Beschluss vom 15.05.2007 -
BVerwG 8 B 36.07ECLI:DE:BVerwG:2007:150507B8B36.07.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 15.05.2007 - 8 B 36.07 - [ECLI:DE:BVerwG:2007:150507B8B36.07.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 36.07

  • VG Potsdam - 30.01.2007 - AZ: VG 11 K 773/05

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 15. Mai 2007
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Pagenkopf und Postier
und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hauser
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 30. Januar 2007 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2, jedoch mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1, die dieser selbst trägt.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 108 360 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) liegt nicht vor.

2 Die Divergenzrüge setzt die Darlegung voraus, dass dem angefochtenen Urteil ein entscheidungstragender abstrakter Rechtssatz zu Grunde liegt, der von einem ebensolchen entscheidungstragenden Rechtssatz der angegebenen höchstrichterlichen Entscheidung abweicht (stRspr, vgl. u.a. Beschluss vom 1. September 1997 - BVerwG 8 B 144.97 - Buchholz 406.11 § 128 BauGB Nr. 50). Derartige voneinander abweichende Rechtssätze zeigt die Beschwerde nicht auf.

3 Zudem liegt eine Divergenz zu der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. April 1999 (BVerwG 8 C 5.98 - Buchholz 428 § 1 Abs. 3 VermG Nr. 1) schon deshalb nicht vor, weil diesem Urteil nicht der abstrakte Rechtssatz zu entnehmen ist, dass bei Beurteilung der Fahrlässigkeit auf den Zeitpunkt der Verwirklichung des Bauvorhabens abzustellen sei und bei der Frage, ob das Nutzungsrecht redlich erworben worden sei, maßgeblich die sich 1990 erheblich veränderten politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse gewesen seien.

4 Das Bundesverwaltungsgericht befasst sich in der Entscheidung vom 28. April 1999 im Wesentlichen mit der Sachverhaltwürdigung durch das Verwaltungsgericht und stellt entscheidungstragend darauf ab, dass durch die nach dem 18. Oktober 1989 eingetretenen rechtlichen und politischen Umwälzungen sich die Maßstäbe für das, „was mit rechten Dingen zugegangen ist“, erheblich verändert hätten. Im rechtlichen Bereich seien zahlreiche Normen erlassen worden, die zu einem Wandel des kommunistischen Staates in einen Rechtsstaat beigetragen hätten. Für den Bereich der Verwaltung finde die Entwicklung zu einer Rechtsstaatlichkeit, insbesondere für die Behandlung des Grundstückseigentums, einen deutlichen Ausdruck in dem Schreiben des Staatssekretärs im Ministerium der Finanzen und Preise sowie des Leiters des Amtes für den Rechtsschutz des Vermögens der DDR an den ersten Stellvertreter der Vorsitzenden der Räte der Bezirke vom 26. Januar 1990. Darin sei ausgeführt, dass die Beschlüsse des Ministerrats vom 23. Dezember 1976, vom 20. Juli 1978 und vom 3. Juli 1985 nicht mehr Grundlage der Arbeit auf dem Gebiet der praktischen und rechtlichen Bewältigung der Probleme im Zusammenhang mit ausländischem Grundbesitz seien, sondern künftig eine genaue Einzelfallprüfung am Prinzip der Rechtsstaatlichkeit durchzuführen sei. Baulandgesetzenteignungen seien nur unter strenger Wahrung der sachlichen und rechtlichen Voraussetzungen und mit einer rechtlichen Begründung möglich. Daran anknüpfend hat das Bundesverwaltungsgericht für die Frage der Redlichkeitsprüfung dem Verwaltungsgericht vorgegeben, dass im dortigen Fall bei der anzustellenden Gesamtwürdigung der Geschehnisse eine planmäßige manipulative Ausschaltung von West-Eigentümern in einer „Gesamtoperation“ vorgelegen haben müsse. Es komme also nicht nur darauf an, ob die Verleihung des Nutzungsrechts als solches mit der Rechtsordnung der DDR vereinbar gewesen sei. Vielmehr sei auch die unmittelbar vorausgegangene Enteignung mit einzubeziehen.

5 Entgegen der Beschwerde hat das Verwaltungsgericht bei der Frage, ob der Beigeladene zu 1 um die Rechtswidrigkeit der Enteignung gewusst habe bzw. diese hätte wissen müssen, nicht lediglich auf die öffentliche Bauabnahme mit dem Gebrauchsabnahmebescheid und den damit erweckten Anschein, bei dem genutzten Grundstück handele es sich um Volkseigentum, abgestellt. Für das Verwaltungsgericht waren entscheidungstragend die Grundsätze aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. April 1999. Es hat unter Hervorheben der Unterschiede im Sachverhalt die Gesamtumstände der Enteignung gewürdigt und dargelegt, dass für den Beigeladenen zu 1 es keine Hinweise gegeben habe, die streitbefangenen Grundstücke seien erst mit Wirkung vom 7. März 1990 enteignet worden. Das Verwaltungsgericht hat im Hinblick auf die in der Eigenheimvereinbarung verwendete Formulierung „Grundstück § 6“ und die große Anzahl von Baugrundstücken in Berlin nahen Gebieten, die staatlich verwaltet worden sind und sogenannte Westgrundstücke waren, unterstellt, dass der Beigeladene zu 1 damals wusste bzw. fahrlässig nicht wusste, dass er sein Bauvorhaben auf einem noch nicht in Volkseigentum befindlichen Grundstück durchführen würde. Da er mit der Auflage Nr. 6 zur Gebrauchsabnahme vom 11. September 1989 aufgefordert worden sei, an den Rat der Gemeinde einen vollständigen Antrag auf Erteilung des Nutzungsrechts für das Grundstück zu stellen, habe er nunmehr darauf vertrauen dürfen, die Voraussetzungen für die Nutzungsrechtsverleihung hätten aus der Sicht der Behörde vorgelegen. Dem Beigeladenen zu 1 hätte sich wegen seiner verwaltungsrechtlichen Unerfahrenheit auch nicht aufdrängen müssen, dass die Baubehörde keine Aussage zu den Eigentumsverhältnissen hätte treffen können bzw. dürfen. Das Verwaltungsgericht hat der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. April 1999 entsprechend den Sachverhalt subsumiert, ohne einen davon abweichenden abstrakten Rechtssatz aufzustellen. Die Angriffe der Beschwerde richten sich insoweit lediglich gegen die Sachverhaltswürdigung des Verwaltungsgerichts, wonach im vorliegenden Einzelfall der politische und wirtschaftliche Wandel 1990 den Vorwurf der Unredlichkeit nicht trägt. Damit kann die Zulassung der Revision wegen Divergenz nicht erreicht werden. Bloße Subsumtionsfehler oder Bewertungsunterschiede begründen keine Abweichung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (stRspr, Beschluss vom 10. Juli 1995 - BVerwG 9 B 18.95 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 264; Beschluss vom 12. Dezember 1991 - BVerwG 5 B 68.91 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 302 m.w.N.).

6 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 und Abs. 4 GKG.