Beschluss vom 15.01.2003 -
BVerwG 8 B 116.02ECLI:DE:BVerwG:2003:150103B8B116.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 15.01.2003 - 8 B 116.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:150103B8B116.02.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 116.02

  • VG Frankfurt/Oder - 04.04.2002 - AZ: VG 4 K 1453/97

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 15. Januar 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. M ü l l e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. P a g e n k o p f und P o s t i e r
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Beigeladenen zu 1 bis 3 gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 4. April 2002 wird zurückgewiesen.
  2. Die Beigeladenen zu 1 bis 3 tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 4, die diese selbst trägt.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 120 000 € festgesetzt.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Darlegungen rechtfertigen keine Zulassung der Revision.
1. Der Sache kommt nicht die ihr beigemessene grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu.
a) Die Beschwerde möchte zunächst geklärt wissen,
ob der Rechtserwerb nach geltendem DDR-Recht rechtmäßig war, wenn die Begünstigten nicht nachweisen können, eine Wohnraumzuweisung tatsächlich erhalten zu haben.
Doch diese Frage würde sich im angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen; denn das Verwaltungsgericht hat festgestellt, "dass eine Wohnraumzuweisung zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages und später zum Zeitpunkt des Verkaufs des Eigenheims bestanden hat" (UA S. 11). Zweifel an dieser Wertung mögen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils in Frage stellen, verleihen für sich aber der Sache keine fallübergreifende Bedeutung. Die Grundsätze, nach denen sich die Bildung der Überzeugung des Gerichts von der Wahrheit oder Unwahrheit einer Tatsache aufgrund der Beweisaufnahme zu vollziehen hat, sind höchstrichterlich weitgehend geklärt, und eventuell verbleibende Unklarheiten deckt die Beschwerde nicht auf.
b) Die Beschwerde möchte sodann geklärt wissen,
ob es ausreicht, die Befugnis des Ministeriums für Staatssicherheit zur Erteilung einer Wohnraumzuweisung mit seiner Rechtsträgerschaft zu begründen, ohne auf eine entsprechende Ermächtigungsnorm zu verweisen.
Im Zusammenhang mit dieser Fragestellung sieht die Beschwerde das Verhältnis von §§ 10 und 28 der Verordnung über die Lenkung des Wohnraums (WLVO) vom 16. Oktober 1985 als offen an. Sie meint, aus § 28 WLVO ergebe sich nicht, dass das Ministerium für Staatssicherheit eine Befugnis zur Wohnraumbewirtschaftung gehabt habe, vielmehr seien die in § 10 Abs. 1 WLVO genannten Räte der Städte, Stadtbezirke und Gemeinden im Gegensatz zur Ansicht des Verwaltungsgerichts auch gegenüber Angehörigen des Ministeriums für Staatssicherheit zur Wohnungsvergabe zuständig geblieben.
Es kann dahinstehen, ob diese Meinungsverschiedenheit im Hinblick darauf, dass es vorrangig um die Auslegung und Anwendung von DDR-Recht geht, eine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ergeben kann. Zulassungseröffnend ist sie jedenfalls nicht. Das Verwaltungsgericht hat die Voraussetzung einer Unredlichkeit des Rechtserwerbs durch die Kläger nach § 4 Abs. 3 Buchst. a VermG verneint, weil kein Verstoß gegen die Wohnraumlenkungsverordnung gegeben sei und sich keine Absicht zur gezielten Beeinflussung des Erwerbsvorgangs feststellen lasse (UA S. 10). Ist die Entscheidung des Verwaltungsgerichts auf mehrere selbstständige Begründungen gestützt worden, so kann die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Revisionszulassungsgrund vorliegt (stRspr; vgl. u.a. Beschluss vom 15. Juni 1990 - BVerwG 1 B 92.90 - Buchholz 11 Art. 116 GG Nr. 20 S. 10 m.w.N.). Einen Revisionszulassungsgrund macht die Beschwerde mit Blick auf die fehlende Absicht zur gezielten Beeinflussung des Erwerbsvorganges aber nicht geltend.
Allerdings hat das Verwaltungsgericht den Gesichtspunkt, dass es an einer gezielten Einflussnahme auf den Erwerbsgang gefehlt habe, nicht näher begründet. Doch die Antwort auf die von der Beschwerde zur Wohnraumlenkungsverordnung aufgeworfenen Fragen müssten ohnehin nicht erst in einem Revisionsverfahren beantwortet werden; denn sie liegen offen dar. Dem Ministerium für Staatssicherheit als Teil der so genannten bewaffneten Organe waren Aufgaben der Wohnraumlenkung übertragen gewesen. Das ergibt sich eindeutig aus § 28 WVLV i.V.m. mit der zu ihrer Durchführung erlassenen Zweiten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Lenkung des Wohnraums - Ordnung über die Wohnraumversorgung der Angehörigen und Zivilbeschäftigten der bewaffneten Organe - vom 3. Juni 1988 (GBl DDR I 133). Zwar ist auf diese Bestimmung das Verwaltungsgericht nicht eingegangen, doch ein bloßer Rechtsanwendungsfehler gibt einer Sache noch keine grundsätzliche Bedeutung. Bereits nach § 19 der Verordnung über die Lenkung des Wohnraums vom 14. September 1967 waren den bewaffneten Organen die Aufgaben der Wohnraumlenkung übertragen und deren Dienststellenleiter als Organe der Wohnraumlenkung angesehen worden (Urteil vom 5. April 2000 - BVerwG 8 C 9.99 - Buchholz 428 § 4 Abs. 3 VermG Nr. 3). An dieser Aufgabenstellung hatte sich im hier maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt grundsätzlich nichts geändert, wie die zuvor genannte Ordnung veranschaulicht. Danach waren die örtlichen Räte hinsichtlich zum Wohnungsfonds des Ministeriums für Staatssicherheit gehörender Dienstwohnungen nicht zuständig (vgl. §§ 3, 4 dieser Ordnung).
c) Soweit die Beigeladenen zu 1 bis 3 der Rechtssache auch deswegen grundsätzliche Bedeutung beimessen, weil angeblich das Verhältnis zwischen einer Grundstücksverkehrsgenehmigung und der Wohnraumzuweisung unklar sei, genügt ihr Rechtsbehelf nicht den Anforderungen von § 133 Abs. 3 Satz 2 VwGO an die Begründung einer solchen Rüge. Eine konkrete klärungsbedürftige Frage bezeichnen sie nicht. Vielmehr beanstanden sie, dass das Verwaltungsgericht nicht geprüft hat, ob für den Erwerb des auf volkseigenem Boden stehenden Gebäudes eine Grundstücksverkehrsgenehmigung erteilt worden war. Insoweit wendet sich die Beschwerde in der Art einer Berufungsbegründung gegen die vorinstanzliche Entscheidung, ohne einen Grund darzulegen, der die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte.
2. Die Verfahrensrügen können der Beschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen.
a) Die Beigeladenen meinen, der Überzeugungsgrundsatz sei verletzt, weil das Verwaltungsgericht aus dem Vorbringen der Kläger und dem Schreiben des Leiters der Verwaltung Rückwärtige Dienste, Abteilung Bauwesen, geschlossen habe, dass die Wohnraumzuweisung durch das Ministerium für Staatssicherheit erfolgt sei. Diese Schlussfolgerung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Beschwerde weis keine konkreten Beweismittel zu benennen, nach denen eine weitere Erforschung des Sachverhaltes zu diesem Punkt möglich gewesen wäre. Von den vom Verwaltungsgericht ermittelten Tatsachen ist daher für die Entscheidungsfindung das amtliche Schreiben von Bedeutung, nach der der Leiter der Abteilung Versorgungsdienste gebeten worden war, eine Wohnraumzuweisung auszustellen. Indizienbeweise sind im Verwaltungsprozess zulässig.
b) Schließlich hält die Beschwerde dem Verwaltungsgericht vor, keine Beweislastentscheidung getroffen zu haben. Revisionsrechtlich ist dem jedoch nicht beizupflichten.
Zu einer Belastung mit dem Beweis, die zur Folge hat, dass die Nichterweislichkeit eines Umstandes zu Lasten des Beweislastenträgers geht, kann es nach den Prozessmaximen des Verwaltungsprozesses erst kommen, wenn die von Amts wegen zu erforschenden Tatsachen dem Gericht keine Überzeugung von der Wahrheit oder Unwahrheit einer Behauptung vermitteln konnten. Dann kommt es für die Entscheidungsfindung auf die Beweislast an. Hier jedoch hat sich die Vorinstanz aufgrund ihrer Beweiswürdigung eine Überzeugung hinsichtlich der Erteilung der Wohnraumzuweisung gebildet; die Angriffe, die die Beschwerde dagegen führt, sind von materiellrechtlicher Art. Sie werden revisionsrechtlich regelmäßig dem sachlichen, nicht dem Verfahrensrecht zugeordnet.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, 3, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus §§ 13, 14 GKG.