Beschluss vom 14.12.2004 -
BVerwG 7 B 155.04ECLI:DE:BVerwG:2004:141204B7B155.04.0

Beschluss

BVerwG 7 B 155.04

  • VG Dresden - 04.08.2004 - AZ: VG 4 K 1966/02

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. Dezember 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht S a i l e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht K r a u ß und N e u m a n n
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 4. August 2004 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 500 000 € festgesetzt.

I


Die Klägerin begehrt die Rückübertragung zweier in der sowjetischen Besatzungszone enteigneter Rittergüter, die im Eigentum einer Familienstiftung standen. Sie meint, eine besatzungshoheitliche Enteignung liege nicht vor. Die nach erfolglosem Verwaltungsverfahren erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen.

II


Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) wird zumindest teilweise nicht prozessordnungsgemäß dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Im Übrigen hat die Sache jedenfalls keine grundsätzliche Bedeutung (vgl. 1.). Eine Abweichung (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) des verwaltungsgerichtlichen Urteils von der in der Beschwerde genannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wird nicht prozessordnungsgemäß dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, vgl. 2.).
1. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss daher dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), d.h. näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und darum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist.
Daran fehlt es jedenfalls insoweit, als die Beschwerde geltend macht, es liege lediglich eine Beschlagnahme der Vermögenswerte der Familienstiftung vor, die an deren dinglicher Zuordnung nichts ändere. Insoweit wird eine Rechtsfrage weder ausdrücklich noch sinngemäß gestellt.
Auch im Übrigen wird eine für grundsätzlich klärungsbedürftig gehaltene Rechtsfrage nicht ausdrücklich genannt. Wenn man zu Gunsten der Beschwerde annimmt, sie halte sinngemäß für klärungsbedürftig die Frage, inwieweit eine von deutschen Stellen im Zuge der Bodenreform vorgenommene Enteignung einer Stiftung besatzungshoheitlich im Sinne des § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG ist, fehlt es an einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache. Die Frage lässt sich aufgrund der vorliegenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ohne Weiteres beantworten:
Da die sowjetische Besatzungsmacht als Inhaberin der obersten Hoheitsgewalt bei der Verwirklichung der von ihr oder mit ihrem Einverständnis angeordneten Maßnahmen jederzeit lenkend und korrigierend eingreifen konnte, erstreckt sich ihre Verantwortung grundsätzlich auch auf die von den deutschen Stellen geübte Enteignungspraxis, selbst wenn die einschlägigen Rechtsgrundlagen exzessiv ausgelegt oder nach rechtsstaatlichen Grundsätzen willkürlich angewandt wurden bzw. wenn die deutschen Stellen ohne jede Rechtsgrundlage gehandelt haben. Auch derartige Enteignungsmaßnahmen deutscher Stellen sind der sowjetischen Besatzungsmacht zuzurechnen, wenn sie von ihr jedenfalls stillschweigend geduldet wurden. Der besatzungsrechtliche Zurechnungszusammenhang entfällt bei Maßnahmen deutscher Stellen erst dann, wenn die Besatzungsmacht das Handeln generell oder im Einzelfall ausdrücklich missbilligt und ein entsprechendes Verbot verhängt hatte (stRspr, vgl. u.a. Urteil vom 27. Juli 1999 - BVerwG 7 C 36.98 - Buchholz 428 § 1 Abs. 8 VermG Nr. 6 S. 20 <22> m.w.N.).
Dies gilt auch für die Enteignung von Stiftungsvermögen. Auch diese beruhte nur dann nicht auf einer besatzungshoheitlichen Grundlage, wenn die sowjetische Besatzungsmacht sie verboten hatte. Davon geht auch das Verwaltungsgericht aus, das im Rahmen der ihm obliegenden tatrichterlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung zu dem Ergebnis gelangt ist, dass ein Enteignungsverbot der sowjetischen Besatzungsmacht hier nicht vorliegt.
2. Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist nur dann hinreichend bezeichnet (vgl. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (stRspr, vgl. u.a. Beschluss vom 1. September 1997 - BVerwG 8 B 144.97 - Buchholz 406.11 § 128 BauGB Nr. 50 S. 7 <11>). Die Beschwerde muss also die angeblich widersprüchlichen abstrakten Rechtssätze einander gegenüberstellen. Daran fehlt es hier. Die Beschwerde benennt zwar in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellte Rechtssätze. Einen davon abweichenden vom Verwaltungsgericht aufgestellten Rechtssatz benennt sie aber weder ausdrücklich noch sinngemäß. Vielmehr macht sie allein geltend, das Verwaltungsgericht habe "bei der Würdigung der Gesamtumstände" diese Rechtsprechung nicht beachtet. Damit rügt sie allein eine unrichtige Anwendung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Einzelfall. Eine solche würde, selbst dann, wenn sie vorläge, keine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO begründen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 und § 72 Nr. 1 GKG.