Beschluss vom 17.07.2008 -
BVerwG 6 B 5.08ECLI:DE:BVerwG:2008:170708B6B5.08.0

Beschluss

BVerwG 6 B 5.08

  • Niedersächsisches OVG - 16.10.2007 - AZ: OVG 11 LB 231/07

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 17. Juli 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bardenhewer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Graulich und Dr. Bier
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 16. Oktober 2007 wird verworfen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die mit „Revisionszulassungsbeschwerde und Revision“ überschriebene Antragsschrift wird als Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Oberverwaltungsgericht betreffend einen Platzverweis nach § 17 Abs. 1 NdsSOG verstanden. Soweit der Kläger bereits vorsorglich einen Revisionsantrag gestellt hat, steht dieser ausdrücklich unter dem Vorbehalt einer vorherigen Zulassung durch das Bundesverwaltungsgericht im Beschwerdeverfahren und soll nur für diesen Fall gestellt werden. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg und ist deshalb zu verwerfen. Dem Beschwerdevorbringen sind lediglich Anhaltspunkte für eine Grundsatz- (1.) sowie eine Verfahrensrüge (2.) zu entnehmen, deren Voraussetzungen aber nicht erfüllt sind.

2 1. Nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt die Darlegung des Zulassungsgrundes der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlichen noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.>) VwGO Nr. 26). Diese Anforderungen erfüllt das Rügevorbringen nicht.

3 Zur Begründung der Beschwerde führt der Kläger aus, das Oberverwaltungsgericht sehe als Rechtsgrundlage für den streitgegenständlichen Platzverweis die Regelung in § 17 Abs. 1 Satz 1 NdsSOG an. Danach könne die Polizei zur Abwehr einer Gefahr jede Person vorübergehend von einem Ort verweisen oder ihr vorübergehend das Betreten eines Ortes verbieten. Das Oberverwaltungsgericht führe in seinen Urteilsgründen aus, dass von dem Begriff der öffentlichen Ordnung nur elementare Wertvorstellungen, die als unerlässliche Mindestanforderungen für ein gedeihliches Zusammenleben anzusehen seien, erfasst würden. Insoweit werde dem Urteil gefolgt. Widersprochen werde aber der daran anschließenden Ansicht des Berufungsgerichts, wonach eine derartige unerlässliche Mindestanforderung die Verpflichtung sei, dass Erwachsene das Selbstvertrauen von Kindern und Jugendlichen stärkten und alles unterließen, was zur Verunsicherung von Kindern und Jugendlichen beitrüge, wobei auf die Sicht eines objektiven Dritten abzustellen sei (Beschwerdeschrift S. 5). Die Frage sei somit von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung, ob subjektive Vorstellungen von Kindern und Jugendlichen einen Platzverweis zu rechtfertigen vermöchten. Die Beantwortung dieser Frage sei für viele Fälle von Bedeutung. Das Interesse an einer einheitlichen Auslegung und Anwendung des Rechts im Bereich der Gefahrenabwehr im Zusammenhang mit der öffentlichen Ordnung verlange nach einer Klärung (Beschwerdeschrift S. 7).

4 Diese Rüge führt nicht zum Erfolg, weil die Beantwortung der Frage nicht im Wege einer Revision erreicht werden kann. Sie gehört nämlich dem revisionsrechtlich nicht überprüfbaren niedersächsischen Landesrecht an (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Nach den Ausführungen im angegriffenen Berufungsurteil war der streitgegenständliche Platzverweis zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung i.S.v. § 17 Abs. 1 i.V.m. § 2 Nr. 1 Buchst. a NdsSOG erforderlich. Zu den in diesem Sinne „elementaren Wertvorstellungen, die als unerlässliche Mindestanforderungen für ein gedeihliches Zusammenleben anzusehen sind“, zählt das Oberverwaltungsgericht die Verpflichtung, dass Erwachsene das Selbstvertrauen von Kindern und Jugendlichen zu stärken und alles zu unterlassen haben, was zur Verunsicherung von Kindern und Jugendlichen beiträgt. Dabei sei auf die Sicht eines objektiven Dritten abzustellen (Urteil S. 12 bis 13). Diese Annahme des Oberverwaltungsgerichts müsste vom Revisionsgericht in einem Revisionsverfahren als Ergebnis der Anwendung von Landesrecht grundsätzlich hingenommen werden. Dass der Begriff der öffentlichen Ordnung auch im Recht der Gefahrenabwehr anderer Bundesländer Verwendung findet, ändert daran nichts.

5 Soweit die Beschwerde rügt, die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zur Störung der öffentlichen Ordnung seien mit den Grundrechten nicht vereinbar, sind die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung ebenfalls nicht erfüllt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vermag die Nichtbeachtung von Bundesrecht bei der Auslegung und/oder Anwendung von Landesrecht die Zulassung der Revision allenfalls dann zu begründen, wenn die Auslegung der - gegenüber dem Landesrecht als korrigierender Maßstab angeführten - bundesrechtlichen Norm ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (vgl. Beschlüsse vom 15. Dezember 1989 - BVerwG 7 B 177.89 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 277 und vom 1. September 1992 - BVerwG 11 B 24.92 - Buchholz 310 § 137 VwGO Nr. 171). Die angeblichen bundesrechtlichen Maßgaben, deren Tragweite und Klärungsbedürftigkeit im Hinblick auf die einschlägigen landesrechtlichen Regelungen sowie die Entscheidungserheblichkeit ihrer Klärung in dem anhängigen Verfahren sind in der Beschwerdebegründung darzulegen (vgl. Beschluss vom 19. Juli 1995 - BVerwG 6 NB 1.95 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 104). Ausführungen dazu sind der Beschwerde nicht zu entnehmen.

6 2. Soweit der Beschwerde Anhaltspunkte für eine Verfahrensrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zu entnehmen sind, bleibt auch diese ohne Erfolg. Ein Verfahrensmangel i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist nämlich nur dann bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird (vgl. Beschluss vom 10. November 1992 - BVerwG 3 B 52.92 - Buchholz 303 § 314 ZPO Nr. 5; Weyreuther, Revisionszulassung und Nichtzulassungsbeschwerde in der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte, 1971, Rn. 222 m.w.N.). Daran fehlt es hier. Stattdessen setzt sich die Beschwerdebegründungsschrift im Stil einer Berufungsbegründung kritisch mit den Gründen der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts auseinander und fasst den eigenen Standpunkt dahin zusammen, unter Zugrundelegung der festgestellten Tatsachen und unter Außerachtlassung der Annahmen, für die kein Beweis vorliege, sei der Platzverweis als rechtswidrig zu qualifizieren. Es bleibt unklar, inwiefern diese Ausführungen auf eine angeblich fehlerhafte Anwendung materiellen Rechts gerichtet sind oder eine verfahrensfehlerhafte Ermittlung des vom Berufungsurteil für maßgeblich gehaltenen Sachverhalts betreffen. Jedenfalls fehlt es an der Benennung des für verletzt gehaltenen einschlägigen Verfahrensrechts und der die Rüge begründenden Tatsachen.

7 3. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen, weil er unterlegen ist (§ 154 Abs. 1 VwGO). Der Streitwert bestimmt sich nach § 52 Abs. 2 GKG.

Beschluss vom 17.09.2008 -
BVerwG 6 B 63.08ECLI:DE:BVerwG:2008:170908B6B63.08.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 17.09.2008 - 6 B 63.08 - [ECLI:DE:BVerwG:2008:170908B6B63.08.0]

Beschluss

BVerwG 6 B 63.08

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 17. September 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bardenhewer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Graulich und Dr. Bier
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge des Klägers gegen den Beschluss des Senats vom 17. Juli 2008 - BVerwG 6 B 5.08 - wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Rügeverfahrens.

Gründe

1 Die Anhörungsrüge hat keinen Erfolg. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs gebietet, dass das Gericht die Ausführungen der Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens zur Kenntnis nimmt und in Erwägung zieht. Er verlangt nicht, dass es der Rechtsauffassung eines Beteiligten folgt (Beschluss vom 31. August 2006 - BVerwG 6 B 4.06 ). Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist demnach nicht verletzt, wenn das Gericht aus Gründen des materiellen Rechts oder des Prozessrechts zu einem anderen Ergebnis gelangt, als der Beteiligte es für richtig hält (Beschluss vom 3. Januar 2006 - BVerwG 7 B 103.05 - ZOV 2006, 40). Der Kläger hat nicht aufgezeigt, dass der Senat bei der Beurteilung der Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision entscheidungserheblichen Vortrag aus der Nichtzulassungsbeschwerde nicht zur Kenntnis genommen oder nicht in seine Erwägungen einbezogen hat.

2 Die Anhörungsrüge richtet sich gegen die Entscheidung des Senats über die zweite Grundsatzrüge in der durch den Beschluss vom 17. Juli 2008 verworfenen Nichtzulassungsbeschwerde. Die Entscheidung folgt rechtlich insoweit aus der in ständiger Rechtsprechung vertretenen Ansicht zu § 132 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO, wonach die angeblichen bundesrechtlichen Maßgaben, deren Tragweite und Klärungsbedürftigkeit im Hinblick auf die einschlägigen landesrechtlichen Regelungen sowie die Entscheidungserheblichkeit ihrer Klärung in dem anhängigen Verfahren in der Beschwerdebegründung darzulegen sind, und tatsächlich aus dem Umstand, dass der Kläger dazu nichts ausgeführt hat (vgl. Beschluss S. 4). Entgegen dem Vorbringen in der Anhörungsrüge sind diese Anforderungen weder „überspannt“ noch Ausdruck dessen, dass das Vorbringen des Klägers „nur selektiv zur Kenntnis“ genommen worden sei.

3 Der vom Senat zu Grunde gelegte rechtliche Maßstab forderte vom klägerischen Beschwerdevorbringen nichts Außergewöhnliches, sondern die Einhaltung der in ständiger Rechtsprechung verlangten Darlegungspflichten; dem hat die Beschwerde nicht genügt. In der behaupteten „selektiven“ Kenntnisnahme des klägerischen Vorbringens liegt kein Verstoß gegen das rechtliche Gehör, weil in die Begründungserwägungen der gerichtlichen Entscheidung nur einzubeziehen ist, was nach dem erheblichen rechtlichen Maßstab tragend ist. Die Richtigkeit des im angegriffenen Beschluss zu Grunde gelegten Maßstabs selbst kann mit der Anhörungsrüge nicht in Frage gestellt werden.

4 Ohne Erfolg bleibt die Anhörungsrüge auch, soweit sie es unternimmt, eine - in der Nichtzulassungsbeschwerde unterlassene - für klärungsbedürftig gehaltene Frage des Bundesrechts zu formulieren (Anhörungsrügeschrift S. 5 ff.). Sie unterstreicht damit nämlich nicht die angebliche Überspanntheit der rechtlichen Anforderungen im streitgegenständlichen Beschluss, sondern die Richtigkeit der Annahme, dass das Vorbringen in der Nichtzulassungsbeschwerde unzulänglich war.

5 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.