soldaten in Vorgesetztenstellung obliegt eine höhere Verantwortung für die Wahrung dienstlicher Interessen. Wegen seiner herausgehobenen Stellung ist ein Vorgesetzter in besonderem Maße für die ordnungsgemäße Erfüllung seiner Dienstpflichten verantwortlich und unterliegt damit im Falle einer Pflichtverletzung einer verschärften Haftung, da Vorgesetzte in ihrer Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel geben sollen (§ 10 Abs. 1 SG). Dabei ist nicht erforderlich, dass es der Soldat bei seinem Fehlverhalten innerhalb eines konkreten Vorgesetztenverhältnisses an Beispielhaftigkeit hat fehlen lassen. Es reicht das Innehaben einer Vorgesetztenstellung aufgrund des Dienstgrades aus (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Mai 2011 - 2 WD 2.10 - juris Rn. 30).

36 Einzubeziehen in die Bestimmung der Schwere des Dienstvergehens ist schließlich, dass der frühere Soldat bereits im September 2008 vom Kommandeur ... darauf hingewiesen worden war, bei einem erneuten disziplinarisch relevanten Verstoß werde dem nur festgestellten Pflichtenverstoß ein größeres Gewicht zukommen. Der frühere Soldat hat sich diese Ermahnung nicht zur Warnung reichen lassen.

37 Von den mehrfachen Fahrten ohne Führerschein hat ihn auch nicht der unmissverständliche Hinweis in der Verfügung der Stadt K. vom 12. Juli 2007 abgehalten, sich strafbar zu machen, wenn er trotz des sofort vollziehbaren Führerscheinentzugs im öffentlichen Verkehrsraum Kraftfahrzeuge führe. Diesem Umstand kommt besondere Bedeutung zu, weil sein Antrag, die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs gegen die Verfügung der Stadt K. anzuordnen, vom Verwaltungsgericht K. abgelehnt worden ist und der frühere Soldat somit auch einer gerichtlichen Entscheidung den Gehorsam verweigert hat. In ihr war er zudem darauf hingewiesen worden, dass die von ihm als ungerecht empfundene Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen das Pflichtversicherungsgesetz für den Entzug der Fahrerlaubnis unerheblich war.

38 bb) Das Dienstvergehen hatte auf den Dienstbetrieb allerdings nur überschaubare nachteilige Auswirkungen. Abgesehen davon, dass die Pflichtverletzungen auf Seiten des Dienstherrn Verwaltungsaufwand nach sich zogen, wurden sie in der Einheit jedenfalls bei den Mannschaftsdienstgraden nicht bekannt. Zudem war für die Wahrnehmung des Dienstpostens des früheren Soldaten nicht der Besitz einer Fahrerlaubnis notwendig. Nicht zu dessen Lasten ist zu berücksichtigen, dass der Vorfall den mit der Durchführung des (Wehr)Strafverfahrens befassten Organen bekannt wurde (BVerwG, Urteil vom 7. Februar 2013 - 2 WD 36.12 - juris Rn. 43).

39 cc) Das Maß der Schuld wird dadurch bestimmt, dass der uneingeschränkt schuldfähige frühere Soldat vorsätzlich gehandelt hat. Klassische Milderungsgründe in den Umständen der Tat sind von ihm weder geltend gemacht worden noch ersichtlich.

40 Auch jenseits solcher Milderungsgründe liegen keine mildernden Umstände vor. Die Befragung des früheren Soldaten in der Berufungshauptverhandlung hat bestätigt, dass er die Fahrten ohne Führerschein zum Teil aus Bequemlichkeit unternommen und den Führerscheinverlust aus Scham nicht gemeldet hatte, ungeachtet dessen zudem wenig Unrechtseinsicht und Bereitschaft zum Gehorsam gegenüber der Rechtsordnung gezeigt hat. Letzteres gereicht ihm zum Nachteil, weil er sich wegen der die Fahrerlaubnisentziehung bestätigenden Entscheidung des Verwaltungsgerichts K. nicht in einem Rechtsirrtum befinden konnte. Dem entspricht, dass er erstinstanzlich ausgeführt hat, er sei das mit dem Fahren ohne Fahrerlaubnis verbundene Risiko einfach eingegangen. Der frühere Soldat hat sich damit rechtsstaatlichen Anforderungen gegenüber in besonderem Maße als renitent erwiesen. Sie verlangen gerade von einem Amtswalter, behördliche wie gerichtliche Entscheidungen zu befolgen. Soweit er erstmalig in der Berufungshauptverhandlung vorgetragen hat, er habe hinsichtlich zweier der dienstlichen Fahrten ohne Führerschein zuvor vergeblich einen Fahrer beantragt, mag deshalb auch dies seinem Verhalten nicht das Gewicht zu nehmen. Dies kann schon deshalb nicht zu seinen Gunsten berücksichtigt werden, weil der Dienstherr von der fehlenden Fahrerlaubnis und den damit verbundenen Risiken gerade wegen der Täuschungshandlung des früheren Soldaten keine Kenntnis hatte und auch nicht haben musste und so auch keine Veranlassung hatte, ihm, zumal kurzfristig, einen Fahrer bereitzustellen.

41 dd) Die Beweggründe des früheren Soldaten waren demnach eigennützig und sprechen gegen ihn.

42 ee) Im Hinblick auf die Zumessungskriterien Persönlichkeit und bisherige Führung sticht das Leistungsbild des früheren Soldaten nicht so deutlich positiv hervor wie die Vorinstanz angenommen hat.

43 Förmliche Anerkennungen wurden ihm nur vor Jahrzehnten verliehen. Dass er wegen besonderer Leistungen nach nur acht Jahren Dienst als Unteroffizier für die Offizieranwärterlaufbahn zugelassen wurde, kann ebenfalls nicht mehr besonderes Gewicht beigemessen werden, weil auch dies bereits Jahrzehnte zurückliegt. Die Auslandseinsätze, die das Truppendienstgericht ebenfalls zugunsten des Soldaten in die Bemessungsentscheidung hat einfließen lassen, liegen zudem mindestens eineinhalb Jahrzehnte zurück.

44 Die Leistungen, die der frühere Soldat in den letzten Jahren bis zum Eintritt in den Ruhestand erbracht hat, waren auch nicht überdurchschnittlich. Die planmäßige Beurteilung aus dem Jahr 2007 weist als Durchschnittsnote "4,555" aus und der letzte Disziplinarvorgesetzte hat den früheren Soldaten im zweiten Drittel unten angesiedelt. Die Sonderbeurteilung aus dem Jahre 2014 bescheinigt dem früheren Soldaten mit "5,63" durchschnittliche Leistungen.

45 Zu Lasten des früheren Soldaten wirkt, dass er mehrfach strafrechtlich vorbelastet ist und ihn die in der Absehensverfügung vom 20. September 2008 enthaltene Mahnung nicht beeindruckt hat. Hinzu tritt die besondere Renitenz, die er gegenüber einer gerichtlich bestätigten Behördenentscheidung zu Tage gelegt hat. Ihr ist auch deshalb besondere Bedeutung beizumessen, weil für den früheren Soldaten aus dem Beschluss des Verwaltungsgerichts K. eindeutig zu entnehmen war, dass unabhängig von der - von ihm als ungerecht empfundenen, später wieder aufgehobenen - Verurteilung wegen Verstoßes gegen das Pflichtversicherungsgesetz die Voraussetzungen für den Entzug der Fahrerlaubnis vorlagen.

46 Für den früheren Soldaten spricht, dass er die Pflichtverletzungen nach ihrer Aufdeckung nicht in Abrede gestellt, zuvor fast 40 Jahre beanstandungsfrei seinen Dienst mit vor 2007 jedenfalls deutlich besseren Leistungen versehen und in der Berufungshauptverhandlung Reue gezeigt hat.

47 ff) Nach Maßgabe dessen ist die nach § 58 Abs. 2 Nr. 3, § 62 WDO zulässige Herabsetzung im Dienstgrad geboten und angemessen. Bei der konkreten Bemessung der Disziplinarmaßnahme geht der Senat in seiner gefestigten Rechtsprechung von einem zweistufigen Prüfungsschema aus (BVerwG, Urteil vom 10. Februar 2010 - 2 WD 9.09 - juris Rn. 35 ff.):

48 aa) Auf der ersten Stufe bestimmt er im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle sowie im Interesse der rechtsstaatlich gebotenen Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine Regelmaßnahme für die in Rede stehende Fallgruppe als "Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen".

49 Nach der Rechtsprechung des Senats bildet die Herabsetzung im Dienstgrad dann den Ausgangspunkt der Zumessungserwägung, wenn das Fahren ohne Fahrerlaubnis in dienstlichem Kontext steht, mit Dienstfahrzeugen erfolgt und nicht vereinzelt geschieht (BVerwG, Urteil vom 19. Januar 2012 - 2 WD 5.11 - Buchholz 450.2 § 121 WDO 2002 Nr. 2 Rn. 16; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 11. März 1999 - 2 WD 29.98 - Buchholz 236.1 § 17 SG Nr. 26).

50 Im Übrigen hat der Senat Verletzungen der Gehorsamspflicht - je nach Schwere des Verstoßes - mit einer Gehaltskürzung, einem Beförderungsverbot oder auch einer Dienstgradherabsetzung geahndet (vgl. BVerwG, Urteile vom 22. August 2007 - 2 WD 27.06 - BVerwGE 129, 181 Rn. 85 und vom 23. Juni 2011 - 2 WD 21.10 - Buchholz 449 § 7 SG Nr. 56 Rn. 49 m.w.N.) und bei einer Kombination von Pflichtverletzungen den Umständen des Falles auf der zweiten Stufe der Zumessungserwägungen einzelfallbezogen Rechnung getragen (BVerwG, Urteil vom 8. Mai 2014 - 2 WD 10.13 - Rn. 87 ff.). Dabei hat er das disziplinare Gewicht eines Ungehorsams umso höher eingestuft, je größer die dadurch drohenden Gefahren für ein bedeutsames Rechtsgut, insbesondere Leib und Leben von Kameraden, sind (BVerwG, Urteil vom 23. April 2015 - 2 WD 7.14 - juris Rn. 51 ff. m.w.N.).

51 Da der frühere Soldat Dienstfahrzeuge nicht nur zu dienstlichen Zwecken, sondern darüber hinaus mehrfach und über eine Strecke von mehreren hundert Kilometern ohne Fahrerlaubnis im öffentlichen Straßenverkehr bewegt hat, bildet den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen somit die Herabsetzung im Dienstgrad nach § 58 Abs. 2 Nr. 3 WDO, § 62 WDO. Dies gilt umso mehr, als er im Range eines Stabsoffiziers gehandelt hat.

52 bb) Auf der zweiten Stufe ist zu prüfen, ob im Einzelfall im Hinblick auf die Bemessungskriterien des § 38 Abs. 1 WDO und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts Umstände vorliegen, die die Möglichkeit einer Milderung oder die Notwendigkeit einer Verschärfung gegenüber der auf der ersten Stufe in Ansatz gebrachten Regelmaßnahme eröffnen. Dabei ist vor allem angesichts der Eigenart und Schwere des Dienstvergehens sowie dessen Auswirkungen zu klären, ob es sich im Hinblick auf die be- und entlastenden Umstände um einen schweren, mittleren oder leichten Fall der schuldhaften Pflichtverletzung handelt. Liegt kein mittlerer, sondern ein höherer bzw. niedrigerer Schweregrad vor, ist gegenüber dem Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die zu verhängende Disziplinarmaßnahme nach "oben" bzw. nach "unten" zu modifizieren. Zusätzlich sind die gesetzlich normierten Bemessungskriterien für die Bestimmung der konkreten Sanktion zu gewichten, wenn die Maßnahmeart, die den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen bildet, dem Wehrdienstgericht hinsichtlich des Disziplinarmaßes einen Spielraum eröffnet (BVerwG, Urteil vom 12. Februar 2015 - 2 WD 2.14 - juris Rn. 56).

53 Umstände, die eine Abweichung von der Maßnahmeart verlangen, liegen nicht vor, wobei das Gewicht mildernder Umstände umso größer sein muss, je schwerer das Dienstvergehen wiegt (BVerwG, Urteil vom 11. September 2014 - 2 WD 11.13 - juris Rn. 79 m.w.N.). Hier erhöht sich die Schwere des Dienstvergehens dadurch, dass der frühere Soldat über die für die Bestimmung des Ausgangspunktes der Zumessungserwägungen herangezogenen dienstlichen Fahrten ohne Führerschein hinaus die vom Truppendienstgericht weiter festgestellten Pflichtverletzungen begangen hat. Ferner ist die über Jahre hinweg unterlassene Meldung des Führerscheinverlustes durch ihre besondere Dauer und sind die dienstlichen Fahrten ohne Führerschein durch ihr zumindest abstraktes Gefährdungspotenzial charakterisiert. Als erschwerenden Umstand muss sich der frühere Soldat zudem entgegenhalten lassen, dass ihn weder die Warnung in der Absehensverfügung noch der Hinweis in dem Fahrerlaubnisentziehungsbescheid der Stadt K. davon abgehalten haben, die Pflichtverletzungen zu begehen. Er hat vielmehr seine Rechtsauffassung selbst über die des Verwaltungsgerichts gesetzt, welches ihn zudem darauf hingewiesen hatte, dass die von ihm als ungerecht empfundene Einbeziehung von Punkten wegen Verstoßes gegen das Pflichtversicherungsgesetz für die Führerscheinentziehung letztlich bedeutungslos war. Schon deshalb liegt - anders als von der Verteidigung behauptet - keine atypische Situation vor, in der zugunsten des früheren Soldaten mildernd eingestellt werden müsste, er sei das Opfer einer offensichtlichen behördlichen Fehlentscheidung gewesen.

54 Die für den früheren Soldaten sprechenden Umstände sind angesichts dieses Ausgangsbefundes nicht geeignet, eine mildere Maßnahmeart als noch angemessen anzusehen.

55 Dass ein Teil der Pflichtverletzungen bereits strafrechtlich geahndet worden ist, begründet keinen mildernden Umstand. Weder § 16 Abs. 1 noch § 17 Abs. 2 bis 4 WDO verbieten, den früheren Soldaten im Dienstgrad herabzusetzen. Steht im Einzelfall - wie hier - § 16 WDO der Zulässigkeit des Ausspruchs einer Disziplinarmaßnahme nicht entgegen, ist die Art oder Höhe einer Kriminalstrafe oder sonstigen Strafsanktion für die Gewichtung der Schwere des sachgleichen Dienstvergehens regelmäßig nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Strafverfahren und Disziplinarverfahren verfolgen unterschiedliche Zwecke. Die Kriminalstrafe unterscheidet sich nach Wesen und Zweck grundlegend von der Disziplinarmaßnahme. Während erstere neben Abschreckung und Besserung der Vergeltung und Sühne für begangenes Unrecht gegen den allgemeinen Rechtsfrieden dient, ist die disziplinarische Ahndung darauf ausgerichtet, unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes einen geordneten und integren Dienstbetrieb aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. März 2015 - 2 WD 3.14 - juris Rn. 91).

56 Auch die Leistungen des früheren Soldaten wirken nicht in ausreichendem Maße mildernd. Soweit sie überdurchschnittlich waren, liegen sie ebenso wie seine erfolgreichen Auslandseinsätze bereits Jahrzehnte zurück. Die aktuellen Leistungen waren allenfalls durchschnittlich.

57 Die finanziellen Schäden, die sich nach Aussage des früheren Soldaten auf etwa 60 000 € belaufen und sich aus dem Verlust der Waffenbesitzkarte ergeben, wirken ebenfalls nicht mildernd. Es handelt sich um Schäden, mit denen sich das von dem früheren Soldaten bewusst eingegangene Risiko realisiert hat und um rechtliche Folgen, die allein er sich zurechnen lassen muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Mai 2014 - 2 WD 3.13 - juris Rn. 45 m.w.N.). Entsprechendes gilt für den mit dem Entzug der Waffenbesitzkarte verbundenen Verlust an Sozialkontakten. Die Auswirkungen ordnungsrechtlicher Verwaltungsverfahren, die an die Pflichtverletzungen anknüpfen, gehören ebenso wenig zu den nach § 38 Abs. 1 WDO bemessungsrelevanten Aspekten wie die Auswirkungen der Disziplinarmaßnahme selbst (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2011 - 2 WD 10.10 - juris Rn. 46).

58 c) Die fehlende disziplinarische Vorbelastung ist zwar nicht geeignet, die Schwere des Dienstvergehens erheblich zu reduzieren, weil der frühere Soldat damit nur den Anforderungen gerecht wird, die ein Dienstherr regelmäßig erwarten darf. Dies gilt ebenso für den zu seinen Gunsten wirkenden Umstand, dass er fast 40 Jahre beanstandungsfrei und mit anerkennenswerten Leistungen Dienst versehen hat. Diese Umstände sowie vor allem seine geständige und reuige Einlassung gebieten jedoch, das Maß der Herabsetzung auf einen Dienstgrad zu beschränken, sind damit aber auch angemessen erfasst.

59 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 139 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 WDO, § 140 Abs. 2 Satz 1 WDO, da keine Gründe vorliegen, die es unbillig erscheinen ließen, dem verurteilten früheren Soldaten seine notwendigen Auslagen tragen zu lassen.