Beschluss vom 18.03.2008 -
BVerwG 8 B 107.07ECLI:DE:BVerwG:2008:180308B8B107.07.0

Beschluss

BVerwG 8 B 107.07

  • VG Potsdam - 29.08.2007 - AZ: VG 6 K 1159/01

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 18. März 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Postier
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 29. August 2007 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 155 688 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf die Zulassung der Revision gerichtete Beschwerde hat keinen Erfolg. Es liegt keiner der dafür geltend gemachten Gründe vor.

2 1. Die behauptete Divergenz besteht im Verständnis von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht.

3 Der Kläger sieht eine Abweichung darin, dass es in dem angefochtenen Urteil heißt:
„Für eine Schädigung gemäß § 1 Abs. 1 Buchst. b VermG fehlt in der Wertermittlung und auch vom Anwendungsbereich der allein in Betracht kommenden Ministerratsbeschlüsse vom 23. Dezember 1976 und vom 28. Juli 1977 her jeder Anhaltspunkt.“

4 Dem stellt der Kläger die Aussage im Beschluss vom 9. April 2003 - BVerwG 8 B 3.03 - (juris) gegenüber, wonach auch eine Entschädigungsfestsetzung nach Maßgabe der Preisverfügung 3/82 vom Schädigungstatbestand erfasst sein könne. Bei näherer Betrachtung liegt eine Divergenz jedoch nicht vor. Zunächst verkennt der Kläger den Aussagegehalt des Beschlusses. Die fraglichen Ministerratsbeschlüsse und die Preisverfügung 3/82 kommen nicht insgesamt für eine Schädigung gemäß § 1 Abs. 1 Buchst. b VermG in Betracht, sondern nur, soweit sie Bestimmungen enthalten, die den diskriminierenden Zugriff auf das Eigentum erleichtern sollten. Das wird aus dem Zusammenhang mit den nachfolgenden Ausführungen in dem besagten Beschluss deutlich. Die Ministerratsbeschlüsse und die Preisverfügung enthielten auch nichtdiskriminierende Bestimmungen (vgl. Urteile vom 16. März 1995 - BVerwG 7 C 39.93 - Buchholz 112 § 1 VermG Nr. 39 und vom 28. April 1999 - BVerwG 8 C 3.98 - Buchholz 428 § 1 Abs. 1 VermG Nr. 4). Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist die Begründung des Verwaltungsgerichts zu sehen, nach welcher die auf die Preisverfügung Nr. 3/82 gestützte Wertermittlung vom 21. August 1986 keinen Anhalt für eine Schädigung enthält. Das Verwaltungsgericht hat also nicht der Aussage in dem fraglichen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts widersprochen sondern vielmehr unter Anwendung dieser Rechtsprechung den Schädigungstatbestand von § 1 Abs. 1 Buchst. b VermG geprüft und verneint.

5 2. Die Gehörsrüge ergibt keinen Verfahrensfehler gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.

6 a) Der Kläger hält dem Verwaltungsgericht vor, entscheidungserhebliche Ausführungen in den von ihm in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Erläuterungen und Hinweisen zur Arbeit mit dem Baulandgesetz vom 18. Januar 1985 unbeachtet gelassen zu haben. Dadurch hat die Kammer jedoch den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör nicht verletzt. Dieser Anspruch kann zwar beeinträchtigt sein, wenn Ausführungen des am Prozess Beteiligten nicht zur Kenntnis genommen und nicht in Erwägung gezogen worden sind. Daran hat es das Verwaltungsgericht aber insofern nicht fehlen lassen. Der Kläger hat unter Hinweis auf die vorgenannten Erläuterungen gemeint, das Baulandgesetz gestatte keine Enteignung zu dem Zwecke, dass Privatleute vorhandene Gebäude zu Eigenheimen umbauten. Hierauf ist das Verwaltungsgericht in seinem Urteil des näheren eingegangen. Die Vorhalte, welche der Kläger nunmehr mit seiner Beschwerde vorbringt, hat er in der mündlichen Verhandlung nicht angebracht. Allein deswegen, weil sie sich aus den Erläuterungen ergeben sollen, wird gebotenes rechtliches Gehör nicht verletzt. Eine fehlende oder fehlerhafte Anwendung von Gesetzes- oder Verwaltungsvorschriften mag die Richtigkeit des Urteils in materiellrechtlicher Hinsicht in Frage stellen; der Anspruch des Beteiligten auf ein ordnungsgemäßes Gerichtsverfahren wird dadurch nicht verletzt. Soweit der Kläger mit der Gehörsrüge auch geltend machen will, dass seine schriftsätzlichen Ausführungen zu einer fehlenden Aufnahme des Vorhabens in den Volkswirtschaftsplan vom Verwaltungsgericht nicht berücksichtigt worden seien, führt dies ebenfalls nicht zur Begründetheit der Rüge. Denn eine fehlende Aufnahme in den Volkswirtschaftsplan war ersichtlich für das Verwaltungsgericht nicht entscheidungserheblich. In der Rechtsprechung ist diese (lediglich) als möglicher Anhaltspunkt dafür angesehen worden, dass der Enteignungszweck nur vorgeschoben oder eine Gesetzesumgehung beabsichtigt gewesen sei (vgl. Beschluss vom 20. Januar 2004 - BVerwG 7 B 118.03 -). Im vorliegenden Fall hat das Verwaltungsgericht aber ausdrücklich festgestellt, dass die Enteignung zum Um- und Ausbau des vorhandenen Gebäudes durch eine Rechtsgrundlage gedeckt war.

7 b) Die Behauptung, das Verwaltungsgericht habe seinen Vortrag aus seinem Schriftsatz vom 6. Juli 2007 zu dem Wertermittlungsgutachten nicht zur Kenntnis genommen, trifft nicht zu. Das Verwaltungsgericht hat eingangs seiner Entscheidungsgründe ausgeführt, dass in der Wertermittlung jeder Anhalt für eine Schädigung nach § 1 Abs. 1 Buchst. b VermG fehle. Dass bei ihr diskriminierende Bestimmungen zur Anwendung gelangt seien, hat der Kläger nicht geltend gemacht. Deshalb konnte sich das Verwaltungsgericht auch in seiner Begründung kurz halten.

8 Unklar bleibt, woher der Kläger seinen Vorwurf nimmt, der Wertermittlungsgutachter sei von einem falschen Baujahr ausgegangen. Die Tatsache, dass das Gebäude nach Mai 1945 in eine Ausflugsgaststätte umgebaut worden war, besagt nichts über den Errichtungszeitpunkt.

9 3. Die Aufklärungsrüge ist unbegründet. Die vermisste Beweisaufnahme war nicht geboten. Einen - wie jetzt mit der Beschwerdebegründung ausformulierten - Beweisantrag hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht gestellt. Dem Verwaltungsgericht musste sich auch keine Beweisaufnahme aufdrängen. Ein Klärungsbedarf darüber, ob vor der Inanspruchnahme des Grundstücks gemäß §§ 11, 12 Baulandgesetz versucht worden war, einen Vertrag über die Übertragung des Eigentumsrechts abzuschließen, bestand nicht. Wegen der bestehenden staatlichen Verwaltung konnte damals weder mit dem Eigentümer noch mit dem Verwalter ein Kaufvertrag abgeschlossen werden. Der staatliche Verwalter hatte über Eigentumsrechte nur bei Vorliegen einer Überschuldungslage verfügen können (§ 1 Abs. 2 der Verwalterverordnung).

10 4. Der Kläger wirft schließlich als rechtsgrundsätzlich die Frage auf,
„ob eine Schädigung gemäß § 1 Abs. 1 Buchst. b VermG vorliege, wenn die Preisverfügung 3/82 vom 9. Dezember 1982 bei der Wertermittlung angewandt und die Entschädigung auf Grundlage der Wertermittlung bestimmt wurde.“

11 Eine Antwort auf diese Frage würde in dieser allgemeinen Form im angestrebten Revisionsverfahren nicht erfolgen können. Zum einen enthält die Preisverfügung, wie bereits ausgeführt, nicht nur diskriminierende Bestimmungen und zum anderen muss die (geringere) Entschädigung als Folge der Enteignung zugleich das Ergebnis einer Maßnahme sein, die ihrerseits - zumindest auch - Ursache für diese Enteignung war (Urteil vom 28. April 1999 - BVerwG 8 C 3.98 - a.a.O. m.w.N. aus der Rechtsprechung). Ob ein solcher instrumenteller Zusammenhang mit dem Zugriff auf das Grundeigentum besteht, bemisst sich nach den Besonderheiten des Einzelfalles.

12 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus §§ 47, 52 GKG.