Beschluss vom 17.07.2003 -
BVerwG 5 B 223.02ECLI:DE:BVerwG:2003:170703B5B223.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 17.07.2003 - 5 B 223.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:170703B5B223.02.0]

Beschluss

BVerwG 5 B 223.02

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 04.06.2002 - AZ: OVG 14 A 664/98

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 17. Juli 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. S ä c k e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. R o t h k e g e l und
Prof. Dr. B e r l i t
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 4. Juni 2002 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 12 271 € (entspricht 24 000 DM) festgesetzt.

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts ist nicht begründet. Die vorgetragenen Zulassungsgründe bestehen nicht.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufnahmebescheides nach § 27 BVFG a.F. mit einer doppelten Begründung verneint, nämlich "zum einen" mit der fehlenden deutschen Volkszugehörigkeit der "maßgeblichen Bezugspersonen" (hier des Vaters und der Mutter der Klägerin zu 1) und "zum anderen" mit dem Fehlen einer "der Klägerin zu 1. bis zum Eintritt ihrer Selbständigkeit prägend im Sinne eines durch Weitergabe hergestellten Bekenntniszusammenhangs" vermittelten "Bekenntnislage" (S. 10 f. des Berufungsurteils). Beide Erwägungen tragen das Berufungsurteil jeweils selbständig. Die Revision gegen dieses Urteil kann daher nur zugelassen werden, wenn in Bezug auf beide Erwägungen Zulassungsgründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO vorgetragen sind und vorliegen. Dies ist aber nicht der Fall.
Von den vorgetragenen Gründen für eine Revisionszulassung betrifft nur die erhobene Verfahrensrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) die Frage der Volkszugehörigkeit (hier: des Vaters der Klägerin zu 1). Insoweit macht die Beschwerde zum einen geltend, das Oberverwaltungsgericht habe überraschenderweise die deutsche Volkszugehörigkeit des Vaters der Klägerin zu 1 verneint. Dabei habe es seine Überzeugung ohne ausreichende Erforschung des Sachverhalts gebildet. Verfahrensfehler in dieser Hinsicht sind indessen nicht zu erkennen.
Das Oberverwaltungsgericht hat zum einen keine Überraschungsentscheidung getroffen, indem es die deutsche Volkszugehörigkeit des Vaters der Klägerin zu 1 verneint hat. Das Berufungsgericht hat auf die Beschwerde der Beklagten die Berufung gegen das der Klage stattgebende Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, weil ernstliche Zweifel an der Richtigkeit dieses Urteils bestünden (Beschluss vom 3. Juli 1998). Bereits im Beschwerdeverfahren hatte die Beklagte "eine überwiegend deutsche Prägung der Familien" in Abrede gestellt (S. 3 des Beschwerdeschriftsatzes vom 3. Februar 1998) und hatte der Beigeladene, der dem Antrag auf Zulassung der Berufung beigetreten ist , sich unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit vom 20. Februar 1998 den Standpunkt der Beklagten zu eigen gemacht, "dass bereits in der Person des Vaters ... der Klägerin die Voraussetzungen des § 6 BVFG nicht erfüllt sind" (S. 4 des Schriftsatzes vom 20. Februar 1998). Die Beklagte selbst hat sodann im Berufungsverfahren auf ihre Ausführungen zur Begründung des Antrags auf Berufungszulassung sowie auf die Ausführungen des Beigeladenen verwiesen (S. 2 des Schriftsatzes vom 16. März 1999). Den Klägern ist vom Berufungsgericht mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung Gelegenheit gegeben worden, "diejenigen Tatsachen anzugeben, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung ... im verwaltungsgerichtlichen Verfahren der/die Kläger sich beschwert fühlt, (und) zu den für die Erteilung des Aufnahmebescheides maßgebenden Voraussetzungen Tatsachen anzugeben, Beweismittel zu bezeichnen ...". Die Frage der deutschen Volkszugehörigkeit des Vaters der Klägerin ist damit Teil des Sach- und Streitstandes gewesen, zu dem die Kläger sich im Sinne des § 108 Abs. 2 VwGO äußern konnten und den das Berufungsgericht nach Absatz 1 dieser Vorschrift seiner Entscheidung hat zugrunde legen müssen. Verfahrensrecht gebot ihm unter diesen Umständen nicht, den Verfahrensbeteiligten die Gründe, auf die es seine Entscheidung stützen werde, zuvor offen zu legen; darum ist es - entgegen der Ansicht der Beschwerde - nicht zu beanstanden, dass "ein rechtlicher Hinweis des Berufungsgerichts in der mündlichen Verhandlung ..., dass der Vater der Klägerin zu 1) nicht deutscher Volkszugehöriger ist, ... nicht erfolgt (ist)".
Auch unter dem Gesichtspunkt der gerichtlichen Amtsermittlungspflicht aus § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann ein dem Berufungsurteil anhaftender Verfahrensfehler nicht festgestellt werden. Das Oberverwaltungsgericht hätte "den Beweisanträgen aus der Klageschrift am 02.02.1996, dort Seite 4" nur nachgehen müssen, wenn sich ihm die Notwendigkeit einer weiteren Sachverhaltsaufklärung in diesem Punkte hätte aufdrängen bzw. ein diesbezüglicher, in der mündlichen Verhandlung gestellter (vgl. § 86 Abs. 2 VwGO) Beweisantrag ihm hierzu Veranlassung hätte geben müssen. Die Beschwerde legt aber nicht dar, in welcher Hinsicht solche Voraussetzungen in Bezug auf die im Klagebegründungsschriftsatz vom 2. Februar 1996 gegenüber dem Verwaltungsgericht und erneut in der Beschwerdeschrift benannten Zeugen und den dortigen Sachvortrag erfüllt waren. Zudem lässt die Beschwerde nicht erkennen, dass und aus welchen verfahrensrechtlichen Gründen die Kläger die Umstände, die aus der Sicht der Vorinstanz gegen die Annahme einer "in der Familie des Vaters der Klägerin zu 1. (vorherrschenden) volksdeutsche(n) Bewusstseinslage" sprachen (S. 11 des Berufungsurteils), nicht gegen sich gelten lassen müssen.
Bei dieser Sachlage ist dem auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO gestützten Beschwerdevorbringen, das sich auf die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Frage der Vermittlung einer solchen Bewusstseinslage bezieht (S. 13 ff. des Berufungsurteils), nicht nachzugehen.
Die Beschwerde ist darum mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 101 ZPO, § 162 Abs. 3 VwGO zurückzuweisen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1, § 14 Abs. 1 GKG.