Beschluss vom 17.12.2004 -
BVerwG 1 B 101.04ECLI:DE:BVerwG:2004:171204B1B101.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 17.12.2004 - 1 B 101.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:171204B1B101.04.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 101.04

  • Hessischer VGH - 17.03.2004 - AZ: VGH 6 UE 398/00.A

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 17. Dezember 2004
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts E c k e r t z - H ö f e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. M a l l m a n n und H u n d
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17. März 2004 wird verworfen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die auf Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde ist unzulässig, da sie nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entspricht.
Die Beschwerde rügt, das Berufungsgericht habe den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt. Es habe nämlich nur unzureichend zur Kenntnis genommen und berücksichtigt, dass sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vorgetragen habe, die Polizei sei vor ihrer Ausreise aus der Türkei mehrfach bei ihr zu Hause gewesen und habe sie beschuldigt, die PKK zu unterstützen, und sie "an den Haaren gezogen, unterdrückt und erniedrigt"; auch habe die Polizei von ihr den Aufenthaltsort ihres Bruders A. erfahren wollen. Aus der intensiven Einbeziehung der Klägerin in die Suche nach ihrem Bruder vor ihrer Ausreise folge, dass das ursprüngliche Interesse der Sicherheitskräfte an diesen bis heute nicht geschwunden sei und die Klägerin bei einer Rückkehr in die Gefahr geriete, mit asylerheblichen Maßnahmen seitens der Sicherheitskräfte im Rahmen der Suche nach ihrem Bruder überzogen zu werden (Beschwerdebegründung S. 1 ff.).
Damit und mit ihrem weiteren Vorbringen (vgl. dazu unten) zeigt die Beschwerde einen Verfahrensmangel nicht schlüssig auf. Das Berufungsurteil (UA S. 11) ist - selbständig tragend - darauf gestützt, dass der Klägerin bei einer Rückkehr in die Türkei eine inländische Fluchtalternative außerhalb der ehemaligen Notstandsprovinz zur Verfügung stünde, die sie auch ohne Gefahr politischer Verfolgung erreichen könnte. Hiergegen hat die Beschwerde keine durchgreifenden Revisionszulassungsgründe geltend gemacht. Schon deshalb kann sie keinen Erfolg haben.
Auch unabhängig hiervon macht die Beschwerde einen Verfahrensfehler nicht ersichtlich. Dies gilt zunächst hinsichtlich der - wie oben ausgeführt - gerügten Gehörsverletzung. Im Rechtsmittelverfahren ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Gerichte das Vorbringen der Beteiligten, wie es Art. 103 Abs. 1 GG gebietet, zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör kann deshalb nur festgestellt werden, wenn sich aus besonderen Umständen ausnahmsweise deutlich ergibt, dass das Gericht bestimmtes Vorbringen nicht oder nicht ausreichend in Erwägung gezogen hat. Derartige besondere Umstände zeigt die Beschwerde nicht auf. Sie berücksichtigt vielmehr nicht, dass das Berufungsurteil im Tatbestand das in Rede stehende Vorbringen der Klägerin - bezogen auf ihre bereits gegenüber dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge gemachten entsprechenden Angaben - im Wesentlichen wiedergibt (UA S. 2 f.) und sich auch in den Entscheidungsgründen mit dem Vortrag der Klägerin auseinander setzt, ihr drohten bei einer Rückkehr in die Türkei asylerhebliche Verfolgungsmaßnahmen aufgrund des Umstands, dass dort nach ihren Brüdern gefahndet werde.
Der Sache nach wendet sich die Beschwerde insoweit im Gewande der Gehörsrüge gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung der Tatsacheninstanz. Damit kann jedoch ein Verfahrensmangel grundsätzlich nicht begründet werden, da Fehler in der Sachverhalts- und Beweiswürdigung revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem materiellen Recht zuzuordnen sind (stRspr, vgl. z.B. Beschluss vom 12. August 1999 - BVerwG 9 B 268.99 - Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 19). So liegt es hier. Das Berufungsgericht, das ausgeführt hat, es sei nicht ersichtlich, dass heute noch nach der Klägerin landesweit gefahndet würde mit der Folge, dass sie an der Grenze aufgehalten und wegen ihrer Brüder vernommen würde (UA S. 13), hat ersichtlich das diesbezügliche Vorbringen der Klägerin als unsubstantiiert angesehen. Diese tatrichterliche Würdigung greift die Beschwerde nicht mit durchgreifenden Rügen an.
Entsprechendes gilt, soweit die Beschwerde rügt, das Berufungsgericht habe sich nicht mit dem Vorbringen der Klägerin im Schriftsatz vom 10. März 2000 auseinander gesetzt, sie sehe sich im Falle der Rückkehr in die Türkei nunmehr dem Verdacht ausgesetzt, im Ausland mit den gesuchten Brüdern kooperiert zu haben (Beschwerdebegründung S. 3). Auch insoweit zeigt die Beschwerde keine besonderen Umstände auf, aus denen sich ergibt, dass das Berufungsgericht diesen Vortrag nicht berücksichtigt hat. Davon abgesehen erläutert die Beschwerde nicht, inwiefern sich aus dem angeführten Vortrag eine Verfolgungsgefahr schlüssig ergeben soll.
Ohne Erfolg rügt die Beschwerde weiter als Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und der Sachaufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO), das Berufungsgericht habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass der frühere Prozessbevollmächtigte der Klägerin vier weitere Personen - unter entsprechender Angabe der Aktenzeichen der einschlägigen verwaltungsgerichtlichen Urteile bzw. Anerkennungsbescheide des Bundesamts - namhaft gemacht habe, derentwegen die Klägerin sippenhaftähnliche Verfolgungsmaßnahmen im Rückkehrfall befürchte (Beschwerdebegründung S. 3 ff.). Das Berufungsgericht hätte nicht nur die Akte der Brüder der Klägerin, sondern auch der weiteren angegebenen Verwandten beiziehen müssen. Das Unterlassen dieser Beiziehung stelle einen Aufklärungsmangel dar.
Auch insoweit wendet sich die Beschwerde der Sache nach gegen die den Tatsachengerichten vorbehaltene Sachverhalts- und Beweiswürdigung, ohne einen Verfahrensfehler schlüssig aufzuzeigen. Sie greift die tatrichterliche Würdigung, dass es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass nach Familienangehörigen der Klägerin noch heute in der Türkei landesweit gefahndet werde, nicht mit durchgreifenden Rügen an. Weder macht sie geltend, im Berufungsverfahren einen auf Aufklärung der von der Beschwerde angesprochenen Punkte gerichteten Beweisantrag gestellt zu haben, noch zeigt sie in einer den gesetzlichen Darlegungsanforderungen entsprechenden Weise auf, inwiefern sich dem Berufungsgericht eine solche Aufklärung hätte aufdrängen müssen. Sie gibt auch nicht an, welche konkreten Umstände das Berufungsgericht aus den beizuziehenden Akten hätten feststellen sollen, aus denen sich die von ihr gezogenen Schlussfolgerungen ergeben hätten. Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang eine Gehörsverletzung rügt, zeigt sie keine besonderen Umstände auf, aus denen sich ergibt, dass das Berufungsgericht das in Rede stehende Vorbringen der Klägerin nicht berücksichtigt hat.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 zweiter Halbsatz VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG a.F. (= § 83 b AsylVfG i.d.F. des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 5. Mai 2004, BGBl I S. 718) nicht erhoben; der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG a.F. (vgl. § 60 RVG).