Beschluss vom 17.01.2013 -
BVerwG 4 B 18.12ECLI:DE:BVerwG:2013:170113B4B18.12.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 17.01.2013 - 4 B 18.12 - [ECLI:DE:BVerwG:2013:170113B4B18.12.0]

Beschluss

BVerwG 4 B 18.12

  • Schleswig-Holsteinisches VG - - AZ: VG 1 A 204/07
  • Schleswig-Holsteinisches OVG - 15.12.2011 - AZ: OVG 1 LB 19/10

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 17. Januar 2013
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Petz und Dr. Decker
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 15. Dezember 2011 wird zurückgewiesen.
  2. Die Beigeladenen tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu je 1/4.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 30 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Der gerügte Verfahrensmangel liegt nicht vor.

2 Die Beschwerde rügt einen Verstoß gegen den in § 88 VwGO normierten Grundsatz „ne ultra petita“. Sie macht geltend, das Berufungsgericht sei durch seinen Urteilsspruch, mit dem es den Beklagten verpflichtet habe, „den Muschelfischereibetrieben der Beigeladenen das Einbringen von importierten Miesmuscheln in den Nationalpark ‚Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer’ zu untersagen“, in unzulässiger Weise von dem Klagebegehren, so wie es sich aus dem im Widerspruchsverfahren sowie in zwei Instanzen gegenständlichen Streit ergeben habe, abgewichen. Der Kläger habe sich in dem gesamten Verfahren gegen die unter Verletzung seiner Mitwirkungs- bzw. Beteiligungsrechte erteilte fischereirechtliche Befreiung zum Import von Miesmuscheln mit der Herkunft Großbritannien und Irland gewehrt und aus dieser Verletzung seinen Anspruch auf die Untersagung dieser Importe abgeleitet. Der von ihm gestellte Klageantrag, den Beklagten „zu verpflichten, den Muschelfischereibetrieben der Beigeladenen das Einbringen der importierten Miesmuscheln einschließlich der Begleitarten in den Nationalpark ‚Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer’ zu untersagen“, habe sich somit konsequenterweise nur auf die importierten Miesmuscheln britischer oder irischer Herkunft bezogen. Einer Hinzufügung dieses Zusatzes habe es nicht bedurft, weil durch den bestimmten Artikel „der“ vor „importierten Miesmuscheln“ ausreichend Klarheit über den Inhalt und die Zielrichtung des Antrages bestanden habe. In der Berufungsbegründung habe der Kläger einen weitgehend identischen Antrag gestellt mit der Abweichung, dass statt des bestimmten Artikels „der“ es jetzt „von“ importierten Miesmuscheln geheißen habe. Materiell-rechtlich unterscheide sich dieser Antrag trotz der sprachlichen Abweichung nicht von dem erstinstanzlichen Antrag. Dass der Kläger an seinem ursprünglichen Klageantrag habe festhalten wollen, ergebe sich schon aus den beiden hilfsweise beantragten Beweiserhebungen durch Sachverständigengutachten, die sich ebenfalls auf aus Großbritannien und Irland eingeführte Muscheln bezögen. Habe somit das Klagebegehren ein eindeutiges, konkretes Ziel vor Augen gehabt, nämlich das Verbot der aus den Herkunftsgebieten Großbritannien und Irland importierten Besatzmuscheln, mit dem sich das Oberverwaltungsgericht auch in seinen Urteilsgründen auseinander gesetzt habe, wähle es in seinem Urteilstenor, der den Beklagten verpflichte, „den Muschelfischereibetrieben der Beigeladenen das Einbringen von importierten Miesmuscheln in den Nationalpark ‚Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer’ zu untersagen“, eine generalisierende, d.h. abstrakte Verbotsformel, die über den eigentlichen Streitgegenstand und die Zielsetzung des Klägers zu Lasten der Beigeladenen hinausgehe. Aus der Untersagungsverfügung für die Importe aus einem konkreten Herkunftsgebiet werde eine Untersagungsverfügung für alle importierten Miesmuscheln, gleich aus welchem Herkunftsland. Eine solche Verallgemeinerung könne aber weder aus dem Sachvortrag des Klägers noch aus den vorliegenden Unterlagen, aus denen das Gericht seine Erkenntnisse für den konkreten Fall abgeleitet habe, begründet werden.

3 Der gerügte Verstoß gegen § 88 VwGO liegt nicht vor. Die von der Beschwerde angenommene Prämisse, dass sich der geltend gemachte Untersagungsanspruch nur auf importierte Miesmuscheln britischen oder irischen Ursprungs bezogen habe, trifft nicht zu. Bei sachgerechter Auslegung ist das Klagebegehren vielmehr so zu verstehen, dass es dem Kläger von Anfang an darum ging, das Einbringen von importierten Miesmuscheln in den Nationalpark „Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer“ generell untersagen zu lassen, um auf diese Weise seine Mitwirkungs- bzw. Beteiligungsrechte durchzusetzen, die der Beklagte in Abrede stellt, weil er eine natur- oder artenschutzrechtliche Befreiung oder Genehmigung neben einer fischereirechtlichen Freigabe der Importe generell nicht für erforderlich hält. Über dieses Klagebegehren ist das Oberverwaltungsgericht nicht hinausgegangen.

4 Der Wortlaut des Klageantrags (Gerichtsakte Bl. 581) ist insoweit klar und eindeutig. Ausdrücklich beantragt hat der Kläger in der Berufungsinstanz, „den Beklagten ... unter Aufhebung der (erteilten Bescheide) ... zu verpflichten, den Muschelfischereibetrieben der Beigeladenen das Einbringen von importierten Miesmuscheln einschließlich der Begleitarten in den Nationalpark ‚Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer’ zu untersagen“. Von diesem Wortlaut ist das Oberverwaltungsgericht bei der Formulierung des Tenors nur insoweit abgewichen, als es auf den Zusatz „einschließlich der Begleitarten“ verzichtet hat, offensichtlich deshalb, weil es diesem keine eigenständige Bedeutung beigemessen hat. Das kommentiert die Beschwerde nicht. Im Übrigen gibt der Tenor des Berufungsurteils den Klageantrag wortidentisch wieder.

5 Dafür, dass der durch einen Anwalt formulierte Wortlaut des Klageantrags - wie die Beschwerde meint - über das tatsächlich Gewollte hinausgehe und deshalb einschränkend auszulegen sei, weil das Klagebegehren in Wahrheit lediglich auf die konkrete Untersagung der Miesmuschelimporte aus irischen und britischen Küstengewässern beschränkt gewesen sei, sprechen weder die von der Beschwerde angeführten Gründe noch sonstige Umstände.

6 Unzutreffend ist insbesondere die Behauptung der Beschwerde, der Streitgegenstand habe sich in dem gesamten Verfahren auf die Besatzmuschelimporte aus Großbritannien und Irland beschränkt. In der erstinstanzlichen Klagebegründung führt der Kläger aus, dass er als anerkannter Naturschutzverein „von der Beklagten aufsichtsbehördliches Einschreiten gegen den Import von Miesmuscheln in das Gebiet des Nationalparks Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer“ begehre, und ferner, dass die Beteiligten darüber stritten, „ob neben einer fischereirechtlichen Freigabe der Importe durch das insoweit zuständige Amt ... auch eine naturschutzrechtliche Befreiung und eine artenschutzrechtliche Genehmigung durch die Beklagte nötig wären“ (Gerichtsakte Bl. 2). Miesmuschelimporte aus Großbritannien und Irland werden in der erstinstanzlichen Klagebegründung namentlich überhaupt nicht erwähnt; sie werden nur insoweit thematisiert, als der Kläger ausführt, er habe Kenntnis davon erhalten, dass das für Fischereirecht zuständige Amt den Beigeladenen „für den Import von Miesmuscheln eine Befreiung von den Verboten des § 40 Abs. 4 Landesfischereigesetz erteilt“ habe. Angesichts dessen verbietet sich die Annahme, dass es dem Kläger - wie die Beschwerde annimmt - lediglich um eine abschließende naturschutzfachliche und -rechtliche Bewertung der konkret durchgeführten Muschelimporte aus britischen und irischen Küstengewässern gegangen wäre. Klageziel war vielmehr, das Einbringen von importierten Miesmuscheln in den Nationalpark „Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer“ - entsprechend dem Wortlaut des Klageantrags - generell untersagen zu lassen, um auf diese Weise die natur- und artenschutzrechtlichen Mitwirkungs- bzw. Beteiligungsrechte des Klägers bei allen Importen durchzusetzen, die nach seiner Auffassung durch eine fehlerhafte behördliche Abgrenzung des Naturschutz- und des Fischereirechts seitens des Beklagten unterlaufen worden seien. Dies hat der Kläger in seiner im Rahmen des Beschwerdeverfahrens abgegebenen Stellungnahme noch einmal ausdrücklich bestätigt.

7 In Anbetracht dieses in Wortlaut und Begründung des Klageantrags klar zum Ausdruck kommenden Klagebegehrens ist es auch nicht so, dass die in der Berufungsinstanz gewählte Formulierung (Gerichtsakte Bl. 581), der Beigeladenen das Einbringen „von“ importierten Miesmuscheln zu untersagen, gegenüber der im erstinstanzlichen Verfahren verwendeten Formulierung, das Einbringen „der“ importierten Miesmuscheln zu untersagen (Gerichtsakte Bl. 411 f.), - wie von der Beschwerde geltend gemacht - als unzulässige Erweiterung des erstinstanzlichen Klagebegehrens im Berufungsverfahren zu qualifizieren wäre. Darin kommt vielmehr eine in der Berufungsinstanz vorgenommene sprachliche Präzisierung des Klagebegehrens zum Ausdruck, die eine generelle Untersagung aller ohne Mitwirkung des Klägers zugelassenen Muschelimporte als Klageziel bestätigt.

8 Von diesem Klagebegehren ist auch das Oberverwaltungsgericht ausgegangen, wie insbesondere im Tatbestand des Berufungsurteils deutlich zum Ausdruck kommt. Dort findet sich die einleitende Formulierung, der Kläger wolle mit seiner Klage erreichen, dass der Beklagte den Beigeladenen untersagt, importierte Miesmuscheln in die zum Nationalpark „Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer“ gehörenden Küstengewässer einzubringen (UA Rn. 1). Aus der einleitenden Formulierung in den Entscheidungsgründen (UA Rn. 19), der Kläger könne beanspruchen, „dass der Beklagte den Beigeladenen das Einbringen aus britischen und irischen Küstengewässern importierter Miesmuscheln in den Nationalpark ‚Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer’ untersagt“, auf die die Beschwerde hinweist, ergibt sich nichts Gegenteiliges. Sie dient ersichtlich der Begründung der vorausgehenden Aussage, der in Frage stehende fischereirechtliche Bescheid und der ihn bestätigende Widerspruchsbescheid seien rechtswidrig und verletzten den Kläger in seinen Rechten. Diese Aussage hat auch im Fall einer generellen Untersagung aller ohne Mitwirkung des Klägers zugelassenen Muschelimporte ihre Berechtigung und spricht ebenfalls nicht für die von der Beschwerde befürwortete einschränkende Auslegung des Klagebegehrens. Gleiches gilt, soweit die Beschwerde darauf verweist, dass das Oberverwaltungsgericht auch in seiner weiteren Begründung ausschließlich auf die Besatzmuschelimporte aus Großbritannien und Irland abstellt, und soweit der Kläger in der Berufungsinstanz hilfsweise die Einholung von Sachverständigengutachten zu Tatsachen beantragt hat, die sich auf die aus Großbritannien und Irland importierten Muscheln beziehen.

9 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO, die Streitwertfestsetzung stützt sich auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.