Beschluss vom 18.06.2004 -
BVerwG 8 B 41.04ECLI:DE:BVerwG:2004:180604B8B41.04.0

Beschluss

BVerwG 8 B 41.04

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 02.03.2004 - AZ: OVG 15 A 4168/02

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 18. Juni 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht G ö d e l
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. P a g e n k o p f
und P o s t i e r
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 2. März 2004 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 4 000 € festgesetzt.

Die allein auf eine vermeintliche Grundsätzlichkeit der Sache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde ist unbegründet. Sie wendet sich im Wesentlichen gegen die inhaltliche Richtigkeit der Auslegung irrevisiblen Landesrechts; soweit sie Bundesrecht anspricht, zeigt sie keinen Klärungsbedarf auf.
Die Beschwerde stellt die Frage, "ob die im SGB VIII und im AG-KJHG NW enthaltenen Vorschriften zur Besetzung des Jugendhilfeausschusses die in ihrem Wortlaut eindeutige Vorschrift des § 58 Abs. 1 Sätze 7 bis 9 GO NW und den darin verankerten Minderheitenschutz verdrängen oder ob § 58 Abs. 1 Sätze 7 bis 9 GO NW auch auf die Besetzung des Jugendhilfeausschusses anwendbar ist".
Der Beschwerde geht es dabei allein um die Besetzung des Jugendhilfeausschusses mit beratenden Mitgliedern. Hierüber verhält sich Bundesrecht nur insoweit, als § 71 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII vorschreibt, dass Landesrecht die Zugehörigkeit beratender Mitglieder zum Jugendhilfeausschuss regelt.
Diese Zurückhaltung des Bundesgesetzgebers im Bereich des Kommunalverfassungsrechts wirft in Bezug auf Bundesverfassungsrecht keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf, jedenfalls werden sie von der Beschwerde nicht dargelegt. Die Beschwerde wendet sich stattdessen gegen die Anwendung und Auslegung des hiernach maßgeblichen Landesrechts, ohne sich mit der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts auseinander zu setzen oder darin gar einen Verstoß gegen Bundesrecht ausmachen zu können.
Gleichwohl wird folgendes angemerkt:
Bundesrecht steht dem vom Oberverwaltungsgericht gewonnenen Auslegungsergebnis nicht entgegen. Nach der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts wird das Recht der Fraktionen im Gemeinderat, für Ausschüsse, in denen sie nicht vertreten sind, beratende Mitglieder benennen zu dürfen, durch die Regelungen zu den Jugendhilfeausschüssen in § 5 AG KJHG NW verdrängt. Das Berufungsgericht hat darin keinen Verstoß gegen das in Art. 20 Abs. 1 und 2 GG verankerte Demokratieprinzip gesehen. Hiergegen ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern.
Der Senat hat dazu jüngst in seinem Urteil vom 10. Dezember 2003 - BVerwG 8 C 18.03 - (DVBl 2004, 433) ausgeführt:
"Nach Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG muss das Volk in den Ländern, Kreisen und Gemeinden eine Vertretung haben, die aus unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Diese Bestimmung überträgt die in Art. 20 Abs. 1 und 2 GG getroffene Grundentscheidung der Verfassung für die Prinzipien der Volkssouveränität und der Demokratie auf die Ebene der Gemeinden (vgl. BVerfGE 47, 253 <272>; 83, 37 <53>). Daraus folgt, dass die Gemeindevertretung, auch wenn sie kein Parlament, sondern Organ einer Selbstverwaltungskörperschaft ist, die Gemeindebürger repräsentiert (vgl. Urteil vom 27. März 1992 - BVerwG 7 C 20.91 - BVerwGE 90, 104 <105>). Diese Repräsentation vollzieht sich nicht nur im Plenum, sondern auch in den Ausschüssen des Gemeinderats (vgl. Urteil vom 27. März 1992 - BVerwG 7 C 20.91 - BVerwGE 90, 104 <113> und Beschluss vom 7. Dezember 1992 - BVerwG 7 B 49.92 - Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 87). Da sie der ganzen Volksvertretung, d.h. der Gesamtheit ihrer gewählten Mitglieder obliegt, haben alle Mitglieder grundsätzlich gleiche Mitwirkungsrechte (vgl. BVerfGE 80, 188 <217 f.>; 84, 304 <321>). Entsprechendes gilt für die Fraktionen als Zusammenschlüsse politisch gleich gesinnter Mitglieder der Volksvertretung. Auch die Fraktionen sind somit im Plenum und in den Ausschüssen grundsätzlich gleichberechtigt an der Willensbildung der Volksvertretung zu beteiligen (vgl. BVerfGE 70, 324 <362 f.>; 84, 304 <322 ff., 327 f.>)."
Der Jugendhilfeausschuss zählt nicht zu diesen Ausschüssen. Es handelt sich bei ihm um ein bundesrechtlich konstituiertes Kommunalorgan, das den so genannten beschließenden Ausschüssen des Kommunalrechts ähnelt, aber die Besonderheit aufweist, dass er nur teilweise die politischen Mehrheitsverhältnisse der Vertretungskörperschaft widerspiegelt und im Übrigen von Vertretern der freien Jugendhilfe und sachverständigen Bürgern besetzt wird (Urteil vom 15. Dezember 1994 - BVerwG 5 C 30.91 - BVerwGE 97, 223 = Buchholz 436.511 § 71 KJHG Nr. 1). Der Jugendhilfeausschuss ist danach nicht in die übliche kommunalverfassungsrechtliche Struktur eingeordnet, insbesondere gehört er als Teil des Jugendamts (vgl. § 70 SGB VIII) zur Verwaltung der Gebietskörperschaft und nicht zum Rat, sondern steht diesem gegenüber (vgl. § 71 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus §§ 13, 14 GKG.