Beschluss vom 17.08.2006 -
BVerwG 10 B 30.06ECLI:DE:BVerwG:2006:170806B10B30.06.0

Beschluss

BVerwG 10 B 30.06

  • OVG Rheinland-Pfalz - 15.02.2006 - AZ: OVG 9 C 10680/04

In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 17. August 2006
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Vallendar, Prof. Dr. Rubel
und Dr. Nolte
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz (Flurbereinigungsgericht für Rheinland-Pfalz und das Saarland) vom 15. Februar 2006 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf die Revisionszulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (grundsätzliche Bedeutung) und des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (Verfahrensmangel) i.V.m. § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2 1. Als grundsätzlich bedeutsam wirft die Beschwerde die Fragen auf,
„ob das Flurbereinigungsrecht gemäß § 3 Abs. 1 Ziff. 7 Bundesbodenschutzgesetz dem Bodenschutzrecht vorrangig ist, wenn Weinberge, die Altlasten im Sinne des § 2 Abs. 5 Bundesbodenschutzgesetz sind, flurbereinigt werden sollen, ob mithin in diesem Sinne das Flurbereinigungsgesetz - bspw. in § 37 - Regelungen enthält, die sich mit Einwirkungen auf den Boden befassen“,
„ob eine Flurbereinigung im Sinne des § 4 erforderlich und das Interesse der Beteiligten gegeben ist, wenn im Rahmen der Flurbereinigung eine Altlastsanierung dergestalt zu betreiben ist, dass die Sanierungskosten Ausführungskosten darstellen, die auf die Teilnehmer umzulegen sind (§ 19 Abs. 1 FlurbG) - mit anderen Worten, ob es legitimes Ziel einer Flurbereinigung (auch) sein kann, dass die vor dem Flurbereinigungsbeschluss bestehende Einzelverantwortlichkeit des Grundstückseigentümers im Wege der Flurbereinigung sozialisiert wird“,
„ob bei bekannter Altlasteneigenschaft von Grundstücken vor Erlass des Flurbereinigungsbeschlusses der Sanierungsaufwand insbesondere zur Feststellung des Interesses der Beteiligten kostenmäßig v o r der Beschlussfassung nach § 4 ermittelt werden muss, um die Erforderlichkeit und das Interesse der Beteiligten ermitteln zu können oder ob dies im Verlauf der Flurbereinigung geschehen kann, mit der vom OVG gebilligten Folge, dass eine zu hohe Kostenbelastung zur späteren Einstellung nach § 9 FlurbG führen kann“ und
„ob es sich überhaupt um ‚nachträglich eingetretene Umstände’ im Sinne des § 9 FlurbG handeln kann, wenn bereits im Zeitpunkt des Flurbereinigungsbeschlusses die Sanierungsbedürftigkeit bekannt war, nur ihr Kostenvolumen noch nicht“.

3 Grundsätzliche Bedeutung kann nur solchen Fragen zukommen, die sich in einem Revisionsverfahren stellen würden. Daran fehlt es, wenn das Oberverwaltungsgericht Tatsachen, die vorliegen müssten, damit sich die mit der Nichtzulassungsbeschwerde angesprochene Rechtsfrage in einem Revisionsverfahren stellen würde, nicht festgestellt hat (vgl. etwa Beschluss vom 30. Juni 1992 - BVerwG 5 B 99.92 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 309 S. 43). Das ist hier, ohne dass die Beschwerde insoweit - wie zu zeigen sein wird - eine durchgreifende Verfahrensrüge erhoben hätte, der Fall.

4 Die erste Frage nach dem Verhältnis von Flurbereinigungsrecht und Bodenschutzgesetz steht unter der Voraussetzung, dass Weinberge „Altlasten im Sinne des § 2 Abs. 5 Bundesbodenschutzgesetz sind“. Tatsächliche Feststellungen, die diese Voraussetzung erfüllen, hat das Oberverwaltungsgericht jedoch nicht getroffen. Ebenso wenig hat das Oberverwaltungsgericht Tatsachen festgestellt, die den Schluss auf eine „bekannte Altlasteneigenschaft von Grundstücken vor Erlass des Flurbereinigungsbeschlusses“ zulassen (dritte Frage). Schließlich enthält die Entscheidung auch nicht die Feststellung, dass „bereits im Zeitpunkt des Flurbereinigungsbeschlusses die Sanierungsbedürftigkeit bekannt war (vierte Frage). Das Oberverwaltungsgericht ist vielmehr, wie sich etwa aus seiner Unterstellung ergibt, Flächen im Verfahrensgebiet könnten sich später als sanierungsbedürftig erweisen (UA S. 16), gerade nicht von einem Sanierungsbedarf zum Zeitpunkt des Flurbereinigungsbeschlusses sowie zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (UA S. 12) ausgegangen.

5 Dasselbe gilt auch für die zweite von der Beschwerde aufgeworfene Frage jedenfalls insoweit, als sie sich darauf bezieht, ob eine Flurbereinigung im Sinne des § 4 FlurbG „erforderlich“ ist. Denn zumindest in diesem Zusammenhang, für den es auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ankommt, ist das Oberverwaltungsgericht nicht davon ausgegangen, dass eine „Altlastsanierung ... zu betreiben ist“. Ob im Zusammenhang mit dem Kriterium des „Interesses der Beteiligten“ etwas anderes gilt, weil das Oberverwaltungsgericht im Rahmen der Prüfung der Kostenbelastung die Möglichkeit einer Sanierungsbedürftigkeit von Flächen im Verfahrensgebiet unterstellt hat, kann offen bleiben. Denn die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob die von ihr wegen der Regelung des § 19 Abs. 1 FlurbG befürchtete „Sozialisierung“ bodenschutzrechtlicher Einzelverantwortlichkeiten von Grundstückseigentümern der Anordnung der Flurbereinigung entgegensteht, lässt sich, ohne dass es hierzu der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedürfte, auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung beantworten. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist nämlich geklärt, dass die Berücksichtigung etwaiger unterschiedlicher Vorteile zwar nicht im Rahmen des § 19 Abs. 1 FlurbG, wohl aber durch die Absätze 2 und 3 dieser Vorschrift bei der Heranziehung der Teilnehmer zu den Beiträgen im konkreten Fall gewährleistet ist (Urteil vom 25. November 1970 - BVerwG 4 C 80.66 - Buchholz 424.01 § 19 FlurbG Nr. 6 S. 7; Urteil vom 15. Mai 1986 - BVerwG 5 C 33.84 - BVerwGE 74, 196 <197> m.w.N. = Buchholz 424.01 § 19 FlurbG Nr. 12). Die Möglichkeit des Eintritts unterschiedlicher Vorteile der Teilnehmer steht deswegen dem Erlass eines Flurbereinigungsbeschlusses nach § 4 FlurbG nicht entgegen.

6 2. Auch die von der Beschwerde erhobene Verfahrensrüge greift nicht durch.

7 Eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) sieht die Beschwerde darin, dass sich das Oberverwaltungsgericht trotz unterschiedlicher Aussagen in den von den Beteiligten vorgelegten Sachverständigengutachten „einseitig auf die Seite des Beklagten“ begeben und eine Rebenschädlichkeit der Schwermetallbelastung verneint habe. Damit rügt die Beschwerde der Sache nach aber einen - angeblichen - Fehler in der Beweiswürdigung durch das Oberverwaltungsgericht, der revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzuordnen ist und einen Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO grundsätzlich nicht begründen kann (vgl. Beschluss vom 2. November 1995 - BVerwG 9 B 710.94 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266 S. 18 f.). Anhaltspunkte für das Vorliegen des möglichen Ausnahmefalles einer gegen Denkgesetze verstoßenden oder sonst von Willkür geprägten Sachverhaltswürdigung sind nicht erkennbar. Denn das Oberverwaltungsgericht geht davon aus, dass das vom Kläger vorgelegte Gutachten Aussagen zur Pflanzenverfügbarkeit nicht treffe, während der Gutachter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung die gemessene Schwermetallkonzentration wegen der pH-Werte in keinem Fall als pflanzentoxisch eingeschätzt habe. Das Oberverwaltungsgericht stützt sich bei seiner Sachverhaltswürdigung mithin in nachvollziehbarer und im vorliegenden Zusammenhang nicht zu beanstandender Weise auf einen weitergehenden, im Gutachten des klägerischen Sachverständigen nicht enthaltenen Aussagegehalt der gutachterlichen Stellungnahme des Sachverständigen des Beklagten. Auf dieser Grundlage ist es ebenfalls nicht zu beanstanden, dass das Oberverwaltungsgericht - anders als von der Beschwerde gefordert - kein weiteres Sachverständigengutachten eingeholt hat, weil sich dies nach dem dargelegten Inhalt der beiden Gutachten jedenfalls nicht aufgedrängt hat (vgl. zu diesem Kriterium Urteil vom 6. Oktober 1987 - BVerwG 9 C 12.87 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 31 S. 2 m.w.N.). Aufgrund der besonderen Besetzung des Flurbereinigungsgerichts mit sachverständigen Richtern (§ 139 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 FlurbG) ist dieses im Übrigen nur unter besonderen Umständen gehalten, Sachverständige heranzuziehen, etwa in Fällen, die schwierig gelagert sind oder besondere Spezialkenntnisse erfordern (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. September 1989 - BVerwG 5 B 146.88 - Buchholz 424.01 § 139 FlurbG Nr. 14 m.w.N.). Die Beschwerde hat nicht dargelegt, dass die Einschätzung der Rebschädlichkeit der Schwermetallbelastung durch das Oberverwaltungsgericht unter diesem Aspekt fehlerhaft ist.

8 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 52 Abs. 2, § 47 Abs. 1 und 3 GKG.