Beschluss vom 16.02.2012 -
BVerwG 8 B 3.12ECLI:DE:BVerwG:2012:160212B8B3.12.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 16.02.2012 - 8 B 3.12 - [ECLI:DE:BVerwG:2012:160212B8B3.12.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 3.12

  • VG Potsdam - 07.04.2011 - AZ: VG 1 K 9/09

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 16. Februar 2012
durch die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
Dr. Hauser und Dr. Held-Daab
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge der Kläger gegen den Beschluss vom 30. November 2011 - BVerwG 8 B 59.11 - wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Gründe

1 Die Anhörungsrüge hat keinen Erfolg.

2 Die Kläger greifen mit ihrer Anhörungsrüge die rechtliche Würdigung des Senats als fehlerhaft an und wollen auf diese Weise eine erneute Überprüfung des Beschwerdevorbringens in einem fortgeführten Beschwerdeverfahren erreichen. Das ist nicht Aufgabe und Gegenstand einer Anhörungsrüge (vgl. dazu u.a. Beschlüsse vom 1. April 2008 - BVerwG 9 A 12.08 <9 A 27.06 > - und vom 24. November 2011 - BVerwG 8 C 13.11 <8 C 5.10 > - jeweils juris). Sie stellt keinen Rechtsbehelf zur Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses dar. Es handelt sich vielmehr um ein formelles Recht, das dann greift, wenn das Gericht entscheidungserhebliches Vorbringen der Beteiligten nicht in ausreichendem Maße zur Kenntnis genommen und sich mit ihm nicht in der gebotenen Weise auseinandergesetzt hat. Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht jedoch nicht, dem Tatsachenvortrag oder der Rechtsansicht eines Verfahrensbeteiligten inhaltlich zu folgen (vgl. Beschlüsse vom 11. Februar 2008 - BVerwG 5 B 17.08 <5 B 110.06 > -, vom 2. November 2006 - BVerwG 7 C 10.06 <7 C 18.05 > - und vom 24. November 2011 a.a.O. - jeweils juris). Das Gericht ist ebenso wenig verpflichtet, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden. Es ist daher verfehlt, aus der Nichterwähnung einzelner Begründungsteile des Beschwerdevorbringens in den gerichtlichen Entscheidungsgründen zu schließen, das Gericht habe sich nicht mit den darin enthaltenen Argumenten befasst (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. April 1980 - 1 BvR 1365/78 - BVerfGE 54, 43 <46> m.w.N.; BVerwG, Beschlüsse vom 17. August 2007 - BVerwG 8 C 5.07 - Buchholz 310 § 152a VwGO Nr. 4 und vom 21. Juli 2005 - BVerwG 9 B 9.05 - juris). Art. 103 Abs. 1 GG vermittelt insbesondere keinen Schutz davor, dass ein Gericht aus Gründen des materiellen Rechts Parteivorbringen nicht weiter aufnimmt (BVerfG, Beschluss vom 21. April 1982 - 2 BvR 810/81 - BVerfGE 60, 305 <310> m.w.N.).

3 Der Senat hat in seinem Beschluss vom 30. November 2011 das entscheidungsrelevante Vorbringen der Kläger im Beschwerdeverfahren zur Kenntnis genommen und sich damit im gebotenen Maße auseinandergesetzt. Auf das vermeintlich übergangene Beschwerdevorbringen kam es für die Entscheidung nicht an.

4 Die Kläger verkennen auch mit ihrem Vorbringen zur Begründung der Anhörungsrüge, dass das Verwaltungsgericht sein Ergebnis der Unbegründetheit der Klage auf zwei selbstständig tragende Gründe gestützt hat. Wie bereits im Beschluss vom 30. November 2011 ausgeführt, kann in einem solchen Fall die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich beider Begründungen Revisionszulassungsgründe geltend gemacht werden und vorliegen. Wenn nur bezüglich einer Begründung ein Zulassungsgrund gegeben ist, kann diese Begründung hinweggedacht werden, ohne dass sich der Ausgang des Verfahrens ändert. In diesem Fall beruht das erstinstanzliche Urteil nicht auf der hinwegdenkbaren Begründung (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 9. Dezember 1994 - BVerwG 11 PKH 28.94 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4 S. 4 und vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 15).

5 In ihrer Beschwerdebegründung vom 4. Mai 2011 hatten die Kläger hinsichtlich der Begründung des Verwaltungsgerichts, eine schädigende Maßnahme im Sinne des § 1 Abs. 2 VermG liege nicht vor, weil es an dem von der Vorschrift vorausgesetzten Ursachenzusammenhang zwischen der Mietenpolitik der DDR sowie der daraus resultierenden Überschuldung mit dem Eigentumsverzicht fehle, keine Revisionszulassungsgründe geltend gemacht. Auf die in der Begründung der Anhörungsrüge erneut vorgetragene Argumentation zur Bestimmung des Grundstücksbegriffs im Sinne des § 1 Abs. 2 VermG kam es dafür nicht an. Auch die Ausführungen des Beklagten im Widerspruchsbescheid, auf die sich die Kläger nunmehr berufen, waren für die Frage der Zulassung der Revision ohne Bedeutung. Das Verwaltungsgericht hatte im Übrigen in seiner Begründung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der vorausgesetzte Ursachenzusammenhang auch hinsichtlich der an die Kläger bereits zurück übertragenen Vermögenswerte fehle.

6 Soweit sich die Kläger erstmals in der Begründung der Anhörungsrüge gegen die Annahme wenden, sie hätten das Grundstück in Kenntnis der Überschuldungssituation durch Rechtsgeschäft erworben, weil sie als Erben der Voreigentümerin kraft Gesetzes in die Eigentümerstellung eingetreten seien, ist dieses Vorbringen nicht nur verspätet, sondern widerspricht auch den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts, die bisher von den Klägern nicht bestritten worden waren. Danach sind die Kläger nicht Erben, sondern Vermächtnisnehmer der Voreigentümerin. In Erfüllung dieses Vermächtnisses sind sie auf Grund eines Grundstücksüberlassungsvertrages vom 15. August 1985 Eigentümer geworden.

7 Die Rüge, der Senat habe die Kläger im Beschluss vom 30. November 2011 wegen der Streitwertfestsetzung durch das Verwaltungsgericht zu Unrecht auf eine Anhörungsrüge gemäß § 152a VwGO gegen den dortigen Streitwertbeschluss verwiesen, weil deren Voraussetzungen nicht gegeben seien, geht ebenfalls fehl. Sie verkennt, dass der Streitwertbeschluss des Verwaltungsgerichts gemäß § 37 Abs. 2 VermG unanfechtbar ist und nicht Gegenstand ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision sein konnte.

8 Der von den Klägern beantragten Beiziehung der Akte des Bundesverfassungsgerichts bedurfte es nicht. Da die Kläger ihre Verfassungsbeschwerde erst nach Erlass des Beschlusses vom 30. November 2011 eingelegt haben, kann in dieser Akte nichts enthalten sein, was der Senat bei seinem Beschluss vom 30. November 2011 hätte berücksichtigen müssen.

9 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.