Beschluss vom 15.05.2014 -
BVerwG 9 B 14.14ECLI:DE:BVerwG:2014:150514B9B14.14.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 15.05.2014 - 9 B 14.14 - [ECLI:DE:BVerwG:2014:150514B9B14.14.0]

Beschluss

BVerwG 9 B 14.14

  • VGH München - 08.10.2013 - AZ: VGH 13 A 10.3043

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 15. Mai 2014
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bier und
die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Buchberger und Dr. Bick
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs - Flurbereinigungsgericht - vom 8. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen werden nicht erstattet.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 9 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf einen Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2 1. Mit der Rüge, das Flurbereinigungsgericht habe das Gebot des fairen Verfahrens sowie den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt und verstoße gegen Denkgesetze, soweit es kraft eigener Sachkunde davon ausgehe, dass die Abfindungsflurstücke 177/1 und 182 (Mitterberg) entsprechend ihrer Bestimmung allein aufgrund „bloßer Erklärungen“ der Beklagten und der Gemeinde gegenüber dem Gericht genutzt werden könnten, obwohl eine entsprechende Erschließung erst noch hergestellt werden solle, kann der Kläger nicht durchdringen.

3 a) Das Gebot des fairen nach rechtsstaatlichen Grundsätzen geführten Verfahrens (Art. 20 Abs. 3 GG), das gebietet, die prozessrechtlich vorgegebenen Regeln einzuhalten, ist nicht verletzt. Denn das Flurbereinigungsgericht hat sich auf die in dem Augenscheinstermin vom 7. Oktober 2013 zu Protokoll erklärten Zusagen der Beklagten und der Gemeinde gestützt, wonach der Weg Abfindungsflurstück 150/4 in der abgemarkten Breite in vollem Umfang befahrbar gemacht werde. Weder hat der Kläger vorgetragen, dass die Beklagte und die Gemeinde dem nicht nachkommen würden, noch ist dies erkennbar. Darüber hinaus ist es davon ausgegangen, dass die vorliegenden Waldgrundstücke für die bestimmungsgemäße Nutzung der erschlossenen Grundstücke ausreichend sind.

4 b) Einen Verstoß gegen Denkgesetze hat der Kläger nicht dargelegt. Die Annahme des Flurbereinigungsgerichts, dass die Erschließung in ausreichendem Umfang gesichert ist, würdigt die Erklärung, dass das Abfindungsflurstück 150/4 in voller Breite befahrbar gemacht wird und zieht damit andere Schlüsse als der Kläger. Darin liegt aber kein Verstoß gegen gesetzliche Beweisregeln, allgemeine Erfahrungssätze oder Natur- oder Denkgesetze.

5 c) Mit der Rüge, das Flurbereinigungsgericht habe nicht erläutert, woher es seine Sachkunde im vorliegenden Fall bezogen habe, macht der Kläger in der Sache eine Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und des Untersuchungsgrundsatzes (§ 86 Abs. 1 VwGO) geltend. Damit kann er aber nicht durchdringen.

6 Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist durch die gemäß § 139 FlurbG vorgeschriebene besondere Besetzung des Flurbereinigungsgerichts eine sachverständige Würdigung der im Rahmen der Flurbereinigung zu beurteilenden Sachverhalte regelmäßig gewährleistet. Die eigene Sachkunde des Flurbereinigungsgerichts muss im „Normalfall“, d.h. bei Sachverhalten, mit denen das Flurbereinigungsgericht regelmäßig befasst ist, nicht besonders begründet werden. Mit Blick auf die besondere Sachkunde des Flurbereinigungsgerichts kommt ein Verstoß gegen dessen Aufklärungspflicht - unter Berufung auf zu Unrecht angenommene eigene Sachkunde - hiernach nur dann in Betracht, wenn die Beurteilung der in Rede stehenden agrarwirtschaftlichen Fragen durch das Flurbereinigungsgericht gravierende Mängel aufweist, etwa wenn sie von unzutreffenden Tatsachen ausgeht, in sich widersprüchlich oder aktenwidrig ist oder ohne die notwendige Kenntnis der örtlichen Verhältnisse vorgenommen wurde, mithin wenn sie schlechterdings unvertretbar ist (Beschlüsse vom 4. November 2010 - BVerwG 9 B 85.09 - RdL 2011, 74 <74 f.> und vom 20. Oktober 2011 - BVerwG 9 B 15.11 - juris Rn. 6 m.w.N.).

7 Gemessen hieran liegt ein Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz und die Aufklärungsverpflichtung nicht vor. Die Beurteilung, ob die in Rede stehenden Waldgrundstücke hinreichend erschlossen sind, gehört zu der Art von agrarwirtschaftlichen Fragen, mit denen ein Flurbereinigungsgericht regelmäßig befasst ist und für die durch die gesetzlich vorgeschriebene sachverständige Besetzung des Gerichts eine eigene Sachkunde regelmäßig gewährleistet ist. Dass der Sachverhalt des Streitfalls im vorstehenden Sinne schwierig gelagert wäre oder besondere Spezialkenntnisse erforderte, wird von der Beschwerde nicht dargelegt und ist auch nicht ersichtlich. Auch die erforderliche Ortskenntnis lag aufgrund der mehrfach durchgeführten Ortstermine vor. Der Kläger legt ebenso wenig dar, dass - ausgehend von der Rechtsauffassung des Gerichts - dessen Beurteilung unvertretbar ist oder es von falschen Tatsachen ausgegangen ist.

8 d) Entgegen der Auffassung der Beschwerde liegt auch kein Gehörsverstoß (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) vor. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist nur dann verletzt, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass das Gericht nach seinem Rechtsstandpunkt zentrale Argumente eines Beteiligten nicht zur Kenntnis genommen oder sich mit ihnen nicht auseinander gesetzt hat (stRspr; Urteil vom 13. Mai 1976 - BVerwG 2 C 26.74 - Buchholz 237.4 § 35 HmbBG Nr. 1; Beschlüsse vom 19. April 2011 - BVerwG 2 B 60.11 - juris Rn. 7 und vom 20. Juli 2011 - BVerwG 2 B 32.10 - juris Rn. 3 m.w.N.). Deshalb kann insbesondere aus einer von der Ansicht eines Beteiligten abweichenden Beweiswürdigung des Gerichts nicht auf einen Gehörsverstoß geschlossen werden. Dies zugrundegelegt, liegt hier kein Gehörsverstoß vor. Das Gericht hat - wie die Darstellung im Sachverhalt zeigt (vgl. UA Rn. 8) - durchaus zur Kenntnis genommen, dass der Kläger die Zufahrten zu den Waldgrundstücken Mitterberg und Kreuzhaus für zu eng hält; es hat allerdings eine von der Auffassung des Klägers abweichende Beweiswürdigung vorgenommen.

9 2. a) Einen Gehörsverstoß kann der Kläger auch nicht im Hinblick darauf erfolgreich rügen, dass sich das Flurbereinigungsgericht mit seinem Vorbringen zum Fehlen einer ordnungsgemäßen Zufahrt zum Abfindungsflurstück 129 nicht auseinandergesetzt habe.

10 Entgegen der Auffassung des Klägers hat das Flurbereinigungsgericht sein Vorbringen bereits im Tatbestand des Urteils berücksichtigt. Es hat darauf hingewiesen, dass der Kläger für das Flurstück 129 die Schaffung einer Zufahrt gefordert habe. Im Übrigen hat es für die ausreichende Erschließung auch die geringe Größe des Abfindungsflurstücks und damit einhergehend die mangelnde Rentabilität der Bewirtschaftung sowie die wegemäßige Verbindung der beiden Abfindungsflurstücke durch ein erstmalig gesichertes Geh- und Fahrrecht berücksichtigt.

11 b) Soweit der Kläger im Zusammenhang mit der angeblich schlechten Befahrbarkeit der Furt einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz rügt, weil bei den Nachbargrundstücken eine Brücke vorgesehen worden sei, und die Annahme der fehlenden Rentabilität des Flurstücks in Frage stellt, greift er die Beweiswürdigung des Flurbereinigungsgerichts an. Der Kläger hat jedoch nicht dargetan, dass das Flurbereinigungsgericht vom Revisionsgericht allein überprüfbare Sachverhalts- oder Beweiswürdigungsgrundsätze verletzt hat.

12 3. Im Wesentlichen nichts anderes gilt für das Abfindungsflurstück 158. Hierzu führt das Flurbereinigungsgericht aus: Zwar befinde sich an dessen östlicher Grenze ein in Nord-Süd-Richtung verlaufender Graben. Dennoch sei von einer gesicherten und ausreichenden Zufahrt über den Weg Abfindungsflurstück 156 auszugehen. Der sachverständig besetzte Senat habe beim Augenschein feststellen können, dass die Breite und der Kurvenradius für die Anfahrt ausreichend seien.

13 a) Der gerügte Gehörsverstoß liegt auch diesbezüglich nicht vor. Das Gericht hat die Auffassung des Klägers zur Kenntnis genommen und sich mit ihr auseinandergesetzt.

14 b) Dass nähere Feststellungen zum Kurvenradius fehlen, begründet noch keinen Verfahrensfehler nach § 138 Nr. 6 VwGO. Nicht mit Gründen versehen im Sinne dieser Bestimmung ist eine Entscheidung immer dann, wenn die Entscheidungsgründe rational nicht nachvollziehbar, sachlich inhaltslos oder aus sonstigen Gründen derart unbrauchbar sind, dass die angeführten Gründe unter keinem denkbaren Gesichtspunkt geeignet sind, den Urteilstenor zu tragen (Beschluss vom 15. Juli 2010 - BVerwG 8 B 94.09 - juris m.w.N.). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Die Begründung des Flurbereinigungsgerichts ist weder derart lückenhaft, dass sie nicht mehr verständlich ist, noch werden einzelne Angriffe des Klägers völlig übergangen.

15 Ebenso wenig dargelegt ist ein Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Die Begründungspflicht verlangt keine ausdrückliche Auseinandersetzung mit jedem vorgetragenen Gesichtspunkt, sondern nur eine vernünftige, der jeweiligen Sache angemessene Gesamtwürdigung. Erst wenn das Gericht auf den wesentlichen Kern des Vorbringens eines Beteiligten zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht eingeht, verletzt dies regelmäßig die Begründungspflicht und zugleich den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (s. nur Urteil vom 21. Juni 2006 - BVerwG 6 C 19.06 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 264 Rn. 28 ff.; Beschluss vom 28. Januar 2010 - BVerwG 6 B 50.09 - Buchholz 442.066 § 135 TKG Nr. 1, jeweils m.w.N.). So liegt es hier nicht. Vielmehr ist dem Urteil eindeutig zu entnehmen, dass das Abfindungsflurstück 158 nach Auffassung des Gerichts hinreichend für eine bestimmungsgemäße Benutzung erschlossen ist, weil die beim Ortstermin festgestellte Breite des Weges sowie der Kurvenradius genügen. Zum Verständnis dieser Argumentation bedurfte es keiner präziseren Angaben in Bezug auf den Radius.

16 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht nicht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, weil diese keinen Sachantrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt haben.

17 Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.