Beschluss vom 14.06.2004 -
BVerwG 4 BN 17.04ECLI:DE:BVerwG:2004:140604B4BN17.04.0

Beschluss

BVerwG 4 BN 17.04

  • Hessischer VGH - 29.01.2004 - AZ: VGH 3 N 2585/01

In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. Juni 2004
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht H a l a m a ,
Prof. Dr. R o j a h n und G a t z
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 29. Januar 2004 wird zurückgewiesen.
  2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat den Normenkontrollantrag des Antragstellers mit doppelter Begründung abgelehnt: Er hat die Antragsbefugnis und das Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers verneint. Die Beschwerde erhebt Zulassungsrügen zu jeder dieser Begründungen. Ist eine Entscheidung - wie hier - auf mehrere, jeweils für sich selbständig tragfähige Gründe gestützt worden, kann eine Beschwerde nach § 132 Abs. 2 VwGO nur Erfolg haben, wenn der Zulassungsgrund bei jedem der Urteilsgründe zulässig vorgetragen und gegeben ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. Juli 1973 - BVerwG 4 B 92.73 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 109, Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26; stRspr). Im vorliegenden Fall greifen die auf die Antragsbefugnis des Antragstellers zielenden Rügen nicht durch. Schon aus diesem Grund kann die zum Rechtsschutzbedürfnis erhobene Grundsatzrüge der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen.
1. Die zur Antragsbefugnis erhobenen Grundsatzrügen verleihen der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung.
a) Die Beschwerde möchte rechtsgrundsätzlich geklärt wissen, "ob der von dem Antragsteller in einem Normenkontrollverfahren befürchtete Nachteil durch die Aufhebung der zum naturschutzrechtlichen Ausgleich gedachten Ersatzfläche objektiv geringwertig ist und keine mögliche Rechtsverletzung im Sinne von § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO darstellt oder ob eine mögliche und erhebliche Rechtsverletzung im Sinne von § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO geltend gemacht wird, weil durch die Aufhebung der zum naturschutzrechtlichen Ausgleich gedachten Ersatzfläche die Möglichkeit einer landwirtschaftlichen Nutzung und Bebauung mit den typischerweise einhergehenden Emissionen geschaffen wird, insbesondere die Emissionen, die durch den Einsatz von Insektiziden und Fungiziden auf landwirtschaftlichen Flächen durch typische Tröpfchenverwirbelungen entstehen und eine benachbarte Wohnnutzung beeinträchtigen können".
Damit zeigt die Beschwerde keinen revisionsgerichtlichen Klärungsbedarf auf. Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist antragsbefugt, wer geltend machen kann, durch den Bebauungsplan in seinem Recht auf gerechte Abwägung seiner privaten Belange verletzt zu sein (BVerwG, Urteil vom 24. September 1998 - BVerwG 4 CN 2.98 - BVerwGE 107, 215 <220 ff.>). Nicht jeder private Belang ist in der Abwägung zu berücksichtigen. Nicht abwägungsbeachtlich sind insbesondere geringwertige Interessen (Senatsurteil vom 24. September 1998 a.a.O., S. 219). Es obliegt dem Normenkontrollgericht, unter Würdigung der tatsächlichen Umstände im Einzelfall das Gewicht eines geltend gemachten Belangs zu beurteilen. Der Verwaltungsgerichtshof hat die vom Antragsteller befürchteten Nachteile einer möglichen landwirtschaftlichen Nutzung nach der Aufhebung der zum naturschutzrechtlichen Ausgleich gedachten Ersatzfläche als geringwertig im Sinne dieser Rechtsprechung angesehen. Die Grundsatzrüge der Beschwerde ist auf die konkreten Umstände des vorliegenden Streitfalles zugeschnitten und beschränkt sich der Sache nach auf eine in das Gewand einer abstrakten Rechtsfrage gekleidete Kritik an der vorinstanzlichen Sachverhaltswürdigung und Abwägungskontrolle. Ein Revisionsverfahren böte keine Gelegenheit, Rechtsfragen zur Antragsbefugnis im Normenkontrollverfahren über den vorliegenden Einzelfall hinaus in verallgemeinerungsfähiger Weise für eine Vielzahl von Fällen zu klären.
b) Die Beschwerde wirft die Rechtsfrage auf, "ob ein Bebauungsplan nichtig ist, weil es zwei unterschiedliche Planurkunden gibt, und zwar einerseits die als Planendfassung bezeichnete Urkunde und einen davon abweichenden Auszug aus dem Bebauungsplan, den der Plangeber auf Anforderung einer Kopie des Bebauungsplanes mit dem Hinweis einem Bürger übergeben hat, es handele sich um einen Auszug aus dem Bebauungsplan". Auch diese Frage formuliert in verallgemeinernder Form einen Einwand des Antragstellers aus dem erstinstanzlichen Verfahren, den der Verwaltungsgerichtshof in den Gründen des angefochtenen Urteils (S. 10) eingehend erörtert und zurückweist. Die Grundsatzrüge der Beschwerde erschöpft sich in einer einzelfallbezogenen Kritik der vorinstanzlichen Sachverhaltswürdigung und führt nicht zu einer über den Einzelfall hinausgehenden Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung.
c) Die Beschwerde greift ferner die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs an, die Antragsbefugnis des Antragstellers ergebe sich auch nicht daraus, dass die Antragsgegnerin mit der Entlassung der "Ersatzfläche" als Ausgleichsfläche für naturschutzrechtliche Belange eine Voraussetzung für die Aufstellung eines weiteren Bebauungsplanes (für einen großflächigen Einzelhandel) in der unmittelbaren Nachbarschaft zu einem Grundstück im Eigentum des Antragstellers habe schaffen wollen. Die Beschwerde sieht als grundsätzlich klärungsbedürftig an, "welche Anforderungen an den inneren Kausalzusammenhang zwischen der angegriffenen Norm und einem später beschlossenen Bebauungsplan bestehen muss, damit die Anforderungen des § 42 Abs. 2 VwGO erfüllt sind".
Auch diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. Soweit sie im vorliegenden Streitfall entscheidungserheblich ist, lässt sie sich auf der Grundlage der gesetzlichen Vorschriften und dem Urteil des beschließenden Senats vom 24. September 1998 - BVerwG 4 CN 2.98 - (a.a.O., S. 220 ff.) ohne weiteres beantworten. Einem Antragsteller steht ein im Wege der Normenkontrolle nach § 47 VwGO durchsetzbarer Anspruch auf gerechte Abwägung der von ihm geltend gemachten privaten Belange nur dann zur Seite, wenn diese Belange zum "notwendigen Abwägungsmaterial" der planenden Gemeinde gehören. Der Kreis der relevanten Interessen, die im Rahmen der bauleitplanerischen Abwägung (§ 1 Abs. 6 BauGB) zu berücksichtigen sind, wird durch das jeweilige Planungsziel bestimmt. Die Zusammenstellung, Bewertung und Gewichtung der öffentlichen und privaten Belange müssen ein ausgewogenes Abwägungsergebnis gewährleisten. Hebt die Gemeinde die Festsetzung einer naturschutzrechtlichen Belangen dienenden Ersatzfläche in einem Änderungsbebauungsplan auf, steht bei dem Erlass dieses Planes aber noch nicht fest, welche Art der Bebauung auf der früheren Ersatzfläche angestrebt wird, ist die Gemeinde weder tatsächlich in der Lage noch rechtlich dazu verpflichtet, bereits im Zuge der Änderungsplanung potenzielle Nutzungskonflikte zu lösen, die erst durch die künftige Festsetzung der Nutzungsart auf der früheren Ersatzfläche entstehen könnten. So liegt der Fall hier. Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, dass im Zeitpunkt des Erlasses des streitbefangenen (Änderungs-)Bebauungsplans die Art der künftigen baulichen Nutzung auf der ehemaligen Ersatzfläche noch nicht festgestanden habe. Hiervon wäre auch in einem Revisionsverfahren auszugehen, da die Beschwerde gegen diese Tatsachenfeststellung keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen erhoben hat (§ 137 Abs. 2 VwGO).
Ein Revisionsverfahren gäbe dem Senat keinen Anlass, darüber hinausführenden Rechtsfragen zu dem von der Beschwerde angesprochenen "inneren Kausalzusammenhang zwischen der angegriffenen Norm und einem später beschlossenen Bebauungsplan" nachzugehen. Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass sich die Grundsätze, die das Bundesverwaltungsgericht in seinem - auch vom Verwaltungsgerichtshof herangezogenen - Beschluss vom 18. Dezember 1987 - BVerwG 4 NB 1.87 - Buchholz 406.401 § 15 BNatSchG Nr. 2 = NVwZ 1988, 728 (vgl. auch Beschluss vom 9. Februar 1995 - BVerwG 4 NB 17.94 - NVwZ 1995, 895) zu § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO a.F. aufgestellt hat, auf den 1996 neu gefassten § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO nicht übertragen lassen. Dies hat der Senat in seinem Urteil vom 11. Dezember 2003 - BVerwG 4 CN 10.02 - (DVBl 2004, 635) entschieden. Nach dem Senatsbeschluss vom 18. Dezember 1987 konnte sich ein Nachteil im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO a.F. daraus ergeben, dass durch die zur Normenkontrolle gestellte Verordnung der bestehende Landschaftsschutz für ein dem Grundstück des Antragstellers benachbartes Gebiet (ganz oder teilweise) gezielt aufgehoben wurde, um dort eine bestimmte, bisher nicht zulässige Nutzung durch Bebauungsplan zu ermöglichen. Diese Rechtsprechung stützt die Antragsbefugnis bei der Normenkontrolle einer landschaftsschutzrechtlichen Änderungsverordnung auf die Zurechenbarkeit von Nachteilen und will dem "handgreiflich-praktischen" Ursachenzusammenhang zwischen Verordnung und Bebauungsplan Rechnung tragen. Nach geltendem Recht setzt die Antragsbefugnis die Möglichkeit einer Rechtsverletzung durch die angegriffene Norm oder deren Anwendung voraus (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Der "Nachteil", der sich nach der früheren Rechtslage aus einem qualifizierten Ursachenzusammenhang zwischen Verordnung und Bebauungsplan ergeben mochte, wäre nach der Neufassung des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO gegenüber dem Verordnunggeber nur wehrfähig, wenn er Gegenstand eines gegen diesen gerichteten Rechtsanspruchs sein könnte (Senatsurteil vom 11. Dezember 2003 - BVerwG 4 CN 10.02 - a.a.O.). Entsprechendes gilt für das Verhältnis zwischen einem Bebauungsplan, der die Festsetzung einer Ersatzfläche aufhebt, und einem späteren Bebauungsplan, der die ehemalige Ersatzfläche überplant.
2. Anhaltspunkte dafür, dass der Verwaltungsgerichtshof den Anspruch des Antragstellers auf Gewährung rechtlichen Gehörs im Zusammenhang mit seinen Einwänden, die das Bestehen von Planurkunden mit unterschiedlichem Inhalt betreffen, verletzt haben könnte, zeigt die Beschwerde nicht auf. Die Vorinstanz setzt sich mit diesen Einwänden auf S. 10 der Urteilsgründe eingehend auseinander und weist sie zurück. Darin kann eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht gesehen werden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.