Beschluss vom 16.11.2015 -
BVerwG 1 B 76.15ECLI:DE:BVerwG:2015:161115B1B76.15.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 16.11.2015 - 1 B 76.15 - [ECLI:DE:BVerwG:2015:161115B1B76.15.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 76.15

  • VG Düsseldorf - 28.06.2007 - AZ: VG 18 K 6148/06.A
  • OVG Münster - 17.08.2015 - AZ: OVG 3 A 2496/07.A

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 16. November 2015
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 17. August 2015 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

2 1. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor.

3 1.1 Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine abstrakte, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts mit einer über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen Bedeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder im Interesse der Rechtsfortbildung in einem Revisionsverfahren geklärt werden muss. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn sich die aufgeworfene Frage im Revisionsverfahren nicht stellen würde, wenn sie bereits geklärt ist bzw. aufgrund des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden kann oder wenn sie einer abstrakten Klärung nicht zugänglich ist (BVerwG, Beschluss vom 1. April 2014 - 1 B 1.14 - AuAS 2014, 110).

4 1.2 Die von der Beschwerde als grundsätzlicher Klärung bedürftig bezeichnete Frage,
"ob an sich legitime Maßnahmen eines Verfolgerstaates - wie hier die Abwehr terroristischer Bestrebungen - in politischer Verfolgung umschlagen kann, wenn sie mit einer Vielzahl menschenrechtswidriger Übergriffe (wie willkürlicher Inhaftierung, Misshandlung und ähnlichem) einhergeht und ob dies dann zu einem Verfolgungsprogramm im Sinne politischer Verfolgung führen kann",
rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Denn die rechtlichen Voraussetzungen für die Annahme einer Gruppenverfolgung nach Maßgabe eines staatlichen Verfolgungsprogramms, an denen auch unter Geltung der Richtlinie 2004/83/EG festzuhalten ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. Februar 2010 - 10 B 18.09 - juris), sind in der höchstrichterlichen Rechtsprechung grundsätzlich geklärt (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. April 2009 - 10 C 11.08 - Buchholz 402.242 § 60 Abs. 1 AufenthG Nr. 39 m.w.N.).

5 1.3 Der Sache nach greift die Beschwerde die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Berufungsgerichts an (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Fehler in der Sachverhalts- und Beweiswürdigung sind nach ständiger Rechtsprechung revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzuordnen, ohne dass aber insoweit eine beachtliche Rüge erhoben worden ist.

6 Die Beschwerde richtet sich gegen die Bewertung des Oberverwaltungsgerichts, es sei auch in Ansehung einer Vielzahl von Maßnahmen nicht von einem staatlichen Verfolgungsprogramm im Sinne einer Verfolgung der Tamilen wegen ihrer ethnischen Volkszugehörigkeit auszugehen. Denn zum einen sei ein derartiges Verfolgungsprogramm nicht festzustellen. Zum anderen dienten die Maßnahmen, die insoweit von den Sicherheitsbehörden Sri Lankas ergriffen würden, grundsätzlich der Bekämpfung terroristischer Bestrebungen seitens der (insbesondere) LTTE. Sie erhielten ihre Legitimation durch den sog. "Prevention of Terrorism act" und es sei Aufgabe des Staates, derartigen Gefahren für seinen Bestand entschlossen entgegen zu treten. Bei dieser Bewertung hat das Berufungsgericht entgegen der Auffassung der Beschwerde schon im rechtlichen Ansatz nicht verkannt, dass allein die objektive Gerichtetheit auf die Bekämpfung etwa terroristischer Bestrebungen nicht ausschließt, dass dabei auch politische Verfolgung stattfinden kann. Das Berufungsgericht führt auch in Würdigung des herangezogenen und ausgewerteten Erkenntnismaterial aus, dass und aus welchen Gründen sich nach wie vor nicht annehmen lasse, dass Tamilen im allgemeinen allein aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit landesweit oder regional einer Gruppenverfolgung ausgesetzt seien, weil es insoweit an der für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderlichen Verfolgungsdichte fehle, und auch kein Anzeichen für ein allein an die Ethnie anknüpfendes staatliches Verfolgungsprogramm erkennbar sei, dessen Umsetzung bereits eingeleitet wäre oder alsbald bevorstünde. Das Vorbringen der Klägerin, dass diese Argumentation "einer grundsätzlichen Überprüfung in einem Revisionsverfahren" bedürfe, zielt im Kern nicht auf eine Rechtsfrage, sondern auf die dem Tatsachengericht vorbehaltene Bewertung der Verfolgungslage.

7 2. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

8 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG; Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.