Beschluss vom 18.03.2002 -
BVerwG 7 B 10.02ECLI:DE:BVerwG:2002:180302B7B10.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 18.03.2002 - 7 B 10.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2002:180302B7B10.02.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 10.02

  • VG Berlin - 14.09.2001 - AZ: VG 31 A 43.01

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 18. März 2002
durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts
Dr. F r a n ß e n und die Richter am Bundesverwaltungs-
gericht G ö d e l und K l e y
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nicht-zulassung der Revision in dem Urteil des
  2. Verwaltungsgerichts Berlin vom 14. September 2001 wird zurückgewiesen.
  3. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen
  4. Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
  5. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 511 291 € (entspricht 1 Million DM) festgesetzt.

Der Kläger beansprucht nach § 16 Abs. 1 Satz 1 des Investi-tionsvorranggesetzes die Erlösauskehr aus der investiven Veräußerung eines Grundstücks. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil der Kläger keinen Rückübertragungsanspruch nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Vermögensgesetzes - VermG - gehabt habe; denn das Grundstück sei nicht von einer Schädigungsmaßnahme im Sinne des § 1 VermG betroffen gewesen.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil bleibt ohne Erfolg. Es liegen weder die geltend gemachten Abweichungen von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO vor (1), noch weist der Rechtsstreit die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf (2). Schließlich sind auch keine Verfahrensfehler erkennbar, auf denen die angegriffene Entscheidung des Verwaltungsgerichts nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO beruhen kann (3).
1 a) Der Kläger sieht eine Abweichung von dem Urteil des Senats vom 5. März 1998 - BVerwG 7 C 8.97 - (Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 140) zum einen darin, dass dort als Mindestvoraussetzung einer Enteignung nach dem Aufbaugesetz die konkrete Planung von Baumaßnahmen auf dem betroffenen Grundstück gefordert werde, während das Verwaltungsgericht nicht für notwendig halte, dass das zu enteignende Grundstück selbst habe bebaut werden sollen. Eine Abweichung bestehe zum anderen darin, dass nach Auffassung des Verwaltungsgerichts eine Enteignung nach dem Aufbaugesetz ohne geplante Bebauung nicht den Tatbestand des § 1 Abs. 3 VermG erfülle, sondern eine schlichte Rechtswidrigkeit darstelle, während das Bundesverwaltungsgericht unter dieser Voraussetzung im Regelfall von einer Manipulation ausgehe.
Keine dieser Abweichungen ist erkennbar. Der Senat hat sich in der bezeichneten Entscheidung nicht zu der im Falle des Klägers entscheidungserheblichen Frage geäußert, ob das Aufbaugesetz und die dazu erlassenen Bestimmungen bei einem mehrere Grundstücke erfassenden Zugriff für ein einheitliches Bauvorhaben die Durchführung baulicher Maßnahmen auf jedem einzelnen Grundstück voraussetzen. Der Senat hat lediglich darauf hingewiesen, dass eine Enteignung nach dem Aufbaugesetz, der k e i n e konkrete Planung einer Baumaßnahme zugrunde liege, auf die Willkürlichkeit des Zugriffs hindeute.
Die auf die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 VermG zielende Abweichungsrüge des Klägers geht ebenfalls daran vorbei, dass nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts eine Baumaßnahme, nämlich die Erweiterung des VEB, durchaus konkret beabsichtigt war, das mehrere Grundstücke erfassende Gesamtkonzept allerdings keine Bebauung des bereits zuvor in den Betrieb einbezogenen Grundstücks des Rechtsvorgängers des Klägers vorsah.
b) Der Kläger rügt weiterhin eine Abweichung von den Urteilen des Senats vom 28. Oktober 1999 - BVerwG 7 C 38.98 - (Buchholz 428 § 1 Abs. 3 VermG Nr. 6) und vom 3. September 1998 - BVerwG 7 C 26.97 - (Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 160). Dort sei festgestellt, dass eine Enteignung nach dem Aufbaugesetz eine unlautere Machenschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG darstellen könne, wenn gegen den "Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, wie er im DDR-Enteignungsrecht z.B. in § 2 Abs. 2 der 2. Durchfüh-rungsbestimmung zum Aufbaugesetz vom 29.09.1972 (GBl DDR II S. 641) enthalten ist", verstoßen worden sei. In diesen Fällen sei außerdem bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 VermG eine an den Einzelumständen orientierte Beurteilung vorzunehmen. Demgegenüber stelle das Verwaltungsgericht den Rechtssatz auf, dass die Enteignung eines Grundstücks, die mit einer Baumaßnahme auf dem Nachbargrundstück begründet werde, nicht unter § 1 Abs. 3 VermG fallen könne. Diese Rüge geht wiederum an dem Inhalt des angegriffenen Urteils vorbei. Das Verwaltungsgericht hat - wie bereits oben dargelegt - eine unlautere Machenschaft verneint, weil das betroffene Grundstück, obwohl es selbst nicht habe bebaut werden sollen, in das Gesamtkonzept einer solchen Maßnahme einbezogen gewesen sei. Es hat deshalb - anders als der Kläger mit seiner Rüge voraussetzt - gerade keinen Verstoß gegen die Aufbaugesetzgebung erkennen können und selbst für den Fall eines solchen Verstoßes, also hilfsweise, diesen für nicht derart grob und offenkundig gehalten, dass von einer willkürlichen Maßnahme gesprochen werden könne. Die vom Kläger geltend gemachte Abweichung zu den herangezogenen Entscheidungen des Senats ergibt sich aus diesen Ausführungen nicht.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist auch keine Divergenz darin zu sehen, dass das Verwaltungsgericht bei der Beurteilung, ob die Enteignung als unlautere Machenschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG anzusehen sei, die maßgeblichen Einzelumstände separat geprüft und nicht die in den herangezogenen Entscheidungen für notwendig gehaltene Gesamtschau vorgenommen habe. Insoweit fehlt es bereits an der Darlegung einer Abweichung; denn der Kläger macht nicht geltend, dass das Verwaltungsgericht insoweit seinem Urteil einen von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abweichenden Rechtssatz zugrunde gelegt habe; vielmehr beanstandet er, dass das Verwaltungsgericht diese Rechtsprechung fehlerhaft angewendet habe. Die Behauptung solcher Subsumtionsfehler bezeichnet jedoch keine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO.
2. Die in diesem Zusammenhang von dem Kläger aufgeworfenen Fragen,
unter welchen Voraussetzungen nach dem Aufbaugesetz Nachbargrundstücke mitenteignet werden durften, die von der eigentlichen Baumaßnahme nicht direkt betroffen gewesen seien,
und
ob und in welchen Fällen es im Enteignungsrecht der DDR einen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gegeben habe und in welchen Konstellationen in einem Verstoß gegen diesen Grundsatz eine unlautere Machenschaft zu sehen sei,
verleihen der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die erste dieser Fragen beantwortet sich nicht nach revisiblem Recht im Sinne des § 137 Abs. 1 VwGO und kann schon deswegen nicht die Zulassung der Revision rechtfertigen. Dasselbe gilt für den ersten Teil der zweiten Frage. Bezug zu revisiblem Recht hat sie nur, soweit der Kläger beantwortet wissen will, unter welchen Voraussetzungen Verstöße gegen den von ihm näher bezeichneten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als unlautere Machenschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG anzusehen sind. Damit bezieht er sich auf § 2 Abs. 2 Satz 1 der bereits erwähnten 2. Durchführungs-bestimmung zum Aufbaugesetz, wonach die Inanspruchnahme sich nur auf die tatsächlich benötigte Grundstücksfläche erstrecken durfte. Wann ein Verstoß gegen diese Norm als unlautere Machenschaft anzusehen ist, ist jedoch - wie sich bereits aus den vom Kläger selbst herangezogenen Entscheidungen des Senats ergibt - eine Frage, die sich nur anhand der Umstände des Einzelfalls und nicht generell beantworten lässt. Abgesehen davon geht auch diese Fragestellung daran vorbei, dass das Verwaltungsgericht einen solchen Verstoß verneint hat und ihn nur hilfsweise nicht als eine willkürliche, d.h. unlautere Maßnahme im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG eingeordnet hat. Das Verwaltungsgericht ist vielmehr unter Hinweis auf eigenes Vorbringen des Klägers in der Vorinstanz davon ausgegangen, dass der Lagerplatz für den Betriebsablauf unbedingt notwendig war und deshalb die Inanspruchnahme des streitigen Grundstücks im Rahmen eines auf eine Betriebserweiterung zielenden "Gesamtkonzeptes" (vgl. S. 12 des Urteilsabdrucks) ausgesprochen nahe gelegen habe.
3. Die vom Kläger gerügten Verfahrensfehler liegen nicht vor.
a) Soweit er eine Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs darin sieht, dass das Verwaltungsgericht nicht die von ihm angemahnte Gesamtschau vorgenommen habe, geht er erneut von einem Verstoß gegen die Bestimmungen des Aufbaugesetzes aus, den das Verwaltungsgericht so nicht festgestellt hat und wendet sich daher in Wahrheit wiederum gegen die einer Verfahrensrüge entzogenen Würdigung des Sachverhalts durch die Vorinstanz. Diese Würdigung lief - wie bereits dargelegt - darauf hinaus, dass die Inanspruchnahme des Grundstücks im Blick auf die betrieblichen Notwendigkeiten "ausgesprochen nahe" lag.
b) Die daran anschließende Verfahrensrüge, das Verwaltungsgericht habe seine Aufklärungspflicht verletzt, indem es nicht näher der Frage nachgegangen sei,
- ob die dem Kläger in Rechnung gestellte Entschädigung geringer gewesen sei, als sie DDR-Bürgern zugestanden habe und
- welche wirklichen Motive hinter der Enteignung gestanden hätten,
können ebenfalls nicht zum Erfolg der Beschwerde führen. Insbesondere bezeichnet der Kläger keine konkreten Beweismittel, die für eine solche zusätzliche Sachverhaltsklärung in Betracht gekommen wären. Er übersieht im Übrigen, dass nach den Feststellungen des angegriffenen Urteils der festgesetzte Entschädigungsbetrag "genau dem Bodenrichtwert" nach Maßgabe der vom Magistrat von Berlin zum 1. Juni 1949 verfügten Absenkung der Richtpreise entsprochen habe und von dieser Preissenkung unterschiedslos alle Eigentümer, unabhängig davon, ob sie ihren Wohnsitz in der DDR hatten oder nicht, betroffen worden seien.
Schließlich zeigt der Kläger auch mit seinen Ausführungen zu seiner besonderen Betroffenheit in "verfassungsmäßigen Rechten, Grundrechten und Menschenrechten" (S. 15 ff. der Beschwerdebegründung) keine Gründe im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO auf, die geeignet wären, seiner Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen.
Von einer weiteren Begründung seines Beschlusses sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO ab.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 sowie § 73 Abs. 1 Satz 1 GKG.