Beschluss vom 16.03.2005 -
BVerwG 3 B 134.04ECLI:DE:BVerwG:2005:160305B3B134.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 16.03.2005 - 3 B 134.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2005:160305B3B134.04.0]

Beschluss

BVerwG 3 B 134.04

  • VG Gera - 22.09.2004 - AZ: VG 2 K 903/00 GE

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 16. März 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. D r i e h a u s sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht
L i e b l e r und Prof. Dr. R e n n e r t
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Gera vom 22. September 2004 wird verworfen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Die Beschwerde ist unzulässig. Die Klägerin hat weder das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch wegen eines Verfahrensfehlers (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) entsprechend den Anforderungen von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargetan.
1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn zu erwarten ist, dass die Entscheidung im künftigen Revisionsverfahren dazu dienen kann, die Rechtseinheit in ihrem Bestand zu erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Auf die Frage, ob und in welcher Beziehung von der Revision ein solcher Erfolg zu erwarten ist, muss im Rahmen der Darlegungspflicht wenigstens durch die Bezeichnung der konkreten Rechtsfrage, die sowohl für die Entscheidung des Berufungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Revisionsverfahren erheblich sein wird, eingegangen werden. Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung erfordert ferner mindestens einen Hinweis auf den Grund, der ihre Anerkennung rechtfertigen soll (Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> und vom 6. März 2003 - BVerwG 3 B 115.02 -).
Das Verwaltungsgericht hat angenommen, dass ein objektiver Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit und Menschlichkeit für einen Anspruchsausschluss nach § 1 Abs. 4 AusglLeistG nicht ausreiche, sondern ein nicht unerhebliches persönliches schuldhaftes Verschulden hinzukommen müsse. Es hat sodann das Verhalten des Rechtsvorgängers der Klägerin anhand dieses Maßstabes gewürdigt. Die Klärung der Frage, ob und wie konkret das subjektive Fehlverhalten nachzuweisen sei, rechtfertigt eine Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht. Dass das Gericht vom Vorliegen der Voraussetzungen des Ausschlusstatbestandes überzeugt sein muss, liegt auch ohne die Durchführung eines Revisionsverfahrens auf der Hand. Die weiter aufgeworfene Frage, welcher Art und Güte belastendes Material im Zusammenhang mit Verstößen gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit bei § 1 Abs. 4 AusglLeistG sein müsse, insbesondere ob Hinweise, die lediglich Schlussfolgerungen darstellen oder zulassen, ausreichend seien, lässt sich nicht allgemein, sondern nur anhand der Umstände jedes Einzelfalls beantworten.
2. Die Klägerin sieht einen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör und gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht darin, dass das Gericht wesentliche ihrer Bekundungen nicht berücksichtigt und die Vorgänge, die es seiner Entscheidung als Tatsachen zugrunde gelegt habe, nicht nach Datum und Seitenzahl in den Behördenakten gekennzeichnet habe. Außerdem seien diese Unterlagen während der mündlichen Verhandlung weder vorgelegt noch eingesehen, sondern nur pauschal zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.
Insoweit fehlt es an der nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO gebotenen Substanziierung der erhobenen Verfahrensrügen. Die Beschwerde lässt jegliche Ausführungen dazu vermissen, was die Klägerin - wäre der vermeintliche Verstoß gegen das Gebot rechtlichen Gehörs unterblieben - ergänzend vorgetragen hätte und inwieweit dies von Bedeutung für den Ausgang des Verfahrens gewesen wäre. Ebenso bleibt völlig offen, welche weiteren Sachverhaltsermittlungen unterblieben sein sollen, die sich dem Gericht hätten aufdrängen müssen. Beweisanträge wurden von der auch erstinstanzlich anwaltlich vertretenen Klägerin nicht gestellt. Ebenso wenig wird der Vorwurf näher unterlegt, das Gericht habe nicht versucht, den Rechtsvorgänger der Klägerin Entlastendes zu ermitteln. Die Beschwerdebegründung enthält insoweit allein den Hinweis auf eine schriftliche Äußerung des damaligen technischen Leiters des Betriebs, die von der Klägerin im Verwaltungsverfahren vorgelegt worden sei und die das Gericht im Urteil nicht erwähnt und erörtert habe. Der Grundsatz rechtlichen Gehörs gemäß § 108 Abs. 1 VwGO, wonach in dem Urteil die Gründe anzugeben sind, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind, erfordert jedoch nicht, dass sich das Gericht in der Entscheidung mit jeglichem Vorbringen auseinander setzt. Hier hat das Gericht einen Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit und damit einen Ausschlussgrund im Sinne von § 1 Abs. 4 AusglLeistG darin begründet gesehen, dass der Rechtsvorgänger der Klägerin in nicht unerheblicher Zahl französische Zwangsarbeiter für die Reparatur von Wehrmachtsfahrzeugen beschäftigt habe. Die Art und Weise der Rekrutierung von Zwangsarbeitern durch den Rechtsvorgänger der Klägerin sei selbst bei der Wehrmacht auf Missbilligung gestoßen. Die Beschwerde enthält keinen Hinweis darauf, inwieweit die damalige Aussage des Betriebsleiters für diese Sachwürdigung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung gewesen sein soll. Diese Aussage bezog sich zum einen darauf, dass der Betriebsleiter eingestellt worden sei, obgleich der Rechtsvorgänger der Klägerin Kenntnis von seinen politischen Aktivitäten gehabt habe; seine schriftliche Erklärung vom 15. Mai 1990 befasst sich mit der damaligen wirtschaftlichen Situation der Firma. Auch ansonsten ist ein Verstoß gegen § 108 VwGO nicht dargetan, eine seitenmäßige Präzisierung der vom Verwaltungsgericht herangezogenen Angaben war nicht geboten. Soweit die Klägerin eine Einsichtnahme in die Behörden- und Gerichtsakten in der mündlichen Verhandlung vermisst, hätte es ihr offen gestanden, diese im Vorfeld der mündlichen Verhandlung durch ein entsprechendes Akteneinsichtsgesuch zu erreichen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 52 Abs. 2 GKG.