Verfahrensinformation

Die Antragstellerin begehrt im Rahmen eines Normenkontrollantrags, eine Satzungsvorschrift für nichtig zu erklären, die die Verteilung von Gemeinderatssitzen auf Stadtteile in der Stadt Müllheim, der Antragsgegnerin, regelt. Die Antragstellerin ist Mitglied des Gemeinderates und Einwohnerin der Stadt. Sie meint, die Satzungsvorschrift sei im Laufe der Jahrzehnte, die seit der Eingemeindung einiger Stadtteile vergangen seien, rechtswidrig geworden, weil die eingemeindeten Stadtteile bei der Sitzverteilung im Rat heute überrepräsentiert seien. Einen entsprechenden Normenkontrollantrag hat der Verwaltungsgerichtshof als unzulässig verworfen, weil die Antragsfrist versäumt worden sei. Hiergegen richtet sich die Revision der Antragstellerin, die die Antragsfrist im Falle nachträglich rechtswidrig gewordener kommunaler Satzungsvorschriften für nicht anwendbar hält.


Urteil vom 17.10.2002 -
BVerwG 8 CN 1.02ECLI:DE:BVerwG:2002:171002U8CN1.02.0

Leitsatz:

Stellt sich die Bekanntmachung einer Kommunalsatzung als ein Akt dar, welcher der angegriffenen Vorschrift Geltung verschafft hat, dann ist es eine Frage der Begründetheit des Normenkontrollantrages, ob die Bekanntmachung wirksam ist.

  • Rechtsquellen
    VwGO § 47 Abs. 2 Satz 1

  • VGH Mannheim - 17.10.2002 - AZ: VGH 1 S 2114/99 -
    VGH Baden-Württemberg - 17.10.2002 - AZ: VGH 1 S 2114/99

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 17.10.2002 - 8 CN 1.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2002:171002U8CN1.02.0]

Urteil

BVerwG 8 CN 1.02

  • VGH Mannheim - 17.10.2002 - AZ: VGH 1 S 2114/99 -
  • VGH Baden-Württemberg - 17.10.2002 - AZ: VGH 1 S 2114/99

In der Normenkontrollsache hat der 8.Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 21. Januar 2004
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. P a g e n k o p f , K r a u ß ,
G o l z e , die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von H e i m b u r g
und den Richter am Bundesverwaltungsgericht P o s t i e r
für Recht erkannt :
Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 17. Oktober 2002 wird aufgehoben und § 1 Abs. 3 Satz 3 der Hauptsatzung der Antragsgegnerin vom 18. März 1999 für nichtig erklärt.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

I


Die Antragstellerin begehrt die Erklärung der Nichtigkeit der Bestimmung in der Hauptsatzung der Antragsgegnerin über die unechte Teilortswahl. Die maßgebliche Vorschrift in § 1 Abs. 3 lautet:
"In den Stadtteilen Britzingen, Feldberg, Hügelheim, Niederweiler und Zunzingen wird mit der nächsten Gemeinderatswahl die unechte Teilortswahl (§ 27 GemO) eingeführt. Für die Zahl der Gemeinderäte ist die nächsthöhere Gemeindegrößengruppe maßgebend (§ 25 Abs. 2 letzter Satz GemO).
Es entfallen auf die Stadtteile
a) Britzingen und Niederweiler je drei Gemeinderatsmandate,
b) Feldberg und Hügelheim je zwei Gemeinderatsmandate,
c) Zunzingen ein Gemeinderatsmandat."
Die Antragstellerin ist bei den Kommunalwahlen in Baden-Württemberg am 24. Oktober 1999 als Mitglied des Gemeinderates der Antragsgegnerin wieder gewählt worden. Sie wohnt in der Kernstadt der Antragsgegnerin.
Das Hauptamt im Bürgermeisteramt der Antragsgegnerin erarbeitete unter dem 12. November 1998 eine Vorlage an den Gemeinderat zu "Änderungen und Ergänzungen der Hauptsatzung“. Danach sollten der § 6 Abs. 3, § 12 Abs. 2, § 13 Abs. 3 und § 16 Abs. 2 Nr. 4 angepasst werden. Außerdem wurde aufgrund einer redaktionellen Überprüfung empfohlen, eine neue Fassung der Hauptsatzung zu erstellen und bekannt zu machen. Die Verwaltung sollte deshalb beauftragt werden, die Hauptsatzung als Neufassung bekannt zu machen.
Der Gemeinderat beschloss in seiner Sitzung vom 3. März 1999 die in der Vorlage enthaltenen Änderungen und Ergänzungen der Hauptsatzung und beauftragte die Verwaltung, die Hauptsatzung als Neufassung bekannt zu machen. Die Antragstellerin übergab im Verlaufe der Sitzung mehrere Anträge, die unter anderem auf eine Änderung der Sitzverteilung im Gemeinderat abzielten. Als Begründung machte sie geltend, dass bestimmte Stadtteile im Gemeinderat überrepräsentiert seien. Am Ende der Sitzung wurden die Anträge durch Verlesung zur Kenntnis genommen.
Die Antragsgegnerin machte im "Stadtkurier" vom 18. März 1999 die "Hauptsatzung der Stadt M. vom 18. März 1999" bekannt. Einleitend heißt es, dass der Gemeinderat in seiner Sitzung am 3. März 1999 die Hauptsatzung geändert und deren Neufassung wie folgt beschlossen habe. Es folgt der vollständige Text mit der "Schlussbestimmung" (§ 18):
"Diese Satzung tritt am Tage nach ihrer Bekanntmachung in Kraft.
Gleichzeitig tritt die Hauptsatzung vom 12. Mai 1972 mit allen späteren Änderungen außer Kraft."
Am 31. August 1999 hat die Antragstellerin das Normenkontrollverfahren eingeleitet und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Antrag sei nicht verfristet. Sie wende sich nicht gegen die Hauptsatzungen aus den Jahren 1973 oder 1975, da diese gemäß § 18 Abs. 2 der Hauptsatzung in der Neufassung vom 18. März 1999 außer Kraft getreten seien. Der Auffassung, der Gemeinderat habe keine Neufassung der Satzung beschlossen, insbesondere auch keinen Beschluss über den bekannt gemachten Inhalt des neuen § 18 Abs. 2 gefasst, könne nicht beigetreten werden. Der Ausfertigungsvermerk des Bürgermeisters der Antragsgegnerin vom 18. März 1999 lasse sich dahingehend verstehen, dass die Satzung neu und folglich mit konstitutiver Wirkung vom Gemeinderat beschlossen worden sei. Vor Beschlussfassung und nach intensiver Diskussion vor allem über die Regelungen des § 1 Abs. 3 der Hauptsatzung habe der Hauptamtsleiter der Antragsgegnerin erklärt, dass aufgrund der Vielzahl von Änderungen, Streichungen und Neuaufnahmen in der Satzung eine Änderungssatzung nicht mehr ausreiche. Der Gemeinderat sei deshalb aufgefordert worden, der Veröffentlichung einer Neufassung der Hauptsatzung zuzustimmen. Dementsprechend gebe das Protokoll der Gemeinderatssitzung den dort gefassten Beschluss auch dahingehend wieder, dass die Verwaltung beauftragt werde, die Hauptsatzung als Neufassung bekannt zu geben. Auch wenn § 18 Abs. 2 der neuen Hauptsatzung im Gemeinderatsprotokoll fehle, sei aufgrund der Hinweise der Verantwortlichen der Antragsgegnerin allen Gemeinderäten klar und bewusst gewesen, dass keine Änderungssatzung, sondern eine Neufassung der Hauptsatzung beschlossen werde. Insoweit sei auch ausdrücklich der Inhalt von § 18 Abs. 2 der Hauptsatzung von der Mehrheit der Gemeinderäte in der bekannt gemachten Form beschlossen worden. Das Protokoll der Gemeinderatssitzung vom 3. März 1999 sei somit nicht vollständig.
Die Antragstellerin hat beantragt,
§ 1 Abs. 3 Satz 3 der Hauptsatzung der Antragsgegnerin in der Fassung der Neubekanntmachung vom 18. März 1999 für nichtig zu erklären.
Die Antragsgegnerin ist dem Antrag mit der Begründung entgegengetreten, der Antrag sei unzulässig. Die Frist von § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO sei nicht eingehalten. Entgegen ihrem Vortrag wende sich die Antragstellerin nicht gegen die Hauptsatzung 1999, da deren § 1 Abs. 3 im Zusammenhang mit der Neubekanntmachung weder geändert noch erneut beschlossen worden sei. Der Normenkontrollantrag richte sich gegen die Hauptsatzung 1975, wenn nicht gar gegen die Hauptsatzung 1973. Es bestünden keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass das Protokoll unrichtig sei. Ausweislich des Protokolls sei in der Sitzung am 3. März 1999 nur über die schriftliche Vorlage des Hauptamtes Beschluss gefasst worden. Damit sei die schriftliche Vorlage Inhalt des Beschlusses und damit der Satzung geworden. Der Beschluss über schriftliche Vorlagen sei üblich und praktikabel und der Regelfall gerade bei Satzungsbeschlüssen. Die Antragstellerin mache auch nicht geltend, dass die Vorlage des Hauptamtes in der Sitzung des Gemeinderates schriftlich ergänzt worden sei. Ihre Auffassung, dass der protokollierte Auftrag an die Verwaltung, die Satzung neu bekannt zu machen, für die Einführung der Bestimmung von § 18 Abs. 2 genüge, sei unzutreffend.
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Urteil vom 17. Oktober 2002 den Antrag als unzulässig verworfen. Er ist der Auffassung, dass die Stellung des Normenkontrollantrages nicht fristwahrend erfolgt sei, weil die Bekanntmachung der Neufassung der Hauptsatzung vom 18. März 1999 nicht geeignet gewesen sei, die Antragsfrist von § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO hinsichtlich § 1 Abs. 3 Satz 3 der Hauptsatzung erneut in Gang zu setzen. Die durch Änderung einzelner Bestimmungen veranlasste Bekanntmachung der Neufassung einer Satzung setze die Antragsfrist hinsichtlich einer inhaltlich unverändert gebliebenen Vorschrift nicht erneut in Gang. Die Bekanntgabe der Neufassung sei kein konstitutiver Akt der Rechtsetzung gewesen und habe daher die Rechtslage nicht geändert. Bei einem Widerspruch zwischen der normativen Regelung und der Neufassung bleibe die erstere authentisch und maßgeblich. Die Antragsfrist verfolge den Zweck, die Norm alsbald vor allgemein verbindlicher Verwerfung zu schützen und ihr damit erhöhten Bestandschutz zu verschaffen. Dieser Zweck würde vereitelt, wenn jede Neufassung einer Norm auch die Antragsfrist hinsichtlich der inhaltlich von der Neufassung unberührt gebliebenen Vorschriften in Lauf setzen würde. Etwas anderes könne allenfalls dann gelten, wenn die Neufassung der gesamten Rechtsnorm durch den Normgeber selbst erfolgt sei, indem er die Norm ausdrücklich erneut beschlossen, verkündet und damit abermals mit konstitutiver Wirkung in Gang gesetzt habe.
Hiernach lasse sich nicht feststellen, dass die Bekanntmachung der neuen Fassung der Hauptsatzung vom 18. März 1999 die Frist erneut in Lauf gesetzt habe, da diese Vorschrift von den in der Sitzung vom 3. März 1999 beschlossenen inhaltlichen Änderungen nicht erfasst worden sei. Zwar könnten der Eingangssatz, der der Bekanntmachung der Hauptsatzung im "Stadtkurier" vorangestellt worden sei, und insbesondere auch § 18 Abs. 2 der Neufassung den Schluss nahe legen, der Gemeinderat habe mit dem Beschluss über die Neufassung der Hauptsatzung sämtliche Vorschriften erneut mit konstitutiver Wirkung in Gang setzen wollen. Aber aus den Unterlagen zur Neufassung der Hauptsatzung ergebe sich, dass die bekannt gemachte Neufassung in maßgeblichen Punkten von dem Text abweiche, den der Gemeinderat mit Satzungsbeschluss vom 3. März 1999 bestimmt habe, und dass den Anforderungen an eine ordnungsgemäße öffentliche Bekanntmachung nicht genügt worden sei. Der Beschluss enthalte des Weiteren lediglich die Beauftragung der Verwaltung, die Hauptsatzung als Neufassung bekannt zu machen. Folglich ergebe sich - im Widerspruch zu dem Wortlaut der öffentlichen Bekanntmachung - aus dem Protokoll gerade nicht, dass der Gemeinderat selbst eine Neufassung der Hauptsatzung und insbesondere das Außer-Kraft-Treten der Hauptsatzung vom 12. Mai 1972 mit allen späteren Änderungen (§ 18 Abs. 2) beschlossen habe.
Die von der Antragstellerin gegen die Richtigkeit bzw. Vollständigkeit des Protokolls vorgebrachten Einwände verfingen demgegenüber nicht. Die über die Verhandlung des Gemeinderates vorschriftsmäßig gefertigte Niederschrift sei eine öffentliche Urkunde, die vollen Beweis für die darin beurkundeten Vorgänge und bezeugten Tatsachen erbringe. Die Antragstellerin habe den Beweis für die Unrichtigkeit der Niederschrift nicht erbracht. Die angebotenen Beweise seien nicht substantiiert gewesen. Im Übrigen habe die Antragstellerin im Verlaufe der mündlichen Verhandlung nicht mehr an ihrer Behauptung festgehalten, dass es mit Blick auf die von ihr gestellten Anträge zur Änderung der Sitzverteilung im Gemeinderat zu einer intensiven inhaltlichen Diskussion über die Regelung in § 1 Abs. 3 der Hauptsatzung gekommen sei. Sie habe vielmehr eingeräumt, in der Gemeinderatssitzung auf einen späteren Zeitpunkt vertröstet worden zu sein. Es sei daher festzustellen, dass die Bestimmung des § 18 Abs. 2 ungültig sei und die Aufnahme von § 1 Abs. 3 Satz 3 in die Neufassung lediglich auf einem klarstellenden Akt der Verwaltung beruhe.
Selbst wenn man mit der Antragstellerin annähme, § 1 Abs. 3 Satz 3 der Hauptsatzung sei aufgrund veränderter tatsächlicher Verhältnisse nachträglich rechtswidrig geworden, so würde dies an der Unzulässigkeit des Antrages nicht ändern. Denn auch in diesem Fall müsse es bei der Zwei-Jahres-Frist verbleiben. Ein Verzicht auf das Fristerfordernis entspreche weder dem eindeutigen Wortlaut von § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO noch dem Regelungszweck. Eine gerichtliche Überprüfung der Wirksamkeit einer Rechtsnorm nach Firstablauf bleibe im Rahmen einer Inzidentkontrolle möglich.
Mit der vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision trägt die Antragstellerin vor, das angegriffene Urteil verletze Bundesrecht und beruhe auf Verfahrensfehlern.
Sie beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 17. Oktober 2002 aufzuheben und § 1 Abs. 3 Satz 3 der Hauptsatzung der Antragsgegnerin vom 18. März 1999 für nichtig zu erklären.
Die Antragsgegnerin tritt dem angegriffenen Urteil bei und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

II


Die Revision der Antragstellerin ist begründet. Das angegriffene Urteil verletzt Bundesrecht.
Der Verwaltungsgerichtshof verkennt den Regelungsgehalt von § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Danach ist ein Antrag über die Gültigkeit von im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften innerhalb von zwei Jahren nach Bekanntgabe der Rechtsvorschrift zu stellen. Die Frist für den eindeutig gestellten, sich allein gegen § 1 Abs. 3 Satz 3 der Hauptsatzung vom 18. März 1999 richtenden Antrag ist gewahrt. Die Vorschrift ist - mit der Rechtsfolge für die Antragsgegnerin aus § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO - ungültig.
1. Zwar trifft die Ausgangsüberlegung des Verwaltungsgerichtshofs zu, dass die Frist durch eine Änderung der Satzung nur neu in Gang gesetzt wird, wenn die geänderte Satzung neue Rechtsvorschriften enthält, die nunmehr angegriffen werden. Stellt sich aber die Bekanntmachung einer Satzung als ein Akt dar, welcher der angegriffenen Vorschrift Geltung verschafft hat, dann ist es eine Frage der Begründetheit des Normenkontrollantrages, ob die Bekanntmachung wirksam ist.
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass ein Normenkontrollantrag auch dann statthaft ist, wenn gerade strittig ist, ob eine Norm formell rechtsgültig erlassen worden ist (Beschluss vom 2. Juni 1992 - BVerwG 4 N 1.90 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 66). Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass das Normenkontrollverfahren im Interesse der Rechtssicherheit, der Einheitlichkeit der Rechtsanwendung und auch der Verfahrensökonomie zur Verfügung gestellt ist, damit über aufgetretene Zweifel an der Gültigkeit einer Rechtsvorschrift im Rang unter dem förmlichen Gesetz allgemein verbindlich entschieden werden kann. Dementsprechend betreffen Zweifel daran, ob der Vorgang der Inkraftsetzung der angegriffenen Norm den einschlägigen Rechtsvorschriften entspricht, Fragen der Be-
gründetheit des Normenkontrollantrages (Beschluss vom 10. April 1996 - BVerwG 4 NB 8.96 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 114). Gleiches hat auch zu gelten, wenn der Normgeber davon ausgeht, dass die angegriffene Rechtsvorschrift neu gestaltet sei. Hier hat die Antragsgegnerin laut Bekanntmachung vom 18. März 1999 eine neue Hauptsatzung in Kraft gesetzt, wie sich dies aus der Einleitung ihrer Veröffentlichung und der Schlussbestimmung in § 18 der Hauptsatzung ergibt. Der Streit geht deshalb um die Geltung von § 1 Abs. 3 Satz 3 der Hauptsatzung vom 18. März 1999 als neue Norm und ist insoweit rechtzeitig anhängig geworden. Die Anknüpfung der Frist an die Bekanntmachung der Altfassung scheitert indes an deren vermeintlicher Aufhebung.
Würde der Streit über die Gültigkeit einer Norm nur eine qualifizierte Prozessvoraussetzung betreffen, wäre das Ergebnis ohne praktischen Gewinn. Denn beträfe die den Anlass zum Normenkontrollantrag gebende Bekanntmachung keine Neuregelung, könnte die auf Verwerfung des Antrages gehende gerichtliche Entscheidung nur zwischen den Beteiligten wirken, eine Allgemeinverbindlichkeit dergestalt, dass damit allseits feststünde, es handele sich um eine Nicht-Norm, träte nicht ein. Die Beteiligten wären nicht daran gehindert, in allen anderen Fällen bei ihren unterschiedlichen Rechtsauffassungen zu verbleiben. Ein solches Ergebnis würde dem Sinn von § 47 VwGO widersprechen und der Rechtssicherheit nicht dienen.
2. Der Senat kann die Nichtigkeit von § 1 Abs. 3 Satz 3 der Hauptsatzung vom 18. März 1999 selbst erklären (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, dass die am 18. März 1999 im "Stadtkurier" bekannt gemachte Neufassung der Hauptsatzung in maßgeblichen Punkten von dem vom Gemeinderat beschlossenen Text des Satzungsbeschlusses vom 3. März 1999 abweicht und deshalb den gesetzlichen Anforderungen an eine ordnungsgemäße öffentliche Bekanntmachung nicht genügt. Die von der Revision insoweit erhobenen Verfahrensrügen haben keinen Erfolg (dazu unter Nr. 4), so dass der Senat an die getroffenen Feststellungen gebunden ist (§ 137 Abs. 2 VwGO). Danach liegt zwar formal eine Rechtsnorm vor, die aber materiell ungültig ist, weil sie in ihrer Gesamtheit nicht durch den vom Gemeinderat gewollten Inhalt gedeckt ist. Dem Satzungsgeber ging es nur um die Änderung einiger Vorschriften der alten Hauptsatzung und um die Neubekanntmachung der Hauptsatzung mit den beschlossenen Änderungen, ein Beschluss über eine Neufassung mit gleichzeitiger Aufhebung der geänderten Hauptsatzung liegt nicht vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat zu Recht aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) den Rechtssatz abgeleitet, dass die Wirksamkeitsvoraussetzungen für eine Satzungsnorm nicht erfüllt sind, wenn die Norm nicht mit dem vom Gemeinderat beschlossenen Wortlaut bekannt gemacht wird bzw. die bekannt gemachte Norm so nicht beschlossen worden ist. Ein nach dem Rechtsstaatsprinzip ausgestaltetes Bekanntmachungsverfahren setzt voraus, dass die Rechtsnorm nicht mit einem anderen als dem vom Normgeber gewollten Inhalt veröffentlicht wird (vgl. Beschluss vom 16. Mai 1991 - BVerwG 4 NB 26.90 - BVerwGE 88, 204 = Buchholz 406.11 § 12 BBauG/BauGB Nr. 18 m.w.N.). Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs haben die vom Gemeinderat gemäß der Vorlage des Hauptamtes vom 12. November 1998 beschlossenen Änderungen bestimmter Vorschriften der Hauptsatzung die Sitzverteilung in § 1 Abs. 3 Satz 3 der Hauptsatzung nicht bestätigt, sondern diese Bestimmung der Hauptsatzung in der Altfassung unverändert gelassen. Daraus folgt zwar, dass die Antragstellerin durch diese Neufassung nicht neu beschwert ist. Aber da § 47 VwGO eine dem § 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO entsprechende, den gerichtlichen Entscheidungszugriff in materieller Hinsicht begrenzende Regelung nicht enthält (Urteil vom 16. Dezember 1999 - BVerwG 4 CN 9.98 - BVerwGE 110, 203 <209> = Buchholz 140 Art. 6 EMRK Nr. 7
S. 2 <6 f.>), hängt der Erfolg ihres Normenkontrollantrages nicht von ihrer Rechtsverletzung ab.
Einer Nichtigkeitserklärung der gesamten Hauptsatzung steht § 88 VwGO entgegen. Danach ist das Normenkontrollgericht an die Anträge gebunden. Ein Ausgreifen über die beanstandete Bestimmung hinaus auf weitere Bestimmungen derselben Rechtsnorm aus denselben Gründen ist hier - anders als für das Bundesverfassungsgericht nach § 78 Satz 2 BVerfGG - nicht zulässig. Deshalb konnte nur antragsgemäß entschieden werden. Ihr eigentliches Rechtsschutzziel - die Aufhebung der umstrittenen Sitzverteilung - vermag die Antragstellerin damit allerdings nicht zu erreichen.
3. Der Antragstellerin hilft auch ihr Vorbringen im Revisionsverfahren nicht weiter, dass sich der Normenkontrollantrag zugleich gegen ein Unterlassen der Antragsgegnerin richte, welches darin bestehe, § 1 Abs. 3 Satz 3 der Hauptsatzung nicht an die geänderten tatsächlichen Umstände angepasst zu haben. § 47 VwGO schließt zwar Klagen nicht aus, mit denen ein Anspruch auf Erlass oder Änderung einer untergesetzlichen Rechtsnorm geltend gemacht wird (Urteil vom 4. Juli 2002 - BVerwG 2 C 13.01 - Buchholz 240 § 49 BBesG Nr. 2). Aber der zusätzlichen Verfolgung dieses Rechtsschutzbegehrens noch im vorliegenden Verfahren steht entgegen, dass Antragsänderungen im Revisionsverfahren nicht statthaft sind (vgl. § 142 Abs. 1 VwGO). Mit der Ergänzung des auf Kassation abzielenden Normenkontrollantrages um einen Antrag betreffend Normerlass würde der Streitgegenstand geändert. Das ginge über eine statthafte Antragserweiterung im Sinne von § 173 VwGO i.V.m. § 264 ZPO hinaus.
4. Mit ihren Verfahrensrügen hat die Antragstellerin keinen Erfolg. Da sie einen unbedingten Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung nicht gestellt hat, brauchte der Verwaltungsgerichtshof den nur vorsorglich gestellten Antrag nicht förmlich zu bescheiden (vgl. § 86 Abs. 2 VwGO). Auch die Rüge mangelhafter Sachaufklärung ist nicht berechtigt. Der Verwaltungsgerichtshof ist in seinem angegriffenen Urteil eingehend auf die Behauptung der Antragstellerin über den nach ihrer Ansicht erfolgten Verlauf der fraglichen Gemeinderatssitzung eingegangen (UA S. 11 f.). Aus revisionsrechtlicher Sicht ist daran nichts zu erinnern. Die aufgezeigte Differenz zwischen dem Inhalt der Sitzungsniederschrift und dem Ausfertigungsvermerk bzw. dem Eingangssatz in der Bekanntmachung spricht nicht schlüssig für die Unrichtigkeit des mit dem Protokoll Beurkundeten. Der Einwand der Antragstellerin geht fehl, sie sei der angeblichen Unrichtigkeit des Sitzungsprotokolls gleichsam wehrlos ausgeliefert, wenn die Führung des Gegenbeweises erschwert werde. Gemäß § 38 Abs. 1 Satz 2 der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg hat sie in der Gemeinderatssitzung die Möglichkeit, richtig stellende Erklärungen oder eigene Anträge protokollieren zu lassen, die ebenfalls an der urkundlichen Beweiskraft teilnehmen würden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.