Beschluss vom 17.06.2008 -
BVerwG 7 B 26.08ECLI:DE:BVerwG:2008:170608B7B26.08.0

Beschluss

BVerwG 7 B 26.08

  • Bayerischer VGH München - 30.01.2008 - AZ: VGH 9 B 05.3146

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 17. Juni 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Sailer
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Krauß und Neumann
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30. Januar 2008 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 7 500 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Der Kläger hält auf einem Grundstück Pferde. Im Jahr 2004 waren dort drei Pferde und ein Anfang April geborenes Fohlen in ganzjähriger Freilandhaltung untergebracht.

2 Mit Bescheid vom 8. April 2004 ordnete die Beklagte an, dem Kläger das neugeborene Fohlen und dessen Mutterstute fortzunehmen sowie so lange auf seine Kosten anderweitig pfleglich unterzubringen, bis eine den Anforderungen des § 2 TierSchG entsprechende Haltung durch ihn sichergestellt ist.

3 Mit weiterem Bescheid vom 13. April 2004 gab die Beklagte dem Kläger auf, für die Pferde einen - näher beschriebenen - ausreichenden künstlichen Witterungsschutz sicherzustellen und eine - ebenfalls näher beschriebene - den hygienischen Anforderungen entsprechende Wasserversorgung zu gewährleisten.

4 Im Berufungsverfahren hat der Verwaltungsgerichtshof die gegen diese beiden Bescheide gerichteten Klagen abgewiesen.

II

5 Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist unbegründet. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, vgl. 1.). Es liegt auch kein geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, vgl. 2.).

6 1. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. Daran fehlt es hier.

7 Die Beschwerde hält zunächst für grundsätzlich klärungsbedürftig folgende Frage:
Ist der Begriff der „Pflege“ und der „verhaltensgerechten Unterbringung“ in § 2 Nr. 1 TierSchG in Bezug auf die ganzjährige Freilandhaltung von Pferden so zu verstehen, dass zwingend (bei Fehlen eines natürlichen Witterungsschutzes) ein künstlicher Witterungsschutz mit drei geschlossenen Wänden zu errichten ist?

8 Diese Frage ist keine Rechtsfrage. Sie lässt sich nicht aufgrund der Auslegung des revisiblen Rechts beantworten. Vielmehr ist ihre Beantwortung nur aufgrund sachverständiger Beurteilung im Einzelfall möglich.

9 Weiter hält die Beschwerde für grundsätzlich klärungsbedürftig folgende Frage:
Ist es zulässig, dass trotz eines erlassenen Verwaltungsaktes, bei dem Sofortvollzug angeordnet ist, für den gleichen Sachverhalt ein neuer inhaltlich identischer Verwaltungsakt erlassen und nicht aus dem ersten Bescheid vollstreckt wird?

10 Diese Frage setzt einen Sachverhalt voraus, den der Verwaltungsgerichtshof nicht festgestellt hat. In dem Berufungsurteil wird insoweit ausgeführt, im Gegensatz zu dem Bescheid vom 13. April 2004 habe ein früherer Bescheid vom 24. Mai 2002 bezüglich der Tränke nicht die Bodenverhältnisse, sondern die Wasserqualität geregelt. In Bezug auf die Anforderungen an einen Witterungsschutz sei der damalige Bescheid von wesentlich anderen Tatsachen (und damit von einem anderen Sachverhalt) ausgegangen, die den gegenwärtigen Verhältnissen nicht mehr entsprächen. Die Beklagte habe im Verfahren verbindlich erklärt, von dem früheren belastenden Verwaltungsakt keinen Gebrauch mehr zu machen. Angesichts dessen ist die Auffassung des Berufungsgerichts, der Bescheid vom 13. April 2004 leide nicht deshalb an einem Rechtsfehler, weil die Beklagte ihren früheren Bescheid aus dem Jahre 2002 hätte vollstrecken können, eine - im Übrigen rechtlich nicht zu beanstandende - Beurteilung des Einzelfalls.

11 2. Es liegt kein geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

12 a) Der Verwaltungsgerichtshof hat den vom Kläger gestellten Beweisantrag, Frau I. als Zeugin zu vernehmen, nicht in verfahrensfehlerhafter Weise abgelehnt. Er hat vielmehr den Antrag mit der Begründung abgelehnt, dass nach seiner Auffassung die zu beweisende Tatsache für den Rechtsstreit nicht entscheidungserheblich ist. Für die Frage, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, ist auf die materiellrechtliche Auffassung des Tatsachengerichts abzustellen. Ist danach eine Frage nicht entscheidungserheblich, bedurfte es hierzu keiner Beweisaufnahme.

13 b) Auch den Antrag des Klägers, Herrn Prof. S. als Sachverständigen zu vernehmen, hat das Berufungsgericht verfahrensfehlerfrei abgelehnt. Es hat ausgeführt, es halte eine weitere Begutachtung nach Vorlage des schriftlichen Sachverständigengutachtens durch zwei Sachverständige und deren Anhörung in der mündlichen Verhandlung nicht für geboten. Dies ist nicht zu beanstanden. Eine Verpflichtung zur Einholung eines zusätzlichen Sachverständigengutachtens besteht nur unter besonderen Voraussetzungen. Diese liegen vor, wenn das Gutachten dem Gericht nicht die zur Beurteilung der entscheidungserheblichen Frage erforderliche Sachkunde zu vermitteln vermocht und deshalb die Bildung der für die Entscheidung notwendigen richterlichen Überzeugung nicht ermöglicht hätte. In diesem Sinne können Gutachten als Grundlage für die Überzeugungsbildung des Tatsachengerichts ungeeignet oder zumindest unzureichend sein, wenn sie offen erkennbare grobe Mängel oder unauflösliche Widersprüche aufweisen oder von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgehen (stRspr, vgl. etwa Urteil vom 6. Februar 1985 - BVerwG 8 C 15.84 - BVerwGE 71, 38 <45> = Buchholz 303 § 414 ZPO Nr. 1). Liegen solche Mängel dagegen - wie hier - nicht vor, darf auch ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Antrag auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens abgelehnt werden.

14 c) Eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) liegt auch nicht darin, dass das Berufungsgericht Herrn Dr. A. und Frau I. nicht als Zeugen vernommen hat. Der Kläger hatte deren Vernehmung schriftlich angeregt, aber nicht in der mündlichen Verhandlung beantragt. Deshalb läge ein Verfahrensfehler allenfalls dann vor, wenn sich dem Verwaltungsgerichtshof zumindest die Vernehmung eines der beiden benannten Zeugen hätte aufdrängen müssen. Davon kann angesichts der umfassenden Aufklärung des Sachverhalts durch den Gerichtshof keine Rede sein.

15 d) Der Verwaltungsgerichtshof hat auch den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 VwGO) nicht verletzt. Die Beschwerde behauptet, das Gericht habe seine Überzeugung ohne ausreichende Erforschung des Sachverhalts gebildet. Sie legt aber nicht ordnungsgemäß dar (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), auf welche Tatsachen sie diese Behauptung stützt.

16 Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang erneut eine Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) rügt, liegt diese nicht vor. Wie oben ausgeführt, musste es sich dem Verwaltungsgerichtshof angesichts der durchgeführten umfangreichen Sachverhaltsaufklärung nicht aufdrängen, weiteren Beweisangeboten des Klägers nachzugehen.

17 Auch eine in diesem Zusammenhang gerügte Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO) liegt nicht vor. Es ist nicht davon auszugehen, dass der Verwaltungsgerichtshof entscheidungserheblichen Vortrag des Klägers nicht zur Kenntnis genommen und in seine Erwägungen einbezogen hat.

18 e) Ein Fehler des gerichtlichen Verfahrens kann auch nicht in einer fehlenden Anhörung des Klägers durch die Beklagte vor Erlass der Bescheide liegen. Ein Fehler des Verwaltungsverfahrens kann allenfalls unter ganz besonderen Voraussetzungen zu einem Fehler des gerichtlichen Verfahrens führen. Davon kann hier keine Rede sein.

19 f) Schließlich ist die Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht in verfahrensfehlerhafter Weise erfolgt. Auf die obigen Ausführungen zum Sachverständigenbeweis wird Bezug genommen. Die weiteren von der Beschwerde geltend gemachten Fehler bei der Beweisaufnahme liegen nicht vor.

20 Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

21 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.