Beschluss vom 14.07.2005 -
BVerwG 9 VR 28.04ECLI:DE:BVerwG:2005:140705B9VR28.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 14.07.2005 - 9 VR 28.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2005:140705B9VR28.04.0]

Beschluss

BVerwG 9 VR 28.04

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. Juli 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. S t o r o s t und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. R u b e l und
Dr. N o l t e
beschlossen:

  1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragsteller gegen den Planfeststellungsbeschluss des Regierungspräsidiums Dresden vom 21. Juli 2004 wird abgelehnt.
  2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller jeweils zur Hälfte.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10 000 € festgesetzt.

Der Antrag, mit dem die Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss des Regierungspräsidiums Dresden für den Neubau der Bundesstraße B 178 n, erster Bauabschnitt Teil 2 (von der S 112 westlich Nostitz bis zur B 6 nördlich Löbau) begehren, ist zulässig. Der angegriffene Planfeststellungsbeschluss betrifft ein Vorhaben nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz (VerkPBG). Die hiergegen von den Antragstellern erhobene Klage entfaltet daher keine aufschiebende Wirkung (§ 5 Abs. 2 Satz 1 VerkPBG). Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet im ersten und letzten Rechtszug über sämtliche Streitigkeiten gegen einen solchen Planfeststellungsbeschluss (§ 5 Abs. 1 VerkPBG) und ist folglich auch nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO als Gericht der Hauptsache für die Entscheidung über den beantragten vorläufigen Rechtsschutz zuständig.
Der Antrag ist jedoch unbegründet. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Planfeststellungsbeschlusses überwiegt die Interessen der Antragsteller an der Beibehaltung des bisherigen Zustandes bis zur endgültigen Entscheidung der Hauptsache. Denn ihre auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses gerichtete Klage wird nach im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglicher summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage voraussichtlich keinen Erfolg haben.
Den Antragstellern steht ein Aufhebungsanspruch schon deswegen nicht zu, weil sie durch den angegriffenen Planfeststellungsbeschluss nicht in ihren Rechten berührt sind.
Soweit der Antragsteller zu 2 geltend macht, sein nebenerwerblicher Reit- und Fuhrbetrieb werde nach Fertigstellung des Planfeststellungsabschnitts 1.2 durch die provisorische Weiterleitung des Verkehrs auf die von ihm für Kutsch- und Kremserfahrten benutzten Straßen beeinträchtigt, ist er mit dieser Einwendung nach der - grundgesetzgemäßen (BVerwG, Urteil vom 24. Mai 1996 - BVerwG 4 A 38.95 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 119 S. 137) - Vorschrift des § 17 Abs. 4 Satz 1 FStrG ausgeschlossen.
In seinem Einwendungsschreiben vom 18. November 2002 hat der Antragsteller zu 2 zwar dargelegt, dass "der Bau der Straße den Tourismus in Bezug zu (seinen) Kutsch- und Kremserfahrten nicht positiv beeinflussen" werde. Diese Einwendung bezieht sich jedoch ersichtlich nicht auf Beeinträchtigungen durch das planfestgestellte Teilstück. Denn der Antragsteller zu 2 hat in seinem Einwendungsschreiben vorab ausdrücklich klargestellt, dass er nicht durch die "vorliegende Planfeststellung", sondern erst durch "die geplante Trassenführung im weiteren Verlauf" betroffen werde. Abgesehen davon, dass in der Einwendung ohnehin nur die abnehmende Attraktivität, nicht jedoch die im Klageverfahren geltend gemachte Unmöglichkeit der Fahrten angesprochen wird, enthält das Schreiben keine Anhaltspunkte, dass solche Fahrten bereits durch Auswirkungen des streitbefangenen Planfeststellungsabschnittes beeinträchtigt sein könnten.
Die weiteren Präklusionsvoraussetzungen des § 17 Abs. 4 Satz 2 FStrG, wonach der Einwendungsausschluss nur eintritt, wenn in der Bekanntmachung der Auslegung oder der Einwendungsfrist auf diese Rechtsfolgen hingewiesen wurde und diese Bekanntmachung ihrerseits ordnungsgemäß war, sind gegeben. Die Planunterlagen lagen in der für die Antragsteller zuständigen Stadt Weißenberg vom 8. Oktober bis zum 8. November 2002 und mithin während des von § 73 Abs. 3 Satz 1 VwVfG geforderten Zeitraums aus. Die Stadt Weißenberg hat die Auslegung des Plans gemäß § 17 Abs. 3 b Satz 3 FStrG vorher ortsüblich im Amtsblatt bekannt gemacht (§ 3 der Bekanntmachungssatzung der Stadt Weißenberg vom 3. September 1996). Von der Bekanntmachung ging auch die erforderliche "Anstoßwirkung" aus. Denn sie war aufgrund der konkreten und zutreffenden Bezeichnung des Planvorhabens geeignet, die im Veröffentlichungsgebiet Betroffenen zu ermuntern, sich für die Planung zu interessieren und bei Bedarf hieran als Einwender mitzuwirken (vgl. zu diesen Anforderungen etwa BVerwG, Urteil vom 16. August 1995 - BVerwG 11 A 2.95 - Buchholz 407.3 § 3 VerkPBG Nr. 1 S. 5). Die - im Planfeststellungsbeschluss unverändert gebliebene - provisorische Anbindung der B 178 n an die S 112, durch die sich der Antragsteller zu 2 beeinträchtigt sieht, war aus den ausgelegten Unterlagen ohne weiteres ersichtlich.
Die Wohngrundstücke der Antragsteller, der Nebenerwerbsbetrieb des Antragstellers zu 2 sowie das im Eigentum des Antragstellers zu 1 stehende, verpachtete Flurstück 169 der Gemarkung M., die den Antragstellern als rechtliche Anknüpfungspunkte ihrer Angriffe gegen die Planung des Antragsgegners dienen, werden im Übrigen unstreitig weder unmittelbar noch - durch Immissionen oder den Wegfall von Wegebeziehungen - mittelbar durch das planfestgestellte Teilstück 1.2 der B 178 n in Anspruch genommen. Die Antragsteller meinen jedoch, sie könnten sich dennoch bereits gegen diesen Planfeststellungsbeschluss zur Wehr setzen, weil hierdurch ein unzulässiger Zwangspunkt für die im nachfolgenden Planfeststellungsabschnitt 1.1 drohenden Beeinträchtigungen gesetzt werde.
Die Betroffenheit in einem nachfolgenden Planfeststellungsabschnitt vermag nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein Klagerecht gegen die herannahende Planung aber nur dann zu eröffnen, wenn ein Zwangspunkt geschaffen wird, der im weiteren Planungsverlauf unvermeidbar zu einer Rechtsbetroffenheit führen muss (BVerwG, Urteil vom 24. März 2004 - BVerwG 9 A 34.03 - juris; Beschluss vom 1. Juli 2003 - BVerwG 4 VR 1.03 - Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 3 S. 21, jeweils m.w.N.). Das ist nicht schon dann der Fall, wenn eine bloße Wahrscheinlichkeit oder gar nur eine nicht auszuschließende Möglichkeit späterer eigener Rechtsbetroffenheit besteht (BVerwG, Beschluss vom 2. November 1992 - BVerwG 4 B 205.92 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 92 S. 102). Denn der Sicherung des effektiven Rechtsschutzes vor der Schaffung vollendeter Tatsachen, der die "Zwangspunkt"-Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dient (BVerwG, Urteil vom 24. März 2004 - BVerwG 9 A 34.03 - a.a.O. und Beschluss vom 1. Juli 2003 - BVerwG 4 VR 1.03 - a.a.O.), bedarf es nur, wenn die Betroffenheit eines Klägers im nachfolgenden Planungsabschnitt, insbesondere wegen topographischer oder technischer Gegebenheiten, durch Festlegungen im vorangegangenen Planungsabschnitt unausweichlich und gerichtlicher Rechtsschutz hierdurch praktisch unmöglich wird (BVerwG, Urteil vom 24. Mai 1996 - BVerwG 4 A 16.95 - Buchholz 406.401 § 29 BNatSchG Nr. 10 S. 16 f.). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.
Der weitere, sich an das nördliche Ende des planfestgestellten Abschnitts 1.2 anschließende Trassenverlauf der B 178 n im Abschnitt 1.1, durch den sich die Antragsteller in ihren Rechten verletzt sehen, ergibt sich, soweit Belange der Antragsteller betroffen sein können, nicht aus Festlegungen des angegriffenen Planfeststellungsbeschlusses. Wie auch die Antragsteller nicht infrage stellen, kommen mindestens zwei Trassenvarianten in Betracht, die westlich von Weißenberg verlaufen und den weiteren Bereich, in dem die genannten Grundstücke der Antragsteller liegen, nicht berühren. Dass der Vorhabenträger nicht diese Trassenvarianten, sondern eine die Antragsteller berührende Trassenführung favorisieren mag, ist insoweit ohne Bedeutung. Denn eine solche Präferenz wäre das Ergebnis eines selbständigen, mangels Verfahrenseinleitung für den Abschnitt 1.1 im Übrigen auch noch völlig unverbindlichen Entscheidungsprozesses, nicht jedoch zwingende Folge der im angegriffenen Planfeststellungsbeschluss enthaltenen Trassenfestlegung. Deswegen wird die Effektivität des Rechtsschutzes der Antragsteller gegenüber einem späteren Planfeststellungsbeschluss für den Bauabschnitt 1.1 durch einen bestandskräftig gewordenen, den Abschnitt 1.2 betreffenden Planfeststellungsbeschluss nicht beeinträchtigt, zumal eine Planung bei abschnittsweiser Verwirklichung nicht nur im ersten, sondern in jedem Teilstück dem Einwand standhalten muss, einem anderen Lösungskonzept unterlegen zu sein (BVerwG, Beschluss vom 2. November 1992 - BVerwG 4 B 205.92 - a.a.O. S. 104). Es ist aber nicht Ziel der "Zwangspunkt"-Rechtsprechung, vorhandene und hinreichende Rechtsschutzmöglichkeiten zu erweitern (BVerwG, Beschluss vom 1. Juli 2003 - BVerwG 4 VR 1.03 - a.a.O. S. 21 m.w.N.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 39 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG.